© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 015/16 Vermeidung von Steuergestaltungen – Vorschläge im Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einschränkung bei Freistellungen gemäß eines Doppelbesteuerungsabkommens 7 4.3. Einführung einer Vorabpauschale für Anleger 9 4.4. Teilfreistellung 11 4.5. Abzug der Werbungskosten von den entsprechenden Einnahmen 12 4.6. Abweichung von der Ausschüttungsreihenfolge 13 4.7. Steuerpflicht für Erträge aus Swap-Verträgen im Falle des Surrogats für Zinsen und Dividenden 13 4.8. (Negativer) Ertragsausgleich 14 5. Geplante gesetzliche Regelungen zur Verhinderung des Gestaltungsmissbrauchs in bestehenden Gesetzen und deren Bewertung durch Sachverständige 15 5.1. Erweiterung der Pflichten der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vergleichbarer Berufsträger 15 5.2. Einführung einer Mindesthaltedauer zur Berechtigung der Kapitalertragsteueranrechnung 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 4 1. Fragestellung Zielstellung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Reform der Investmentbesteuerung ist unter anderem, steuerliche Gestaltungs- und Missbrauchspotentiale einzuschränken. Dies umfasst beispielsweise sogenannte Cum-cum- Geschäfte. Es wird gebeten, zu prüfen, a) ob die im Gesetzentwurf der Bundesregierung und die im Bericht der Arbeitsgruppe „Reform der Investmentbesteuerung“ dargestellten steuerlichen Gestaltungs- und Missbrauchspotentiale durch die Reform wirksam und umfassend verhindert werden, b) welche steuerlichen Gestaltungs- und Missbrauchspotentiale weiterhin bestehen und nicht eingeschränkt werden und c) welche neuen Gestaltungs- und Missbrauchspotentiale durch die Novelle des Investmentsteuergesetzes geschaffen werden. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob das neue Investmentsteuerrecht im Zusammenspiel mit dem Einkommensteuerrecht, dem Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerrecht, dem Außensteuergesetz , dem Einbehalt und der Anrechnung der Kapitalertragsteuer und ausländischer Quellensteuer , dem ausländischen Steuerrecht und den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen sowie dem europäischen Steuerrecht wie etwa der Mutter-Tochter-Richtlinie Möglichkeiten bietet, die tatsächliche Steuerbelastung unterhalb der vom Gesetzgeber intendierten zu senken beziehungsweise eine effektive Besteuerung ganz zu verhindern. 2. Vorbemerkung und Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit „Das Investmentsteuerrecht ist ein Bereich des Steuerrechts, in dem eine besondere Häufung von Steuergestaltungsmodellen auftritt. Durch seine Komplexität und die Vielzahl von Differenzierungen innerhalb der Investmentsteuerregelungen bieten sich in besonderem Maße Ansatzpunkte für steuerliche Gestaltungsmodelle. Insbesondere wurden Investmentfonds für die sog. Cum-Ex- Gestaltungen genutzt, bei denen durch Leerverkäufe über den Dividendenstichtag Ansprüche auf Erstattung von Kapitalertragsteuer erzeugt werden sollten, ohne dass zuvor Steuer abgeführt wurde. Mit dem AIFM-StAnpG wurden zwar einige Missbräuche ausgeschlossen (z.B. das Erzeugen von künstlichen Verlusten durch das sog. Bondstripping), aber die generelle Anfälligkeit des Investmentsteuerrechts für Gestaltungen konnte nicht ausgeräumt werden.“1 „Der Diskussionsentwurf begründet die Notwendigkeit einer Reform mit der Gestaltungsanfälligkeit des Investmentsteuerrechts. Tatsächlich stehen Investmentgesellschaften häufig im Mittelpunkt von Gestaltungen mit Cum-/Ex- und Cum-/Cum-Geschäften. Die komplizierten Regeln des Ertragsausgleichs werden zur Umgehung der Zinsschranke genutzt. Mit Kopplungsgeschäften werden nach § 8b KStG steuerfreie Gewinne mit verrechenbaren Verlusten verbunden und im 1 Höring, Johannes: Der Diskussionsentwurf zum Investmentsteuerreformgesetz („InvStRefG“), in: Deutsche Steuer-Zeitung (DStZ) 2015, Nr. 21, Seite 835ff., hier Seite 839. Das Bundesministerium der Finanzen hat am 27. Januar 2015 bestimmten politischen Gremien sowie Interessens- und Branchenverbänden einen ersten Diskussionsentwurf zukommen lassen. Einen zweiten Diskussionsentwurf hat das Bundesministerium der Finanzen mit Datum 21. Juli 2015, den Referentenentwurf mit Datum 16. Dezember 2015 und den Gesetzentwurf mit Datum 24. Februar 2016 auf seiner Internetseite veröffentlicht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 5 Verfahren des Ertragsausgleichs soll sich die Dividendenbesteuerung vollständig umgehen lassen . Berichtet wird schließlich von der zweckfremden Ausnutzung des „kleinen Fondsprivilegs“. Bei den meisten beklagten Gestaltungen liegt die Wurzel des Problems nicht im Investmentsteuerrecht , sondern im Kapitalertragsteuerrecht oder in der verzweifelten Unterscheidung zwischen laufenden Erträgen und Veräußerungsgewinnen. Investmentvermögen dienen überwiegend nur als Transmissionsriemen für Gestaltungen. Und dass Privilegien zweckentfremdet werden, liegt in ihrer Natur. Wer das nicht will, muss sie ebenso aufgeben, wie die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen .“2 Zur Identifikation von (zukünftigen) Steuergestaltungsmöglichkeiten sind nicht nur umfassende Kenntnisse im Investmentsteuer- und Kapitalmarktrecht erforderlich, sondern auch praktisches Erfahrungswissen zur steuergestaltenden Beratungstätigkeit im Umfeld der internationalen Kapitalmärkte . Über dieses Spezialwissen verfügen die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nicht. Es ist auf Grund des „Wettlaufs der steuergestaltenden Beratungsbranche mit den Finanzbehörden“ um die Entwicklung bzw. das Schließen neuer Steuerschlupflöcher auch nicht Gegenstand von regulär verfügbarer Steuerrechtsliteratur, welche Ansatzpunkte sich für neue Steuergestaltungsmodelle ergeben könnten. Insoweit muss sich die vorliegende Arbeit auf die Skizzierung bereits öffentlich bekannter Steuerumgehungs - und Steuergestaltungsmöglichkeiten sowie die im Gesetzentwurf gemachten Vorschläge zur Vermeidung dieser Tatbestände und zur Sicherung der Steuerbasis konzentrieren. Gegenstand sind sowohl das neue Investmentsteuergesetz, das ab 1. Januar 2018 gelten soll, als auch die zeitnahen Änderungen im geltenden Investmentsteuergesetz und im Einkommensteuergesetz . Sofern zu den Regelungen Stellungnahmen von Einzelsachverständigen oder Verbänden vorliegen, werden deren Meinungen nachstehend referiert. Zahlreiche Verbände hatten sich bereits zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen vom 16. Dezember 2015 geäußert . In den Fällen, in denen nachvollziehbar ist, dass die Meinungsäußerungen auch noch zu den geplanten Regelungen im Gesetzentwurf Gültigkeit haben, werden auch diese Meinungsäußerungen dargestellt. 