© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 023/19 Überlegungen zur gewerbesteuerlichen Begünstigung von Betriebswohnungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 023/19 Seite 2 Überlegungen zur gewerbesteuerlichen Begünstigung von Betriebswohnungen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 023/19 Abschluss der Arbeit: 27. Februar 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 023/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Gibt es zur Tragfähigkeit eines solchen Konzepts belastbare Studien und Informationen? 4 3. Ist eine bundesgesetzliche Anpassung der Gewerbesteuer möglich? Sind insbesondere die Änderungen des GewStG bundesrechtlich für die Umsetzung ausreichend? 4 3.1. Gesetzgebungskompetenz 4 3.2. Kürzungen des Gewerbeertrags 6 3.3. Fazit 8 4. Ist der langfristige Rückgang der Gewerbesteuer fakultativ, da der Konjunkturkreislauf im lokalen Markt angeregt wird, was wiederum zu direkten Steuerrückflüssen auf allen Ebenen führt oder erleidet nicht die Kommune einen so hohen Verlust, dass die Rentabilität einer solchen Maßnahme ausbleibt? 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 023/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber bittet um Beantwortung diverser Einzelfragen zur Gewerbesteuer. Den Fragestellungen liegt der Reformgedanke zu Grunde, dass eine Gemeinde ihren Hebesatz für Gewerbebetriebe senken kann, wenn diese Betriebswohnungen für ihre Mitarbeiter bauen und damit zu einer Entspannung des Wohnungsmarktes beitragen. 2. Gibt es zur Tragfähigkeit eines solchen Konzepts belastbare Studien und Informationen? Den Wissenschaftlichen Diensten liegen keine belastbaren Untersuchungen zu der Thematik vor. 3. Ist eine bundesgesetzliche Anpassung der Gewerbesteuer möglich? Sind insbesondere die Änderungen des GewStG bundesrechtlich für die Umsetzung ausreichend? 3.1. Gesetzgebungskompetenz Nach Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG ist den Gemeinden das Recht einzuräumen, für die Gewerbesteuer einen Hebesatz festzusetzen. Der als ein Vomhundertsatz ausgestaltete Hebesatz wird auf den bestimmenden Steuermessbetrag angewandt und ergibt die individuelle Steuerschuld.1 Die Höhe der Hebesätze kann durch das ausgestaltende Gesetz nach oben und unten begrenzt werden. Nach § 16 Abs. 4 S. 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) liegt der Gewerbesteuerhebesatz bei mindestens 200 v.H., um Steueroasen mit einem geringeren Hebesatz zu verhindern.2 Den Bundesländern fehlt die (ausschließliche) Gesetzgebungskompetenz für die Gewerbesteuer. Aus Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG wird die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Gewerbesteuer bejaht. Zwar steht dem Bund der Ertrag der Gewerbesteuer nicht zu, da es sich um eine reine Kommunalsteuer handelt. Literatur3 und Rechtsprechung gehen jedoch davon aus, dass die Bemessungsgrundlage zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit bundesgesetzlich geregelt werden kann. Da der Bund den Bereich der Gewerbesteuer geregelt hat, fehlt es für die Gesetzgebungskompetenz der Länder insoweit an vom Bund nicht ausgeschöpften Regelungsbereichen. Um den vorgeschlagenen Reformgedanken umzusetzen, müsste den Gemeinden die Möglichkeit im GewStG eingeräumt werden verschiedene Hebesätze anzuwenden. Dies wirft diverse verfassungsrechtliche Probleme auf. § 16 Abs. 4 S. 1 GewStG legt verbindlich fest, dass der Hebesatz für alle in der Gemeinde vorhandenen Unternehmen der gleiche sein muss. Damit ist es den Gemeinden nicht möglich einen differenzierten Hebesatz für einzelne Unternehmen oder für bestimmte Stadtteile ihrer Kommune festzulegen. 