Deutscher Bundestag Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Einführung einer Pkw-Maut Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 – 017/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 017/13 Seite 2 Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Einführung einer Pkw-Maut Verfasser: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 – 017/13 Abschluss der Arbeit: 26. Februar 2013 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 017/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Erhebung einer Pkw-Maut als Steuer 5 2.1. Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG 6 2.2. Ertragshoheit 6 3. Erhebung einer Pkw-Maut als Gebühr 7 4. Erhebung einer Pkw-Maut als Beitrag 8 5. Erhebung einer Pkw-Maut als Sonderabgabe 8 6. Ergebnis 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 017/13 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung untersucht, ob der Bund bei Einführung einer kilometerabhängigen Maut die Einnahmen, die sich auf Fahrstrecken auf Straßen der Länder und Kommunen beziehen , an die jeweiligen Gebietskörperschaften erstatten müsste. Die Frage, ob dem Bund die Kompetenz zur Einführung einer solchen Maut nach Art. 70 ff. Grundgesetz (GG) zusteht, wird in einer gesonderten Ausarbeitung des Fachbereichs WD 3 (Verfassung und Verwaltung) dargestellt.1 Unter dem Begriff „Maut“ wird allgemein eine Gebühr für die Nutzung eines bestimmten Straßennetzes oder eines bestimmten Straßenabschnittes verstanden. Seit 2005 wird in Deutschland eine Lkw-Maut erhoben. Eine Maut für Pkw gibt es bislang nicht. Für Pkw werden im Wesentlichen drei verschiedene Maut-Modelle diskutiert: ein zeitbezogene Maut (Vignette), eine fahrleistungsbezogene Maut (sog. Pkw-Maut) und eine flächenbezogene Maut (City-Maut).2 Soweit vorliegend eine kilometerabhängige Maut untersucht werden soll, handelt es sich demnach um die Pkw-Maut. Als Zweck für die Einführung einer Pkw-Maut wird häufig die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur genannt. Daneben könnte die Pkw-Maut einen Beitrag sowohl zur Verkehrslenkung als auch zur Umweltentlastung leisten.3 Zur Beantwortung der oben gestellten Frage muss untersucht werden, wem die Einnahmen aus einer Pkw-Maut zustünden (Ertragskompetenz). Hierfür ist zunächst zu klären, wie sich die Pkw- Maut abgabenrechtlich einordnen lässt. Denn aus der herkömmlichen Bezeichnung der „Maut“ als Straßenbenutzungsgebühr folgt nicht zwangsläufig, dass diese Abgabe auch als „Gebühr“ im finanzverfassungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren ist.4 Unter öffentlich-rechtlichen Abgaben sind Geldleistungen zu verstehen, die der Bürger aufgrund von Rechtsvorschriften an den Staat abzuführen hat. Das Grundgesetz stellt als staatliche Einnahmen vier Abgabentypen zur Verfügung: dabei werden Steuern von den sonstigen (nichtsteuerlichen ) Abgaben wie Beiträge, Gebühren und Sonderabgaben unterschieden. Da ein konkreter Gesetzgebungsvorschlag für eine Pkw-Maut bislang nicht vorliegt, wird nachfolgend – vereinfachend – davon ausgegangen, dass die Maut nur kilometerabhängig ausgestaltet wird, und Fahrzeuge, die bereits der Lkw-Maut unterliegen5, ausgenommen sind. 1 Giesecke, Bundeskompetenz zur Einführung einer Maut auf Straßen der Länder und der Kommunen, Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, WD 3 – 3000 – 015/13. 2 Umweltbundesamt, Pkw-Maut in Deutschland?, 2010, S. 4, im Internet abrufbar unter: http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3929.pdf, zuletzt abgerufen am 25.02.2013. 3 Umweltbundesamt, Pkw-Maut in Deutschland?, 2010, S. 7f., im Internet abrufbar unter: http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3929.pdf, zuletzt abgerufen am 25.02.2013. 4 Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, 2001, S. 58. 