© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 015/21 Schadensersatzansprüche gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht oder ihre Mitarbeiter Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/21 Seite 2 Finanzdienstleistungsaufsicht oder ihre Mitarbeiter Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 015/21 Abschluss der Arbeit: 8. Februar 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Amtshaftungsanspruch gegen die BaFin (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG) 4 1.1. Insiderhandel 4 1.2. Unterlassen oder Verhindern von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen 4 2. Schadensersatzansprüche gegen den betreffenden Mitarbeiter der BaFin 5 2.1. Unterlassen oder Verhindern von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen 5 2.2. Insiderhandel 5 3. Ergebnis 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/21 Seite 4 Im Folgenden wird untersucht, ob Schadensersatzansprüche der Anleger1 gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder ihre Mitarbeiter bestehen, falls letztere einen nach Art. 14 lit. a Marktmissbrauchsverordnung (MAR) verbotenen Insiderhandel tätigen oder zu Zwecken der persönlichen Bereicherung gebotene aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen ein beaufsichtigtes Unternehmen bewusst unterlassen oder verhindern. 1. Amtshaftungsanspruch gegen die BaFin (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG) Eine Amtshaftung der BaFin als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts setzt voraus, dass einer ihrer Mitarbeiter in Ausübung seines Amtes schuldhaft eine ihm einer dritten Person gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat.2 1.1. Insiderhandel Als zugrundeliegendes Verhalten kommt einerseits der unterstellte Insiderhandel eines Mitarbeiters in Betracht. Insiderhandel ist nach Art. 14 lit. a MAR verboten; das Verbot ist gemäß § 119 III Nr. 1 Wertpapierhandelsgesetz strafbewehrt. Es umfasst neben den Mitarbeitern des Emittenten auch alle Personen, die aufgrund ihres Berufs Zugang zu Insiderinformationen haben (sog. Berufsinsider), und somit auch bestimmte Mitarbeiter des BaFin.3 Nutzen diese aber ihr dienstlich erlangtes Wissen für Vorteile im Rahmen privater Finanzgeschäfte, wie es für einen Insiderhandel kennzeichnend ist, fehlt es an einer Tätigkeit „in Ausübung des Amtes“, sodass kein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Amtshaftung vorliegt. 1.2. Unterlassen oder Verhindern von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen Andererseits lässt sich an das Unterlassen oder Verhindern der gebotenen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen anknüpfen. Die Amtspflicht der BaFin-Mitarbeiter zur Wahrnehmung der Aufsichtspflichten obliegt diesen nach überwiegender Auffassung allerdings nicht „einem Dritten“, insbesondere den Anlegern, „gegenüber“.4 Erforderlich wäre daher, dass die Voraussetzungen des Amtsmissbrauchs erfüllt sind, bei welchem das Erfordernis der Drittbezogenheit entfällt. Amtsmissbrauch liegt vor, wenn die Pflicht zur uneigennützigen Verwaltung des Amtes und zum Bedacht auf das Wohl der Bevölkerung (§§ 61 I 2, 60 I 2 Bundesbeamtengesetz) verletzt wird. Dies ist nicht bereits bei schuldhaft fehlerhafter Amtsausübung der Fall,5 wohl aber bei sittenwidriger Schädigung im Sinne des § 826 BGB oder wenn ein amtliches Verhalten durch sachfremde und 1 Ausschließlich zum Zwecke der besseren Lesbarkeit wird auf eine genderspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen in diesem Sachstand sind somit geschlechtsneutral zu verstehen; die gewählte maskuline Form bezieht sich auf weibliche, männliche und diverse Personen. 2 Vgl. für eine detaillierte Darstellung der Voraussetzungen WD4 – 3000 – 087/20 und WD3 – 3000 – 196/20, S. 4 ff. 3 Schwark/Zimmer/Kumpan/Grütze, 5. Aufl., VO (EU) 596/2014 Art. 14 Rn. 24. 4 Vgl. dazu WD4 – 3000 – 087/20 und WD3 – 3000 – 169/20, S. 6 f. 5 BeckOK BGB/Reinert, 56. Aufl., § 839 Rn. 91. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/21 Seite 5 rein persönlichen Motive determiniert wird.6 Im Falle einer Verhinderung von Aufsichtsmaßnahmen zur persönlichen Bereicherung ist das denkbar, bedarf aber der Prüfung im Einzelfall.7 2. Schadensersatzansprüche gegen den betreffenden Mitarbeiter der BaFin 2.1. Unterlassen oder Verhindern von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen In Bezug auf Personen, die Beamte im haftungsrechtlichen Sinne und in Ausübung ihres Amtes tätig sind, stellt § 839 BGB eine abschließende Haftungsregelung dar, welche alle anderen verschuldensabhängigen deliktischen Haftungstatbestände verdrängt.8 Weil im Anwendungsbereich der befreienden Schuldübernahme durch den Staat (Art. 34 S. 1 GG) deren persönliche Haftung gegenüber der geschädigten Person entfällt, haften diese wegen Handlungen und Unterlassungen im Rahmen der Amtsführung allenfalls nach Maßgabe des Innenregresses gegenüber dem Staat.9 Das Unterlassen oder Verhindern von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen begründet als Amtstätigkeit daher keine persönliche Haftung der BaFin-Mitarbeiter gegenüber den Anlegern. 2.2. Insiderhandel Möglich bleibt damit nur eine persönliche Haftung aufgrund des Insiderhandels, der – wie dargestellt – keine Tätigkeit in Ausübung des Amtes darstellt. Dazu müsste der Insiderhandel einen zivilrechtlichen Haftungstatbestand erfüllen. Nach überwiegender Auffassung begründet das in Art. 14 lit. a MAR ausgesprochene Verbot aber kein Schutzgesetz im Sinne des Schadensersatzanspruchs gemäß § 823 II BGB; der Insiderhandel soll im Regelfall auch nicht die hohen Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit erfüllen, wenn nicht besonders anstößige Umstände hinzutreten, sodass auch ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB ausscheidet.10 Darüber hinaus fehlt zumeist die für eine Haftung erforderliche Kausalität zwischen Insiderhandel und Schadenseintritt. Insoweit führt Wagner an angegebenem Ort aus: „Und selbst wenn die Haftung nach § 826 begründet ist, bleibt das Problem der Haftungsausfüllung : Ein zum Kauf oder Verkauf entschlossener Anleger hätte denselben Schaden auch dann erlitten, wenn nicht der Insider, sondern statt diesem ein Dritter mit dem Anleger kontrahiert hätte.“ Auch der Insiderhandel bildet damit grundsätzlich keine taugliche Haftungsgrundlage. 6 MüKo BGB/Papier/Schirvani, 8. Aufl., § 839 Rn. 272. 7 Vgl. zum Amtsmissbrauch bei falscher Anwendung der Aufsichtsbefugnisse durch die BaFin WD4 – 3000 – 087/20 und WD3 – 3000 – 169/20, S. 8 f. 8 jurisPK BGB/Zimmerling, 9. Aufl., § 839 Rn. 8. 9 MüKo BGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl., § 839 Rn. 433. 10 MüKo BGB/Wagner, 8. Aufl., § 826 Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/21 Seite 6 3. Ergebnis Aus dem beschriebenen Verhalten ergeben sich – vorbehaltlich des Vorliegens eines Amtsmissbrauchs im Einzelfall – keine Schadensersatzansprüche der Anleger gegen die BaFin oder ihre Mitarbeiter. ***