1 BeckOK Grundgesetz/Kub, GG, Art. 106, Rn. 38. 2 BeckOK Grundgesetz/Kub, GG, Art. 106, Rn. 38. 3 Maunz/Dürig: Grundgesetz, Art. 105 Rn. 160. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 023/19 Seite 5 Eine Änderung von § 16 Abs. 4 S. 1 GewStG müsste mit verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar sein. Hierfür gelten folgende Grundsätze: Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Diese grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen , an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert , wird für den Bereich des Steuerrechts vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch die Ausrichtung der Steuerlast an den Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit 4 und der Folgerichtigkeit5. Nach früherer Rechtslage gab es Ausnahmen von dem Grundsatz der Hebesatzgleichheit. Zum Beispiel konnte nach § 17 Abs. 1 GewStG bei Bank-, Kredit- und Wareneinzelhandelsunternehmen , die ihre Geschäftsleitung nicht in der betreffenden Gemeinde hatten, die Hebesätze um bis zu 3/10 höher festgesetzt werden, als für die anderen Gewerbetreibenden in der Gemeinde (sog. Zweigstellensteuer). Diese Vorschrift ist durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden (BVerfG 1 BvR 771/59 u. a. v. 13.7.65, BStBl III 67, 355, für die Wareneinzelhandelsunternehmen ;1 BvR 25/64 v. 14.2.67, BStBl III 67, 355 für die Bank- und Kreditunternehmen). Nach der Rechtsprechung des BVerfG muss sich eine Differenzierung auch am Zweck der Gewerbesteuer messen. Die Gewerbesteuer verfolgt den Zweck, die besonderen Belastungen und Aufwendungen der Gemeinden wegen des Vorhandenseins von Gewerbebetrieben auszugleichen. Nach Ansicht des BVerfG lassen sich keine Gründe für eine erhöhte Gewerbesteuer für solche Bank- und Kreditunternehmen finden, die aus überörtlichen Betriebsstätten Einnahmen erzielen.6 Eine mögliche Aufhebung des Differenzierungsverbots könnte zudem gegen den allgemeinen Gleichheitssatz im Steuerrecht verstoßen. Auch die Gewerbesteuer orientiert sich inzwischen am Leistungsfähigkeitsprinzip.7 Der Gesetzgeber unterliegt in diesem Bereich einer strengeren verfassungsrechtlichen Bindung. „Für den an diesem Maßstab zu messenden Steuertarif entfaltet sich der Gleichheitssatz in horizontaler Richtung; die Steuerpflichten müssen bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden. In vertikaler Richtung muss die Besteuerung der wirtschaftlich Leistungsfähigeren im Vergleich mit der Steuerbelastung wirtschaftlich weniger Leistungsstarker angemessen 4 Steuerpflichtige müssen bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden („horizontale“ Steuergerechtigkeit ), während (in „vertikaler“ Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen und eine angemessen (unterschiedlich hohe) Besteuerung vorgenommen werden muss. Vgl. dazu: BVerfGE 82, 60 (89) – NJW 1990, 2869 (2872); BVerf GE 112, 268 (279) – NJW 2005, 2448. 5 Die einmal getroffene Belastungsentscheidung muss bei Beachtung des Art. 3 Abs. 1 GG folgerichtig und widerspruchsfrei im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Vgl. dazu: BVerfGE 84, 239 (271) – NJW 1991, 2129; BVerfGE 93, 121 (136) – NJW 1995, 2615. 6 Fock, Ernst u.a.: Praxis der Kommunalverwaltung, GewStG § 16, Rn. 390. 7 Tipke/Lang: Steuerrecht, §12, Rn. 1. m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 023/19 Seite 6 unterschieden sein. Werden weniger leistungsfähige Steuerschuldner mit einem höheren Steuersatz besteuert als wirtschaftlich leistungsfähigere, ist diese Ungleichbehandlung rechtfertigungsbedürftig . Dieser Vergleich einer Belastung je nach finanzieller Leistungsfähigkeit ist unabhängig von der Frage, ob leistungsfähige Steuerschuldner absolut einen höheren Steuerbetrag zu zahlen haben als leistungsschwächere Steuerschuldner. Wenn der Steuertarif mit steigender Leistungsfähigkeit (Bemessungsgrundlage) abnimmt und damit dem Leistungsfähigkeitsprinzip entgegen gesetzt wirkt, so ist diese Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen.“8 Eine Aufhebung des Differenzierungsverbots müsste somit zumindest sicherstellen, dass Differenzierungen im Hebesatz sich am Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientieren. Differenzierte Hebesätze, bspw. nach Branchen, dürften im Ergebnis nicht dazu führen, dass weniger Leistungsfähige einen höheren Hebesatz auferlegt bekämen als leistungsstärkere Marktteilnehmer , nur weil sie in unterschiedlichen Branchen tätig sind. Es ist davon auszugehen, dass das BVerfG dem Bundesgesetzgeber Vorkehrungen gegen eine gleichheitswidrige Branchenbesteuerung durch die Kommunen abverlangen würde, um der Wahrung des Leistungsfähigkeitsprinzips Rechnung zu tragen. Zudem könnte durch eine Aufhebung des Differenzierungsverbots eine unüberschaubare Rechtsvielfalt entstehen. „Die Grundlagen der Besteuerung erfordern vielmehr (…) eine einheitliche Regelung im Sinne der notwendigen Rechtseinheit für steuerpflichtige Unternehmen und die staatlichen Ebenen unabhängig vom betrieblichen Standort und dort divergierenden Landesregelungen . Gestützt wird diese Wertung im Hinblick auf die schädlichen Folgen divergierender Landesregelungen für die Wirtschaftseinheit.“9 Fraglich wäre damit, ob eine Differenzierung der Hebesätze auf Grundlage des Merkmals „Errichtung und Verpachtung von Betriebswohnungen“ möglich wäre. Im Umkehrschluss zur Urteilsbegründung des BVerfG zur Zweigstellensteuer müssten sich Gründe für einen niedrigeren Hebesatz anführen lassen, der für Gewerbebetriebe gelten soll, die Betriebswohnungen für ihre Beschäftigten unterhalten und vermieten. Zwar könnte argumentiert werden, dass diese Gewerbebetriebe zur Entspannung am Wohnungsmarkt, insbesondere in Ballungsgebieten, beitragen könnten , jedoch wäre zu hinterfragen, ob der Bau und dann die Vermietung, mit der die Gewerbebetriebe Einnahmen und eventuell Gewinn generieren, so zu bewerten sind, dass eine Reduktion des Gewerbesteuerhebesatzes für den gesamten Gewinn des Gewerbebetriebes rechtfertigbar wäre. Zudem könnten sich aus dem Merkmal „Errichtung und Verpachtung von Betriebswohnungen “ verschiedene Hebesätze für branchengleiche Gewerbebetriebe ergeben oder leistungsstärkere Gewerbebetriebe einen niedrigeren Hebesatz auferlegt bekommen, als leistungsschwächere Betriebe. 3.2. Kürzungen des Gewerbeertrags Kürzungen im Sinne des Reformgedankens des Auftraggebers kennt das GewStG nicht. In § 9 Nr. 1 S.1 GewStG ist die in der täglichen Praxis bei weitem bedeutsamste Kürzung geregelt. 