3. Inhalt des Gesetzentwurfs und grundsätzliche Stellungnahmen von Sachverständigen Der Gesetzentwurf verfolgt mehrere Ziele. Dazu gehören auch die Verhinderung aggressiver Steuergestaltungen und die Reduzierung der Gestaltungsanfälligkeit des Investmentsteuerrechts insgesamt . Darüber hinaus soll der Systemfehler korrigiert werden, dass bei Publikum-Investmentfonds wegen des anonymen Massenverfahrens eine rückwirkende Korrektur von fehlerhaften Besteuerungsgrundlagen praktisch nicht möglich ist. Deshalb sieht der Gesetzentwurf im Artikel 1 ein neues Investmentsteuergesetz (im Folgenden InvStG-E) vor, das im Falle der auf private Anleger ausgerichteten Publikums-Investmentfonds - wie bei anderen Körperschaften auch - auf der getrennten Besteuerung von Investmentfonds und Anlegern basiert (intransparentes Besteuerungssystem). Erstmals werden auch bei inländischen Publikums-Investmentfonds die aus deutschen Einkunftsquellen stammenden Dividenden und 2 Anzinger, Heribert M.: Wesen, Reformbedürfnis und Reformoptionen des Investmentsteuerrechts, in: Finanz- Rundschau Ertragsteuerrecht, 3/2016, Seite 101ff, hier Seite 107. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 6 Immobilienerträge auf Fondsebene besteuert. Alle anderen Ertragsarten (zum Beispiel Zinsen, Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und anderen Wertpapieren, Erträge aus Termingeschäften ) sind auf Fondsebene weiterhin steuerfrei. Damit werden inländische und ausländische Publikums -Investmentfonds gleich besteuert, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und die im geltenden Recht bestehenden Risiken eines Verstoßes gegen EU-Recht zu beseitigen. Beim Anleger sind die Ausschüttungen eines Publikums-Investmentfonds grundsätzlich in voller Höhe zu versteuern, zudem wird eine Vorabpauschale erhoben. Ausnahmen in Form von Teilfreistellungen gelten für Publikums-Investmentfonds, die überwiegend in Aktien oder in Immobilien investieren, weil bei diesen Aktien- und Immobilienfonds bereits ein Teil der Erträge auf der Fondsebene besteuert wurde. Statt bisher bis zu 33 Besteuerungsgrundlagen brauchen die Anleger für ihre Steuererklärung zukünftig nur noch vier Angaben, daher ist es zukünftig ohne steuerliche Nachteile möglich, in ausländische Investmentfonds zu investieren, die keine deutschen Besteuerungsgrundlagen ermitteln. Das bisherige semi-transparente Besteuerungsregime der Spezial-Investmentfonds wird grundsätzlich in das InvStG übernommen. Wegen der beschränkten Anlegerzahl (maximal 100) und der Bekanntheit der Anleger sei die Einhaltung auch komplexer Besteuerungsreglungen möglich. Es erfolgen aber auch hier gesetzliche Anpassungen, um Steuerumgehungsgestaltungen zu verhindern und das inländische Steuersubstrat zu schützen. Die Regelungen sollen zum 1. Januar 2018 in Kraft treten.3 In den weiteren Artikeln des Gesetzentwurfs sind jedoch auch Änderungen vorgesehen, die bereits am Tag nach der Verkündung des Gesetzes Geltung erlangen. Dazu gehört insbesondere die Erweiterung der Pflichten der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gemäß § 5 des geltenden Inv StG. Die Änderungen des Einkommensteuergesetzes (EStG), nach denen zukünftig bei bestimmten Konstellationen eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer zur Verhinderung sogenannter Cum-Cum-Geschäfte ausgeschlossen wird, soll erstmals auf Kapitalerträge angewendet werden, die ab dem 1. Januar 2016 zufließen. Der Neue Verband der Lohnsteuerhilfevereine hat in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf die Zielsetzung des neuen Besteuerungssystems begrüßt, allerdings angeregt, die administrativen Folgen der Neuregelung in Abwägung der Vor- und Nachteile einer umfassenden Neugestaltung zu beachten. Eine Überlegung sei, dass die vorgesehene Besteuerung der Fonds international nicht zur Stärkung des Finanzmarkts Deutschland beitragen dürfte. Unabhängig von den genannten Zweifeln an der Kompensation auf Ebene des Anlegers durch die Teilfreistellung sei darauf hinzuweisen, dass sich bei grenzüberschreitender Besteuerung der Blick auf den Steuersatz 3 Grafische Darstellungen zur Besteuerung auf Fondsebene und zur Besteuerung auf Anlegerebene finden sich in: Jetter, Jann; Mager, Martin: Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, in: Steuerrecht kurzgefaßt, 2016, Seite 23ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 7 des jeweiligen Ziellandes fokussiere. Insoweit sei zu befürchten, dass unter diesem Gesichtspunkt ein falsches Signal gesetzt werde.4 Auch Höring hat Einwände gegen die Einführung einer vollständig neuen Systematik der Investmentbesteuerung . Es sei rechtlich kaum nachvollziehbar und einem Investor – gerade einem Kleinanleger – nicht vermittelbar, eine Unterscheidung zwischen einem „intransparenten“ Publikumsfonds und dem weiterhin „semitransparenten“ Spezialfonds zu treffen. Dieses Vorhaben berge das Risiko neuer Gestaltungs- und Umgehungsmöglichkeiten.5 4. Geplante gesetzliche Regelungen zur Verhinderung des Gestaltungsmissbrauchs im neuen Investmentsteuergesetz und deren Bewertung durch Sachverständige 4.1. Einschränkung des Anwendungsbereiches des Gesetzes In § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG-E wird der Anwendungsbereich des InvStG eingeschränkt. Demnach sind Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft keine Investmentfonds im Sinne des InvStG. Dasselbe gilt für vergleichbare ausländische Rechtsformen. Investmentfonds im Sinne des Gesetzes sind hingegen Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und Altersvorsorgevermögensfonds. Die Bundesregierung begründet die Regelung damit, dass Widersprüche in der Besteuerung von ausländischen Investmentfonds vermieden und Gestaltungen verhindert werden müssten. Personengesellschaften würden international vielfach nicht als eigenständige Besteuerungssubjekte behandelt, vielmehr werde die Besteuerung auf die jeweiligen Anteilseigner verlagert. Dieser transparente Ansatz widerspreche dem zukünftigen Besteuerungssystem für Investmentfonds, das zwischen der Besteuerung der Investmentfonds und der Anleger unterscheidet. Höring weist auf die Befürchtung der Interessenvertreter hin, die geplante Steuerreform könnte dem Standort und der Fondsbranche Deutschland zu Gunsten von Luxemburg und Irland schaden . Insbesondere Luxemburg unterstütze mit einer Luxemburger Investment-KG (SICAV S.C.S. oder SICAV S.C.Sp.) viele Fondsstrukturierungen.6 4.2. Einschränkung bei Freistellungen gemäß eines Doppelbesteuerungsabkommens In seiner Begründung zu § 16 Abs. 4 InvStG-E verweist die Bundesregierung auf Steuergestaltungsmodelle , in denen eigentlich steuerpflichtige Einkünfte wie Dividenden in steuerfreie Schachteldividenden umgewandelt werden. Schachteldividenden entstehen, wenn eine inländische Kapitalgesellschaft von einer ausländischen Kapitalgesellschaft, an der sie eine qualifizierte 4 Neuer Verband der Lohnsteuerhilfevereine: Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG) Stellungnahme vom 15. Januar 2016, unter: http://www.nvl.de/stellungnahmen/stellungnahmen-2015, abgerufen am 7. März 2016. 5 Höring, Johannes: Der Diskussionsentwurf zum Investmentsteuerreformgesetz („InvStRefG“), in: Deutsche Steuer-Zeitung (DStZ) 2015, Nr. 21, Seite 835ff., hier Seite 845. 6 Höring, Johannes: Der Diskussionsentwurf zum Investmentsteuerreformgesetz („InvStRefG“), in: Deutsche Steuer-Zeitung (DStZ) 2015, Nr. 21, Seite 835ff., hier Seiten 842 und 845. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 8 Beteiligung hält, Ausschüttungen gutgeschrieben bekommt. In Doppelbesteuerungsabkommen sind diese Einkünfte freizustellen, um eine mehrfache Steuerbelastung des gleichen Gewinns in Konzernstrukturen zu vermeiden. Weil Investmentfonds in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft aufgelegt werden können und typischerweise beim Investmentfonds keine Ertragsteuern erhoben werden, sollen mit der Regelung Gestaltungen zur Erzeugung gänzlich unversteuerter Ausschüttungen verhindert werden. Die Regelung wird ungeachtet der Doppelbesteuerungsabkommen eingeführt, weil nicht alle Abkommen zeitnah geändert werden können. Nach der Regelung wird die Freistellung der Ausschüttung eines ausländischen Investmentfonds von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer nur noch unter bestimmten Bedingungen gewährt. Zu den Bedingungen gehören nach § 16 Abs. 4 InvStG-E: – Der Investmentfonds muss in dem Staat, dem das Besteuerungsrecht zusteht, einer Ertragsbesteuerung in Höhe von mindestens 10 Prozent unterliegen und nicht von ihr befreit sein und – die Ausschüttung muss zu mehr als 50 Prozent auf nicht steuerbefreiten Einkünften des Investmentfonds beruhen. Die beiden Bedingungen gelten auch, wenn dem Staat, in dem der Investmentfonds ansässig ist, durch das Doppelbesteuerungsabkommen nur ein Quellensteuerhöchstsatz von 0 Prozent zugestanden wird. Nach § 34 Abs. 3 InvStG-E sollen diese Bedingungen auch für Spezial-Investmentfonds gelten. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hatte Kritik an der entsprechenden Regelung im Referentenentwurf geäußert.7 Es handele sich um ein Treaty Override, das im Widerspruch zu den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen stehe. Es sei auch nicht durch die Begründung des Bundesministeriums der Finanzen gerechtfertigt, eine zeitnahe Änderung aller Doppelbesteuerungsabkommen zur Verhinderung von Gestaltungen sei praktisch nicht umsetzbar. Auch die Bundessteuerberaterkammer hatte in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf ein Treaty Override problematisiert. Zudem werde der Anleger in der Praxis kaum in der Lage sein, die Ertragsbesteuerung des Fonds nachzuweisen, diese Forderung sei daher in der Regel nicht einfach umsetzbar. Vor allen Dingen jedoch stelle diese Norm auf den Nachweis ausreichender ausländischer Vorbelastung ab und es stelle sich die Frage, was zum Beispiel geschehe, wenn der ausländische Investmentfonds aufgrund von Verlustvorträgen keine Ertragsbesteuerung im betreffenden Jahr ausweist.8 7 Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW): Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung vom 19. Januar 2016, Seite 21, unter: http://www.idw.de/idw/portal/d657850, abgerufen am 3. März 2016. 8 Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium der Finanzen zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG) vom 14. Januar 2016, unter: https://www.bstbk.de/de/presse/stellungnahmen/archiv/20160114_stellungnahme _bstbk/index.html, abgerufen am 4. März 2016. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 9 4.3. Einführung einer Vorabpauschale für Anleger Die Einführung einer pauschalen Bemessungsgrundlage beim Anleger nach § 18 InvStG-E soll die Nutzung von Investmentfonds als Steuerstundungsmodelle verhindern. Grundsätzlich versteuern die Anleger von Investmentfonds künftig während der Haltedauer der Anteile die Ausschüttungen (Cashflow-Prinzip). Viele Investmentfonds thesaurieren jedoch die Erträge mit der Folge einer erheblichen Steuerstundung. Eine reine Cashflow-Besteuerung könnte zudem folgende Konsequenzen nach sich ziehen: – Die Anlage in einen Investmentfonds wäre deutlich besser gestellt als die Direktanlage. In der Direktanlage sind nicht nur Zinsen und Dividenden, sondern auch die Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren steuerpflichtig, während sie auf Ebene eines Investmentfonds steuerfrei thesauriert werden könnten. – Eine Vielzahl von Investmentfonds könnte zukünftig keine Ausschüttungen mehr vornehmen , um dem Anleger die Entscheidung über den Besteuerungszeitpunkt durch Veräußerung der Anteile zu überlassen. – Vermögende Anleger könnten sich ihre eigenen Investmentfonds zulegen, um fortan eine von der Besteuerung abgeschirmte Kapitalanlage zu betreiben. Die Abschirmungswirkung kann zeitlich unbeschränkt und sogar generationenübergreifend genutzt werden. – Daneben wäre es möglich, durch rechtzeitigen Wegzug in niedrig besteuernde ausländische Staaten eine vollständige Vermeidung der deutschen Besteuerung zu erreichen. Deshalb wird für den Anleger in einen Investmentfonds eine pauschale Bemessungsgrundlage in Höhe einer risikolosen Marktverzinsung eingeführt („Vorabpauschale“). Die risikolose Marktverzinsung wird anhand des Basiszinssatzes im Sinne des § 203 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) berechnet, der jährlich neu festgelegt und durch das Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht wird. Der Basiszinssatz wiederum wird nur in Höhe von 70 Prozent angewendet, damit soll abgebildet werden, dass der Anleger die Fondserträge unter Abzug der Verwaltungskosten des Fonds erhält. Diese 70 Prozent des Basiszinses werden mit dem Rücknahmepreis des Fondsanteils zum Jahresanfang multipliziert und ergeben den Basisertrag. Die Vorabpauschale wird beim Anleger jedoch überhaupt nur dann fällig, wenn es beim Fondsanteil zu einer Wertsteigerung gekommen ist und wenn der Basisertrag größer ist als die erfolgten Ausschüttungen. Die endgültige Höhe der Vorabpauschale richtet sich danach, ob die Wertsteigerung des Fondsanteils größer oder kleiner als der Basisertrag ist. Nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 InvStG-E sind Einrichtungen der betrieblichen oder der privaten Altersvorsorge von der Vorabpauschale befreit. Höring lehnt die Vorabpauschale ab, weil sie auf einer „pauschalen“ Klassifizierung nach Fondstypen basiere und nicht in Verbindung mit den tatsächlichen Ertragsverhältnissen des Investmentfonds stehe. Es sei problematisch, dass Anlagegegenstände in der Direktanlage hiervon nicht Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 10 betroffen seien und es so zu einer Wettbewerbsverzerrung komme. Zudem könnten sich institutionelle Anleger aus Publikumsfonds und insbesondere aus Exchange Traded Funds (ETF) zurückziehen .9 Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf zu bedenken gegeben, dass es bei Anwendung der Vorabpauschale zu einer Besteuerung kommen könne, ohne dass dieser ein zukünftiger Ertrag gegenüberstehe und der Nachweis der tatsächlichen steuerlichen Vorbelastung auf Fondsebene ausgeschlossen ist. Das widerspreche nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs10 dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Auch die Möglichkeit der Anrechnung der Vorabpauschale auf einen späteren Veräußerungsgewinn stelle keine sachgerechte Entlastung dar. Es sei denkbar, dass ein Veräußerungsverlust entstehe und deshalb eine Steuererstattung ausgeschlossen sei. Letztlich führe dies zu einer definitiven Steuerbelastung, obwohl kein Wertzuwachs entstanden sei. Außerdem seien Anlagegegenstände in der Direktanlage von der Vorabpauschale nicht betroffen, das könne zu Wettbewerbsverzerrungen führen.11 Die Bundessteuerberaterkammer erachtete in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf die Einführung einer Art Mindestbesteuerung, losgelöst von den tatsächlichen Erträgen, problematisch . Zudem sei diese Regelung, die einen Ausgleich für den Fortfall der sogenannten ausschüttungsgleichen Erträge schaffen solle, systemwidrig. Werde die geplante intransparente Besteuerung für Publikumsfonds umgesetzt, so wäre ausschließlich eine Besteuerung der Anteilseigner bei tatsächlichem Zufluss von Erträgen oder einer Veräußerung der Fondsanteile sachgerecht. Diese systemwidrige Pauschalbesteuerung führe außerdem im Vergleich zu einer Direktanlage zu Wettbewerbsverzerrungen. Schüttet etwa eine Kapitalgesellschaft ihre Gewinne nicht aus, so hat der Anteilseigner erst im Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile eine Besteuerung vorzunehmen .12 Der Neue Verband der Lohnsteuerhilfevereine hat seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf Folgendes kritisch angemerkt:13 – Die einfachere Bereitstellung der Ausgangswerte und die Gleichbehandlung der bisher unterschiedlichen steuerlichen Behandlung „weißer, grauer und schwarzer Fonds“ werde mit 9 Höring, Johannes: Der Diskussionsentwurf zum Investmentsteuerreformgesetz („InvStRefG“), in: Deutsche Steuer-Zeitung (DStZ) 2015, Nr. 21, Seite 835ff., hier Seite 845. 10 In der Stellungnahme des IDW wird das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. November 2008, VIII R 2/06 (NV) zu § 18 Abs. 3 Satz 1 AuslInvestmG angeführt. 11 Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW): Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung vom 19. Januar 2016, Seite 21f., unter: http://www.idw.de/idw/portal/d657850, abgerufen am 3. März 2016. 12 Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium der Finanzen zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG) vom 14. Januar 2016, unter: https://www.bstbk.de/de/presse/stellungnahmen/archiv/20160114_stellungnahme _bstbk/index.html, abgerufen am 4. März 2016. 13 Neuer Verband der Lohnsteuerhilfevereine: Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG) Stellungnahme vom 15. Januar 2016, unter: http://www.nvl.de/stellungnahmen/stellungnahmen-2015, abgerufen am 7. März 2016. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 11 einer Zunahme an Komplexität bei der Berechnung der Erträge im Rahmen der Vorabpauschale erkauft. – Nach der vorgesehenen Änderung ergebe sich bereits für eine einzelne Fondsanlage eine mehrstufige Berechnung. Hinzu kommt, dass bei unterjährig erworbenen Anteilen die Vorabpauschale zeitanteilig vermindert werde. Diese Sachverhalte träten sowohl bei Wiederanlage der Ausschüttungen als auch bei Sparplänen regelmäßig auf, sodass für dieselbe Fondsanlage zwei Vorabpauschalen (Jahrespauschale für Altanteile und gekürzte Pauschale für Hinzuerwerb) zu berücksichtigen seien. – Ein weiterer Nachteil der Neuregelung ergebe sich für den Anleger aus der Besteuerung fiktiver , nicht tatsächlich zugeflossener Erträge im Rahmen der Vorabpauschale. Gemäß § 44 Abs. 1b EStG-E in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 7 EStG müsse der Anleger dem Kredit- /Finanzdienstleistungsinstitut die Geldmittel zur Entrichtung der Kapitalertragsteuer auf die Erträge der Vorabpauschale beispielsweise durch Zugriff auf ein weiteres Konto zur Verfügung stellen. Der Anleger müsse folglich parallel zu seinem Investmentdepot liquide Mittel auf einem anderen Konto bereithalten. – Es sei außerdem zu klären, wie ein mangelnder Ausgleich zu rechtfertigen sei, wenn während der Besitzzeit positive Vorabpauschalen besteuert würden und bei der Veräußerung ein Verlust entstehe. 4.4. Teilfreistellung Die Vorausbelastung mit inländischer Steuer durch die Vorabpauschale sowie die fehlende Anrechnungsmöglichkeit ausländischer Steuer sollen zukünftig in Form einer Teilfreistellung der Erträge kompensiert werden. Dabei gilt nach § 20 InvStG-E für Investmentfonds und nach § 43 für Spezial-Investmentfonds Folgendes: – Bei Aktienfonds sind 30 Prozent der Erträge steuerfrei (Aktienteilfreistellung). – Bei natürlichen Personen, die ihre Investmentanteile im Betriebsvermögen halten, beträgt die Aktienteilfreistellung 60 Prozent. – Bei Anlegern, die dem Körperschaftsteuergesetz unterliegen, beträgt die Aktienteilfreistellung 80 Prozent. Sie beträgt nur 30 Prozent, wenn der Anleger ein Lebensoder Krankenversicherungsunternehmen ist und der Investmentanteil den Kapitalanlagen zuzurechnen ist. – Bei Mischfonds ist die Hälfte der für Aktienfonds geltenden Aktienteilfreistellung anzusetzen . – Bei Immobilienfonds sind steuerfrei (Immobilienteilfreistellung): – 60 Prozent der Erträge, wenn gemäß den Anlagebedingungen fortlaufend mindestens 51 Prozent des Wertes des Investmentfonds in Immobilien und Immobilien- Gesellschaften angelegt werden, oder Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 12 – 80 Prozent der Erträge, wenn gemäß den Anlagebedingungen fortlaufend mindestens 51 Prozent des Wertes des Investmentfonds in ausländischen Immobilien und Auslands-Immobiliengesellschaften angelegt werden. Auslands-Immobiliengesellschaften sind Immobiliengesellschaften, die ausschließlich in ausländische Immobilien investieren. Die Anwendung der Immobilienteilfreistellung schließt die Anwendung der Aktienteilfreistellung aus. Anzinger kommt in einem Aufsatz zu dem Schluss, dass durch diese unterschiedlich hohen Teilfreistellungen für verschiedene Fondsklassen neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden.14 4.5. Abzug der Werbungskosten von den entsprechenden Einnahmen Kopplungsgeschäfte sind so gestaltet, dass ein Investmentfonds Verträge in die Zukunft mit bestimmten Optionen zum Kauf und gleichzeitigem Verkauf von Wertpapieren abschließt. Die Optionen werden dann so ausgeführt, dass ein Gewinn sowie ein Verlust in gleicher oder ähnlicher Höhe aus den Geschäften entstehen. Durch die Optionsmöglichkeiten ist es unerheblich, ob der Marktpreis der Aktie steigt oder fällt. Im Gesetzentwurf wird das Kopplungsgeschäft anhand eines Modells verdeutlicht, bei dem ein Investmentfonds Aktien im Rahmen eines Termingeschäfts an eine Bank verkauft und gleichzeitig von dieser Bank eine Option zum Kauf der Aktien erwirbt. Ein Kopplungsgeschäft bringt für die Kapitalgesellschaften als Anleger wirtschaftlich keine Vorteile . Die Gewinne aus dem Aktienveräußerungsgeschäft bleiben steuerfrei, während die Verluste den steuerpflichtigen Gewinn senken. Um solche Kopplungsgeschäfte zu vermeiden, soll nach dem Gesetzentwurf § 39 („Werbungskosten “) Abs. 3 InvStG-E vorschreiben, dass Spezial-Investmentfonds die Verluste aus Finanzderivaten als Direktkosten von den Veräußerungsgewinnen abziehen müssen. Voraussetzung für die Abzugspflicht ist, dass der Spezial-Investmentfonds im Rahmen einer konzeptionellen Gestaltung Verluste aus Finanzderivaten und in gleicher oder ähnlicher Höhe Einnahmen aus Aktienveräußerungsgeschäften herbeigeführt hat. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft befürchten, dass diese Regelung nicht nur Kopplungsgeschäfte erfasse, sondern auch in der Kapitalanlage übliche Standardgeschäfte mit Derivaten (zum Beispiel den Derivateeinsatz zur kurzfristigen Absicherung eines Aktienexposures). Es sei unklar, wann man von einer konzeptionellen Gestaltung ausgehen müsse.15 14 Anzinger, Heribert M.: Wesen, Reformbedürfnis und Reformoptionen des Investmentsteuerrechts, in: Finanz- Rundschau Ertragsteuerrecht, 3/2016, Seite 101ff, hier Seite 110. 