© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 015/19 Steuerliche Querverbünde in Kommunen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 2 Steuerliche Querverbünde in Kommunen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 015/19 Abschluss der Arbeit: 08. Januar 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einleitung 4 3. Kommunaler Querverbund 4 4. Rechtsprechung 8 4.1. Urteil des BFH vom 04.03.2009 8 4.2. Urteil des FG Köln vom 19.12.2013 9 4.3. Urteil des BFH vom 09.11.2016 zur Bäderverpachtung 10 4.4. Urteil des FG Münster vom 26.04.2017 zum Schulschwimmen 10 4.5. Urteil des BFH vom 10.05.2017, Vorinstanz FG Niedersachsen vom 11.11.2015 10 4.6. Urteil des FG Münster vom 11.05.2017 zu einem „Reserve-Bad“ 12 5. Gesetzgebung 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber bittet um Darstellung der rechtlichen Entwicklung von steuerlichen Querverbünden in Kommunen in den letzten Jahren. Zudem sollen aktuelle Problemstellungen und Gesetzgebungsvorhaben erörtert werden. 2. Einleitung Vor 2009 beruhte der steuerliche Querverbund nicht auf gesetzlichen Regelungen sondern nur auf Verwaltungsanweisungen, auf welche sich die Steuerpflichtigen vor Gericht aber nur sehr eingeschränkt berufen konnten.1 Mit dem Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) wurde der steuerliche Querverbund im Körperschaftsteuergesetz erstmals gesetzlich fixiert.2 „Demnach ist eine Zusammenfassung möglich, wenn die Tätigkeiten gleichartig sind, eine wechselseitige technischwirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht oder es sich um Versorgungs-, Verkehrs - oder Hafenbetrieb handelt.“3 „Unter steuerlichen Gesichtspunkten kann die Zusammenfassung mehrerer Eigenbetriebe für die Gemeinde von Bedeutung sein, wenn Betriebe jeweils für sich Gewinne oder Verluste erwirtschaften . Körperschaftsteuerliche Folge ist die Saldierung der Gewinne und Verluste und damit ein Ergebnisausgleich, der für die Gemeinde erhebliche steuerliche Vorteile bieten kann. Daher sind für den Querverbund vor allem die Gewinnsteuern – Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer –, aber auch die Umsatzsteuer von Bedeutung. Sind alle zusammengeschlossenen Betriebe in der Gewinnzone, so ergeben sich, rein steuerlich gesehen, aus der Zusammenfassung weder Vor- noch Nachteile. Steuerliche Vorteile ergeben sich dann, wenn Verluste einer Sparte mit den Gewinnen anderer Sparten steuerlich verrechnet (saldiert) werden können.“4 3. Kommunaler Querverbund Kommunen werden als Körperschaften des öffentlichen Rechts nur mit ihren Betrieben gewerblicher Art besteuert. Steuersubjekt ist grundsätzlich der einzelne Betrieb. Für Verlusttätigkeiten von Betrieben gewerblicher Art ist mit dem Jahressteuergesetz 2009 ein Sonderrecht geschaffen und die seinerzeitige Rechtspraxis des sogenannten kommunalen Querverbunds gesetzlich festgeschrieben worden.5 Er lässt sich wie folgt beschreiben: „Der kommunale Querverbund ist eine Zusammenfassung verschiedener Regie- und Eigenbetriebe in einem Betrieb gewerblicher Art, eine Zusammenfassung verschiedener Regie- und Eigenbetriebe in einer privatrechtlichen Eigen- 1 Westermann/Zemke, Neue Entwicklungen beim Steuerlichen-Querverbund, KommJur 2013, S. 1. 2 PriceWaterhouseCoopers, Aktuelle steuerliche und rechtliche Fragestellungen der Kommunalwirtschaft, Oktober 2014, S. 2. 3 PriceWaterhouseCoopers, 360° Steuern und Recht für Kommunale Unternehmen, Teil 3: Gleichartigkeit und technisch-wirtschaftliche Verflechtung im Querverbund, September 2015, S. 2. 