© 2014 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 016/14 Finanz-TÜV und Finanzmarktwächter Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 2 Finanz-TÜV und Finanzmarktwächter Verfasser: Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 016/14 Abschluss der Arbeit: 07. Februar 2014 Fachbereiche: WD 4: Haushalt und Finanzen; WD 5: Wirtschaft und Technologie; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Wissenschaftliche Debatte zu einem Finanz-TÜV 4 1.1. Vorbemerkung 4 1.1.1. Gerald Epstein und James Crotty 4 1.1.2. Eric Posner und Glen Weyl 5 1.1.3. Anthony Randazzo 7 1.1.4. Suleika Reiners 8 1.1.5. Hilary Allen 8 1.1.6. Saule Omarova 9 1.2. Praktische Erfahrungen mit einem Finanz-TÜV 9 2. Finanzmarktwächter 10 2.1. Vorbemerkung 10 2.2. Einleitung 10 2.3. Bundesverband der Verbraucherzentralen 11 2.4. Finanzmarktwächterkonzepte und -vorschläge der 17. Wahlperiode 12 2.4.1. Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 6. Juli 2011 12 2.4.2. Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 29. Februar 2012 14 2.4.3. Antrag der Fraktion der SPD vom 6. März 2012 14 2.4.4. Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Juni 2012 15 2.4.5. Empfehlungen des Bundesrates vom 13. November 2012 16 2.5. Derzeitige Finanzierung von vzbv und Stiftung Warentest 17 2.6. Links zu Dokumenten zur öffentlichen Anhörung zum Thema „Finanzmarktwächter“ (17. Wahlperiode) 17 2.7. Internationale Erfahrungen mit der Stärkung des Schutzes von Verbrauchern bei Finanzdienstleistungen 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 4 1. Wissenschaftliche Debatte zu einem Finanz-TÜV 1.1. Vorbemerkung Vor dem Hintergrund der Finanzkrise 2007/2008 fordern verschiedene wissenschaftliche Autoren die Überprüfung von Finanzinnovationen, bevor sie auf den Markt kommen (Finanz-TÜV). Ein anderes Modell sind die von den Verbraucherzentralen geforderten „Finanzmarktwächter“, denen es um eine Marktbeobachtung geht (reaktiv), vergleiche Kapitel 2. Anliegen der verschiedenen Autoren in der Debatte um einen Finanz-TÜV ist nicht vorrangig der Schutz der Verbraucherinteressen. Ihr erklärtes Ziel ist die Finanzmarktstabilität. Zur Erreichung dieses Ziels fordern sie eine vorbeugende Regulierung (precautionary principle – präventiv), damit systemgefährdende Produkte gar nicht erst auf den Markt gelangen. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Modelle für einen Finanz-TÜV von maßgeblich an der Diskussion Beteiligten vorgestellt, die in den Jahren 2009 bis 2013 entwickelt wurden. 1.1.1. Gerald Epstein und James Crotty1 Die beiden Wissenschaftler referieren zunächst die Ansicht vieler Ökonomen, auch aus unterschiedlichen politischen Lagern, dass die Wirtschaftskrise durch sehr komplexe, undurchsichtige und letztlich toxische Wertpapiere und Derivate verursacht wurde. Solche Finanzprodukte seien von fast niemandem richtig verstanden worden. Die Krise sei durch den Ausfall von Kreditprodukten in Gang gesetzt worden. Maßgeblich beteiligt waren illiquide Fonds, die ihr Geld durch Spekulationen verloren hatten. Die Banken wollten den anderen Banken nicht helfen, weil sie die Risiken der komplizierten Finanzprodukte nicht verstanden und ihr Geld lieber horteten. Dies wiederum habe zu Problemen in der Realwirtschaft geführt. Deshalb schlagen Epstein und Crotty vor, diese toxischen Produkte vom Markt fernzuhalten. Die Anwendung des „financial precautionary principle“ bedeutet, dass eine Gefahr unterstellt wird, bis das Gegenteil bewiesen ist. Das neue Produkt wird nicht auf dem Markt zugelassen bevor nicht bewiesen ist, dass es die Finanzstabilität nicht gefährdet, transparent ist und möglichweise dem Markt und der Gesellschaft nutzt. Die Produkte müssen vor und nach dem Eintritt in den Markt getestet werden. Epstein und Crotty schlagen vor, die Produkte durch eine „Financial Stability and Product Safety Administration (FSPSA)“ kontrollieren zu lassen. Die Autoren selbst sehen in der Übertragung der Aufgabe auf eine staatliche Behörde die Gefahr der Korruption und der Einflussnahme durch große Finanzunternehmen. Deshalb sollte ein demokratisch gewähltes „Community Oversight Board“ eingerichtet werden, dem erfahrene Geschäftsleute und Nicht-Geschäftsleute, aber mit entsprechender Qualifikation, angehören. Das Board beaufsichtigt die Arbeiten der FSPSA, damit deren Mitarbeiter nicht Ziel von Bestechung 1 Epstein, Gerald; Crotty, James: Controlling Dangerous Financial Products through A Financial Pre-Cautionary Principle, in: Ekonomiaz Nr. 72, 2009, Seite 270 bis 291, unter: http://www.econbiz.de/Record/controllingdangerous -financial-products-through-a-financial-pre-cautionary-principle-epstein-gerald/10008919618, abgerufen am 5. Februar 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 5 werden. Darüber hinaus sollten die Vorschriften antizyklisch zum Geschehen auf dem Markt greifen. 