© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 027/19 Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Grundsteuer Aspekte der Einführung eines Flächenmodells Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Fragestellung Der Auftraggeber möchte wissen, ob die Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer auch durch die Länder erfolgen kann. Außerdem soll die Notwendigkeit einer verfassungsändernden 2/3-Mehrheit für die Einführung eines sogenannten Flächenmodells geprüft werden. 2. Neuregelung der steuerlichen Bemessungsgrundlage durch die Länder? Der Bund verfügt noch bis zum 31. Dezember 2019 über die Änderungsgesetzgebungskompetenz des Art. 125 a GG für eine Weiterentwicklung des für verfassungswidrig erklärten Einheitsbewertungssystems der Grundsteuer. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat das für verfassungswidrig erklärte Bewertungssystem nur noch bis zum 31. Dezember 2019 für anwendbar erklärt. Erlässt der Bundesgesetzgeber bis zu diesem Zeitpunkt keine neuen Bewertungsregelungen so entfällt mit dem bisherigen Bewertungsrecht auch die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 125 a GG. Die Länder besitzen im Bereich des Steuerrechts die Gesetzgebungskompetenz, wenn dem Bund der Steuerertrag weder allein oder noch zum Teil zusteht und die Voraussetzungen der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG nicht vorliegen, Art. 105 Abs. 2 Var. 2 GG. Die Grundsteuer ist eine Gemeindesteuer, ihr Aufkommen kommt allein den Gemeinden zu Gute. Die Gesetzgebungskompetenz liegt daher bei den Ländern, wenn die Voraussetzungen der Erforderlichkeitsklausel gemäß Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG für eine Bundesgesetzgebungskompetenz nicht vorliegen. Art. 72 Abs. 2 GG verleiht dem Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, wenn die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechtsoder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Ob diese Voraussetzungen für die Grundsteuer vorliegen, ist in der Literatur umstritten: So bejaht Becker1 zu Gunsten der Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung. Die Begründung liege jedoch weniger in der Vermeidung eines schädlichen Steuerwettbewerbs, sondern eher in der Einbeziehung der Grundsteuer in den Länderfinanzausgleich. Die Neutralisierung der Grundsteuer im Ausgleichssystem sei nur solange möglich, wie es eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer gäbe. Aus diesem Grund sei die bundesgesetzliche Regelung unverzichtbar.2 Hantzsch3 sieht dagegen die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG für die Grundsteuer als nicht erfüllt an. Eine länderspezifische Regelung der Grundsteuer würde weder die Funktionsfähigkeit 1 Becker, BB 2013, S. 861 (864 f.) 2 Becker: siehe Fn. 1, Seite 864 f. 3 Hantzsch, Dieter: „Reform der Grundsteuer durch den Bundesgesetzgeber?“ in: DStZ 2012, Seite 758-765 (761 f.) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 027/19 Seite 5 der Wirtschaft gefährden noch die Rechtseinheit beeinträchtigen. „Weder liegt ein diesbezüglicher Handlungsbedarf, eine Ausgangslage vor, noch ist die Grundsteuer das geeignete Mittel zur Problemlösung. […] Die Grundsteuer ist auf jeden Fall aber ein für den Bund ungeeignetes Regulierungsinstrument zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Der Grundsteuer fehlt für den Bundesmaßstab die erforderliche Finanzierungswirkung, denn der steuerliche Belastungszugriff hält sich derart in Grenzen, dass dieser Steuer ein relevanter Steuerungseffekt in dem zur Behebung des Missstandes erforderlichen Ausmaß nicht wirklich zugeschrieben werden kann. […] Einer Steuer, deren konkrete Belastungsausgestaltung nach örtlicher Politikentscheidung ausgerichtet (Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG) und deren Aufkommen vollständig den örtlichen Gebietskörperschaften zugewiesen ist (Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG), fehlt es an einem gesamtstaatlichen Steuerungs- und Umverteilungspotential. Sie kann kein Instrument des Bundes sein, im gesamtstaatlichen Interesse für eine Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse sorgen.