4 Oster/Schmidt/Bokelmann/Grötecke/Hell, Praxis der Kommunalverwaltung, S. 116f. 5 Vgl. Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Auflage, § 11, Rn. 29. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 5 gesellschaft oder durch eine ertragsteuerliche Organschaft zur Senkung der Gruppensteuerbelastung . Da der kommunale Querverbund sowohl in öffentlich-rechtlichen Rechtsformen als auch in Privatrechtsformen möglich ist, ist er insofern rechtformenneutral.“6 Hierbei wird in der Wissenschaft zwischen einem Querverbund im engeren Sinne (i. e. S.) und im weiteren Sinne (i. w. S.) differenziert. „Der kommunale Querverbund i. e. S. (Querverbundunternehmen ) ist eine Zusammenfassung zweier oder mehrerer betrieblicher Organisationseinheiten der kommunalen leitungsgebundenen Energie- und Wasserversorgung, der Entsorgung (Abfall /Abwasser), des kommunalen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie anderer unternehmerisch geführter kommunaler Dienstleistungspartner in einem Wirtschaftsunternehmen in der Rechtsform eines Eigenbetriebes, eines Zweckverbandes oder einer kommunal beherrschten Kapitalgesellschaft (Eigengesellschaft: AG, GmbH). Der kommunale Querverbund i. w. S. ist eine Zusammenfassung von zwei oder mehreren kommunalen Unternehmen der leistungsgebundenen Energie- und Wasserversorgung, der Entsorgung, des ÖPNV sowie anderer kommunaler Dienstleistungsunternehmen in einem kommunalen Konzern (Querverbundskonzern). Die Konzernunternehmen sind durch organschaftliche Regelungen (Beherrschungsverträge) im Rahmen von Holdingstrukturen einer einheitlichen Willensbildung unterworfen.“7 Eine Quersubventionierung durch Zusammenfassung von defizitären und gewinnbringenden Betrieben gewerblicher Art war nach der früheren Rechtsprechung möglich, falls bestimmte Voraussetzungen für die Zusammenfassung vorlagen. Der Gesetzgeber wollte 2009 an den bisherigen Verwaltungsgrundsätzen zur Ergebnisverrechnung bei dauerdefizitären Tätigkeiten der öffentlichen Hand mittels Betrieben gewerblicher Art oder Eigengesellschaften festhalten8, und zwar auch zwecks Qualifikation als zulässige (bloße) Fortführung einer „Altbeihilfe“ im Sinne des EU- Beihilfenrechts. Im JStG 2009 wurden deshalb § 8 Abs. 1 S. 2 und § 8 Abs. 7–9 KStG eingefügt , sowie die zusammenfassbaren Tätigkeiten in § 4 Abs. 6 KStG normiert.9 § 4 Abs. 6 KStG regelt die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen mehrere Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst werden können. Ziel der Zusammenfassung ist der Verlustausgleich zwischen Verlust- und Gewinnbetrieben. Die juristische Person des öffentlichen Rechts kann ihre Betriebe gewerblicher Art im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften so organisieren, wie sie es für zweckmäßig hält. Sie kann entweder mehrere Betriebe gewerblicher Art in einem Betrieb gewerblicher Art oder mehrere Betriebe gewerblicher Art in einer juristischen Person des Privatrechts zusammenfassen. Weitere Möglichkeiten sind die Einbringung von Beteiligungen bzw. die Einlage ertragbringender Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen. Einrichtungen, die mangels Gewicht kein Betrieb gewerblicher Art sind, können untereinander und mit einem Betrieb gewerblicher Art nach den allgemeinen Grundsätzen zusammengefasst werden. Hoheitsbetriebe 6 Schleiter, Vivien Isabelle: Der kommunale Querverbund im System des deutschen Ertragsteuerrechts, Hillscheid 2014, S. 22. 7 Schleiter, Vivien Isabelle: Der kommunale Querverbund im System des deutschen Ertragsteuerrechts, Hillscheid 2014, S. 23. 8 BT-Drs. 16/10189, S. 69. 9 Blümich/Rengers, KStG, § 8, Rn. 1101. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 6 und Betriebe gewerblicher Art können nicht zusammengefasst werden (§ 4 Abs. 6 S. 2); denn die hoheitliche Tätigkeit vollzieht sich außerhalb der ertragsteuerrechtlichen Sphäre.10 § 4 Abs. 6 S. 1 KStG gestattet die Zusammenführung bei Vorliegen einer der drei im Gesetz benannten Tatbestände , nämlich die Gleichartigkeit, die technisch-wirtschaftliche Verflechtung oder die Versorgungsbetriebe . Der Tatbestand der technisch-wirtschaftlichen Verflechtung liegt dann vor, „wenn die Zusammenlegung der Betriebsleitungen nicht primär aus steuerlichen Gründen geschieht, sondern unter den gegeben örtlichen Verhältnissen zu einer flexibleren und besseren wirtschaftlichen Gestaltung beiträgt.“11 Nach § 8 Abs. 1 S. 2 KStG ist bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 KStG die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erforderlich .12 § 8 Abs. 7 KStG schließt die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 S. 2 KStG für (näher definierte) Dauerverlustgeschäfte der öffentlichen Hand aus.13 „Auf Betriebe gewerblicher Art sind – da sie wie fiktive Kapitalgesellschaften behandelt werdendie Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung anwendbar. Gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 KStG vermindern verdeckte Gewinnausschüttungen das Einkommen grundsätzlich nicht. Erwirtschaften Betriebe gewerblicher Art Verluste, die auf Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis entstanden sind, muss eine Gewinnkorrektur vorgenommen werden. Mit dem JStG 2009 hat der Gesetzgeber neben den Möglichkeiten der Ergebnissaldierung eine weitere Privilegierung von Dauerverlustgeschäften bei Betrieben gewerblicher Art geschaffen. Auch wenn bei einem dauerdefizitären Betrieb gewerblicher Art die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung vorliegen , ist nach § 8 Abs. 7 KStG eine Gewinnkorrektur dennoch nicht vorzunehmen.“14 Nach § 8 Abs. 7 S. 1 KStG sind die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 S. 2 KStG bei Betrieben gewerblicher Art und bei näher bezeichneten Kapitalgesellschaften der öffentlichen Hand nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben. § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG bezieht sich auf Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt. § 8 Abs. 7 S. 2 KStG beinhaltet eine Legaldefinition des Begriffs „Dauerverlustgeschäft “. Ein solches liegt vor, soweit aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftlichen Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt 10 Blümich/Erhard, KStG, § 4, Rn. 101. 11 Kaiser, Bernd: Der kommunale Querverbund: Eine Analyse ökonomischer und rechtlicher Einflussfaktoren, Bochum 2011, S. 102. 12 Blümich/Rengers, KStG, § 8, Rn. 1103. 13 Blümich/Rengers, KStG, § 8, Rn. 1104. 14 Schleiter, Vivien Isabelle: Der kommunale Querverbund im System des deutschen Ertragsteuerrechts, Hillscheid 2014, S. 133f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 7 unterhalten wird oder in den Fällen von Satz 1 Nr. 2 (d. h. von dort näher bezeichneten Kapitalgesellschaften der öffentlichen Hand) das Geschäft Ausfluss einer Tätigkeit ist, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehört.15 § 8 Abs. 8 KStG regelt den Verlustabzug bei zusammengefassten Betrieben gewerblicher Art. Für den Verlustabzug von Kapitalgesellschaften im Sinne des § 8 Abs. 7 KStG verlangt § 8 Abs. 9 KStG eine Spartenbildung. Die Spartenbildung ist erstmals für das Wirtschaftsjahr vorzunehmen, das im Veranlagungszeitrum 2009 endet, die Feststellung eines etwaigen Sparten-Verlustvortrags erstmals zum 31.12.09.16 Eine Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art ist unter den in § 4 Abs. 6 KStG bezeichneten Voraussetzungen zulässig. In diesem Fall ist § 10d EStG gemäß § 8 Abs. 8 S. 1 KStG auf den zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art anzuwenden. Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 ist § 8 Abs. 8 KStG zu berücksichtigen (§ 34 Abs. 6 S. 7 i. d. F. des JStG 2009). Der zum 31.12.08 für einen zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art festgestellte Verlustvortrag gilt als in diesem Betrieb gewerblicher Art entstanden (§ 34 Abs. 6 S. 8 i. d. F. des JStG 2009).17 § 8 Abs. 8 S. 2 bis 5 KStG regeln den Verlustvor- und -rücktrag zwischen dem zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art und den einzelnen Betrieben gewerblicher Art vor deren Zusammenfassung bzw. nach deren Trennung. Die Verlustverrechnung innerhalb des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art ist danach grundsätzlich auf den Zeitraum der Zusammenfassung beschränkt (vor Einführung des § 8 Abs. 8 KStG galt dies zwar ebenfalls für das zusammengefasste Ergebnis; bezogen auf die einzelne Tätigkeit blieb jedoch die Verrechnungsmöglichkeit über die zeitlichen Grenzen der Zusammenfassung hinaus bestehen). Diese Beschränkung durch § 8 Abs. 8 KStG gilt auch, wenn die Zusammenfassung nachträglich durch die Aufnahme weiterer Tätigkeiten erweitert wird.18 Kommt für Kapitalgesellschaften § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG zur Anwendung, so ist für diese Kapitalgesellschaften die Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht mehr einheitlich vorzunehmen , sondern getrennt nach Sparten. Dürfen Gewinn- und Verlusttätigkeiten zusammengefasst und einer Sparte im Sinne des § 8 Abs. 9 KStG zugeordnet (und damit die Ergebnisse verrechnet ) werden, ergeben sich die Vorteile eines klassischen Querverbundes. Aber auch dann, wenn die Tätigkeiten nicht zusammengefasst werden können, führt die Zusammenführung von Dauerverlusttätigkeit und Gewinntätigkeit innerhalb einer Kapitalgesellschaft zu verminderten Gewinnausschüttungen und damit zu einer niedrigeren Kapitalertragssteuerbelastung für die juristische Person des öffentlichen Rechts (sog. Kapitalertragsteuer-Querverbund).19 15 Blümich/Rengers, KStG, § 8, Rn. 1120. 16 Blümich/Rengers, KStG, § 8, Rn. 1105. 17 Blümich/Rengers, KStG, § 8, Rn. 1130. 18 Blümich/Rengers, KStG, § 8, Rn. 1131. 19 Blümich/Rengers, KStG, § 8, Rn. 1135. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 8 4. Rechtsprechung In der fachwissenschaftlichen Literatur werden diverse Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) und einzelner Finanzgerichte diskutiert. Diese werden kursorisch dargestellt. 4.1. Urteil des BFH vom 04.03.2009 Streitpunkt ist die Besteuerung von Leistungen als Ausgleichszahlungen im Sinne des § 16 KStG 1991. Im vorliegenden Fall versagte der BFH der Organschaft die steuerliche Anerkennung, da die Ausgleichszahlung über das nach § 304 AktG Gebotene hinausgehe und damit die Wirkungen der Gewinnabführung aus Sicht des erkennenden Senats wieder aufhebe. „Ein Ergebnisabführungsvertrag bewirkt für außen stehende Anteilseigner grundsätzlich einen partiellen oder kompletten Verlust ihrer Rechtsposition. Sie werden dafür jährlich durch einen angemessen Ausgleich (§ 304 AktG) oder durch eine einmalige angemessene Abfindung (§ 305 AktG) entschädigt.