© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 020/19 Einzelfragen zum Konnexitätsprinzip Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 020/19 Seite 2 Einzelfragen zum Konnexitätsprinzip Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 020/19 Abschluss der Arbeit: 14. Februar 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 020/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Regelungen nach Art. 104a GG 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 020/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber bittet um Beantwortung diverser Einzelfragen zum Konnexitätsprinzip. Diese werden gebündelt beantwortet. 2. Regelungen nach Art. 104a GG Zunächst werden die Regelungen nach Art. 104a GG überblicksartig dargestellt. Im Anschluss werden die für die Beantwortung der Einzelfragen relevanten Einzelnormen intensiver beleuchtet . Als Ausgangsnorm der bundesstaatlichen Finanzverfassung regelt Art. 104a GG die Lastentragung im Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Nach Art. 104a Abs. 1 GG folgt die Ausgabenlast grundsätzlich der Aufgabenverwaltungskompetenz (Konnexitätsgrundsatz). Jedoch trägt gem. Art. 104a Abs. 2 GG der Bund die Zweckausgaben, wenn die Länder im Auftrag des Bundeshandeln . Art. 104a Abs. 3 S. 1 GG ermächtigt den Bund, in Bundesgeldleistungsgesetzen eine quotale Lastentragung des Bundes vorzusehen. Liegt die Eigenbeteiligung des Bundes bei mindestens 50 von Hundert, wird das Gesetz nach Art. 104a Abs. 3 S. 2 GG im Auftrag des Bundes durchgeführt. Bundesgesetze, die in Landeseigenverwaltung oder nach Art. 104a Abs. 3 S. 2 GG im Auftrag des Bundes ausgeführt werden und Pflichten zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen begründen, bedürfen gem. Art. 104a Abs. 4 GG der Zustimmung des Bundesrates, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind. Nach Art. 104a Abs. 5 S. 1 Hs. 1 GG haben Bund und Länder ihre Verwaltungsausgaben selbst zu tragen. Art. 104a Abs. 5 S. 1 Hs. 2 GG sieht einen Haftungsanspruch von Bund und Ländern im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung vor. Nach Art. 104a Abs. 6 S. 1 GG folgt die bundesstaatliche Lastentragung aufgrund finanzwirksamer Entscheidungen zwischenstaatlicher Einrichtungen wegen der Verletzung supranationaler oder völkerrechtlicher Verpflichtungen Deutschlands dem Verursacherprinzip. In Fällen länderübergreifender Finanzkorrekturen kommt es nach Art. 104a Abs. 6 S. 2 und S. 3 GG zu einer beschränkten Solidarhaftung der Gebietskörperschaften. Die bundesstaatliche Finanzverfassung enthält größtenteils keine unmittelbar vollziehbaren Maßstäbe , sondern verpflichtet den Gesetzgeber, das verfassungsrechtlich nur in unbestimmten Begriffen festgelegte Steuerverteilungs- und Ausgleichssystem entsprechend den vorgefundenen finanzwirtschaftlichen Verhältnissen und finanzwissenschaftlichen Erkenntnissen gesetzlich zu konkretisieren.1 Der wichtigste Grundsatz für die Ausgabenverteilung, wonach sich die Ausgabenlast im allgemeinen nach der Aufgabenverantwortung richtet, hatte bisher zur Lehre von den sogenannten Zweckausgaben geführt. Sie besagte im Grund, dass es darauf ankomme, ob der Bund oder das Land (die Länder) Ausgaben veranlassen, um einen bestimmten, in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Zweck zu erreichen. Die Zweckausgabentheorie und das Veranlassungsprinzip können 1 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104a, Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 020/19 Seite 5 heute nicht mehr aufrechterhalten werden; Art. 104a GG hat sich gegen diese Lehren entschieden .2 Ein wichtiger Fragenkreis, bei dem die Zweckausgabe und die Ausgabenveranlassung umstritten waren, ist nunmehr – über den bisherigen Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG hinaus – durch eine ausdrückliche Regelung klargestellt worden. Es ist der die bisherige Praxis bestätigende und die Rechtslage damit klarstellende Abs. 2, demzufolge der Bund, falls die Länder im Auftrag des Bundes handeln, die „daraus sich ergebenden Ausgaben“ trägt.3 In ihrer zuständigkeitsabgrenzenden Funktion schützt