5 Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Bundesfernstraßenmautgesetz (BFStrMG) sind dies Kraftfahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen , (1.) die ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sind oder eingesetzt werden und (2.) deren zulässiges Gesamtgewicht mindestens 12 Tonnen beträgt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 017/13 Seite 5 2. Erhebung einer Pkw-Maut als Steuer Die Finanzverfassung des Grundgesetzes geht davon aus, dass der allgemeine Finanzbedarf des Staates aus Steuern gedeckt wird („Prinzip des Steuerstaates“). Steuern sind nach § 3 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. Hierbei muss die Geldleistung zur Erzielung von Einnahmen auferlegt sein, um den Finanzbedarf zu decken. § 3 Abs. 1 Halbsatz 2 AO lässt es zu, dass der fiskalische Hauptzweck der Erzielung von Einnahmen gegenüber dem von einer Steuer unter Umständen in erster Linie verfolgten Lenkungszweck zu einem Nebenzweck wird. Der Fiskalzweck darf jedoch nicht grundsätzlich wegfallen.6 Anknüpfend an die eingangs formulierte Zielsetzung der Pkw-Maut käme zunächst eine Ausgestaltung als Verkehrsteuer in Betracht. Durch die Verwendung der gewonnenen Finanzmittel zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur würde mithin ein Fiskalzweck verfolgt werden. Auch die Zweckbindung des Aufkommens dürfte sich im Hinblick auf andere Fälle in der Praxis wie der Mineralölsteuer7 als nicht weiter problematisch erweisen.8 Soweit daneben mit der Pkw-Maut Lenkungszwecke angestrebt würden, wäre auch dies im Hinblick auf die genannte Regelung des § 3 Abs. 1 Halbsatz 2 AO rechtlich unbedenklich.9 Der Steuerbegriff in § 3 Abs. 1 AO verlangt weiter, dass die Steuer voraussetzungslos erhoben wird, die Abgabe also nicht Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates ist.10 Anderenfalls würde es sich nämlich um eine sog. Vorzugslast (Gebühr, Beitrag) handeln. Ob diese Voraussetzung bei einer Pkw-Maut erfüllt wäre, kann unterschiedlich beurteilt werden. Ein Teil der Literatur ist – ohne nähere Begründung – der Ansicht, dass mit der Erhebung einer Abgabe für die Straßenbenutzung vom Vorliegen einer staatlichen Gegenleistung auszugehen sei.11 Dagegen vertritt der andere Teil der Literatur die hier vorzugswürdigere Auffassung, dass die Straßenbenutzung lediglich Maßstab für eine Steuererhebung bzw. Bemessungsgrundlage der Mauthöhe sei.12 Bei der hier gegenständlichen Straßenbenutzung gehe es um das Befahren der Straße im tatsächlichen Sinne und nicht um die rechtliche Möglichkeit der Benutzung der Straße als mög- 6 Birk, Steuerrecht, 14. Auflage 2011/12, Rn. 115. 7 Das Straßenbaufinanzierungsgesetz vom 28.03.1960 (BGBl. I S. 201) sieht in Art. 1 eine teilweise Zweckbindung des Aufkommens der Mineralölsteuer vor. 8 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 209; Manssen, Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Einführung einer sog. Nahverkehrsabgabe, Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 1996, 12, 13. 9 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 207; Manssen, Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Einführung einer sog. Nahverkehrsabgabe, DÖV 1996, 12, 13. 10 Birk, Steuerrecht, 14. Auflage 2011/12, Rn. 116. 11 Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, Münster 2001, S. 60. 12 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 210f.; Manssen, Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Einführung einer sog. Nahverkehrsabgabe, DÖV 1996, 12, 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 017/13 Seite 6 liche staatliche Leistung.13 So könne nicht durch steuerliche Regelungen auf den straßenrechtlichen Gemeingebrauch Einfluss genommen werden.14 Die Benutzung der Straße bleibe weiterhin erlaubnisfrei.15 Schließt man sich der letztgenannten Auffassung an, dürfte auch eine kilometerabhängige Ausgestaltung der Abgabe zulässig sein.16 2.1. Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG Der Bund könnte sich auf die Kompetenz des Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG für die Verkehrsteuern stützen.17 Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG weist dem Bund die Erträge u.a. aus der Kraftfahrzeugsteuer und „sonstigen auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern“ zu, so dass ihm nach Art. 105 Abs. 2 GG auch die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Mit der Erweiterung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG um die letztgenannten Verkehrsteuern wollte der Gesetzgeber künftig eine größere Flexibilität bei der Ausgestaltung einer verkehrsmittelbezogenen Besteuerung ermöglichen.18 Die Erhebung der Pkw-Maut als Steuer wird auch nicht durch die Kompetenzregelung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, 4. Alt. GG ausgeschlossen, die den Bund zum Erlass von Vorschriften über „die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen“ befähigt. Diese Kompetenzregelung stelle allenfalls für den Bereich der nichtsteuerlichen Abgaben eine abschließende Regelung dar. Für die finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften ergebe sich hingegen keine Sperrwirkung.19 2.2. Ertragshoheit Art. 106 GG regelt die Verteilung des Steueraufkommens in Abhängigkeit von der Steuerart. Das Aufkommen aus der Kraftfahrzeugsteuer und sonstigen auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Steuern steht gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG allein dem Bund zu. Die in Art. 106 Abs. 1 und 2 13 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 204 (Fußnote. 821). 14 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 213; zustimmend Schröder, Verbesserung des Klimaschutzes durch Einführung einer City-Maut, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2012, S. 1438 (1439). 15 Manssen, Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Einführung einer sog. Nahverkehrsabgabe, DÖV 1996, 12, 14. 16 Anderer Ansicht Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, Münster 2001, S. 60. 17 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 204; Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, Münster 2001, S. 58f. 18 Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 106, 106b, 107, 108) vom 27.01.2009, BT-Drs. 16/11741, S. 4. 19 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 209; Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, Münster 2001, S. 59; Schröder, Verbesserung des Klimaschutzes durch Einführung einer City-Maut, NVwZ 2012, S. 1438 (1439). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 017/13 Seite 7 GG vorgenommene Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern ist zwingend . Weder der Bund noch die Länder dürfen die ihnen danach zugewiesenen Steuern ganz oder zum Teil an die andere Seite abgeben.20 Den Bund träfe mithin hinsichtlich der Einnahmen einer auf Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG gestützten Pkw-Maut, die sich auch auf Straßen der Länder und Kommunen erstreckte, keine Erstattungspflicht zugunsten der Länder und Kommunen. 3. Erhebung einer Pkw-Maut als Gebühr Ebenso wie die Steuer ist die öffentlich-rechtliche Gebühr eine Abgabe zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs. Sie unterscheidet sich von der Steuer allerdings durch die Verknüpfung mit einer individuell zurechenbaren Gegenleistung des öffentlich-rechtlichen Gemeinwesens.21 Als Kompetenztitel des Bundes zur Einführung einer Pkw-Maut in Form einer Gebühr kommen Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG und Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG in Betracht. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 Var. 4 GG, der die Erhebung von Gebühren für die Benutzung öffentlicher Straßen ermöglicht, setzt nach Art. 72 Abs. 2 GG voraus, dass eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich ist. Ob die nötige Erforderlichkeit vorliegt ist fraglich.22 Geht man davon aus, dass mangels Erforderlichkeit Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG nicht einschlägig ist, kommt eine Gebühr auf Grundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 Var. 2 und 3 GG in Betracht. Eine Erforderlichkeitsprüfung nach Art. 72 Abs. 2 GG findet hierbei nicht statt. Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 Var. 2 und 3 GG regelt die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung. Selbst wenn man hierin eine mögliche Grundlage für die Ausgestaltung einer Gebühr sieht, erscheint es sehr fraglich, dass eine (nur) kilometerabhängige Maut auf dieser Grundlage erhoben werden kann. Die Wegstrecke dürfte kein ausreichender Parameter sein, um eine Gebühr auf den Kompetenztiteln Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung zu erlassen. Denn eine hierauf gestützte Regelung müsste im Schwerpunkt auf Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung abzielen. 23 Dies wäre nicht gewährleistet, wenn einzig auf die Wegstrecke abgestellt würde. Vielmehr wäre eine Differenzierung anhand des Emissionsausstoßes durch verschiedenartige Pkw vonnöten. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass eine auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 Var. 2 und 3 GG basierende Pkw-Maut letztlich eine Emissionsgebühr wäre. Die Geldleistung wäre mithin das Äquivalent für den Verbrauch des Umweltmediums Luft. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung über Wasserentnahmegebühren24 Abgaben für das Umweltmedi- 20 Maunz, in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 66. EL 2012, Art. 106 Rn. 34. 