© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 019/19 Einzelfragen zur Rückforderung von Zuwendungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 019/19 Seite 2 Einzelfragen zur Rückforderung von Zuwendungen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 – 019/19 Abschluss der Arbeit: 14. März 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 019/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einzelne Fragen 4 2.1. Kann ein Zuwendungsgeber auch nach deutlichem Verstreichen der in der o.g. Verwaltungsvorschrift festgelegten Prüffristen für Verwendungsnachweise noch legitim Rückforderungen an lokale Träger stellen? 4 2.2. Inwieweit haben die Fördermittelt ausschüttenden Bundesministerien rechtliche Handlungsoptionen gegenüber Zuwendungsgebern, die die Prüffristen nicht einhalten? Hätte ein Bundeministerium beispielsweise eine rechtliche Handhabe gegenüber einem Zuwendungsgeber, um auf Kulanz zu drängen, sofern dieser nach einer deutlich verspäteten Verwendungsnachweisprüfung legitime Rückforderungen an einen lokalen Projektträger stellt? 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 019/19 Seite 4 1. Fragestellung Vorliegendem Auftrag liegen die folgenden Fragen zur Realisierung von Erstattungsansprüchen im Rahmen der Zuwendungsförderung zugrunde. 2. Einzelne Fragen 2.1. Kann ein Zuwendungsgeber auch nach deutlichem Verstreichen der in der o.g. Verwaltungsvorschrift 1 festgelegten Prüffristen für Verwendungsnachweise noch legitim Rückforderungen an lokale Träger stellen? Das Zuwendungsrecht ist im Schnittpunkt zwischen dem Haushalts- und Verwaltungsverfahrensrecht angesiedelt. Das Verwaltungsverfahren zur Bewilligung und Rückforderung von Zuwendungen richtet sich in der Regel nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)2. Zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis im Zuwendungsbereich enthalten die Verwaltungsvorschriften zu § 44 Abs. 1 Bundeshaushaltsordnung (BHO)3 nähere Bestimmungen. Dieses Regelwerk enthält verbindliche Dienstanweisungen für die Bewilligungsbehörden sowie Allgemeine Nebenbestimmungen4, die jeweils für die betreffenden Förderfallgruppen zum Bestandteil des Zuwendungsbescheides zu machen sind und dadurch für den Zuwendungsempfänger verbindlich werden.5 Die in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften zu § 44 Abs. 1 BHO festgelegten Fristen hinsichtlich der Prüfung von Verwendungsnachweisen stellen eine verbindliche Dienstanweisung für den Zuwendungsgeber dar. Hierbei handelt es sich nicht um eine Rechtsnorm, sondern um eine interne Vorschrift der Verwaltung, die keine Außenwirkung entfaltet.6 Die Überschreitung der Prüfungsfristen durch den Zuwendungsgeber lässt daher den Rückforderungsanspruch gegen den Zuwendungsnehmer, etwa wegen zweckwidriger Mittelverwendung, unberührt. Im Hinblick auf die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs kommt grundsätzlich die Einrede der Verjährung durch den Zuwendungsnehmer in Betracht. Bei der Rückforderung von Zuwendungen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche nach § 49 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG.7 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet auf den Erstat- 1 Verwaltungsvorschriften zu § 44 Abs. 1 Bundeshaushaltsordnung. 2 Vom 25.05.1976 in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.01.2003, BGBl. I S. 102, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 18.12.2018, BGBl. I S. 2639. 3 Vom 19.8.1969, BGBl. I s. 1273, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 14.8.2017, BGBl. I S. 3122. 4 Z. B. ANBest-P für die Projektförderung allgemein. 5 Vgl. Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 42. Erg.-Lfg., Juni 2007, § 44 Rn 1. 6 Vgl. Mayer, in: Scheller (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, März 2013, § 44 Rn 53. 7 BVerwG, Urteil vom 15.3.2017 – 10 C 3.16 – Rn 19. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 019/19 Seite 5 tungsanspruch nach § 49 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB n.F. Anwendung.8 Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Der Lauf dieser Frist setzt nach der Klarstellung durch das Bundesverwaltungsgericht voraus, dass der Zuwendungsbescheid seine Wirkung verloren hat, sei es durch Rücknahme, Widerruf oder durch Eintritt einer auflösenden Bedingung; die bloße Vorlage der Verwendungsnachweise genügt nicht.9 2.2. Inwieweit haben die Fördermittel ausschüttenden Bundesministerien rechtliche Handlungsoptionen gegenüber Zuwendungsgebern, die die Prüffristen nicht einhalten? Hätte ein Bundeministerium beispielsweise eine rechtliche Handhabe gegenüber einem Zuwendungsgeber , um auf Kulanz zu drängen, sofern dieser nach einer deutlich verspäteten Verwendungsnachweisprüfung legitime Rückforderungen an einen lokalen Projektträger stellt? Nach den Verfassungsgrundsätzen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind die zuständigen Behörden grundsätzlich verpflichtet, die der öffentlichen Hand entstandenen Geldleistungsansprüche geltend zu machen.10 Ausnahmen hiervon bedürfen einer gesetzlichen Ermächtigung.11 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können allerdings Abweichungen von den o.g. Grundsätzen bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig sein,12 etwa dann, wenn die Rückforderung der Zuwendung zu einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten führen würde. In diesem Fall hätte die erstattungsberechtigte Stelle im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Rückforderungsanspruch geltend gemacht wird bzw. welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten etwa eingeräumt werden. Ist der Erstattungsanspruch im Wege behördlicher Selbsttitulierung durch Verwaltungsakt bereits fällig geworden, gelten die folgenden haushaltsrechtlichen Vorschriften: Gemäß § 34 Abs. 1 BHO sind bei Fälligkeit die dem Bund zustehenden Einnahmen vollständig zu erheben. Von diesem Grundsatz lässt § 59 BHO Ausnahmen zu und legt in Übereinstimmung mit § 31 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG)13 die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen fest, unter denen auf Gesetz, Vertrag oder sonstigem Rechtsgrund beruhende fällige Ansprüche des Bundes gestundet, niedergeschlagen oder erlassen werden dürfen. 8 BVerwG, Urteil vom 15.3.2017 – 10 C 3.16 – Leitsatz 1, Rn 18 ff. 9 BVerwG, Urteil vom 15.3.2017 – 10 C 3.16 – Rn 17; BVerwG, Beschluss vom 7.8.2017 – 10 B 14.16 – Rn 8. 10 BVerfGE 30, 292, 332; BVerwG NVwZ 1999, 779, 783. 11 BVerfGE 30, 292, 332. 12 BVerwG NVwz 2013, 1339, 1343; BVerwG NVwZ 1999, 779, 783. 13 Vom 19.8.1969, BGBl. I S. 1273, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 14.8.2017, BGBl. I S. 3127. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 019/19 Seite 6 Nach § 59 Abs. 1 BHO darf das zuständige Bundesministerium Ansprüche nur (1) stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Anspruchsgegner verbunden wäre, und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird, (2) niederschlagen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen, (3) erlassen, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Anspruchsgegner eine besondere Härte bedeuten würde. Die Bedeutung der vorstehenden Vorschrift erschöpft sich nicht in der gesetzlichen Ermächtigung der Exekutive, in Ausnahmefällen von dem Grundsatz des § 34 BHO abzuweichen. Ihr liegt zugleich die Verpflichtung zugrunde, solche Ausnahmen nach einheitlichen Maßstäben zu behandeln . Damit soll im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes und im Interesse des Haushalts vermieden werden, dass individuelle Vorteile durch Anwendung der genannten Instrumente zu Lasten der Allgemeinheit gehen.14 Niederschlagung, Stundung und Erlass stellen Ermessensentscheidungen der Verwaltung dar, die dem Erfordernis der Einzelfallbetrachtung im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unterliegen .15 Auf solche Entscheidungen hat der Schuldner grundsätzlich keinen Rechtsanspruch, da es sich bei § 59 um eine Vorschrift des Innenrechts der Verwaltung handelt.16 Allerdings könnten sich bei einer Mehrzahl gleichgelagerter Fälle über den Gleichbehandlungsgrundsatz Ansprüche der Schuldner auf Entscheidungen nach § 59 BHO ergeben.17 **** 14 Vgl. Rohrer, in: Scheller (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Dezember 2018, § 59 BHO Rn 12. 15 BVerG NVwZ, 1999, 779, 783. 16 Vgl. Rohrer, a.a.O. 17 Vgl. Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 49. Erg.-Lfg. Februar 2018, § 59 BHO Rn 1.