8 Maunz/Dürig: Grundgesetz. Kommentar; Art. 3 Abs. 1 Rn. 269 9 Faber, Michael: Die Kommunen zwischen Finanzautonomie und staatlicher Aufsicht- Vorgaben zur Einnahmeoptimierung und Ausgabenkontrolle in der Haushaltssicherung, S. 28f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 023/19 Seite 7 Sinn und Zweck dieser Kürzung ist es im Kern, eine Doppelbelastung durch Grundsteuer und Gewerbesteuer zu vermeiden. Denn der auf den Grundbesitz des Unternehmens entfallende Ertrag ist in dem nach dem EStG für den Gewerbebetrieb ermittelten Gewinn enthalten. Dieser Gewinn gilt als Besteuerungsgrundlage auch für die Gewerbeertragsteuer. Grundbesitz unterfällt aber zugleich bereits der Grundsteuer, unabhängig davon, ob er zum Betriebsvermögen oder Privatvermögen gehört. Diese zweifache Belastung gilt es zu vermeiden, ohne dass allerdings von einem sich aus dem Gesetzeszweck ergebenden allgemeinen Grundsatz des Ausschlusses von Doppelbelastungen auszugehen wäre. Die Inanspruchnahme der pauschalierten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG setzt zwar explizit voraus, dass der Grundbesitz nicht von der Grundsteuer befreit ist. Sie hängt jedoch nach wie vor nicht davon ab, dass der Grundbesitz auch tatsächlich zur Grundsteuer herangezogen wird; so ist etwa die Einheitswert-Feststellung mit 0 einer kürzungsschädlichen Grundsteuer-Befreiung nicht gleichzusetzen. Die Vorschrift bezweckt damit zugleich die Gleichstellung der auf eigenem Grund und Boden tätigen Gewerbebetriebe mit solchen, die ihrem Gewerbe in gemieteten Räumlichkeiten nachgehen und die gezahlte Miete als Betriebsausgabe geltend machen können.10 Die Sätze 2 und 3 des § 9 Nr. 1 GewStG bestimmen, wer die gegenüber der pauschalen Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG erweiterte Vergünstigungen in welchem Umfang in Anspruch nehmen kann.11 Die erweiterte Kürzung kann von Grundstücksunternehmen grundsätzlich nur für die eigentlich begünstigte (Haupt-)Tätigkeit, also die ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes , beansprucht werden. Ansonsten von dem Unternehmen ausgeübte Tätigkeiten sind entweder begünstigungsschädlich und führen zur Versagung der Vergünstigung in vollem Umfange oder sie sind zwar begünstigungsunschädlich, aber ihrerseits nicht begünstigt. Zu diesen erlaubten , aber nicht begünstigten Tätigkeiten gehören nach § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG die Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögen (§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG), die Betreuung von Wohnungsbauten (§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG) sowie die Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern , Eigentumswohnungen und Teileigentum (§ 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG).12 Begünstigt ist nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG lediglich die „Verwaltung und Nutzung“ eigenen Grundbesitzes . Der Begriff „Verwaltung und Nutzung“ entspricht dem ertragsteuerlichen Begriff der Vermögensverwaltung . Denn die erweiterte Kürzung kann dann nicht gewährt werden, wenn die Grundstücksverwaltung des Unternehmens den Bereich der reinen Vermögensverwaltung verlässt und als solche gewerblichen Charakter annimmt.13 Wann im Einzelfall eine „Verwaltung und Nutzung “ eigenen Grundbesitzes als private Vermögensverwaltung in Abgrenzung zu einer gewerblichen Tätigkeit vorliegt, ist nach den gleichen Grundsätzen zu entscheiden, die auch für die Abgrenzung zwischen Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 EStG bzw. 10 Blümich/Gosch, GewStG, § 9, Rn. 19. 11 Blümich/Gosch, GewStG, § 9, Rn. 40. 12 Blümich/Gosch, GewStG, § 9, Rn. 55. 13 Blümich/Gosch, GewStG, § 9, Rn. 57. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 023/19 Seite 8 § 2 Abs. 1 GewStG gelten.14 In der Rechtsprechung und Literatur wird der Begriff der Vermögensverwaltung in einem weiteren Sinne verstanden. Eingeschlossen sollen – im Folgenden nur beispielhaft – auch folgende Aktivitäten sein: - Durchführung von Neubautätigkeiten in eigenem Namen und für eigene Rechnung auf eigenem Grund und Boden sowie die Verwaltung fertiggestellter eigener Wohngebäude; - Erbauung von Reiheneinfamilienhäusern unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und spätere Übertragung der Häuser auf geeignete Bewerber auf Verlangen des öffentlichen Darlehnsgebers .15 Keine Verwaltung und Nutzung von Grundbesitz, sondern gewerbliche Tätigkeit soll vorliegen (ebenfalls nur beispielhaft) bei: - Anschaffung und Verwaltung von Grundstücken in der Absicht, sie später zu bebauen und zu veräußern; - Baupatenverfahren, bei denen der Grundstückseigentümer (Baupate) durch ein Betreuungsunternehmen eine größere Anzahl von Kaufeigenheimen zu dem Zweck errichtet, diese an Kaufanwärter zu vermieten und nach Ablauf einer gewissen Zeit zu veräußern; - steter und häufiger Mieterwechsel bei einem und demselben Objekt.16 Als erlaubte, aber nicht begünstigte Tätigkeit nennt das Gesetz die Betreuung von Wohnungsbauten . Was darunter im Einzelnen zu verstehen ist, umschreibt das Gesetz allerdings nicht.17 Der Begriff „Wohnungsbauten“ umfasst lediglich zu Wohnzwecken dienende Gebäude, eingeschlossen Mietgrundstücke, Einfamilienhäuser, Häuser, die aus Eigentumswohnungen bestehen. Nicht einbezogen sind betrieblich genutzte Grundstücke, z. B. Bürohäuser, Geschäftshäuser, Lagerhallen , unbebaute Grundstücke. Zweifelhaft ist, ob auch gemischt-genutzte Grundstücke zu den Wohnungsbauten gehören. Das Gesetz selbst trifft hier keine Differenzierung. Es spricht vorbehaltlos und ausschließlich von „Wohnungsbauten“. Damit deutet bereits der Wortlaut auf einen Ausschluss der gemischt-genutzten Grundstücke hin. Eine solche Auslegung wird zudem durch die systematische Überlegung gestützt, dass nach § 9 Nr. 1 S. 3 GewStG die Errichtung und Veräußerung von Teileigentum nur in den Fällen einer betrieblichen Gebäudenutzung von maximal 33 ⅓ % begünstigungsunschädlich ist. 3.3. Fazit Unter Berücksichtigung der dargestellten rechtlichen Rahmenbedingungen obliegen dem Bundesgesetzgeber die Modifikationen beim GewStG im Sinne des Reformgedankens des Auftraggebers umzusetzen. Dabei wird bereits nach geltender Rechtslage der gewerbesteuerliche Gewinn für zum Betriebsvermögen gehörende Grundbesitz gekürzt. Inwieweit eine weitergehende Kürzung 14 Blümich/Gosch, GewStG, § 9, Rn. 58. 15 Blümich/Gosch, GewStG, § 9, Rn. 59. 16 Blümich/Gosch, GewStG, § 9, Rn. 60. 17 Blümich/Gosch, GewStG, § 9, Rn. 94. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 023/19 Seite 9 für Betriebswohnungen zulässig wäre, kann in allgemeiner Form nicht verbindlich festgestellt werden. 4. Ist der langfristige Rückgang der Gewerbesteuer fakultativ, da der Konjunkturkreislauf im lokalen Markt angeregt wird, was wiederum zu direkten Steuerrückflüssen auf allen Ebenen führt oder erleidet nicht die Kommune einen so hohen Verlust, dass die Rentabilität einer solchen Maßnahme ausbleibt? Inwieweit Steuersenkungen sich selbst refinanzieren ist wissenschaftlich umstritten. Die bisher veröffentlichten Überlegungen beziehen sich auf die Steuern von Einkommen. Die sogenannte Laffer- Kurve stellt einen Zusammenhang von Steuersatz und Steuereinnahmen her. „Sie basiert auf der Annahme , dass mit steigenden Steuersätzen die Ausweichreaktionen zunehmen und sich daher die Steuerbasis verringert. Ausgehend von