“20 Für den Streitfall stellte der BFH zunächst fest, dass es gar keiner Regelung der Ausgleichszahlungen im Ergebnisabführungsvertrag bedurft hätte. Die Stadt S war als Alleingesellschafterin der S- GmbH nicht als außenstehende Aktionärin anzusehen. Für den unterjährigen Eintritt eines Aktionärs behalte der Ergebnisabführungsvertrag bis Ende des Geschäftsjahrs seine Wirkung. Da aber nun eine Regelung aufgenommen wurde, welche sich an § 304 AktG orientiert, müsste dies auch den diesbezüglichen Anforderungen entsprechen. Durch die Koppelung der Ausgleichszahlungen am Ergebnis der Organgesellschaft würde die Durchführung des Ergebnisabführungsvertrags in Frage gestellt. Jedenfalls dann, wenn dem außenstehenden Aktionär aufgrund der Ausgleichszahlung der Gewinn der Organgesellschaft in dem Verhältnis zugewandt wird, wie er ihn auch ohne Organschaft erhalten hätte, könne keine Abführung des vollen Gewinnes an den Organträger vorliegen . Die Wirkung des Ergebnisabführungsvertrags würde daher faktisch negiert. Der BFH wendet sich in dem Urteil ausdrücklich gegen die Auffassung des BMF.21 Demnach steht eine „Vereinbarung von Ausgleichszahlungen des beherrschenden Unternehmens an einen außenstehenden Aktionär der beherrschten Gesellschaft der körperschaftrechtlichen Anerkennung eines Gewinnabführungsvertrags entgegen, wenn neben einem bestimmten Festbetrag ein zusätzlicher Ausgleich in jener Höhe vereinbart wird, um die der hypothetische Gewinnanspruch des Außenstehenden ohne die Gewährung den Festbetrag übersteigen würde.“22 Das BMF reagierte mit einem Nichtanwendungserlass: „Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die Rechtsgrundsätze des Urteils über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.“23 Nach Auffassung des BMF stehe das Urteil nicht in Einklang mit § 14 Abs. 1 S. 1 KStG. Über den festen Ausgleich hinausgehende 20 Nodoushani: Das neue BMF-Schreiben zu variablen Ausgleichszahlungen an außen stehende Anteilseigner, in: SteuK 2010, S. 212. 21 Jäckel/Schwarz: Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter – Sackgasse für den steuerlichen Querverbund ?, DStR 2018, S. 433. 22 BFH vom 04.03.2009 – I R 1/08, BStBl. 2010 II S. 407. 23 BMF vom 20.04.2010 – IV C 2 –S 2770/08/10006, BStBl. 2010 I S. 372. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 9 Ausgleichszahlungen würden dem Schutz von Minderheitsgesellschaftern in ausreichendem Maß Rechnung tragen.24 4.2. Urteil des FG Köln vom 19.12.2013 Das FG hatte sich im Urteilsfall mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Betrieb gewerblicher Art, der eine dauerdefizitäre Tätigkeit ausübt und zu dessen gewillkürten Betriebsvermögen eine (gewinnbringende ) Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehört, ein Gewerbetrieb ist, wenn die durch die Beteiligung erwirtschafteten Erträge die Verluste aus der Dauerverlusttätigkeit übersteigen .25 Der in dem vorliegenden Fall dauerhaft defizitäre Betrieb eines Freibades kann durch Beteiligungserträge gewerbesteuerpflichtig werden. Das FG Köln folgt der Rechtsprechung des BFH, nach dem eine Gewinnerzielungsabsicht auch dann vorliegt, „wenn eine Trägerkörperschaft zur Verbesserung der Ertragslage in ihren Betrieb gewerblicher Art Aktien einlegt, um die in der Vergangenheit ausgewiesenen Verluste verrechnen zu können. Auch in gewerbesteuerlicher Hinsicht sei in diesem Fall von einer Gewinnerzielungsabsicht auszugehen.“26 Das FG Düsseldorf hat jedoch mit seinem Urteil vom 22.06.2006 (15 K 2567/03, EFG 2006, 1769) entschieden, „dass bei einem strukturell dauerdefizitären Betrieb gewerblicher Art auch dann nicht von einer Gewinnerzielungsabsicht in gewerbesteuerlicher Hinsicht auszugehen sei, wenn Aktien in das Betriebsvermögen eingelegt würden, um laufende Verluste auszugleichen. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, dass die Einlage der Finanzanlagen aus betriebswirtschaftlicher Sicht keine sinnvolle Maßnahme der Strukturverbesserung darstelle. Durch Einlage von Beteiligungen aus der Vermögensverwaltung könne eine steuerlich unbeachtliche Tätigkeit nicht in den steuerbaren Bereich verlagert werden. Das Gericht folgte ausdrücklich nicht dem zitierten Beschluss des BFH. Es war darüber hinaus in dem Streitfall auch zu der Überzeugung gelangt, dass trotz der Einlage nicht mit einem Totalgewinn zu rechnen sei. Ebenfalls auf den Gesichtspunkt des Totalgewinns stellte das FG Düsseldorf in einer Entscheidung vom 10.07.2003 (10 K 2561/00, EFG 2003,1408) ab und verneinte die Gewerbesteuerpflicht eines Betriebes gewerblicher Art trotz Einlage von Kapitalbeteiligungen.“27 Im Lichte der BFH Rechtsprechung kam das FG Köln jedoch zu der Überzeugung, dass der Betrieb gewerblicher Art in Gestalt des Freibades gewerbesteuerpflichtig betrieben worden war. 24 Jäckel/Schwarz: Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter – Sackgasse für den steuerlichen Querverbund ?, DStR 2018, S. 434. 25 PriceWaterhouseCoopers, Aktuelle steuerliche und rechtliche Fragestellungen der Kommunalwirtschaft, Oktober 2014, S. 7. 26 FG Köln, 10 K 2933/11, Rn. 35. 27 FG Köln, 10 K 2933/11, Rn. 36. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 10 4.3. Urteil des BFH vom 09.11.2016 zur Bäderverpachtung „Der BFH hat in dem Urteil vom 09.11.2016 die Auffassung vertreten, dass die steuerliche Begünstigung dauerdefizitärer Tätigkeiten einer von der öffentlichen Hand beherrschten Kapitalgesellschaft gemäß § 8 Abs. 7 S. 1 KStG voraussetze, dass die Kapitalgesellschaft das jeweilige Dauerverlustgeschäft (im Urteilsfall den Betrieb eines Freibades) selbst ausübe. Übe die Kapitalgesellschaft das Dauerverlustgeschäft nicht selbst aus, weil sie den verlustbringenden Freibadbetrieb an einen Dritten verpachtet habe, sei die Verpachtungstätigkeit nicht begünstigt.“28 Offengelassen hat der BFH die umstrittene Rechtsfrage, ob die gesetzlichen Regelegungen der dauerdefizitären Tätigkeiten mit den unionsrechtlichen Beihilfevorschriften zu vereinbaren ist. 4.4. Urteil des FG Münster vom 26.04.2017 zum Schulschwimmen Das Urteil des FG Münster vom 26.04.2017 hat die Verrechnung von Verlusten einer kommunalen Eigengesellschaft aus dem Schulschwimmen mit den Versorgungsgewinnen im steuerlichen Querverbund versagt. „In dem Verfahren begehrte die Klägerin, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft einer Stadt in der Rechtsform einer GmbH, die ihr entstanden Verluste aus dem Schulschwimmen mit den Erträgen aus der Versorgung (Gas, Wasser, Strom, Wärme und Fernwärme ) zu verrechnen. (…) Die für das Schulschwimmen entstandenen anteiligen Kosten der GmbH überstiegen das von der Stadt gezahlte Entgelt.“29 Eine Revision ist zugelassen und vor dem BFH anhängig. Das Urteil ist folglich noch nicht rechtskräftig . 