“4 Auch für Prof. Seer5 ist eine Bundesgesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht erforderlich. „Zur Herstellung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet kann eine bundesgesetzliche Grundsteuer angesichts ihrer im gesamtstaatlichen Sinne geringen Finanzierungswirkung substantiell nichts beitragen.“6 Die zweite Variante der Erforderlichkeitsklausel, die eine Bundesgesetzgebungskompetenz zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Rechtsgemeinschaft und der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums begründet, sieht Seer ebenfalls als nicht gegeben an. „Es ist nicht erkennbar, warum angesichts ihres örtlich begrenzten Wirkungskreises Landesgrundsteuern den länderübergreifenden Rechtsverkehr nennenswert beeinträchtigen könnten. Bereits heute bewirken die Kommunen durch ihr Hebesatzrecht sogar innerhalb eines Landes ein deutlich unterschiedliches Besteuerungsniveau . § 1 Abs. 1 Grundsteuergesetz (GrStG) lässt es zu, dass Gemeinden sogar vollständig auf die Erhebung einer Grundsteuer in ihrem Gemeindegebiet verzichten. Dies hat aber bisher weder zu Steueroasen noch durch Wegzüge zu einem „Grundsteuer-Tourismus“ geführt.“7 Seer tritt auch dem Argument einer Regelungsnotwendigkeit durch den Bund auf Grund der in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG verankerten Hebesatz-Garantie der Gemeinden entgegen. Aus der Hebesatz -Garantie könne im Umkehrschluss nicht auf eine Bundeskompetenz geschlossen werden. „Vielmehr bedeutet die Garantie nur, dass den Kommunen – unabhängig davon, ob der Bund oder die Länder die Grundsteuer regeln – zur Wahrung ihrer finanziellen Eigenverantwortlichkeit (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) ein eigenes Hebesatzrecht zustehen soll.“8 4 Hantzsch: ebenda 5 Seer, Roman: „Grundsteuer nach dem Urteil des BVerfG vom 10.04.2018 – Analyse und Folgerungen“ in: Der Betrieb 2018, S. 1488-1495 6 Seer: ebenda, S. 1491 7 Seer: ebenda, S. 1491 8 Seer: ebenda, S. 1491 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 027/19 Seite 6 Auch dem Argument das die Systematik des Länderfinanzausgleichs eine bundeseinheitliche Regelung der Grundsteuer erfordere, tritt Seer entgegen. Die Tatsache, dass die Grundsteuer mit der jeweiligen Realsteuerkraft unter Ausblendung der tatsächlich angewendeten Hebesätze in den Finanzausgleich einbezogen werde, sei kein durchgreifendes Argument für eine Bundesgesetzgebungskompetenz . „Mit diesem Argument würde die von Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG vorausgesetzte Gesetzgebungskompetenz der Länder außerhalb der in Art. 105 Abs. 2a GG in der ausschließlichen Landesgesetzgebungskompetenz liegenden örtlichen Verbrauchund Aufwandsteuern praktisch leerlaufen. Dies wiederspräche der föderalen Konzeption des Art. 105 Abs. 2 GG. Daher ist der Länderfinanzausgleich vielmehr umgekehrt ggf. den Regelungen der Länder entsprechend anzupassen.“9 Ähnlich sieht es Kirchhof10 in seinem Gutachten für den Zentralen Immobilien Ausschuss: „Der Grundsteuer steht von Verfassungs wegen nur ein geringer Belastungsraum offen. Angesichts der strukturell geringen Steuerlast, aufgrund der in den gemeindlichen Hebesätzen bereits bestehenden Belastungsunterschiede (Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG) und der daraus folgenden verfassungsgebotenen Regionalisierung der Steuer48 bewirken unterschiedliche grundsteuerliche Regelungen keine Rechtszersplitterung und keine Handelsbeschränkungen. Besteuerungsunterschiede von Immobilien können ohnehin nur schwer Schranken und Hindernisse für den wirtschaftlichen Verkehr errichten, weil sich der Wirtschaftsverkehr maßgeblich in Waren und Dienstleistungen entfaltet. Eine die Bundeskompetenz auslösende erhebliche Auseinanderentwicklung der Grundsteuerlast ist nicht ersichtlich und in den engen Belastungsgrenzen des Grundgesetzes kaum möglich.49 Auch die einheitlichen Lebensverhältnisse werden aufgrund der bestehen örtlichen Radizierung und der geringen Steuerlast nicht in einem Maß beeinträchtigt, das zur Bundeskompetenz führt.50 Ohnehin belastet die Grundsteuer nicht jedermann, sondern den Grundbesitz , der Lebensverhältnisse sichert. In dieser Ausrichtung auf strukturell gesicherte Lebensverhältnisse können grundsteuerliche Belastungsunterschiede nur in Extremfällen zu einer mit der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse unvereinbaren Benachteiligung führen oder das bundesstaatliche Sozialgefüge erheblich beeinträchtigen. Für eine Neuregelung der Bemessung der Grundsteuer sind daher nach geltenden Verfassungsrecht die Länder zuständig. Tappe11 verweist in seinem Gutachten für das Bundesministerium der Finanzen (BMF) dagegen darauf, dass durch eine bundeseinheitliche Bestimmung des Steuergegenstands und eine Rechtseinheit bei der Bewertung sichergestellt werde, dass das Gepräge der Grundsteuer als Sollertragsteuer erhalten bleibe. „Eine Vielzahl unterschiedlicher Anknüpfungspunkte, die sich in der Diskussion beispielhaft mit dem „Flächenmodell“ bzw. dem „wertorientierten Modell“ andeuten, würde den einheitlichen Charakter der Grundsteuer – die immerhin im Grundgesetz ausdrücklich genannt ist (Art. 106 Abs. 6 GG spricht im Singular von „der Grundsteuer“, nicht von „den Grundsteuern“)– in Frage stellen. Hinzu kommt, dass die grundsteuerliche Bewertung bislang 9 Seer: ebenda, S. 1491 10 Kirchhof, Gregor: „Die Reform der Grundsteuer und das Maß des Grundgesetzes“, https://www.zia-deutschland .de/fileadmin/Redaktion/Meta_Service/PDF/G._Kirchhof__Gutachten_ZIA__10.1.2019.pdf [zuletzt abgerufen am 27.02.2019], S. 10 f. 11 Tappe, Henning: „Gesetzgebungskompetenz für die Reform der Grundsteuer“ in der Ausschussdrucksache des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages 19(7) – 158, S. 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 027/19 Seite 7 vielfältige Querbezüge zu anderen Steuern und auch zu außersteuerlichen Regelungen aufweist. So sieht § 9 Nr. 1 GewStG eine pauschalierte Kürzung vor, um die Doppelbelastung mit Grundund Gewerbesteuer zu verringern, die im Rahmen der Grundsteuer vorgenommene bundeseinheitliche Bewertung von Grundbesitz hat z.B. Bedeutung für die landwirtschaftliche Sozialversicherung . Schließlich wird auch für die Zwecke des bundestaatlichen Finanzausgleichs (Art. 107 Abs. 2 GG) zur Bestimmung der gemeindlichen Finanzkraft auf die pauschalierten Grundsteuereinnahmen Bezug genommen (Steuerkraft, § 8 FAG).“12 Das BVerfG lässt in seinem Urteil zur Grundsteuer den Meinungsstreit in der Literatur um die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG offen. Zwar benennt das BVerfG die unterschiedlichen Positionen zu dieser Frage. Letztlich stellt das BVerfG jedoch nur fest, dass für das derzeit noch anwendbare Bewertungssystem der Einheitsbewertung entweder Artikel 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG oder Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG anwendbar seien. Über die Gesetzgebungskompetenz für völlig neuartige Bewertungs- und Besteuerungsmodelle musste das BVerfG in diesem Urteil nicht entscheiden. Zusammenfassung: Die überwiegenden Stimmen in der Literatur gehen davon aus, dass die Voraussetzungen der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG für eine Gesetzgebung zur Neubestimmung der Bewertungsregelungen zur Grundsteuer nicht vorliegen. Damit würde die Gesetzgebungskompetenz den Ländern obliegen, eine gesonderte Übertragung durch eine Verfassungsänderung wäre hierfür nicht erforderlich. 3. Verfassungsänderung für die Einführung des Flächenmodells? Eine verfassungsändernde 2/3-Mehrheit im Deutschen Bundestag und Bundesrat für die Einführung einer Bundesgesetzgebungskompetenz zur Grundsteuer wäre für die Einführung eines Flächenmodell erforderlich, wenn das Flächenmodell nicht der Gesetzgebungskompetenz des Art. 125a Abs. 2 GG zur Weiterentwicklung des bestehenden Rechts unterfiele (3.1.) und nicht die Voraussetzungen der Erforderlichkeitsklausel des Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG (3.2.) vorliegen. Das Flächenmodell sieht eine Wertermittlung allein auf der Grundlage der Grundstücks-, Wohnund Nutzfläche vor. 3.1. Gesetzgebungskompetenz des Art. 125a Abs. 2 GG für das Flächenmodell? Art. 125a Abs. 2 GG gibt dem Bund die Möglichkeit das Recht, das auf Grund des Artikels 72 Abs. 2 GG in der bis zum 15. November 1994 geltenden Fassung erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 72 Abs. 2 GG nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, als Bundesrecht fortzuentwickeln. 12 Tappe: ebenda Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 027/19 Seite 8 Das BVerfG führt zur Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 125a Abs. 2 GG in seinem Urteil vom 10. April 201813 Folgendes aus: „Die bestehende Regelung (gilt) nach Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG als Bundesrecht fort, solange sie nicht in wesentlichen Elementen geändert wird. Denn die Zuständigkeit zur Änderung solcher fortgeltender Vorschriften verbleibt ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG beim Bundesgesetzgeber, soweit die Änderung die wesentlichen Elemente der in dem fortbestehenden Bundesgesetz enthaltenen Regelung beibehält und keine grundlegende Neukonzeption enthält (vgl. BVerfGE 111, 10 <28 ff.>; 112, 226 <250>). Danach kann sich das geltende Recht der für die Grundsteuer maßgeblichen Einheitsbewertung für Grundbesitz nach wie vor auf eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes stützen. Die wesentlichen Elemente der Einheitsbewertung im Bewertungsgesetz sind nach der Einfügung der Erforderlichkeitsklausel in den Art. 72 Abs. 2 GG zum 15. November 1994 unverändert geblieben. Eine Neukonzeption dieses Teils des Bewertungsgesetzes hat seither nicht stattgefunden.“14 „Wann eine Neukonzeption vorliegt, ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. […]Mit Blick auf das im Steuerrecht maßgebliche „Folgerichtigkeitsgebot“ hat das BVerfG deutlich gemacht, dass es an einer Neukonzeption fehle, wenn die neue[n] Regeln nach Ziel und Wirkung eine Orientierung an alternativen Prinzipien nicht erkennen lassen“. Insbesondere dann, wenn im Übrigen unveränderte Grundentscheidungen vorliegen, bedürfe es „greifbarer Anhaltspunkte – etwa die Einbettung in ein nach und nach zu verwirklichendes Grundkonzept“ um eine Neukonzeption annehmen zu können. Demgegenüber ist es eine „Änderung “ mit der Folge, dass das Bundesrecht fortgeschrieben werden kann, „solange die wesentlichen Elemente der bisherigen Regelung beibehalten bleiben“.“15 Das Flächenmodell kann jedoch nicht als Fortentwicklung des bisherigen Systems der Einheitsbewertung angesehen werden. Es stellt vielmehr eine grundsätzliche Neukonzeption der Bestimmung der steuerlichen Bemessungsgrundlage der Grundsteuer dar. „Eine reine Flächensteuer oder sogenannte Äquivalenzmodelle, die Grundstücksflächen und Bebauung mittels Äquivalenzzahlen gewichten, würden die Bemessungsgrundlage des geltenden Bewertungsgesetzes ebenso wechseln […].“16 Eine Gesetzgebungskompetenz für die Einführung des Flächenmodells ergibt sich somit nicht aus Art. 125a Abs. 2 GG. 13 BVerfG, Urteil vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14 14 BVerfG, Urteil vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14 –, Rn. 89 (juris) 15 Tappe, Henning: „Gesetzgebungskompetenz für die Reform der Grundsteuer“ in der Ausschussdrucksache des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages 19(7) – 158, S. 7 16 Mayer, Christian: „Perspektiven und Schranken einer GrSt-Reform nach dem BVerfG-Urteil vom 10.04.2018“ in: Der Betrieb 2018, S. 2200-2212 (2201) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 027/19 Seite 9 3.2. Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG Wie bereits oben – unter 2. – ausgeführt, werden die Voraussetzungen der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG in der Literatur für die Grundsteuer überwiegend als nicht mehr gegeben angesehen. Ergebnis: Die Einführung eines Flächenmodells durch den Bundesgesetzgeber wäre somit mit den bestehenden Gesetzgebungskompetenzen nicht möglich. Es bedürfte einer verfassungsändernden 2/3-Mehrheit im Deutschen Bundestag und im Bundesrat um dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer zu übertragen, bevor das Flächenmodell eingeführt werden könnte. ***