einem Steuersatz von Null, bei dem keine Einnahmen erzielt werden, kann durch eine Steuersatzerhöhung das Steueraufkommen vermehrt werden. Wegen der zunehmenden Ausweichreaktionen werden die durch Steuererhöhungen erzielbaren Einnahmezuwächse aber immer geringer, bis sie schließlich negativ werden. Das heißt, ab einem bestimmten Punkt können zwar die Steuersätze weiter erhöht werden, aber das Steueraufkommen beginnt zu sinken und erreicht schließlich Null bei einem Steuersatz von 100 Prozent. Würde die Steuer 100 Prozent des Einkommens betragen, würde, überspitzt formuliert, der Laffer-Kurve zufolge niemand mehr arbeiten.“18 Auch nach Einschätzung des Instituts für Makroökonomie (IMK) haben verringerte Sätze bei Einkommen - und Gewinnsteuern zwar eine positive Wirkung auf Nachfrage und Produktion, jedoch können „die daraus erwachsenen Zusatzeinnahmen für Fiskus und Sozialversicherungen die ursprünglichen Einnahmeausfälle aber nicht annähernd ausgleichen.“19 Die Untersuchung von Trabandt und Uhlig aus 2010 kommt im Lichte der Laffer-Kurve zu der Erkenntnis, dass die Steuersätze in Europa höher ausfallen könnten (Einkommensteuer 10% und Kapitalsteuern 8%).20 Trabandt und Uhlig vertreten den Standpunkt, dass sich eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer in Deutschland aber ungefähr zur Hälfte selbst finanziert.21 Hinsichtlich möglicher Auswirkungen einer Senkung der Gewerbesteuerlast liegen keine belastbaren Untersuchungen vor. Im vorliegenden Fall müsste zudem bedacht werden, dass die infrage kommenden Unternehmen größtenteils Zerlegungsfälle wären. Unter einer Zerlegung i. S. d. § 28 18 Sieling, Carsten: „Steuersenkungen finanzieren sich selbst“, im Internet unter: https://steuermythen.de/mythen /mythos-12/ [25.02.19]. 19 IMK: Kostspielige Steuersenkungen, 06/2010, im Internet unter: https://www.boeckler.de/22511_22520.htm# [25.02.2019]. 20 Trabandt/Uhlig: How far are we from the slippery slope?, The Laffe Curve revisited, Working Paper Series No. 1174, April 2010, S. 32. 21 FAZ: Wann Steuersenkungen sich selbst finanzieren, 26.10.09, im Internet unter: https://www.faz.net/aktuell /wirtschaft/wirtschaftswissen/steuerpolitik-wann-steuersenkungen-sich-selbst-finanzieren- 1870406.html#void [25.02.2019]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 023/19 Seite 10 GewStG ist die Aufteilung des Gewerbesteuermessbetrags auf mehrere hebeberechtigten Gemeinden zu verstehen. Der auf die einzelnen Gemeinden entfallende Anteil am Gewerbesteuermessbetrag ist der Zerlegungsanteil (§ 28 Abs. 1 S. 1 GewStG). Zweck der Zerlegung ist es, den Gewerbebetrieb grundsätzlich in allen Gemeinden zur Gewerbesteuer heranzuziehen, in denen er im Erhebungszeitraum eine Betriebsstätte unterhalten hat. Die Gemeinden sollen ein – nicht notwendig vollständiges – Äquivalent für die Lasten erhalten, die ihnen durch die Betriebsstätte entstehen . Die Zerlegung ersetzt jedoch keinen Finanzausgleich (BFH IV R 114/73 v. 3.10.75, BStBl II 76, 123; I R 23/06 v. 4.4.07, BStBl II 07, 836). Sie ist erforderlich, weil die Besteuerungsgrundlage Gewerbeertrag nicht für die einzelnen Betriebsstätten oder Teile von ihnen ermittelt wird und weil auch der Steuermessbetrag für den gesamten der Gewerbesteuer unterliegenden Gewerbebetrieb und nicht für einzelne Betriebsstätten(teile) festgesetzt wird.22 Somit wäre fraglich, ob die Stadt X auf Gewerbesteuereinnahmen verzichtet, damit in Stadt Y neue Wohnungen gebaut werden . *** 22 Blümich/Hofmeister, GewStG, § 28, Rn. 3.