21 Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage 2010, § 3 Rz. 20. 22 Vgl. Giesecke, Bundeskompetenz zur Einführung einer Maut auf Straßen der Länder und der Kommunen, Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, WD 3 – 3000 – 015/13, S. 8, 10. Zu bedenken wäre allerdings, dass die Lkw-Maut ebenfalls auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG beruht. Sie wurde zunächst zwar nur auf Bundesautobahnen eingeführt, trotzdem stellte sich die Frage der Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 GG. Diese wurde im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 14/7013, S. 9) ausdrücklich bejaht. 23 Vgl. Giesecke, Bundeskompetenz zur Einführung einer Maut auf Straßen der Länder und der Kommunen, Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, WD 3 – 3000 – 015/13, S. 10. 24 BVerfG 2 BvR 413/88, 2 BvR 1300/93, BVerfGE 93, 319. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 017/13 Seite 8 um Wasser für verfassungskonform erachtet, allerdings dürfte diese Entscheidung nicht auf das Medium Luft übertragbar sein.25 Luft ist anders als Wasser nicht ausreichend quantifizierbar, zudem fehlt es an der Möglichkeit einer mengenspezifischen Erfassungsweise.26 Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG ist daher keine hinreichende Grundlage für die Ausgestaltung einer kilometerabhängigen Pkw-Maut in Gebührengestalt. 4. Erhebung einer Pkw-Maut als Beitrag Wie die Gebühren sollen auch die Beiträge einen Sondervorteil oder besonders verursachte Kosten ausgleichen. Eine Legaldefinition des Beitrags findet sich ebenfalls in den Kommunalabgabengesetzen der Länder.27 Beiträge sind hoheitlich zur Finanzbedarfsdeckung auferlegte Aufwendungsersatzleistungen für die Herstellung, Anschaffung oder Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen oder für die Verbesserung von Straßen, Wegen und Plätzen, nicht für deren laufende Unterhaltung und Instandsetzung.28 Während also die Gebühr eine Abgabe (Entgelt) für eine besondere tatsächliche Leistung der Verwaltung darstellt, ist der Beitrag eine Abgabe (Entgelt ) für die dem Einzelnen gewährte Möglichkeit, aus konkreten Aufwendungen der Verwaltung einen individuellen Nutzen zu ziehen.29 Der Aufwendungsersatz beim Beitrag wird erhoben, weil eine konkrete Gegenleistung, ein konkreter wirtschaftlicher Vorteil in Anspruch genommen werden kann. Eine beitragsrechtliche Lösung für die Erhebung einer Pkw-Maut dürfte von vornherein ausscheiden . Der Gegenstand der Pkw-Maut kann sinnvollerweise nur das konkrete Befahren der mautpflichtigen Straßen sein, und nicht nur die bloße Möglichkeit. Auch etwaige mit der Erhebung einer Pkw-Maut angestrebte Lenkungszwecke könnten mit einer Beitragslösung nicht realisiert werden. 5. Erhebung einer Pkw-Maut als Sonderabgabe Die Sonderabgaben stehen außerhalb der klassischen Abgabentrias (Steuer, Gebühr, Beitrag). Bei der Sonderabgabe handelt es sich um eine Abgabe, der keine zurechenbare Gegenleistung gegenübersteht , die aber im Unterschied zu Steuern nicht von der Gesamtheit der Steuerbürger, sondern nur von einer bestimmten Gruppe erhoben wird und zur Finanzierung besonderer Aufgaben dient.30 Sonderabgaben sind nach der gefestigten, in jüngerer Zeit mehrfach bekräftigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eigenständige, nichtfiskalische Abgaben. Da 25 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 225; Schröder, Verbesserung des Klimaschutzes durch Einführung einer City-Maut, NVwZ 2012, S. 1438 (1441). 26 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 225. 27 z.B. § 8 Abs. 2 KAG NW: „Beiträge sind Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen […] dienen.“ 28 Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage 2010, § 3 Rz. 23. 29 Vgl. Birk, Steuerrecht, 14. Auflage 2011/12, Rn. 118. 30 Birk, Steuerrecht, 14. Auflage 2011/12, Rn. 121. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 017/13 Seite 9 Sonderabgaben gegenüber der Steuerfinanzierung die seltene Ausnahme bleiben sollen, bedürfen sie einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.31 Bei den Sonderabgaben wird zwischen Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion und Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion unterschieden. Erstere haben vorrangig oder sogar ausschließlich eine Wirtschafts-, Umwelt- oder Soziallenkung bzw. –förderung zum Ziel. Ihre Einordnung als öffentliche Abgaben kann daher im Einzelfall schwierig sein.32 Sonderabgaben mit Finanzierungszweck stehen in Konkurrenz mit der Steuer, weil beide voraussetzungslos – gegenleistungsunabhängig – erhoben werden. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion nur unter den folgenden Voraussetzungen zulässig. Die Sonderabgaben müssen einen über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehenden Sachzweck verfolgen. Im Gesetz muss außer der Belastung mit der Abgabe und der Verwendung des Aufkommens auch die gestaltende Einflussnahme auf den geregelten Sachbereich zum Ausdruck kommen. Die Kompetenzgrundlage für die Sonderabgabe muss sich aus einer Sachgesetzgebungszuständigkeit (Art. 70 ff. GG) ergeben. Darüber hinaus darf sie nur eine vorgefundene homogene Gruppe belasten, wobei zwischen dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck und dieser Gruppe eine spezifische Sachnähe – d.h. eine besondere Finanzierungsverantwortung – bestehen muss.33 Ferner muss zwischen den mit der Sonderabgabe bewirkten Belastungen und den mit ihr finanzierten Begünstigungen eine sachgerechte Verknüpfung bestehen, die durch die „gruppennützige“ Verwendung des Abgabenaufkommens im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen hergestellt wird. Fremdnützige Sonderabgaben sind grundsätzlich unzulässig.34 Soweit hier annahmegemäß unter anderem Lkw von der Mautpflicht ausgenommen werden sollen , ist im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion insbesondere fraglich, ob das Kriterium der besonderen Finanzierungsverantwortung der Abgabepflichtigen erfüllt ist. Zwar würde es sich bei den Autofahrern bzw. den Haltern von Kraftfahrzeugen um eine homogene Gruppe handeln. Jedoch sind sie nicht mehr als andere Nutzer der Straßeninfrastruktur wie etwa Lkw für deren Finanzierung verantwortlich, so dass es mithin an einer besonderen Finanzierungsverantwortung der Gruppe der Pkw-Halter fehlen dürfte. Denkbar wäre auch, die Pkw-Maut als Sonderabgabe mit Lenkungsfunktion zu erheben. Bei Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion sollen nach der Rechtsprechung des BVerfG die genannten Voraussetzungen für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion „nicht uneingeschränkt“ anwendbar sein. Das BVerfG35 stellt hierbei auf den Anlass zur Einführung der Sonderabgabe ab. Sofern die Finanzierung der besonderen Aufgabe nicht der Anlass für deren Einführung war, 31 BVerfGE 108, 186, 217; BVerfGE 101, 141, 147 m.w.N.; Heller, Haushaltsgrundsätze für Bund, Länder und Gemeinden , 2. Auflage, Heidelberg 2010, S. 61. 32 Henneke, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Finanzverfassung, E 1 Bund, 5.1. 33 Pahlke, in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Auflage 2009, § 3 Rn. 36 m.w.N. 34 BVerfGE 82, 159, 180f. 35 BVerfGE 67, 256, 277 f., NJW 1985, 37, 38. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 017/13 Seite 10 sondern die Abgabe in erster Linie die Funktion der Lenkung (Antriebsfunktion) oder des Ausgleichs einer nicht erfüllten Verpflichtung (Ausgleichsfunktion) hat, soll die Einhaltung der Kriterien der Gruppenverantwortung und der Gruppennützigkeit nicht erforderlich sein. Sofern mit der Abgabe aber auch ein Finanzierungszweck – sei es als Haupt- oder Nebenzweck – verfolgt wird, so gelten die Kriterien für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion in vollem Umfang.36 Vorliegend dürfte auch eine Pkw-Maut als Sonderabgabe mit Lenkungsfunktion ausscheiden, da mit einer Pkw-Maut regelmäßig auch ein Aufkommen zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur erzielt werden soll. Ausführungen zur Gesetzgebungskompetenz und Ertragshoheit bei Sonderabgaben erübrigen sich folglich. 6. Ergebnis Unter den genannten Voraussetzungen37 ließe sich eine vom Bund eingeführte Pkw-Maut, die auch auf Straßen der Länder und Kommunen erhoben werden würde, abgabenrechtlich nur als Steuer einordnen. Das Aufkommen einer solchen Steuer stünde allein dem Bund zu. Eine Abtretung von Teilen des Aufkommens an Länder und Kommunen wäre unzulässig. 36 BVerfGE 67, 256, 278, NJW 1985, 37, 38. 37 Hierbei war insbesondere das Gutachten des Fachbereichs WD 3 (Verfassung und Verwaltung) zu den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes nach Art. 70 ff. GG zu berücksichtigen: Giesecke, Bundeskompetenz zur Einführung einer Maut auf Straßen der Länder und der Kommunen, Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, WD 3 – 3000 – 015/13.