1.1.2. Eric Posner und Glen Weyl Posner und Weyl vergleichen neue Finanzprodukte mit Medikamenten: Beide hätten relativ ähnliche Auswirkungen auf alle Menschen mit bestimmten Merkmalen. Die Rückmeldung vom Gebrauch eines neuen Medikaments oder Finanzprodukts erfolge nicht schnell und sei auch nicht entscheidend. Gleichfalls könne Geld in Vorhaben mit Risiken investiert werden, die sich jedoch nicht vor einer Finanzkrise zeigten. Eine solche Krise könne schwere Folgen, nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft haben. Das wiederum stufen Posner und Weyl als Gefahr für die soziale Ordnung ein.2 Posner und Weyl trennen den realen Markt mit Handel, Dienstleistungen, Produzenten und Käufern vom Finanzmarkt mit dem Ziel der (spekulativen) Geldanlage.3 Zwar seien die Unternehmen angehalten, die Investoren durch ausreichende Informationen zu schützen, für Posner und Weyl bedeutet dies jedoch keinen Schutz der wirtschaftlichen Stabilität , zumal Menschen oft trotz bekannter Gefahren Risiken auf sich nehmen. Weyl hält die amerikanische Wirtschaft für völlig dereguliert, die jüngste Rezession sei ein Beispiel für die negativen Folgen fehlender Regulation.4 Die beiden Professoren schlagen deshalb vor, ähnlich der staatlichen Behörde „Food and Drug Administration (FDA)“, die alle Medikamente vor ihrem Verkauf oder ihrer Verteilung zulassen muss, eine staatliche Organisation für Finanzinstrumente einzurichten (Financial Products Agency – FPA). Es müsse statistisch belegt werden, dass diese Instrumente dem Wohl der Gesellschaft dienten, bevor sie erlaubt würden. Erklärtes Ziel der Behörde müsse die Eindämmung der Spekulation sein, sie diene hingegen ausdrücklich nicht dem Schutz der Verbraucher. Dafür seien andere Behörden besser geeignet. 2 Posner, Eric A.; Weyl E. Glen: AN FDA for Financial Innovation: Applying the Insurable Interest Doctrine to 21st-Century Financial Markets, 4. Juni 2012, Seite 5, unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2010606, abgerufen am 7. Februar 2014, und: A Proposal for Limiting Speculation on Derivatives: An FDA for Financial Innovation, The University of Chicago, The Law School, Institute for Law and Economics, Working Paper Nr. 594, 2. Auflage, März 2012, unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1995077, abgerufen am 5. Februar 2014. 3 Morgenson, Gretchen: How to Prevent a Financial Overdose, The New York Times, 31. März 2012, unter: http://www.nytimes.com/2012/04/01/business/how-a-financial-products-agency-could-protectinvestors .html?_r=0, abgerufen am 6. Februar 2014. 4 Morgenson, Gretchen: How to Prevent a Financial Overdose, The New York Times, 31. März 2012, unter: http://www.nytimes.com/2012/04/01/business/how-a-financial-products-agency-could-protectinvestors .html?_r=0, abgerufen am 6. Februar 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 6 Posner und Weyl sind sich der Gefahr bewusst, dass die Unternehmen bei Einführung einer Regulierung ihre Geschäfte in unregulierten Staaten abwickeln würden. Deshalb hoffen sie auf die Errichtung eines globalen Regulierungssystems.5 Sie sehen die folgenden Kritiken an der von ihnen vorgeschlagenen Agentur voraus: Die Behörde könnte risikoscheu sein und damit potenziell nützliche Produkte verbieten. Es könnten Schwierigkeiten bei der Feststellung des gedanklichen Urhebers des Finanzprodukts auftreten und damit der Feststellung desjenigen, der sich bei der Agentur melden müsste. Dies könne die Kreativität einschränken. Die Agenturen können keine Fachleute rekrutieren, weil sie als öffentlicher Arbeitgeber nicht genug zahlen können. Alle bereits bestehenden Finanzprodukte werden, eben weil sie schon bestehen, geschützt („grandfathering“). Man könnte auch Kennzeichnungs- oder Veröffentlichungspflichten einführen oder Steuern erheben, um zu regulieren. Spielen sei ein amerikanisches bzw. ein Menschenrecht. Posner und Weyl halten große Konzerne für die größten Spieler, weil sie vom Staat im Notfall Rettung erwarteten. Die Reform ist zu radikal. Verordnungen verhindern effiziente Ressourcenallokation. Posner und Weyl entgegnen ihren Kritikern, dass die Behörde Produkte regulieren, aber nicht alle Finanzinnovationen stoppen oder den Markt einschränken soll.6 Zu den Vorschlägen von Posner und Weyl hat sich unter anderem Gretchen Morgenson geäußert. Sie hält sie für eine erfrischende Erwiderung auf das Mantra der Wall Street, dass Innovationen 5 Morgenson, Gretchen: How to Prevent a Financial Overdose, The New York Times, 31. März 2012, unter: http://www.nytimes.com/2012/04/01/business/how-a-financial-products-agency-could-protectinvestors .html?_r=0, abgerufen am 6. Februar 2014. 6 Posner, Eric A.; Weyl E. Glen: A Proposal for Limiting Speculation on Derivatives: An FDA for Financial Innovation , The University of Chicago, The Law School, Institute for Law and Economics, Working Paper Nr. 594, 2. Auflage, März 2012, unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1995077, abgerufen am 5. Februar 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 7 per se gut und Regulation per se schlecht für den Markt seien. Sie bezweifelt jedoch, dass es in es in absehbarer Zeit zur Einführung solcher Kontrollmechanismen kommt.7 Auch Hilary Allen (vgl. Kapitel 1.1.5) befasst sich mit der Argumentation von Posner und Weyl. Allen begrüßt den Vorschlag, die FPA die Produkte nach der Nützlichkeit für die Gesellschaft beurteilen zu lassen, weil er Daten zur Messung dieser Nützlichkeit beinhalte. Sie gibt jedoch zu bedenken, dass ein Produkt sogar System- und Finanzstabilitäts-Risiken enthalten könne, obwohl