4.5. Urteil des BFH vom 10.05.2017, Vorinstanz FG Niedersachsen vom 11.11.2015 Der Urteilssachverhalt betraf den Ergebnisabführungsvertrag zwischen einem kommunalen Versorgungsunternehmen und deren Anteilseignerin. Das FG Niedersachsen stellt im erstinstanzlichen Verfahren fest, dass „durch die Vereinbarung der fixen Ausgleichszahlung zwar bereits den Anforderungen des § 304 Abs. 2 S.1 AktG ausreichend Rechnung getragen sei und aus handelsrechtlicher Sicht es unschädlich sei, wenn eine Aufstockung durch einen variablen Ausgleich erfolge. In steuerrechtlicher Hinsicht werde jedoch nach der Rechtsprechung des BFH in bestimmten Fällen nicht mehr der gesamte Gewinn im Sinne des § 14 KStG an den Organträger abgeführt , wenn sich der variable Anteil – wie im Streitfall – am Ergebnis des Gewinns der Organgesellschaft (und nicht am Gewinn des Organträgers, wie in § 304 AktG vorgesehen) bemesse. Durch die Kopplung der Ausgleichszahlung an das Ergebnis der Organgesellschaft vor Gewinnabführung werde die tatsächliche Durchführung der Gewinnabführung in Frage gestellt (BFH-Urteil vom 04.03.2009, I R 1/08).“30 Zudem stehe dies dem Schutzgedanken des § 304 AktG entgegen, da bei einem Organschaftsverhältnis der Gewinn der Organgesellschaft manipulierbar sei. Das FG 28 Strockem/Lichtenegger/Diehm: Aktuelle Entwicklungen im steuerlichen Querverbund, KStZ 2018, Nr. 3, S. 46. 29 Strockem/Lichtenegger/Diehm: Aktuelle Entwicklungen im steuerlichen Querverbund, KStZ 2018, Nr. 3, S. 48. 30 Deloitte: Niedersächsisches FG: Anerkennung Ergebnisabführung bei Ausgleichszahlung, 23.06.2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 11 lässt ausdrücklich offen, inwieweit § 304 AktG bei einer GmbH-Struktur überhaupt mittelbar anwendbar sei.31 „Auf einer Linie mit der früheren BFH-Rechtsprechung sowie der Entscheidung der Vorinstanz versagt auch der I. Senat des BFH mit Urteil v. 10.5.2017 der Organschaft die Anerkennung, sofern an außenstehende Gesellschafter neben einem fixen Betrag zusätzlich eine variable Ausgleichszahlung gewährt wird, deren Höhe sich am Ertrag der Organgesellschaft orientiert. Der BFH geht davon aus, dass die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben die ertragsteuerliche Rechtsanwendung nicht abschließend bestimmen und die steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale (insbesondere die Abführung des ganzen Gewinns) daher eigenständig anhand des steuerrechtlichen Regelungszwecks auszulegen seien. Dabei stellt der BFH auf eine entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Organschaftsregelungen für GmbHs ab. Mit einem variablen Ausgleich hätten es die Beteiligten faktisch in der Hand, das von der Organgesellschaft erzielte Einkommen beliebig aufzuteilen. Dies führe nicht zu einer Abführung des ganzen Gewinns. Damit sind – nach Auffassung des BFH – auch für die GmbH grundsätzlich nur solche Ausgleichszahlungsvereinbarungen anzuerkennen, die dem gesellschaftsrechtlich zwingend Gebotenen Rechnung tragen und nicht zu einer beliebigen Aufteilung des von der Organgesellschaft erzielten Einkommens führen.“32 Dabei stützt sich das BFH bei seiner Urteilsbegründung in Hinblick auf die Anerkennung variabler Ausgleichszahlungen nach Einschätzung von Jäckel und Schwarz im Wesentlichen auf drei Argumente:33 - § 304 AktG gilt für eine GmbH als Organgesellschaft entsprechend. - Handelsrechtlich zulässige Ausgleichszahlungen sind nicht grundsätzlich steuerrechtlich im Rahmen der Organschaft anzuerkennen. - Eine Abführung des ganzen Gewinns liegt dann nicht vor, wenn der außenstehende Gesellschafter eine Ausgleichszahlung erhält, welche in zweckwidriger Weise an das Ergebnis der Organgesellschaft geknüpft ist. Nach Einschätzung des Verbands kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) führt die Rechtsprechung des BFH dazu, dass in vielen kommunalen Konzernen das gesetzgeberische Ziel – einen dauerhaften Erhalt des steuerlichen Querverbunds durch das Jahressteuergesetz 2009 – alsbald 31 Jäckel/Schwarz: Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter – Sackgasse für den steuerlichen Querverbund ?, DStR 2018, S. 434. 