© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 017/17 Gründe für die Einreihung von Witwen und Witwer in die Lohnsteuerklasse I Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 017/17 Seite 2 Gründe für die Einreihung von Witwen und Witwer in die Lohnsteuerklasse I Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 017/17 Abschluss der Arbeit: 03. Februar 2017 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 017/17 Seite 3 1. Fragestellung Warum werden Witwen und Witwer in die Lohnsteuerklasse I zurückgestuft? 2. Lohnsteuerklassen gemäß § 38b Einkommensteuergesetz Die Einreihung von Arbeitnehmern in Steuerklassen dient der Vereinfachung des Lohnsteuerabzugsverfahrens .1 Arbeitnehmer mit gleichen Besteuerungsmerkmalen sind in sechs verschiedenen Gruppen zusammengefasst. Bei den für die Fragestellung relevanten Lohnsteuerklassen I, II und IV gilt dabei grundsätzlich Folgendes: – In Lohnsteuerklasse I gehören Arbeitnehmer, die unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und ledig sind. Der Lohnsteuerabzug erfolgt nach der Grundtabelle. – In die Lohnsteuerklasse III gehören Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte des Arbeitnehmers keinen Arbeitslohn bezieht oder der Ehegatte des Arbeitnehmers auf Antrag beider Ehegatten in die Lohnsteuerklasse V eingereiht wird. Die Berechnung der Lohnsteuer nach Lohnsteuerklasse III geht davon aus, dass die Ehegatten /Lebenspartner zusammenveranlagt werden2 und das Splitting-Verfahren angewendet wird.3 Das gemeinsame, zu versteuernde Einkommen der Ehegatten wird durch zwei geteilt, darauf der Einkommensteuertarif angewandt und die sich ergebende Steuer verdoppelt. – In die Lohnsteuerklasse IV gehören Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte des Arbeitnehmers ebenfalls Arbeitslohn bezieht. Die Lohnsteuerklasse IV ist auf der Grundtabelle aufgebaut, die Arbeitnehmer werden im Wesentlichen so wie in Steuerklasse I besteuert. Verstirbt der Ehegatte/Lebenspartner, gelten für die Witwe oder den Witwer folgende Bestimmungen : Das Splitting-Verfahren ist auch anzuwenden bei einem verwitweten Steuerpflichtigen, jedoch nur für den Veranlagungszeitraum, der dem Kalenderjahr folgt, in dem der Ehegatte/Lebenspartner verstorben ist.4 1 Thürmer, Bernd: Einkommensteuergesetz (EStG) § 38b Lohnsteuerklassen, Zahl der Kinderfreibeträge, in: Blümich , Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz und zum Gewerbesteuergesetz, 134. Auflage 2016, beck-online. 2 § 26b EStG 3 § 32a Abs. 5 EStG 4 § 32a Abs. 6 EStG Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 017/17 Seite 4 Handelt es sich bei dem verwitweten Steuerpflichtigen um einen Arbeitnehmer, gehört er folglich (gegebenenfalls weiterhin) in die Lohnsteuerklasse III, jedoch ebenfalls nur für das Kalenderjahr , das dem Kalenderjahr folgt, in dem der Ehegatte/Lebenspartner verstorben ist.5 Entfällt wegen des Tods des Ehegatten/Lebenspartners der Anspruch auf Zusammenveranlagung und das Splitting-Verfahren, ist beim zukünftigen Lohnsteuerabzug der Grundtarif anzuwenden. Dies geschieht durch Einreihung in die Steuerklasse I als lediger Arbeitnehmer.6 Die Berücksichtigung des Splitting-Verfahrens in dem Veranlagungszeitraum, der dem Todesjahr des Ehegatten/Lebenspartners folgt, soll Härten abmildern, die aus dem Übergang zur Besteuerung nach dem Grundtarif beziehungsweise aus dem Verlust des Veranlagungswahlrechts ergeben . Dieser Zweck und die insgesamt durch die veränderte Lebenssituation eintretenden Beeinträchtigungen rechtfertigen es, den Splittingvorteil noch im Folgejahr zu gewähren, obwohl nur noch das Einkommen einer Person besteuert wird.7 Eine weitere Gewährung stellte einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Absatz1 Grundgesetz (GG) dar, der verbietet, das wesentliches Gleiches (steuerlich) ungleich behandelt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist der Gleichheitsgrundsatz verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.“8 * * * 5 § 38b Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b EStG 6 § 38b Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG 7 Wagner, Klaus: EStG § 32a Einkommensteuertarif, in: Blümich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz und zum Gewerbesteuergesetz, 134. Auflage 2016, beck-online. 8 BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1951 – 2 BvG 1/51.