es für die Gesellschaft nützlich ist.8 1.1.3. Anthony Randazzo9 Randazzo spricht sich vehement gegen die Errichtung einer Kontrollbehörde aus. Er führt dafür drei Gründe an: Eine staatliche Regulierungsbehörde hätte die Finanzkrise nicht verhindert. Bereits vor der Krise habe es viele Regulierungsbehörden wie zum Beispiel die United States Securities and Exchange Commission (SEC) gegeben. Diese hätten nichts unternommen, um die Krise zu stoppen. Darüber hinaus müsste verhindert werden, dass Unternehmen Mitarbeiter vor oder nach ihrer Tätigkeit bei der FPA einstellten. Deren Arbeit sei wegen möglicher Bestechung belastet. Die Existenz von Regulation verhindert Marktwachstum. So seien viele Medikamente nicht freigegeben, weil die FDA ein regulatorischer Alptraum sei. Nach seiner Meinung hätte nicht der Derivatehandel selbst die Krise verursacht. Vielmehr sei sie durch die Unkenntnis der Funktionsweise des Instruments und durch riskantes Verhalten ausgelöst worden. Für Randazzo sind die realen Märkte nicht von den Finanzmärkten zu trennen. Neue Unternehmen des realen Marktes nutzten den Finanzmarkt zur Kapitalbeschaffung, um zu expandieren. Randazzo ist der Meinung, dass staatliche Organisationen nichts nur auf Grund des Mangels an sozialem Nutzen limitieren sollten. Er genieße ein Online-Spiel trotz des Mangels an sozialem Nutzen. Niemand hätte die Immobilienblase beenden können, weil sie politisch unterstützt wurde und keine staatliche Organisation in der Lage ist, Investitionen aufzuhalten. 7 Morgenson, Gretchen: How to Prevent a Financial Overdose, The New York Times, 31. März 2012, unter: http://www.nytimes.com/2012/04/01/business/how-a-financial-products-agency-could-protectinvestors .html?_r=0, abgerufen am 6. Februar 2014. 8 Allen, Hilary: A New Philosophy for Financial Stability Regulation, Loyola University New Orleans, College of Law, Legal Studies Research Paper Series, Paper Number 2013-20, unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2085336, abgerufen am 5. Februar 2014 9 Randazzo, Anthony: A Financial Products Agency ist a Bad Idea, Reason Foundation, 3. April 2012, unter: http://reason.org/blog/show/a-financial-products-agency-is-a-ba, abgerufen am 6. Februar 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 8 1.1.4. Suleika Reiners10 Suleika Reiners arbeitet für den think tank „World Future Council“, der das Fehlen von vorbeugenden Tests von systemrelevanten Finanzinstrumenten beklagt. Innovationen müssten eingeteilt werden in nützlich und schädlich. Auch wenn die Beweislast auf die Finanzinstitute übertragen würde, müssten sich die Aufseher ein eigenes Bild machen. Die Tests von Finanzprodukten werde von Wissenschaftlern wie Joseph Stiglitz, Chandran Nair und Rudolf Hickel sowie Parlamentariern , der sozialen Bewegung attac, Gewerkschaften und Verbraucherorganisationen gefordert. Manchmal sei die Diskussion noch zu sehr auf Verbraucherfragen, Anlegerschutz und Sicherheit fokussiert. Stattdessen müsse man sich mit dem durch große Anleger entstehenden finanziellen Druck auf die Realwirtschaft, mit der Verhinderung von Regulierung und mit der Steuervermeidung beschäftigen. Eine Initiative der Europäischen Kommission zur Entwicklung und Umsetzung von Finanztests wäre sehr hilfreich. Im Januar 2014 berichtete die Frankfurter Rundschau, die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) solle künftig Finanzprodukte, die für Kunden gefährlich oder irreführend sind, bereits vor ihrer Vermarktung verbieten dürfen.11 1.1.5. Hilary Allen Allen beschreibt in ihrem Artikel kein genaues Modell für die Regulierung von Finanzprodukten. Jede Regulierung sollte jedoch vorsorgenden Charakter haben, um schlechte Ergebnisse zu vermeiden und langfristig statt auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtet sein. Die bereits vorhandenen Regulationen und Organisationen könnten oft nicht den Überblick über Finanzinnovationen behalten . Beispielsweise seien viele Theorien und Modelle von Finanzinnovationen urheberrechtlich geschützt und sind nicht einsehbar. Aus diesem Grund können die Regulatoren die hinter den Finanzinnovationen stehenden Theorien und Modelle nicht verstehen. Zudem würden von den neuen Produkten oft nur kleine Mengen auf dem Markt gehandelt. Auf diese Weise sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Finanzaufseher sie wahrnimmt oder in die Lage versetzt wird, genug Informationen über eventuelle Risiken für die Finanzmarktstabilität zu erhalten. Nach Allens Ansicht könnten die Finanzmärkte im gegenwärtigen System nicht effektiv geregelt werden.12 10 Reiners, Suleika: At the base of financial regulation: Testing for Financial Innovations („finance TÜV“), Discussion Paper for EuroMemo, 18th conference, workshop 1: Economic an financial policy, September 2012, unter: http://www.euromemo.eu/annual_workshops/2012_poznan/workshops_papers_poznan/index.html, abgerufen am 6. Februar 2014. 11 Luttmer, Nina: EU verschärft Regeln für Anlageberatung, Frankfurter Rundschau vom 16. Januar 2014, unter: http://www.fr-online.de/wirtschaft/banken--eu-verschaerft-regeln-fuer-anlageberatung,1472780,25901680.html, abgerufen am 7. Februar 2014. 