32 Jäckel/Schwarz: Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter – Sackgasse für den steuerlichen Querverbund ?, DStR 2018, S. 434. 33 Jäckel/Schwarz: Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter – Sackgasse für den steuerlichen Querverbund ?, DStR 2018, S. 434f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 12 nicht mehr erreicht wird. Daher setzt sich der VKU für eine Gesetzesänderung ein, damit die bestehende Verwaltungspraxis gesetzlich abgesichert werden kann. Aus seiner Sicht kommt daher eine Änderung der §§ 14ff. KStG oder eine Änderung des § 304 AktG in Betracht.34 4.6. Urteil des FG Münster vom 11.05.2017 zu einem „Reserve-Bad“ Streitgegenstand in diesem Verfahren war die Fragen, ob zwischen einem Bad und einer Versorgungssparte auch dann mittels Blockheizkraftwerk (BHKW) eine technisch-wirtschaftliche Verbindung nach § 4 Abs. 6 S. 1 KStG begründet werden kann, wenn das Bad für den Publikumsverkehr geschlossen ist und lediglich als „Reserve-Bad“ vorgehalten wird. Fraglich hier ist, ob nach Schließung des Bades für die Öffentlichkeit eine enge wechselseitige Verflechtung von einigem Gewicht gegeben ist. „Die Voraussetzung für eine technisch-wirtschaftliche Verflechtung nach Schließung des Bades hat das Gericht als nicht erfüllt angesehen.“35 Gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden und beim BFH anhängig. Das Urteil ist somit noch nicht rechtskräftig. 5. Gesetzgebung Der Deutsche Bundestag hat am 08.11.2018 das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften in der Fassung des Beschlussvorschlags des Finanzausschusses des Bundestages verabschiedet. Am 23.11.2018 hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. Das Gesetz enthält eine Änderung des § 14 KStG. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24.09.201836 wird in § 14 KStG ein neuer Absatz zwei eingefügt. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH sieht „die Neuregelung vor, dass Unternehmen innerhalb einer Organschaft weiterhin die Möglichkeit haben, an außenstehende Gesellschafter als Investoren Ausgleichszahlungen im Sinne des § 16 KStG zu leisten. Hiernach ist es für die Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft bei gleichzeitiger Vereinbarung von Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter unschädlich, wenn neben dem festen Betrag nach § 304 Absatz 2 Satz 1 des Aktiengesetzes (AktG) ein weiterer Zahlungsbestandteil hinzutritt. Dies gilt jedoch nur, wenn die Ausgleichszahlung insgesamt den dem Anteil am Grundkapital entsprechenden handelsrechtlichen Gewinnanteil des außenstehenden Gesell- 34 Verband kommunaler Unternehmen e.V.: Steuerlicher Querverbund muss dauerhaft erhalten bleiben, Finanzierung der Daseinsvorsorge nachhaltig sicherstellen, 2017. So auch BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V./ Verband kommunaler Unternehmen e.V./ Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V.: Ertragssteuerliche Organschaft und variable Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter, Schreiben an das Bundesministerium der Finanzen, 01.12.2017, S. 4. 35 Strockem/Lichtenegger/Diehm: Aktuelle Entwicklungen im steuerlichen Querverbund, KStZ 2018, Nr. 3, S. 48. 36 BT-Drs. 19/4455, 24.09.2018. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 015/19 Seite 13 schafters nicht übersteigt, der diesem ohne Gewinnabführungsverpflichtung hätte zufließen können . Die Ausgleichszahlung muss in diesen Fällen zudem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet sein (Kaufmannstest).“37 *** 37 BT-Drs. 19/4455, 24.09.2018, S. 52.