15 Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft: Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung vom 15. Januar 2016, Seite 16, unter: http://www.dihk.de/themenfelder/recht-steuern /rechtspolitik/nationale-stellungnahmen/dihk-positionen-zu-nationalen-gesetzesvorhaben, abgerufen am 22. Februar 2015. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 13 Die Bundessteuerberaterkammer hat zu der Regelung im Referentenentwurf angemerkt, dass diese mit dem im Gesetz verfolgten Zweck, das Investmentsteuerrecht zu vereinfachen, nicht in Einklang zu bringen sei.16 4.6. Abweichung von der Ausschüttungsreihenfolge Mit der Regelung in § 35 Abs. 6 InvStG-E sollen Steuergestaltungen verhindert werden, bei denen ein voll steuerpflichtiger Anleger seine Anteile an einem Spezial-Investmentfonds kurz vor der Ausschüttung von Erträgen an einen steuerbegünstigten Anleger überträgt. Die Ausschüttungsreihenfolge in § 35 Abs. 2 InvStG-E legt fest, dass Zurechnungsbeträge17 und Absetzungsbeträge18 als vorrangig ausgeschüttet gelten. Substanzbeträge19 gelten erst nach Ausschüttung sämtlicher Erträge des laufenden und aller vorherigen Geschäftsjahre als verwendet. § 35 Abs. 6 InvStG-E bestimmt, dass einem Anleger jedoch nur solche Erträge ausgeschüttet werden dürfen, die auf die Zeiträume entfallen, in denen der Anleger an dem Spezial-Investmentfond beteiligt war. Einem Anleger, der zum Zeitpunkt einer Ausschüttung nicht an dem Spezial- Investmentfonds beteiligt war, gelten insoweit Substanzbeträge als ausgeschüttet. 4.7. Steuerpflicht für Erträge aus Swap-Verträgen im Falle des Surrogats für Zinsen und Dividenden Zinsen und Dividenden müssen jährlich vom Anleger versteuert werden, auch wenn sie nicht ausgeschüttet werden (sogenannte ausschüttungsgleiche Erträge). Um Steuern zu vermeiden, investieren Spezial-Investmentfonds nicht direkt in verzinsliche Anleihen oder Aktien, sondern nur mittelbar über einen Swap-Vertrag zwischen dem Investmentfonds und meistens einem Kreditinstitut . Bei dem Investmentfonds fallen dann nur steuerfrei thesaurierbare Gewinne aus Termingeschäften an. Deshalb sieht der Gesetzentwurf eine zukünftige Gleichbehandlung dieser Einnahmen mit Zinsen und Dividenden vor. § 36 („Ausschüttungsgleiche Erträge“) Abs. 2 Nr. 2 InvStG-E schließt Gewinne aus einem Finanzderivat als steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge aus, wenn die Gewinne aus dem Finanzderivat von der Höhe der Zinsen und Dividenden abhängen. 16 Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium der Finanzen zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG) vom 14. Januar 2016, unter: https://www.bstbk.de/de/presse/stellungnahmen/archiv/20160114_stellungnahme _bstbk/index.html, abgerufen am 4. März 2016. 17 Zurechnungsbeträge sind insbesondere inländische Beteiligungseinnahmen. vgl. § 35 Abs. 3 InvStG-E. 18 Absetzungsbeträge sind die ausgeschütteten Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung, vgl. § 35 Abs. 4 InvStG-E. 19 Substanzerträge sind die verbleibenden Beträge einer Ausschüttung nach Abzug der ausgeschütteten Erträge, der ausgeschütteten ausschüttungsgleichen Erträge des Vorjahrs, der Zurechnungsbeträge und der Absetzungsbeträge , vgl. § 35 Abs. 5 InvStG-E. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 14 4.8. (Negativer) Ertragsausgleich Beim Ertragsausgleich werden gezielt gesteuerte Anteilsausgaben und Anteilsrückgaben eingesetzt , sodass gewünschte steuerliche Effekte in beliebiger Größenordnung erzeugt werden können . Im Gesetzentwurf sind zu dieser Praxis ebenfalls Beispiele angeführt: Bei der Ausgabe von Investmentanteilen wird ein Teil des Kaufpreises der Anleger in einen „Ertragsausgleichstopf “ gezahlt. Am Jahresende haben die Anleger Anspruch auf die Erträge, die der Investmentfonds durch seine Anlage, zum Beispiel in Aktien, erzielt. Die Anleger erhalten zu diesen Erträgen Zahlungen aus dem „Ertragsausgleichstopf“, die Erträge werden somit künstlich erhöht. Gleichzeitig verringert sich durch die Ausschüttung der Wert der Anteile. Jetzt erfolgt die Anteilsrückgabe mit dem Ergebnis, dass den Erträgen der Werteverlust der Anteile gegengerechnet wird. Obwohl die Erträge erhöht wurden, entsteht kein Steuervorteil für den Fiskus. Hat der Investmentfonds in ausländische Aktien investiert und gibt er neue Anteile heraus, werden Teile des Kaufpreises in einen „Ertragsausgleichstopf für ausländische Dividenden“ und einen „Topf“ ausländische Quellensteuern eingezahlt. Nach der Ausschüttung des Ertrags aus dem Aktienanteil und aus dem „Ertragsausgleichstopf für ausländische Dividenden“ sinkt der Wert der Anteile. Die Anleger verkaufen ihre im Wert gesunkenen Anteile wieder und können Veräußerungsverluste geltend machen. Demgegenüber stehen steuerpflichtige Erträge. Gleichzeitig ist jedoch auf gesamte künstlich vermehrte Dividende ein Anspruch auf anrechenbare ausländische Quellensteuer entstanden, der mit der Steuerlast auf diese Erträge, aber auch mit einer Steuerlast auf andere Einkünfte verrechnet werden kann. Das System funktioniert auch als negativer Ertragsausgleich durch die Erhöhung der gezahlten Zwischengewinne beim Anteilserwerb. Bei den gezahlten Zwischengewinnen handelt es sich um Zinsen, die vor dem Anteilserwerb von dem Investmentfonds erzielt wurden und vom Anleger mit dem Anteilspreis bezahlt werden müssen. Die gezahlten Zwischengewinne können im Anschaffungsjahr als negative Zinserträge steuermindernd geltend gemacht werden. Außerdem verweist die Bundesregierung auf die Möglichkeit der künstlichen Aufblähung von Zinserträgen, um auf Anlegerebene die Zinsschrankenregelung in § 4h EStG zu umgehen. Diese Steuergestaltungen sollen durch § 36 („Ausschüttungsgleiche Erträge“) Abs. 4 InvStG-E verhindert werden. Die Regelung sieht vor, dass die Einnahmen und Ausgaben eines Spezial-Investmentfonds den Anlegern nur insoweit zugerechnet werden, wie diese bei der Vereinnahmung oder Verausgabung an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt waren. Das heißt, die Einnahmen und Ausgaben des Spezial-Investmentfonds werden den Anlegern nur noch besitzzeitanteilig zugerechnet. Insbesondere werden dadurch Gestaltungsspielräume bei der Umgehung der Zinsschranke im Sinne des § 4h EStG eingeschränkt: Durch die Neuregelung können nur die Zinserträge für Zwecke der Zinsschranke geltend gemacht werden, die auf die Besitzzeit des Anlegers entfallen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 15 5. Geplante gesetzliche Regelungen zur Verhinderung des Gestaltungsmissbrauchs in bestehenden Gesetzen und deren Bewertung durch Sachverständige 5.1. Erweiterung der Pflichten der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vergleichbarer Berufsträger Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 des geltenden InvStG müssen Investmentfonds die Richtigkeit der von ihnen ermittelten Besteuerungsgrundlagen durch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vergleichbare Berufsträger überprüfen und bestätigen lassen. Die Bestätigung muss zukünftig um die Angaben ergänzt werden, ob – die