12 Allen, Hilary: A New Philosophy for Financial Stability Regulation, Loyola University New Orleans, College of Law, Legal Studies Research Paper Series, Paper Number 2013-20, unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2085336, abgerufen am 5. Februar 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 9 1.1.6. Saule Omarova13 Nach dem Vorschlag von Omarova ist eine „Financial Product Approval Commission (FPAC)“ einzurichten. Diese könnte neue Finanzprodukte verbieten oder zum Beispiel nur für eine kurze Zeit zulassen, um die von ihnen ausgehende Gefahr zu bestimmen. Die Unternehmen wären für die Einholung der FPAC-Zustimmung verantwortlich, verkauften sie Produkte ohne die Zustimmung , handelten sie illegal. Die FPAC würde drei Fragen vor einer Zustimmung stellen: Nutzt die Erfindung der Gesellschaft? Ein Unternehmen sollte Informationen darüber bereitstellen , wer die Finanzinnovation kaufen würde, was das Produkt dem Unternehmen selbst bringt und ob das Produkt gut oder gefährlich für die Finanzmarktstabilität ist. Kann das Unternehmen das Produkt verantwortungsvoll verkaufen? Dabei würde man auf die Struktur des Unternehmens schauen. Bedeutet dieses Produkt viele Risiken für den Markt? Hilary Allen befürwortet den Vorschlag von Omarova, weil die Beweislast dem Verkäufer des Produkts auferlegt wird und nicht der Behörde. Das Unternehmen muss die Werthaltigkeit seines Produkt beweisen.14 1.2. Praktische Erfahrungen mit einem Finanz-TÜV Hilary Allen15 sowie Epstein und Crotty16 berichten von den Erfahrungen aus Indien: Die Reserve Bank of India (RBI) als Überwachungsbehörde lässt Finanzinnovationen erst zu, wenn die Fachleute der Bank das Produkt verstanden haben oder wenn es so neu gestaltet wurde, dass es verstanden werden kann. Die RBI hat für ihre Aktivitäten 2012 den „Dufrenoy Prize for facilitating 13 Omarova, Saule T: License to Deal: Mandatory Approval of Complex Financial Products, Washington University Law Review, Volume 90, Issue 1, Seite 63ff. und Allen, Hilary: A New Philosophy for Financial Stability Regulation , Loyola University New Orleans, College of Law, Legal Studies Research Paper Series, Paper Number 2013-20, unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2085336, abgerufen am 5. Februar 2014. 14 Allen, Hilary: A New Philosophy for Financial Stability Regulation, Loyola University New Orleans, College of Law, Legal Studies Research Paper Series, Paper Number 2013-20, unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2085336, abgerufen am 5. Februar 2014. 15 Allen, Hilary: A New Philosophy for Financial Stability Regulation, Loyola University New Orleans, College of Law, Legal Studies Research Paper Series, Paper Number 2013-20, Seite 181, unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2085336, abgerufen am 5. Februar 2014. 16 Epstein, Gerald; Crotty, James: Controlling Dangerous Financial Products through A Financial Pre-Cautionary Principle, in: Ekonomiaz Nr. 72, 2009, Seite 275ff., unter: http://www.econbiz.de/Record/controllingdangerous -financial-products-through-a-financial-pre-cautionary-principle-epstein-gerald/10008919618, abgerufen am 5. Februar 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 10 responsible financial innovation“ erhalten.17 In seiner Dankesrede bei der Preisverleihung schildert der Executive Director, Shri G. Padmanabhan, das Verfahren der „schrittweisen Einführung“ eines neuen Finanzprodukts. Vor der Einführung holt die Reserve Bank die Meinungen von Aktionären , Wissenschaftlern und Forschern, Finanzinstitutionen und Laien ein. Auf diese Weise würden die Märkte auf die Einführung vorbereitet und unerwartete Folgen zu einem großen Teil negiert.18 2. Finanzmarktwächter 2.1. Vorbemerkung Es sollen im Folgenden die Ausgestaltung, die institutionelle Zugehörigkeit bzw. Angliederung des Finanzmarktwächters und dessen Finanzierung dargestellt werden. 2.2. Einleitung Der Koalitionsvertrag der 18. Wahlperiode „Deutschlands Zukunft gestalten“19 vom 27. November 2013 sieht vor, die „bestehenden Verbraucherorganisationen mit einer speziellen Marktwächterfunktion ‘Finanzmarkt‘“ zu betrauen. Die Leiterin Verbraucherpolitik beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V (vzbv), Helga Springeneer, erklärte am 2. Januar 2014 gegenüber der Nachrichtenagentur dpa20 zum geplanten Finanzmarktwächter, im Mittelpunkt stehe die Marktbeobachtung, die auf einer systematischen Erfassung der bundesweiten Verbraucheranfragen, Beschwerden und Beratungen zu Finanzthemen aufbaue. Zudem würden bei Bedarf vertiefende Marktuntersuchungen und Studien in Auftrag gegeben. Die finanziellen Rahmenbedingungen und der Starttermin der Finanzmarktwächter seien noch offen.21 Schon in der 17. Wahlperiode hatten Oppositionsfraktionen und der Bundesrat unterschiedlich ausdifferenzierte Konzepte bzw. Vorschläge für die Einführung eines Finanzmarktwächters vorgelegt (siehe hierzu Punkt 4.), die sich auch hinsichtlich ihrer Finanzierung unterscheiden. Zu- 17 Reserve Bank of India: RBI awarded the 2012 Dufrenoy Prize for facilitating responsible financial innovation, Press Releases, 20. Juni 2012, unter: http://rbi.org.in/scripts/BS_PressReleaseDisplay.aspx?prid=26690, abgerufen am 6. Februar 2014. 