© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 024/17 Einzelfragen zur Vollverzinsung im Steuerrecht Verfassungsmäßigkeit von § 233 a i.V.m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/17 Seite 2 Einzelfragen zur Vollverzinsung im Steuerrecht Verfassungsmäßigkeit von § 233 a i.V.m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 024/17 Abschluss der Arbeit: 17.03.2017 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Rechtliche Grundlagen der Vollverzinsung 4 2.1. Einfachgesetzliche Grundlage 4 2.2. Verfassungsrechtliche Beurteilung 5 2.3. Zwischenergebnis 6 3. Verfassungsmäßigkeit angesichts der Niedrigzinsphase 6 3.1. Stand der Literatur 6 3.2. Stand der Rechtsprechung 8 4. Haftungsfragen 8 4.1. Ansprüche aus nicht ordnungsgemäßer Verwaltung 8 4.2. Weitere Ansprüche gegen Bund, Länder und Kommunen 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/17 Seite 4 1. Fragestellung Durch die veränderte Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) infolge der Finanzmarktkrise sind die Zinsen in der Eurozone auf ein historisches Tief gesunken. Seit März 2016 gilt ein EZB-Leitzins von 0 %. Der deutsche Basiszins gemäß § 247 BGB ist seit dem 01. Januar 2013 negativ .1 Eine Veränderung ist nicht in Sicht. Der EZB-Rat geht weiterhin davon aus, dass das Zinsniveau europaweit für längere Zeit niedrig bleiben wird.2 Im Steuerrecht gilt seit nunmehr über 40 Jahren unverändert ein Zinssatz von 0,5 % für jeden vollen Monat, § 238 Abs. 1 S. 1 Abgabenordnung (AO). Dieser Zinssatz gilt auch für die Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen gemäß § 233 a AO (sog. Vollverzinsung). Die fehlende Anpassung der Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen an das Marktzinsniveau wird zunehmend kritisiert.3 Der Zinssatz aus § 238 AO sei weder realitätsgerecht noch verfassungskonform . In diesem Zusammenhang ist die Frage vorgelegt worden, ob es eine rechtliche Grundlage gibt, die vorschreibt, dass die Vollverzinsung mit den Marktzinsen (Basiszinssatz, Lombardzins, Diskontsatz , EZB-Zinssatz) korrelieren muss. Ferner wird um Auskunft gebeten, welche Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Vollverzinsung angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase bestehen. Der letzte Abschnitt der nachfolgenden Arbeit befasst sich ferner mit der Frage, ob bei unterstellter Verfassungswidrigkeit des § 238 AO Ersatzansprüche gegen den Bund, die Länder oder die Kommunen geltend gemacht werden können. 2. Rechtliche Grundlagen der Vollverzinsung 2.1. Einfachgesetzliche Grundlage Die Vollverzinsung ist einfachgesetzlich in § 233 a AO geregelt. Gemäß § 233 a Abs. 1 AO ist der Unterschiedsbetrag, der sich bei der Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zwischen festgesetzter Steuer und Vorauszahlungen ergibt, zu verzinsen . Der dafür maßgebliche Zinssatz beläuft sich auf 0,5 % für jeden vollen Monat, § 238 Abs. 1 S. 1 AO. 1 Basiszinssatz bekanntgeben durch die Deutsche Bundesbank, Abruf: 15.03.2017 um 10:18 Uhr unter: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Standardartikel/Bundesbank/Zinssaetze/basiszinssatz.html 2 Pressemitteilung der EZB vom 09.03.2017, Abruf: 15.03.2017 um 10:21 Uhr unter: https://www.ecb.europa .eu/press/pr/date/2017/html/pr170309.de.html 3 Aus der Fachliteratur u.a. Beckmann/Thiele, BB 2016, 2829 ff.; Ortheil, BB 2015, 675 ff.; Seer, DB 2014, 1945 ff.; Hey, FR 2014, 485 ff.; Loose, DStJG (31) 08, 218; aus der Presse: Hessens Finanzminister Thomas Schäfer in: Die Welt, 27.01.2017 S. 10 - Quelle: Deutscher Bundestag – Pressedokumentation. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/17 Seite 5 Mit der Einführung der Vollverzinsung im Jahre 1990 wollte der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zwar einheitlich jeweils spätestens zum Jahresende entstehen, aber zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig werden .4 Aus Gründen der Praktikabilität und Vereinfachung der Verwaltung sollte an dem bereits bestehenden Zinssatz aus § 238 Abs. 1 S. 1 AO festgehalten werden.5 2.2. Verfassungsrechtliche Beurteilung Fraglich ist jedoch, ob die Entscheidung des Gesetzgebers für einen festen und einheitlichen Zinssatz in Höhe von 6 % verfassungskonform ist. Zudem soll geklärt werden, ob sich eine Pflicht zur Anpassung des § 238 AO an das Marktzinsniveau aus verfassungsrechtlichen Parametern ergibt. Der allgemeine Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Allerdings dürfen sachlich gerechtfertigte Ausnahmen gemacht werden. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber auf dem Gebiet des Steuerrechts einen weitreichenden Entscheidungsspielraum.6 Da Steuerverfahren in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens sind, dürfe der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung Sachverhalte , an die dieselben steuerlichen Folgen geknüpft werden, typisieren und damit im weiten Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falls vernachlässigen.7 Vor diesem Hintergrund ist auch § 233 a AO geprüft worden. Die Annahme, dass durch zeitliche Verzögerungen Liquiditätsvorteile bzw. Liquiditätsnachteile entstehen, sei nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht zu beanstanden.8 Dass es im Einzelfall zu hohen Zinsbelastungen kommen kann, wird dadurch gerechtfertigt, dass die hohen Zinsen bei der Vollverzinsung gleichsam zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirken.9 Das heißt, dass letztlich die Gründe der Verwaltungsvereinfachung die durch § 233 a AO entstehenden Ungleichbehandlungen rechtfertigen können. Der Gesetzgeber hat sich im Bereich des verfassungsrechtlichen Zulässigen bewegt.10 4 BT- Drucksache 11/2157 S. 194. 5 BT- Drucksache 11/2157 S. 194. 6 BVerfG, Beschluss v. 4.12.2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00. 7 BVerfG, Beschluss v. 03.09.2009 - 1 BvR 2539/07 Rn. 17. 8 BVerfG, Beschluss v. 03.09.2009 - 1 BvR 2539/07 Rn. 22. 9 BVerfG, Beschluss v. 03.09.2009 - 1 BvR 2539/07 Rn. 23. 10 BVerfG, Beschluss v. 03.09.2009 - 1 BvR 2539/07 Rn. 23. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/17 Seite 6 Auch ein Verstoß gegen das Übermaßverbot konnte das BVerfG nicht feststellen.11 Im Interesse der Vereinfachung der Verwaltung sei es geboten und zulässig einen festen Zins von 0,5 % zu bestimmen . Die Verwaltung könne nicht im Einzelfall ermitteln, welche Zinsvorteile oder Zinsnachteile tatsächlich entstanden sind. Auch eine Anpassung an den jeweiligen Marktzins oder Basiszins nach § 247 BGB würde wegen dessen Schwankungen zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im Einzelfall festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zeitraum zugrunde zu legen sind.12 In vielen Fällen sei eine solche Ermittlung auch gar nicht möglich, weil es von den subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet.13 Zudem sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung wiederrum zu berücksichtigen , dass der hohe Zinssatz des § 238 Abs. 1 S. 1 AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt.14 2.3. Zwischenergebnis Es gibt nach der Rechtsprechung des BVerfG keine (verfassungs-)rechtliche Grundlage aus der hervorgeht, dass der Zinssatz der allgemeinen Abgabenordnung mit (Markt-) Zinssätzen, wie unter anderem dem EZB-Zinssatz, Basiszinssatz, Lombardsatz oder Diskontsatz, korrelieren muss. Der Steuergesetzgeber hat aus Gründen der Praktikabilität und Vereinfachung der Verwaltung einen typisierenden festen Zinssatz in § 238 Abs. 1 S. 1 AO angeordnet. Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts - im Jahre 2009 - ist diese Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. 3. Verfassungsmäßigkeit angesichts der Niedrigzinsphase Etwas anderes könnte sich vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen am Finanzmarkt ergeben. 3.1. Stand der Literatur Aus Sicht namhafter Vertreter in der Fachliteratur ist der Zinssatz aus § 238 Abs. 1 S. 1 AO nicht (mehr) verfassungskonform. Zur Begründung wird im Wesentlichen auf folgendes verwiesen: Dem Zweck des § 233 a AO sei es immanent, dass sich rein tatsächlich am Markt vergleichbare Zinsen erzielen lassen.15 Unabhängig von der Frage mit welchem Zinssatz der § 238 AO verglichen werden kann, können heute weder im Bereich der Habenzinsen noch im Bereich der Sollzinsen 6 % erzielt werden.16 Ein Festhalten am Zinssatz in Höhe von 6 % sei daher nicht ange- 11 BVerfG, Beschluss v. 03.09.2009 - 1 BvR 2539/07 Rn. 29. 12 BVerfG, Beschluss v. 03.09.2009 - 1 BvR 2539/07 Rn. 29. 13 BVerfG, Beschluss v.03.09.2009 - 1 BvR 2539/07 Rn. 29. 14 BVerfG, Beschluss v. 03.09.2009 - 1 BvR 2539/07 Rn. 29. 15 Hey, FR 2016, S. 485 (490). 16 Hey, FR 2016, S. 485 (490); Ortheil, BB 2015, S. 675 (676). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/17 Seite 7 messen. Die Diskrepanz zum Marktzinsniveau könne auch nicht mehr mit Praktikabilitätserwägungen gerechtfertigt werden, da es heutzutage technisch möglich sei, einen Zinssatz flexibel auszugestalten.17 Das zeigt zum Beispiel der Basiszins aus § 247 BGB. Weiterhin wirkten die hohen Zinsen zwar sowohl zulasten als auch zugunsten des Steuerpflichtige , allerdings besteht kein innerer Zusammenhang zwischen Nachzahlungs- und Erstattungszinsen .18 Zumeist ist die Belastung der Steuerpflichtigen durch Steuernachzahlungen viel größer als die Begünstigung.19 Das belegen die vergleichsweise hohen Einnahmen des Fiskus durch Zinsen auf Steuernachzahlungen.20 Darüber hinaus verstoße ein Zinssatz von 6 % auf Steuernachzahlungen gegen das Übermaßverbot .21 Durch die hohen Zinsen wirke eine Steuernachzahlung wie eine Sanktion.22 Die Sanktionierung verspäteter Abgaben von Steuererklärungen sei allerdings nicht das Ziel der Verzinsung. Dafür existierten die Säumniszuschläge nach § 240 AO. Letztlich wurde auch ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG in Erwägung gezogen. Die mögliche Belastung durch hohe Zinsnachzahlungen im Nachhinein könne dazu führen, dass die finanzschwächeren Steuerpflichtigen kein Rechtsmittel eingelegen, obwohl sie einen Steuerbescheid für rechtswidrig halten.23 Damit werde der effektive Rechtsschutz faktisch verkürzt. Nach alledem spricht aus Sicht der Literatur vieles dafür, den Zinssatz im § 238 AO zu korrigieren . Allerdings steht dem Gesetzgeber neben dem weiten Gestaltungsspielraum auch ein Beobachtungszeitraum zu. Dies führt dazu, dass er auf veränderte Umstände nicht sofort reagieren muss, da eine einmal getroffene Entscheidung oftmals nur schwer rückgängig zu machen ist. Auch das Argument stößt auf Kritik, da sich zum einen das Zinsniveau seit mehreren Jahren auf einem Tiefpunkt befindet und zum anderen heutzutage aufgrund moderner Technik schnelle und variable Lösungen gefunden werden könnten.24 17 Hey, FR 2016, S. 485 (490). 18 Hey, FR 2016, S. 485 (490). 19 Loose in FS Kruse (2001), S. 300. 20 BT- Drucksache 18/2795, S. 4. 21 Ortheil, BB 2015, 675 (676). 22 Seer, DB 2014, S. 1948. 23 Seer, DB 2014, S. 1948 (1949). 24 Vgl. Hey, FR 2016, S. 485 (490 f.