Angaben nach den Regeln des deutschen Steuerrechts ermittelt wurden und – ob Anhaltspunkte für einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nach § 42 Abgabenordnung (AO) vorliegen, der sich auf die aktuellen Besteuerungsgrundlagen oder auf bereits veröffentlichte Aktiengewinne auswirken kann. Die Bundesregierung führt in der Begründung zur Ergänzung des Satzes 1 und zur Einführung eines neuen Abs. 1a aus, dass der Berufsträger keine abschließende rechtliche Wertung der Gestaltungen des Investmentfonds vorzunehmen, sondern zu prüfen hat, ob ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO in Betracht kommt. Die Vorschrift verlangt auch keine Darlegung der Rechtsauffassung des Berufsträgers, sondern eine Beschreibung eines vorgefundenen Sachverhalts, der einen Gestaltungsmissbrauch darstellen könnte. Diese Regelung solle es der Finanzverwaltung erleichtern, früher entsprechende Gestaltungsmodelle zu erkennen und darauf reagieren zu können. Aufgrund eines erhöhten Entdeckungsrisikos solle die Vorschrift darüber hinaus präventiv wirken und die Verwalter von Investmentfonds möglichst von Gestaltungsmissbräuchen abhalten. Sie solle den Systemwechsel nicht ersetzen, aber Gestaltungsanreize in der Übergangszeit wegen des Wegfalls des bisherigen Korrekturverfahrens nach §§ 5 (Nachweispflichten einer ausländischen Investmentgesellschaft gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern) und 13 InvStG (Gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen) unterbinden . Wenn der oben genannte Berufsträger eine der erforderlichen Angaben vorsätzlich oder leichtfertigt nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht, handelt er ordnungswidrig und kann mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro belegt werden (§ 24 InvStG). Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hatte in seiner Stellungnahme zu dem Referentenentwurf zu der Neuregelung unter anderem eingewandt, dass es einen völlig neuen Aufgabenbereich bedeute, wenn die Ausstellung der Berufsträgerbescheinigung mit einer Erklärung zu steuerlichen Gestaltungen verbunden werde. Es erscheine äußerst fraglich, ob der damit verbundene Aufwand für den kurzen Übergangszeitraum von wenigen Jahren zu rechtfertigen sei. Bislang könne der Berufsträger anhand der von der Investmentgesellschaft zur Verfügung gestellten Unterlagen regelmäßig keine detaillierte Kenntnis von der Anlagestrategie im Geschäftsjahr erlangen , die über die Angaben im Verkaufsprospekt bzw. eines sog. Offering Memorandum hinaus- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 16 gingen. Dies gelte erst Recht für Anlagestrategien, bei denen mehr als ein Anlagegegenstand eingesetzt werde oder bei denen das Erkennen von Zusammenhängen den Rückgriff auf Daten aus der tagesaktuellen Berichterstattung des Investmentfonds erforderlich mache.20 Die Wirtschaftsprüferkammer hat sich gegen die Vorschläge im Referentenentwurf zur Erweiterung der Pflichten der Berufsträger beziehungsweise für eine Modifizierung aus folgenden Gründen ausgesprochen:21 – Sobald ein Investmentfonds steuerrechtlich zulässige Spielräume nutze, könne der Prüfende selten abschließend beurteilen, welchen Zwecken und vor allem welchen Nebenzwecken diese dienen sollten. Zu berücksichtigen sei hierbei insbesondere, dass der Steuerpflichtige ein grundsätzliches Interesse an der Minimierung seiner Steuerlast habe. – Der Zeitraum für diese Übergangslösung betrage in der Summe weniger als zwei Jahre. Deckten die Berufsträger einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten auf, könnten die hieraus gewonnenen Erkenntnisse von den zuständigen Behörden dennoch nur über einen sehr kurzen Zeitraum genutzt werden. – Hilfsweise sollte die geplante Regelung dahingehend ergänzt werden, dass der Tatbestand auch einen Erfolg der „Haupttat“ voraussetzt, nämlich dass ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten tatsächlich vorliegt. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft22 und die Bundessteuerberaterkammer23 haben sich in ihren Stellungnahmen zum Referentenentwurf wegen des Vertrauensverhältnisses zwischen Steuerberatern und Mandaten gegen die erweiterte Mitteilungspflicht ausgesprochen. Sie verwiesen auf den Versuch im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2008, eine Mitteilungspflicht einzuführen und die in der öffentlichen Anhörung dagegen vorgebrachten Argumente,24 die noch gültig seien: Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stehe es jedem Steuerpflichtigen frei, 20 Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW): Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung vom 19. Januar 2016, Seite 7, unter: http://www.idw.de/idw/portal/d657850, abgerufen am 3. März 2016. 21 Wirtschaftsprüferkammer: Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG) vom 15. Januar 2016, unter: http://www.wpk.de/oeffentlichkeit/stellungnahmen/2016/, abgerufen am 4. März 2016. 22 Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft: Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung vom 15. Januar 2016, Seite 19f., unter: http://www.dihk.de/themenfelder/recht-steuern /rechtspolitik/nationale-stellungnahmen/dihk-positionen-zu-nationalen-gesetzesvorhaben, abgerufen am 22. Februar 2015. 23 Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium der Finanzen zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG) vom 14. Januar 2016, unter: https://www.bstbk.de/de/presse/stellungnahmen/archiv/20160114_stellungnahme _bstbk/index.html, abgerufen am 4. März 2016. 24 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008), Bundestags-Drucksache 16/6290 mit den Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates, Bundesrats-Drucksache 544/1/07. Die damalige Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer ist abrufbar unter: http://webarchiv.bundestag .de/cgi/show.php?fileToLoad=1249&id=1134. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 17 seine Angelegenheiten so einzurichten, dass er im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten möglichst wenig Steuern zu zahlen braucht. Durch die Einführung einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungen werde diese Gestaltungsfreiheit eingeschränkt und mit neuen Bürokratiepflichten überzogen. Zudem seien Steuerberater gehalten, ihre Mandanten legale Wege zur Steuerreduzierung aufzuzeigen, um sich nicht Schadenersatzansprüchen ihrer Mandanten auszusetzen. 5.2. Einführung einer Mindesthaltedauer zur Berechtigung der Kapitalertragsteueranrechnung In den Fällen der Cum-cum-Geschäfte werden Aktien von einem Steuerausländer spätestens zwei Tage vor dem Dividendenstichtag an einen Steuerinländer verkauft oder geliehen. Der Steuerinländer erhält die Dividende. Gleichzeitig mit der Vereinbarung des Verkaufs oder der Wertpapierleihe wird vereinbart, dass der Steuerausländer die Aktien nach dem Dividendenstichtag zurückkauft bzw. –nimmt. Üblicherweise reduziert sich der Aktienkurs nach der Ausschüttung in Höhe der Dividende. Für den Steuerinländer fällt ein steuerlicher Ertrag in Höhe der Dividende an, gleichzeitig kann er den Verlust aus dem Verkauf der Aktien dagegen rechnen. Eine etwaige (geringe) positive Differenz unterliegt der Körperschaft- und der Gewerbesteuer. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer wird vom Fiskus voll angerechnet. Dasselbe Ergebnis wird erzielt, wenn statt des Verkaufspreises eine Leihgebühr in Höhe der Dividenden vereinbart wird. Der Steuerausländer profitiert wirtschaftlich von der Dividende, erzielt rechtlich jedoch einen Aktienveräußerungsgewinn oder eine Einnahme aus Wertpapierleihgebühren. Bei beiden Einnahmearten steht das Besteuerungsrecht nach den Doppelbesteuerungsabkommen gemäß dem international üblichen Standards dem Ansässigkeitsstaat des ausländischen Anlegers zu. Nach § 36 Abs. 2a EStG-E darf die Kapitalertragsteuer auf Dividenden auf sammelverwahrte Aktien und Genussscheine (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG) nicht mehr angerechnet werden, wenn der Steuerpflichtige die Mindesthaltedauer unterschreitet. Das ist der Fall, wenn er innerhalb eines Zeitraums von 45 Tagen vor und 45 Tagen nach dem Dividendenstichtag weniger als 45 Tage wirtschaftlicher und zivilrechtlicher Eigentümer der Aktien und Genussscheine war. Bei dieser Mindesthaltedauer werden der Tag der Veräußerung der Aktien und Genussscheine sowie die Tage, an denen der Steuerpflichtige weniger als 30 Prozent des Wertveränderungsrisikos mit Hinblick auf die Aktien und Genussscheine getragen hat, nicht mitgerechnet. Die Mindesthaltedauer muss nicht eingehalten werden, wenn die Dividenden nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG im Veranlagungsjahr nicht mehr als 20.000 Euro betragen (Regelung für Kleinanleger ) oder der Steuerpflichtige bei Zufluss der Dividenden seit mindestens einen Jahr zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien oder Genussscheine ist (Regelung für Langfristanlage). Bei Treuhandmodellen (Contractual Trust Arrangement, CTA) gelten Treuhänder und Treugeber für die oben genannten Zwecke als eine Person, wenn Kapitalerträge auf sammelverwahrte Aktien und Genussscheinen einem Treuhandvermögens zuzurechnen sind, welches ausschließlich der Erfüllung von Altersvorsorgeverpflichtungen dient und dem Zugriff übriger Gläubiger entzogen ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 18 Der deutsche Fondsverband BVI hat in einer Pressemitteilung vom 24. Februar 2016 zum Gesetzentwurf das Ziel der Regelungen als nachvollziehbar bezeichnet, die Vorschriften müssten jedoch praxisgerecht ausgestaltet werden. So sollten deutsche Dividenden in Fonds erst ab 2018, also mit Inkrafttreten der neuen Vorschriften zur Investmentbesteuerung, grundsätzlich mit 15 Prozent belastet werden. Zwischenzeitlich könne das Besteuerungsrecht auf deutsche Dividenden durch eine Bestätigung von Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern gesichert werden.25 Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hatte zum Referentenentwurf Stellung genommen26 und gefordert, die Regelung des § 36 Abs. 2a EStG auf Missbrauchsfälle zu beschränken. In der bisher geplanten Form erfasse die Regelung eine Vielzahl nicht missbräuchlicher Fälle und scheine, soweit von ihr Missbrauchsfälle zutreffend erfasst werden, regelmäßig der Höhe nach überschießend . Das IDW erkennt die Notwendigkeit an, Cum-Cum-Gestaltungen zu verhindern, diese Geschäfte würden jedoch auf der Grundlage der Verteilung der Besteuerungsrechte nach geltenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ermöglicht werden. Wollte man international die Gestaltung verhindern, wäre eigentlich die Verteilung der Besteuerungsrechte im DBA entsprechend zu regeln. Die Regelungen seien unter anderem aus folgenden Gründen überschießend: – Gründe für den kurzfristigen Besitz der Aktien oder Genussscheine würden nicht berücksichtigt . – Inländische Steuerpflichtige würden anstelle des ausländischen Steuerpflichtigen belastet. – Gruppen inländischer Steuerpflichtiger kämen aufgrund mangelnder Ausgleichsfähigkeit zwischen Dividendenertrag und Veräußerungsverlust grundsätzlich für eine solche missbräuchliche Gestaltung nicht in Frage. – Im Wohnsitzstaat des Ausländers komme es nicht zu einer Anrechnung der deutschen Quellensteuer auf die ausländische Steuer auf dem Veräußerungsgewinn, sodass eine wirtschaftliche Doppelbelastung entstehe. – Die Anrechnung werde auch in Fällen versagt, in denen nur ein Steuerpflichtiger beteiligt sei, der ein inländisches Sicherungsgeschäft abgeschlossen habe, das eine Absicherung des Kursrisikos von mehr als 70 Prozent erreicht. – Die Versagung der Kapitalertragsteueranrechnung habe eine höhere Besteuerung des Inländers zur Folge. Dies führe bei bestmöglichen Verkaufsaufträgen dazu, dass die den Verkauf ausführende Stelle aufgrund des Aufsichtsrechts zu prüfen hat, ob eine spätere Veräuße- 25 Deutscher Fondsverband BVI: Regierungsentwurf zur Investmentsteuerreform: Im Detail noch Nachbesserungsbedarf , Pressemitteilung vom 24. Februar 2016, unter: https://www.bvi.de/fileadmin/user_upload /Presse/2016_02_24_Regierungsentwurf_zur_Investmentsteuerreform_-_Im_Detail_noch_Nachbesserungsbedarf _Internet.pdf, abgerufen am 2. März 2016. 26 Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW): Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung vom 19. Januar 2016, Seite 16ff., unter: http://www.idw.de/idw/portal/d657850, abgerufen am 3. März 2016. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 19 rung für den Anleger steuerlich vorteilhafter sei, weil es nach Erfüllung der Mindesthaltedauer trotz möglicherweise hinzunehmender Kursverluste zu einem besseren Nachsteuerergebnis komme. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft sehen die geplanten Regelungen aus folgenden Gründen kritisch:27 – Die Gesetzesformulierung bereite Abgrenzungsprobleme. Es sei davon auszugehen, dass § 36 Abs. 2a EStG-E auch auf marktübliche und wirtschaftlich erforderliche Absicherungsgeschäfte bei Macro- beziehungsweise Portfoliohedges angewendet werden soll. Die Einhaltung der Bestimmung, wonach ein Steuerpflichtiger mindestens 30 Prozent Wertminderungsrisiko tragen muss, sei insbesondere im Bereich der institutionellen Anleger aufgrund großer Kapitalanlageportfolien schwer überprüfbar. Die Spitzenverbände führen zur Illustration drei Beispiele an, in denen der Anleger 45 Tage vor und nach dem Dividendenstichtag zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer bestimmter Aktien ist. Es könne jedoch nach den Gesetzesvorschlägen zu einer Nichtanrechnung der Kapitalertragsteuer kommen, wenn nur ein Teil der Aktien durch ein Termingeschäft gegen Kursverluste abgesichert werde, wenn Aktien durch eine Option auf einen Aktienindex abgesichert würden oder bei einem sogenannten Proxy-Hedging, dem Halten von zwei unterschiedlichen Aktien mit starkem negativen Korrelationskoeffizienten. – Große Industrieunternehmen sicherten mit Termingeschäften auf eigene Aktien Mitarbeiterbeteiligungsprogramme ab. Der Vertragspartner ist in der Regel eine Bank, die zur eigenen Absicherung des Termingeschäfts mit dem Unternehmen die Aktien dieses Unternehmens kauft. Damit trägt die Bank jedoch keinerlei wirtschaftliches Risiko und nach der vorgeschlagenen Gesetzeslage handelte es sich um eine schädliche Absicherung. Es bestehe jedoch nicht die Gefahr einer ungerechtfertigten Steuergestaltung im Zusammenhang mit der Dividendenbesteuerung, weil ausschließlich Geschäfte auf eigene Aktien des Industrieunternehmens betroffen seien. – Die neue Regelung käme auch zur Anwendung bei internen Fonds, in denen Lebensversicherungsunternehmen Kapitalanlagen für Kunden mit fondsgebundenen Lebensversicherungen halten. Die Anlagen seien zwar im zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentum des Lebensversicherungsunternehmens, das Wertveränderungsrisiko trage aber vollständig der Kunde. Nach der geplanten Regelung wäre eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer nicht möglich. – Die Haltefrist für Langfristanlagen sollte auf sechs Monate verkürzt werden, auch so könnte das Ziel der Verhinderung missbräuchlicher Steuergestaltungen ebenfalls erreicht werden. 