18 Reserve Bank of India: Comments by Shri G Padmanabhan, Executive Director, Reserve Bank of India at the Award Ceremony of Dufrenoy Prize for Responsible Innovation in Finance - Paris - June 18, 2012, unter: http://www.rbi.org.in/scripts/BS_SpeechesView.aspx?Id=696, abgerufen am 6. Februar 2014. 19 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf 20 dpa (2014). Verbraucherzentralen wollen Finanzmarkt intensiver beobachten. (2.1.2014). 21 http://dpaq.de/s3npW Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 11 dem lud am 21. März 2012 der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu einer öffentlichen Anhörung zum Thema „Finanzmarktwächter“ ein22, wo neben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), der Bundesverband Deutscher Banken e.V., die Stiftung Warentest, die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. sowie Einzelsachverständige zum Thema Stellung nahmen. 2.3. Bundesverband der Verbraucherzentralen Im März 2012 forderte der damalige Vorstand der vzbv, Gerd Billen – nunmehr seit Januar 2014 Staatssekretär im Justiz- und Verbraucherschutzministerium -, den Ausbau einer unabhängigen Finanzberatung und die Stärkung der Finanzmarktwächterfunktion der Verbraucherzentralen und der vzbv.23 Bereits im Frühjahr 2011 war vom vzbv und den 16 Verbraucherzentralen der Länder als Reaktion auf die Finanzmarktkrise die so genannte „Initiative Finanzmarktwächter“ ins Leben gerufen worden, ein aus Eigenmitteln finanziertes Pilotprojekt.24 Die „Initiative Finanzmarktwächter “ hat bislang Missstände bei Vertriebsprovisionen der Finanzinstitute offengelegt und auf Unzulänglichkeiten der Beratungsprotokolle hingewiesen. Sie hat über Verluste bei vorzeitiger Kündigung von Kapitallebensversicherungen aufgeklärt und auf das Problem aufmerksam gemacht, vom Dispositionskredit zum günstigeren Ratenkredit zu wechseln.25 Die Bundesregierung bewertet die „Initiative Finanzmarktwächter“ des vzbv als „grundsätzlich positiv“26, wie aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage27 vom 30. November 2012 hervorgeht. Sie weist allerdings auch deutlich darauf hin, dass der vzbv nur eine von vielen Einrichtungen sei, die marktbeobachtende Aufgaben übernähmen. So seien auch andere Einrichtung wie z. B. die Stiftung Warentest zu nennen oder der Bund der Versicherten für den Versicherungsbereich. Zudem seien die Empfehlungen dieser Einrichtungen nicht immer deckungsgleich.28 Im Hintergrundpapier der vzbv „Finanzmarktwächter: Verbraucherbezogene Fehlentwicklungen und Missstände am Finanzmarkt systematisch und frühzeitig erkennen“29 vom 1. März 2012 wird 22 http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=2921&id=1223 23 http://www.test.de/Anlegerschutz-Billen-fordert-Wachhund-fuer-Verbraucher-4340952-0/ 24 http://www.vzbv.de/cps/rde/xbcr/vzbv/vzbv-Jahresbericht-2012-2013.pdf; Vgl. http://www.vzbv.de/finanzmarktwaechter.htm 25 http://www.vzbv.de/cps/rde/xbcr/vzbv/Finanzmarktwaechter-Hintergrundpapier-2012.pdf 26 BT-Drs. 17/11751. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/117/1711751.pdf 27 Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Verbraucherorganisationen und ihre Marktwächterfunktion als Teil der systematischen verbraucherorientierten Beobachtung des Finanzmarktes. BT-Drs. 17/11751. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/117/1711751.pdf 28 BT-Drs. 17/11751. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/117/1711751.pdf 29 http://www.vzbv.de/cps/rde/xbcr/vzbv/Finanzmarktwaechter-Hintergrundpapier-2012.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 12 darauf hingewiesen, dass der Finanzmarktwächter „keine neue Institution“30 sei, da Verbraucherzentralen bereits Fehlentwicklungen und Missstände aufzeigen würden, dies jedoch ohne über ausreichende Kapazitäten zu verfügen, die benötigt würden, um die „kollektiven Erkenntnisse regelmäßig, systematisch und wissenschaftlich untermauert auszuwerten und aufzubereiten“31. Der Finanzmarktwächter sei eine Verbrauchervertretung gegenüber Finanzwirtschaft, Finanzaufsicht , Bundes- und Landespolitik und der Öffentlichkeit.32 Durch den Finanzmarktwächter soll die nichtstaatliche Marktbeobachtung der Verbraucherzentralen und des vzbv gestärkt werden. Die Marktbeobachtung soll mit der staatlichen Marktkontrolle der Finanzaufsicht (BaFin) verknüpft werden. Dies wird als duale Struktur bezeichnet. Innerhalb dieser dualen Struktur werden die Aufgaben des Finanzmarktwächters wie folgt beschrieben : Er beobachtet das Verhalten der Finanzmarktakteure aus Verbrauchersicht und wertet es systematisch aus. Verbraucherbeschwerden werden dezentral gesammelt und zentral ausgewertet. Er warnt bei Missständen und Fehlentwicklungen des Marktes und unterstützt die Aufsichtsbehörden . Das Sammeln der Daten dient der Entwicklung verbraucherpolitischer Lösungen. Kollektive Verbraucherrechte werden mittels Abmahnungen und Unterlassungsklagen durchgesetzt.33 2.4. Finanzmarktwächterkonzepte und -vorschläge der 17. Wahlperiode 2.4.1. Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 6. Juli 2011 Mit dem Antrag „Finanzmarktwächter im Verbraucherinteresse einrichten“ vom 6. Juli 2011 forderte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN34, die Verbraucherinteressenvertretung auf die Finanzmärkte zu erweitern.35 Für die Finanzierung des Finanzmarktwächters seien jährlich 10 Mio. Euro in den Bundeshaushalt einzustellen. Langfristig solle die Finanzierung dann auf mehreren Säulen stehen. Es sei eine Sonderabgabe der Finanzbranche zu prüfen.36 Auch Mittel aus Buß- und Ordnungsgeldern bei Verstößen gegen Verbraucherschutzgesetze seien möglich. Die Aufgaben des Finanzmarkwächters werden wie folgt formuliert: „1. Marktbeobachtung aus Verbrauchersicht 30 http://www.vzbv.de/cps/rde/xbcr/vzbv/Finanzmarktwaechter-Hintergrundpapier-2012.pdf 31 http://www.vzbv.de/cps/rde/xbcr/vzbv/Finanzmarktwaechter-Hintergrundpapier-2012.pdf 32 http://www.vzbv.de/cps/rde/xbcr/vzbv/Finanzmarktwaechter-Hintergrundpapier-2012.pdf 33 http://www.vzbv.de/cps/rde/xbcr/vzbv/Finanzmarktwaechter-Hintergrundpapier-2012.pdf 34 BT- Drs. 17/6503. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/065/1706503.pdf; Auf diesen Antrag wird auch auf der Homepage des vzbv hingewiesen. 35 BT- Drs. 17/6503. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/065/1706503.pdf 36 BT- Drs. 17/6503. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/065/1706503.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 13 Der Finanzmarktwächter soll die Regulierungs- und Aufsichtsbehörden unterstützen, indem er die Ergebnisse seiner Arbeit an die zuständigen Behörden weiterleitet. Er erhält ein Initiativ - und Anhörungsrecht gegenüber der BaFin. Außerdem soll mit dem Finanzmarktwächter ein Rückmeldesystem etabliert werden, welches Fehlfunktionen am Markt frühzeitig erkennt und die zuständigen Behörden darüber informiert, damit diese schnell für Abhilfe sorgen können. Der Marktwächter soll als Lobbyist der Verbraucherinnen und Verbraucher agieren und bei der BaFin die Wahrnehmung der Aufsicht einfordern. Auf politischer Ebene soll er Erneuerungs- und Änderungsbedarf bei Gesetzen und Verordnungen anmelden. Der Finanzmarktwächter soll Daten zum Marktgeschehen sowohl auf der Verbraucherseite als auch auf der Anbieterseite untersuchen, aufbereiten und Statistiken erstellen. Sollte sich daher zeigen, dass die Marktbeobachtung der BaFin mittels der Ende 2010 angekündigten verdeckten Testkäufer lediglich aus Anbieterperspektive geschieht, sollen auch seitens des Finanzmarktwächters verdeckte Testkäufer eingesetzt werden, damit die Marktbeobachtung hinsichtlich des Dienstleistungsangebotes der Banken und Finanzvermittler unter Verbraucherschutzgesichtspunkten nicht zu kurz kommt. 2. Verbraucheraufklärung weiterentwickeln Der Marktwächter soll die Instrumente zur Verbraucherinformation weiterentwickeln: Verbindliche verbraucherrelevante Analyse- und Bewertungssysteme sollen entwickelt werden. So u. a. ein einfaches, standardisiertes Produktinformationsblatt für alle Anlageprodukte und eine Kennzeichnung über ökologische und ethische Komponenten eines Anlageproduktes. 3. Instrumente der kollektiven Rechtsdurchsetzung Der Finanzmarktwächter soll stellvertretend für die Verbraucherinnen und Verbraucher Mittel der kollektiven Rechtsdurchsetzung anwenden. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermindern , soll er unerwünschtes Marktverhalten unterbinden können. Als qualifizierte Einrichtung sollen ihm Wege der kollektiven Rechtsdurchsetzung (beispielsweise Unterlassungsklage ) offenstehen. Zudem sind die bisherigen Klageinstrumente zur Durchsetzung berechtigter Ansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu verbessern und zu erweitern. Der Finanzmarktwächter soll die Möglichkeit zum Einlegen von Feststellungsklagen und zur Abschöpfung von Gewinnen erhalten. (…). 4. Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden Der Finanzmarktwächter erhält nach dem Vorbild der britischen Super-complaints die Kompetenz , die Finanzaufsichtsbehörden anzurufen. BaFin und Deutsche Bundesbank müssen innerhalb von 90 Tagen eine öffentliche Stellungnahme zu dem genannten Problem abgeben .“37 37 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/065/1706503.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 14 Der Antrag wurde am 12. Juni 201338 abgelehnt. 2.4.2. Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 29. Februar 2012 Der Antrag der Fraktion DIE LINKE „Finanzmärkte verbrauchergerecht regulieren - Finanzwächter und Finanz-TÜV einführen“39 vom 29. Februar 2012 verlangt: „ergänzend zur staatlichen Regulierung einen Finanzwächter zu schaffen, der – bei der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv) und den Verbraucherzentralen der Bundesländer angesiedelt ist; – die Finanzmärkte laufend beobachtet und Verstöße sowie Regulierungsbedarfe aufdeckt, indem er Erkenntnisse aus der unabhängigen Verbraucherberatung sowie Verbraucherbeschwerden auswertet und Marktanalysen durchführt; – gegenüber der neu zu schaffenden Verbraucherschutzbehörde zur Regulierung der Finanzmärkte ein Anhörungs- und Beschwerderecht erhält. Stellt er systematische Missstände auf dem Markt fest, informiert er die Aufsichts- und Zulassungsstelle, die diese dann zu prüfen, Stellung zu nehmen und die Missstände ggf. zu beseitigen hat (Initiativund Beschwerderecht); – Beteiligungsrechte in den verbraucherpolitisch relevanten Aufsichtsgremien erhält; – Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützt“40; und „eine gesetzliche Grundlage zur Finanzierung des Finanzwächters zu schaffen, die nach dem Verursacherprinzip die Unternehmen der Finanzbranche zur Übernahme der Kosten heranzieht .“41 Der Antrag wurde am 12. Juni 201342 abgelehnt. 2.4.3. Antrag der Fraktion der SPD vom 6. März 2012 Der Antrag der SPD-Fraktion „Verbraucherschutz stärken - Finanzmarktwächter einführen“43 vom 6. März 2012 fordert: „1. einen Finanzmarktwächter als unabhängigen Wächter des Finanzmarktes einzuführen, der den Markt beobachtet und Auffälligkeiten an eine schlagkräftige Aufsicht meldet. Der Finanzmarktwächter soll insbesondere 38 BT-PlPr. 17/245. S. 31163C. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btp/17/17245.pdf#P.31151 39 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/087/1708764.pdf 40 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/087/1708764.pdf 41 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/087/1708764.pdf 42 BT-PlPr. 17/245, S. 31163C. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btp/17/17245.pdf#P.31151 43 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/088/1708894.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 15 o den Finanzmarkt beobachten, um unlautere Praktiken aufzuspüren, o Hinweise und Erfahrungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern systematisch erfassen und ggf. zur weiteren Veranlassung an die Finanzaufsicht weitergeben, o unlautere Anbieter abmahnen und gegebenenfalls Unterlassungsklage erheben, o die Möglichkeit zur Einreichung von Muster- und Musterfeststellungsklagen sowie zur Abschöpfung von Gewinnen nach dem Vorbild des § 10 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) haben, o Verbraucherinnen und Verbraucher informieren und aufklären und o interne handlungsorientierte Konzepte (Beratungsstandpunkte) für die individuelle Verbraucherberatung entwickeln und koordinieren; 2. diesen Finanzmarktwächter mit Initiativrechten gegenüber der jeweiligen Aufsicht auszustatten ; 3. eine Onlineplattform für Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen einzurichten, die sich am Beispiel der Onlineplattform www.lebensmittelklarheit.de orientiert, um den Bürgerinnen und Bürgern im Finanzdienstleistungsbereich die nötigen Informationen zu vermitteln; 4. den Marktwächter durch Zinserträge der Deutschen Stiftung Verbraucherschutz44 zu finanzieren . Zum weiteren Aufbau des Stiftungskapitals sollen deshalb unter anderem Mehreinnahmen aus der Veräußerung des Zweckvermögens der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank und Bußgelder aus Kartellverfahren herangezogen werden.“45 Der Antrag wurde am 12. Juni 201346 abgelehnt. 2.4.4. Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Juni 2012 Der Bundesrat schlägt in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht vom 15. Juni 201247 vor, die staatliche Finanzaufsicht durch nichtstaatliche Organisationen, die eine Marktwächterfunktion wahrnehmen (Finanzmarktwächter) zu ergänzen . Diese sollten als zusätzliche Interessensvertretung die Belange der Verbraucher im Finanzmarkt gegenüber Politik, Aufsichtsbehörden und Wirtschaft vertreten. Weiter heißt es dort: „Um dieses Ziel auf effektive Weise erreichen zu können, sollten sie auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und mit weitreichenden Handlungsmöglichkeiten ausgestattet werden. Unter anderem sollten sie die Qualität der angebotenen Finanzprodukte und Beratungsleistungen im Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern analysieren und die Öffentlichkeit hierüber informieren. Verbraucherbeschwerden sollten durch die nichtstaatlichen Markt- 44 Hervorhebung durch Verfasserin. 45 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/088/1708894.pdf 46 BT-PlPr. 17/245, S. 31163B. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btp/17/17245.pdf#P.31151 47 BR-Drs. 249/12 (Beschluss). http://dip21.bundestag.btg/dip21/brd/2012/0249-12B.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 16 wächter statistisch dokumentiert und evaluiert werden. Die Finanzmarktwächter sollten die Instrumente der Verbraucherinformation weiter entwickeln und als qualifizierte Einrichtungen Mittel der kollektiven Rechtsdurchsetzung, deren gesetzliche Grundlage gegebenenfalls noch zu schaffen ist, anwenden. Indem sie die Ergebnisse ihrer Arbeit an die zuständigen Behörden weiterleiten, sollten die Marktwächter die BaFin bei ihrer Arbeit unterstützen. Die BaFin sollte die Finanzmarktwächter ihrerseits regelmäßig darüber informieren, welche aufsichtsrechtlichen Schritte sie gegen Unternehmen einleitet, die gegen Verbraucherrechte im Finanzdienstleistungssektor verstoßen. Darüber hinaus wird die Bundesregierung um Prüfung gebeten, wie auch die Befugnisse und Pflichten staatlicher Behörden zur Bewertung von und Warnung vor Finanzprodukten weiter ausgebaut werden können. Damit die Finanzmarktwächter ihre Aufgaben zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher als Ergänzung zur staatlichen Finanzaufsicht effektiv wahrnehmen können, sind sie mit den hierfür notwendigen finanziellen Ressourcen auszustatten.“48 2.4.5. Empfehlungen des Bundesrates vom 13. November 2012 Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz des Bundesrates empfahl am 13. November 2012 den Vermittlungsausschuss einzuberufen. Er empfahl, im Gesetz zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht die entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen, um die staatliche Finanzaufsicht durch nichtstaatliche Organisationen zu ergänzen, die eine Finanzmarktwächterfunktion wahrnehmen. „Damit die Finanzmarktwächter ihre Aufgaben zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher als Ergänzung zur staatlichen Finanzaufsicht effektiv wahrnehmen können, sind sie mit den hierfür notwendigen finanziellen Ressourcen auszustatten. Der Bundesrat würde dabei eine wirtschaftsseitige Finanzierung der Aufgaben der Finanzmarktwächter ausdrücklich begrüßen. Soweit die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Juni 2012 darauf verweist, dass es genüge, der Stiftung Warentest zusätzliche Mittel zu bewilligen, greift die Argumentation zu kurz. Die Gewährung von zusätzlichen Mitteln für die Stiftung Warentest ist aus verbraucherpolitischer Sicht zwar grundsätzlich zu begrüßen, jedoch lässt sich mit bloßer Verbraucherinformation weder das Problem der Falsch- und Schlechtberatung noch sonstige Missstände in den Finanzmärkten lösen. Die Stiftung Warentest kann nur testen und informieren, ihr fehlen aber die rechtlichen Instrumente und Befugnisse , um aktiv gegen die Probleme vorzugehen und Verbesserungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu erreichen. Der Gesetzgeber steht nach wie vor in der Pflicht, eindeutige gesetzliche Kompetenzen für nichtstaatliche Finanzmarktwächter festzulegen.“49 48 http://dip21.bundestag.btg/dip21/brd/2012/0249-12B.pdf 49 BR-Drs. 635/1/12. http://dip21.bundestag.btg/dip21/brd/2012/0635-1-12.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 17 2.5. Derzeitige Finanzierung von vzbv und Stiftung Warentest Zur derzeitigen Finanzierung der vzbv und der Stiftung Warentest führt die Bundesregierung am 30. November 2012 aus, der vzbv erhalte zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben eine institutionelle Förderung und die Stiftung Warentest eine jährliche Zuwendung. Für den Bereich Finanzprodukte erhalte die Stiftung Warentest ab dem Haushaltsjahr 2013 zusätzlich 1,5 Mio. Euro. Neben der Förderung diverser Einzelprojekte – u. a. des vzbv – würden ferner Maßnahmen der Verbraucherzentralen in den Ländern im Bereich des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes im Wege einer Projektförderung in Höhe von. 2,5 Mio. Euro unterstützt; dort würden seit Jahren insbesondere auch aktuelle Fragen im Bereich der Finanzdienstleistungen und des Finanzmarktes einen thematischen Schwerpunkt bilden.50 2.6. Links zu Dokumenten zur öffentlichen Anhörung zum Thema „Finanzmarktwächter“ (17. Wahlperiode) Stellungnahme BVR sowie des Bundesverbandes Deutscher Banken e. V. Datum: 12.03.2012 Stellungnahme Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Datum: 14.03.2012 Stellungnahme Stiftung Warentest Datum: 14.03.2012 Stellungnahme der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Datum: 14.03.2012 Stellungnahme der Verbraucherzentrale Hamburg e.V. Datum: 19.03.2012 Stellungnahme des Einzelsachverständigen Prof. Dr. Jürgen Keßler, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin Datum: 14.03.2012 Stellungnahme des Einzelsachverständigen Dr. Achim Tiffe, institut für finanzdienstleistungen Hamburg e.V. Datum: 14.03.2012 2.7. Internationale Erfahrungen mit der Stärkung des Schutzes von Verbrauchern bei Finanzdienstleistungen Zwischen März und April 2012 hat die Consumers International bei ihren Mitgliedern Beispiele „guter Praxis“ im Finanzverbraucherschutz gesammelt. Das Ziel dieser Arbeit war es, Vorschriften , Verfahren oder Prozesse zu benennen, die dazu beigetragen haben, die Verbraucher von Fi- 50 Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Verbraucherorganisationen und ihre Marktwächterfunktion als Teil der systematischen verbraucherorientierten Beobachtung des Finanzmarktes. BT-Drs. 17/11751. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/117/1711751.pdf; Vgl. hierzu auch den Bundeshaushaltsplan 2013. Bundeshaushalt 2013. http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Oeffentliche_Finanzen/Bundes haushalt/Bundeshaushalt_2013/2013-01-08-HH2013-gesamtdatei.pdf?__blob=publicationFile&v=5 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 016/14 Seite 18 nanzdienstleistungen fair zu behandeln und den benötigten Schutz zu gewähren. Dazu gehören staatliche Regulierungen, Selbstregulierung der Industrie oder Co-Regulierung. Ob es sich dabei um eine "gute Praxis" handelt, sollten die Mitglieder entscheiden. Eine Praxis kann gut sein, weil sie einen wesentlichen positiven Unterschied für die Verbraucher bedeutet oder bestimmte Erwartungen erfüllt oder weil sie eine Empfehlung in diesem Bereich sein kann. Die Mitglieder haben in dem Bericht auch dargelegt, wie sich eine zunächst als „gute Praxis“ begrüßte Maßnahme als enttäuschend herausgestellt hat.51 51 Consumers International: In search of good practices in financial consumer protection, Februar 2013, unter: http://www.consumersinternational.org/media/1135359/in%20search%20of%20good%20practices%20in%20fi nancial%20consumer%20protection.pdf, abgerufen am 6. Februar 2014.