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/17 Seite 8 3.2. Stand der Rechtsprechung Der Bundesfinanzhof hat bislang nicht die Verfassungsmäßigkeit der Vollverzinsung gemäß § 233 a i.V.m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO bezweifelt.25 Das gilt jedenfalls für die Veranlagungszeiträume bis 2011. Das Gericht räumt ein, dass aufgrund moderner EDV-Technik keine erheblichen praktischen Schwierigkeiten für eine Anpassung an den Marktzins mehr bestehen, hält aber im Übrigen an den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (2009) auch für die Veranlagungszeiträume 2005 – 2011 fest.26 Der Zinssatz aus § 238 AO halte sich noch in einem zu der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen, da sich die das Zinsniveau bestimmenden Umstände noch nicht in einer Weise geändert haben, die Anlass zum Abweichen gäben.27 Zudem spreche der Grundsatz der Rechtskontinuität für ein Festhalten am Zinssatz aus § 238 AO.28 Für die Veranlagungszeiträume nach 2011 lässt der Bundesfinanzhof offen, ob sich die Verhältnisse derart geändert haben, dass der Gesetzgeber gehalten ist, seine Entscheidung anhand der veränderten Umstände zu prüfen.29 Ein Verfahren zu aktuellen Veranlagungszeiträumen ist seit Januar 2016 beim Bundesfinanzhof anhängig.30 Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof für die Veranlagungszeiträume nach 2011, anders als bisher, Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vollverzinsung äußert. 4. Haftungsfragen Abschließend soll geklärt werden, ob gegen den Bund, die Länder oder die Kommunen, bei unterstellter Verfassungswidrigkeit des § 238 AO, Ansprüche geltend gemacht werden können. 4.1. Ansprüche aus nicht ordnungsgemäßer Verwaltung Aus Art. 104 a Abs. 5 S. 1 GG kann sich ein Anspruch der Länder oder der Kommunen gegen den Bund wegen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung ergeben.31 Der Bund haftet gegenüber den Ländern , soweit er ihm Rahmen der bundeseigenen Verwaltung durch eine objektive Pflichtverletzung unmittelbar Ländervermögen geschädigt hat. Unterstellt man die Verfassungswidrigkeit des 25 BFH, Beschluss v. 21.10.2015 – V B 36/15; Urteil v. 14.04.2015 – IX R 5/14; Urteil v. 01.07.2014 – IX R 31/13. 26 BFH, Urteil v. 01.07.2014 – IX R 31/13 Rn. 16. 27 BFH, Urteil v. 01.07.2014 – IX R 31/13 Rn. 18. 28 BFH, Urteil v. 01.07.2014 – IX R 31/13 Rn. 18. 29 BFH, Urteil v. 01.07.2014 – IX R 31/13 Rn. 21. 30 Anhängiges Verfahren, Az.: I R 77/15. 31 Maunz in: Dürig/Maunz GG Art. 104a Rn. 66-72, beck-online. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/17 Seite 9 § 238 AO, geht es jedoch nicht um eine nicht ordnungsgemäße Verwaltung, sondern um Schadensersatzansprüche aus nicht ordnungsgemäßer Gesetzgebung. Daher scheidet Art. 104 a Abs. 5 S. 1 AO als Anspruchsgrundlage aus. 4.2. Weitere Ansprüche gegen Bund, Länder und Kommunen Gegen den Bund kommt ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht . Dafür wäre erforderlich, dass in Ausübung eines öffentlichen Amtes eine drittbezogene Amtspflicht schuldhaft verletzt worden ist. Die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs ist grundsätzlich sowohl im Verhältnis zwischen Bürger und Staat als auch im Verhältnis zwischen Kommunen und Staat möglich.32 Der Bundesgerichtshof hat bislang jedoch stets eine Haftung für legislatives Fehlverhalten im Rahmen der Amtshaftung ausgeschlossen, da Mitglieder der Gesetzgebung in der Regel ausschließlich Aufgaben der Allgemeinheit wahrnehmen würden. Nur ausnahmsweise, etwas bei Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen, könne eine drittbezogene Amtspflicht wegen individueller Betroffenheit einer bestimmten Person oder Personengruppe bestehen.33 Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor, da es sich bei § 238 AO um eine generell-abstrakte Rechtsnorm handelt. Folglich scheidet ein Amtshaftungsanspruch aus. Weitere Ersatzansprüche gegen den Bund sind nicht ersichtlich. Die Haftung des Staates für legislatives Unrecht wurde zuletzt am Beispiel des Atomausstiegs diskutiert und letztlich vereint. 34 Ansprüche gegen die Länder und gegen die Kommunen sind ebenfalls nicht ersichtlich, da sie ein gültiges Bundesgesetz vollziehen. *** 32 Burgi, Kommunalrecht, 5. Auflage 2015, § 9, Rn. 22 f. 33 BGH, Urteil v. 07.07.1988, II ZR 198/87. 34 Schmitt/Werner: Die Staatshaftung für legislatives Unrecht am Beispiel des Atomausstiegs, NVwZ 2017, 21.