27 Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft: Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung vom 15. Januar 2016, Seite 21f., unter: http://www.dihk.de/themenfelder/recht-steuern /rechtspolitik/nationale-stellungnahmen/dihk-positionen-zu-nationalen-gesetzesvorhaben, abgerufen am 22. Februar 2015. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 20 – Wegen der Komplexität der Regelung und der ungeklärten praktischen Fragen sollte die Vorschrift frühestens ab 1. Januar 2017 angewandt werden. – Werde die neue Regelung auf deutsche Anleger angewandt, unterlägen diese einer endgültigen Belastung mit Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 Prozent. Ausländische Anleger erhalten nach den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen bei deutschen Dividenden eine Absenkung der Kapitalertragsteuer auf 15 Prozent. Dies widerspräche den Gleichbehandlungsgrundsätzen . Das Deutsche Aktieninstitut fordert in einer Stellungnahme, zur Vermeidung von missbräuchlichen Steuergestaltungen mildere Mittel einzusetzen, um die Effizienz der Aktienmärkte nicht zur beeinträchtigen. Ausdrücklich nimmt das Deutsche Aktieninstitut zu § 36 Abs. 2a EStG-E Stellung :28 – Es sei eine weit verbreitete Praxis, dass Unternehmen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung die Wertschwankungen von Aktien zumindest teilweise mit Derivaten absicherten . Wenn diese Absicherungsgeschäfte die Folge hätten, dass eine Anrechnung der auf die Dividendenerträge gezahlten Kapitalertragsteuer nicht mehr möglich ist, wäre dies ein Schlag gegen die politischen Bemühungen, den Ausbau der Altersvorsorge voranzutreiben. – Investmentfonds müssen wegen der Reduzierung oder Aufstockung der Anteile der Fondsanleger permanent Aktien erwerben beziehungsweise verkaufen. Die Neuregelung führte dazu, dass die Voraussetzungen für eine Steueranrechnung nicht mehr gegeben seien. Besonders gravierend sei dies bei Index-Fonds (Exchange Traded Funds – ETF), die gezwungenermaßen den Index in ihrem Aktienbestand nachbilden müssen und keine Möglichkeit hätten, über das „Parken“ von Liquidität aus den Mittelabflüssen und –zuflüssen Steuernachteile zu vermeiden. – Bei physisch replizierenden ETFs, welche die im Index enthaltenen Aktien tatsächlich erwerben beziehungsweise verkaufen, käme ein Doppelanfall der Kapitalertragsteuer hinzu. – Für synthetische ETFs, das sind ETFs, die die Wertentwicklung eines Index zum Teil über Derivate nachbilden, befürchtet das Deutsche Aktieninstitut sogar eine Gefährdung des Fortbestands dieses Instruments. Diese Derivatepositionen werden in der Regel durch die absichernde Bank mit physischen Aktienpositionen unterlegt, um das Marktpreisrisiko zu verringern. Solche Positionen könnten nicht mehr von einer Steueranrechnung profitieren, da die steuerpflichtige Bank kein oder nur noch ein vermindertes Wertänderungsrisiko trägt. – Um den Handel von Aktien kleinerer Unternehmen mit geringer Liquidität für Investoren attraktiver zu machen, agieren Banken als Market Maker bzw. Liquiditätsspender. Im Rahmen des Market Making ist es notwendig, in bestimmten Situationen kurzfristig Aktien des 28 Deutsches Aktieninstitut: Steuerlicher Rahmen muss "aktienfreundlicher" werden, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, 15. Januar 2016, Seite 7ff,, unter: https://www.dai.de/files/dai_usercontent/dokumente/positionspapiere/2016-01-15%20Positionspapier %20DAI%20InvStRefG-E%20Gesetzentwurf.pdf, abgerufen am 24. Februar 2016. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 015/16 Seite 21 betreffenden Unternehmens zu erwerben oder bereitzustellen, um deren Handelbarkeit zu gewährleisten. Die für diese Zwecke vorhandenen Aktienbestände der Banken schwanken stark und werden die geforderte Mindesthaltedauer nicht einhalten können. Gerade die Handelbarkeit von Aktien junger, innovativer Unternehmen werde erschwert. Die Bundessteuerberaterkammer hat sich zum Referentenentwurf aus folgenden Gründen ablehnend geäußert:29 – Es sei unklar, ob die 45 Tage durchgängig eingehalten werden müssten oder auch Unterbrechungen zulässig seien. Ferner sei es nicht praktikabel, im Massenverfahren eine 45-Tage- Frist nachzuweisen, wenn Anteile mehrfach gekauft und verkauft würden. – Infrage zu stellen sei auch, dass Tage, an denen der Steuerpflichtige weniger als 30 Prozent Wertveränderungsrisiko trage, nicht in die 45-Tage-Regelung hereinzurechnen sind. In diesem Fall müssten bei jedem Verkauf rund um den Zahlungsstichtag Wertermittlungen vorgenommen werden. Dann stelle sich die Frage, wie sich Finanzinstrumente zum Zwecke des Hedging steuerlich auswirkten, mit denen ein Wertveränderungsrisiko ausgeschlossen oder zumindest abgefedert werden solle. – Diese Rechtsnorm soll zudem bereits für alle Kapitalerträge anzuwenden sein, die ab dem 1. Januar 2016 zufließen, also vor der Verkündung des Gesetzes. Diese Anwendungsregelung bereits ab 1. Januar 2016 widerspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen, weil sich der Steuerpflichtige nicht rechtzeitig auf die neue Rechtslage einstellen könne. Haltefristen um den Dividendenstichtag herum, so Anzinger, schadeten dem Kapitalmarkt und behinderten einzelne volkswirtschaftlich nützliche Geschäfte möglicherweise mehr als eine Finanztransaktionsteuer .30 Es komme zu einer Verzerrung des Steuersystems. Um diese Nachteile zu vermeiden, müsse in einem ersten Schritt jede Dividendenkompensationszahlung steuerpflichtig gestellt werden. In einem zweiten Schritt müssten Dividenden und Veräußerungsgewinne im gleichen Umfang der beschränkten Steuerpflicht unterworfen und abkommensrechtlich auch im Quellenstaat erfasst werden.31 - Ende der Bearbeitung - 29 Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium der Finanzen zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG) vom 14. Januar 2016, unter: https://www.bstbk.de/de/presse/stellungnahmen/archiv/20160114_stellungnahme_bstbk/index .html, abgerufen am 4. März 2016. 30 Anzinger, Heribert M.: Wesen, Reformbedürfnis und Reformoptionen des Investmentsteuerrechts, in: Finanz- Rundschau Ertragsteuerrecht, 3/2016, Seite 101ff, hier Seite 110. 31 Anzinger, Heribert M.: Cum-/Cum-Geschäfte: Cum-/Ex-, die Zweite?, BetriebsBerater RdF – Recht der Finanzinstrumente , 30. Dezember 2015, unter: http://finanzen.ruw.de/rdf-news/standpunkte/Cum-Cum-Geschaefte-Cum- Ex--die-Zweite-28289, abgerufen am 8. März 2016.