© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 026/17 Veräußerung von Immobilien/Liegenschaften gemeinnütziger oder kirchlicher Stiftungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Vorbemerkung Inhalt der Fragestellung ist, ob eine gemeinnützige bzw. kirchliche Stiftung ihren Gemeinnützigkeitsstatus verliert, wenn sie eine Immobilie/Liegenschaft nicht zum Höchstpreis, sondern zum Verkehrswert verkauft. 2. Gemeinnützigkeit nach der Abgabenordnung (AO) Steuerbegünstigt nach der Abgabenordnung (AO) ist eine Körperschaft, wenn sie ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige (§ 52 AO), mildtätige (§ 53 AO) oder kirchliche Zwecke (§ 54 AO) verfolgt. Gemäß § 52 Abs. 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Die Steuerbegünstigung für Körperschaften ergibt sich aus §§ 51 ff. AO und setzt die Verfolgung dieser Zwecke voraus. Die steuerliche Begünstigung der Gemeinwohlorientierung einer Körperschaft knüpft an drei Grundprinzipien – die Selbstlosigkeit (§ 55 AO), die Ausschließlichkeit (§ 56 AO) und die Unmittelbarkeit (§ 57 AO). Alle diese drei Voraussetzungen selbstlose Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet ausschließliche Förderung der in der Satzung festgelegten Zwecke und unmittelbare Verfolgung der steuerbegünstigten Zwecke müssen erfüllt sein, um als gemeinnützige Körperschaft anerkannt zu werden. Aktivitäten, die gesetzlich normierte Gemeinwohlziele verfolgen und damit der Verwirklichung normierter öffentlicher Interessen dienen, sind stets gemeinnützig. Der gemeinnützigkeitsrechtliche Status kann jedoch bei formellen oder materiellen Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben der §§ 51 ff. AO wieder aberkannt werden. Die Feststellung der Gemeinnützigkeit obliegt dem Finanzamt. Hierbei werden, wie § 59 AO verlangt, die formelle Satzungsmäßigkeit (§ 60 AO) sowie die tatsächliche Geschäftsführung (§ 63 AO) überprüft. Während die formelle Satzungsmäßigkeit vorschreibt, dass die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein müssen, dass allein auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind, stellt sich im Rahmen der tatsächlichen Geschäftsführung die Frage nach der ausschließlichen und unmittelbaren Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke. Zu den materiellen Verstößen gegen allgemeine gemeinnützigkeitsrechtliche Bestimmungen zählen :1 Verstoß gegen Grundsätze der Ausschließlichkeit und Selbstlosigkeit, §§ 55, 56 AO Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit, § 57 AO Missbräuchliche Spendenbescheinigungspraxis Verstoß gegen die zeitnahe Mittelverwendung Fehlerhafte Mittelverwendung (Verstoß gegen den Grundsatz der Vermögensbindung nach § 61 Abs. 3 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) und 1 Schauhoff: Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 10, Rn. 65-73, S. 729-738 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 026/17 Seite 5 Förderung der Allgemeinheit, § 52 Abs. 1 AO 3. Stiftungsrecht nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) Kirchliche Stiftungen gehören zur Gruppe der gemeinnützigen und mildtätigen Stiftungen. Sie müssen die Voraussetzungen des Gemeinnützigkeitsrechts erfüllen, um steuerbefreit zu sein. Die stiftungsrechtlichen Rahmenbedingungen ergeben sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 80 ff BGB) und den Stiftungsgesetzen der Länder. Grundlage für das Handeln einer Stiftung ist ihre Satzung (§ 81 BGB), in der die Stiftungszwecke niedergeschrieben sind. „Eine Stiftung erlangt den Status der Gemeinnützigkeit nur dann, wenn sie nicht nur gemeinnützige Zwecke verfolgt, sondern darüber hinaus diese Tätigkeit ausschließlich, unmittelbar und selbstlos erbringt.