die Regelung des Abs. 1 die Gebietskörperschaften davor, Kostenlasten jenseits ihrer Aufgaben aufgebürdet zu erhalten.4 Abs. 1 gilt im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ebenso wie zwischen verschiedenen Ländern. Im Verhältnis zwischen Bund und Kommunen gilt Abs. 1 mittelbar, weil die Kommunen finanzverfassungsrechtlich den Ländern zugerechnet werden.5 Handeln die Länder im Auftrag des Bundes, trägt nach Art. 104a Abs. 2 GG der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben. Die Vorschrift regelt eine Ausnahme vom Konnexitätsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG; dies gilt jedenfalls dann, wenn man – angesichts der Zielsetzungen des Art. 104a Abs. 1 GG zutreffend – auf die Wahrnehmungskompetenz des Landes, nicht auf die materielle Verwaltungsverantwortung des Bundes abstellt. Art. 104a Abs. 2 GG begründet sich dadurch, dass dem Bund im Fall der Bundesauftragsverwaltung weitgehende Weisungsbefugnisse zustehen. Die Vorschrift bezieht sich aber allein auf Zweckausgaben.6 Art. 104a Abs. 2 GG greift grundsätzlich in allen Fällen, in denen das Grundgesetz vorsieht, dass die Länder im Auftrag des Bundes tätig werden. Ob die Auftragsverwaltung grundgesetzlich zwingend vorgeschrieben oder aber dem einfachen Gesetzgeber die Ausgestaltungsentscheidung überlassen ist, ist im Rahmen von Art. 104a Abs. 2 GG unerheblich.7 Nach Art. 104a Abs. 3 S. 1 GG kann der Bund in dem jeweiligen Geldleistungsgesetz bestimmen , dass die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden.8 Wenn die Länder Bundesgesetze ausführen, durch die Geldleistungen an Stellen außerhalb des öffentlichen Dienstes erfolgen, dann können diese Gesetze bestimmen, dass eine gemeinschaftliche Finanzierung von Bund und Ländern stattfindet, und zwar nach unterschiedlichen, im einzelnen Gesetz festgelegten Anteilen. Dies kommt z.B. in Betracht beim Sparprämiengesetz, beim Wohnungsbauprämiengesetz, beim Wohngeldgesetz, beim Ausbildungsförderungsgesetz. Außer 2 Maunz/Dürig/Maunz, GG, Art. 104a, Rn. 8. 3 Maunz/Dürig/Maunz, GG, Art. 104a, Rn. 8. 4 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104a, Rn. 5. 5 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104a, Rn. 8. 6 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104a, Rn. 28f. 7 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104a, Rn. 31. 8 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104a, Rn. 37. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 020/19 Seite 6 der Zulassung einer differenzierten Ausgabenlast ist gleichzeitig auch die Verwaltungsart generell , d.h. unabhängig von der einzelnen gesetzlichen Regelung, festgelegt. Wenn nämlich der Bund die Hälfte oder mehr der Zweckausgaben trägt, tritt automatisch für den Vollzug des Gesetzes die Auftragsverwaltung ein (Art. 86 GG). Trägt der Bund weniger, so wird die Verwaltung als eigene Angelegenheit geführt (Art. 83 GG). Schließlich ist auch noch die Zustimmungsbedürftigkeit des einzelnen Gesetzes je nach dem Ausmaß der Ausgabenlast geordnet. Wenn nämlich die Länder ein Viertel der Ausgaben oder mehr tragen, handelt es sich um ein Zustimmungsgesetz. Tragen sie weniger, so liegt ein Einspruchsgesetz vor.9 Darüber hinaus sind auch Bundesgesetze zustimmungsbedürftig, die die Länder zur Gewährung von geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten verpflichten, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind, soweit den Ländern durch den Bundesgesetzgeber keine wesentlichen Spielräume zur landeseigenen Bestimmung des Ausmaßes der Leistungspflichten eingeräumt werden. Hierunter fallen etwa die Verpflichtungen der Länder zur Schaffung und Unterhaltung von Aufnahmeeinrichtungen für die Unterbringung von Asylbewerbern, zur Erbringung von Schuldnerberatungen oder zur Bereitstellung von Tagesbetreuungsplätzen für Kinder oder auch Heilbehandlungsmaßnahmen im Bereich der Sozialversicherung.10 *** 9 Maunz/Dürig/Maunz, GG, Art. 104a, Rn. 29. 10 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104a, Rn. 43. So auch Pielke, Cora: Das Konnexitätsprinzip in der deutschen Verfassung, Hamburg 2010, S. 45.