“2 Für die ausschließliche und selbstlose Verfolgung der satzungsmäßigen Zwecke sind die Erwirtschaftung ausreichender Erträge und der Erhalt eines bestimmten Vermögens notwendig. Die wirtschaftliche ist hierbei der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit unterzuordnen . Der Vermögenserhalt ist jedoch nicht als Selbstzweck zu verstehen, sondern dient nach entsprechender Festlegung in der Satzung der Erfüllung der Stiftungszwecke. Die Stiftungsgesetze der Länder sind allgemein gefasst und umfassen folgende Grundsätze: Erträge des Stiftungsvermögens sind ausschließlich für den Stiftungszweck einzusetzen und Stiftungsvermögen ist in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten. Aus den Stiftungsgesetzen und der Abgabenordnung (§ 51 ff AO) lassen sich keine konkreten Hinweise zur Verwaltung des Stiftungsvermögens ableiten. Der Gesetzgeber hat sich hier bewusst zurückgehalten, um die Gestaltungsspielräume der Stiftungsvorstände zu erweitern und ihre Eigenverantwortung zu stärken. Gemeinnützige Stiftungen stehen unter der Rechtsaufsicht des jeweiligen Landes, die kirchlichen Stiftungen unter der Rechtsaufsicht der zuständigen Kirche. Ordnungsgemäße Verwaltung des Stiftungsvermögens beinhaltet auch „einen bestmöglichen Einsatz der Vermögenserträge zur Verwirklichung der Stiftungszwecke im Rahmen der Stiftungssatzung .“3 Nach Tipke/Kruse ist die Erzielung von Vermögenserträgen grundsätzlich nicht gemeinnützigkeitsschädlich .4 Die Erhaltung des Stiftungsvermögens darf jedoch nicht Selbstzweck sein; sie schließt eine gegenwartsnahe Verwendung der Stiftungserträge zur Erfüllung der Stiftungszwecke ein. Das kann auch dazu führen, dass Stiftungsvermögen verbraucht (verkauft) werden muss. Die Zulässigkeit 2 Schauhoff: Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 3, Rn. 58, S. 144 3 Schauhoff: Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 3, Rn. 91, S. 160 4 Tipke/Kruse: Kommentar Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 55, Rn. 14, S. 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 026/17 Seite 6 des Verbrauchs von Stiftungsvermögens für die Erfüllung der Satzungszwecke muss in der Satzung festgelegt sein. 4. Bezug auf die Fragestellung Die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um als gemeinnützige Körperschaft anerkannt zu werden, sind bereits unter den Punkten 2. und 3. genannt. Die Frage, ob eine gemeinnützige und/oder kirchliche Stiftung ihren Gemeinnützigkeitsstatus verliert, wenn sie ihre Immobilie/ Liegenschaft zum Verkehrswert und nicht zum Höchstwert verkauft, kann erst nach der Prüfung des Einzelfalles beantwortet werden. Der Gesetzgeber verpflichtet die Stiftung nur zur selbstlosen, ausschließlichen und unmittelbaren Verfolgung der satzungsmäßigen Zwecke. Er hat in Bezug auf die konkrete Frage nach der Höhe des Verkaufspreises keine detaillierten Festlegungen getroffen. Diese Entscheidung über die Festlegung des Verkaufspreises liegt zunächst bei der jeweiligen Stiftung selbst. Sie muss sich jedoch mit der zuständigen Aufsichtsbehörde abstimmen und diese in die Entscheidung einbeziehen. Maßgeblich für eine Veräußerung von Immobilien oder Liegenschaften ist nach dem Stiftungsrecht die Satzung. Die Möglichkeit der Veräußerung von Vermögen muss, in der Satzung festgelegt und mit dem Stifter abgestimmt sein. Die Erträge aus dem Vermögen müssen gemäß der Abgabenordnung in jedem Fall der Erfüllung der Stiftungszwecke im Rahmen der Stiftungssatzung dienen und zeitnah verwendet werden. Die Regelung basiert auf der satzungsmäßigen Vermögensbindung nach § 61 Abs. 1 und 3 AO und den Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung nach § 63 Abs. 2 AO. Der Gesetzgeber hat hier klargestellt, dass das Vermögen an die steuerbegünstigten Zwecke, wie es § 55 Abs. 2 Nr. 4 vorschreibt, gebunden ist. Für den Fall, dass die Geschäftsführung diese Vermögensbindung und damit die Prinzipien der Selbstlosigkeit, Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit verletzt, wäre ein Verlust der Steuerbegünstigung die Folge. 5. Fazit Der Verkauf eines Grundstückes/ einer Liegenschaft zum Verkehrswert dürfte eher dem Kriterium der Selbstlosigkeit entsprechen und nicht zum Verlust des Gemeinnützigkeitsstatus führen. Es ist in diesem Zusammenhang abzuwägen, ob das Streben nach dem Höchstpreis beim Immobilien - oder Liegenschaftsverkauf dem Inhalt der Selbstlosigkeit entgegensteht. Nach dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) handelt eine Körperschaft selbstlos, „wenn sie weder selbst noch zugunsten ihrer Mitglieder eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Ist die Tätigkeit einer Körperschaft in erster Linie auf Mehrung ihres eigenen Vermögens gerichtet, so handelt sie nicht selbstlos.“5 *** 5 AEAO zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO