© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 011/19 Gemeinnützigkeit bei privater Friedhofsverwaltung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/19 Seite 2 Gemeinnützigkeit bei privater Friedhofsverwaltung Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 011/19 Abschluss der Arbeit: 18. Februar 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Kirchliche Zwecke als Sondertatbestand im Gemeinnützigkeitsrecht 4 3. Urteil des FG Münster 4 4. Schlussfolgerungen 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber möchte die unterschiedliche Behandlung der steuerfreien Gemeinnützigkeit für Friedhofsvereine auf kirchlichem und auf kommunalem Boden geklärt wissen. Zudem sollen gesetzgeberische Handlungsmöglichkeiten zur Beseitigung einer ggf. bestehenden Ungleichbehandlung aufgezeigt werden. 2. Kirchliche Zwecke als Sondertatbestand im Gemeinnützigkeitsrecht § 54 AO bildet zur Förderung kirchlicher Zwecke einen Sondertatbestand zu § 52 AO. Körperschaften , die dem Anwendungsbereich der kirchlichen Zwecke unterfallen, müssen nicht der Förderung der Allgemeinheit dienen. „Indem § 54 Abs. 1 deren Förderung als selbständig steuerbegünstigten Zweck definiert, bedarf es keines Rückgriffs auf § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V. mit § 58 Nr. 1. Gleichzeitig verzichtet § 54 - ebenso wie § 53 - auf das in § 52 Abs. 1 Satz 1 statuierte Gemeinnützigkeitsmerkmal der „Förderung der Allgemeinheit“. Die Förderung einer im Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts befindlichen Religionsgemeinschaft betrachtet das Gesetz aufgrund der Verfassungsentscheidung des Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung generell als dem Gemeinwohl förderlich, ohne dies im Einzelfall noch zur Prüfung zu stellen.“1 Zu den in § 54 Abs. 2 AO genannten Anwendungsbeispielen zählt auch „die Beerdigung und die Pflege des Andenkens der Toten“. „§ 54 Abs. 2 zählt nur Beispiele der nach § 54 Abs. 1 förderungswürdigen kirchlichen Zwecke auf. Die Aufzählung ist nicht abschließend. § 54 Abs. 2 greift insofern über den Begriff der religiösen Zwecke hinaus, als er insbesondere Zwecke erfasst, die die Schaffung der Grundlage und des äußeren Rahmens für eine institutionalisierte Religionsausübung betreffen.“2 Daher muss eine kirchliche Friedhofsverwaltung für den Status der Gemeinnützigkeit weniger Voraussetzungen erfüllen als ein privatrechtlich getragener Friedhof. Letztgenannter muss im Rahmen des § 52 AO insbesondere selbstlos sowie unmittelbar handeln und der „Förderung der Allgemeinheit“ dienen. Über das Vorliegen dieser Voraussetzungen hatte das Finanzgericht (FG) Münster für einen privat verwalteten Friedhof jüngst zu entscheiden. 3. Urteil des FG Münster Im Urteil des FG Münster vom 19. Februar 20183 wurde der Feststellungsbescheid des Finanzamtes zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit für einen privaten Friedhofsverein bestätigt. Die Satzung des betroffenen Vereins legte in § 2 den Vereinszweck auf den Unterhalt eines Friedhofs mit einer Trauerhalle für seine Mitglieder fest. In § 3 wurde u.a. geregelt, dass „mit der Erlangung 1 Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 154. Lieferung 10.2018, § 54 AO, Rn. 1 2 Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 154. Lieferung 10.2018, § 54 AO, Rn. 7 3 FG Münster; Urteil vom 19.02.2018, Az: 13 K 3313/15 F; (juris) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/19 Seite 5 der Mitgliedschaft das Mitglied für sich und seine Familie gegen entsprechendes Entgelt Anspruch auf Überlassung einer Grabstätte und auf Benutzung der Friedhofseinrichtungen erwirbt .“4 Das Finanzgericht erkannte in den Satzungsregelungen des Vereins keine gemeinnützigen Zwecke , wie sie den Anforderungen des § 52 Abs. 1 AO genügen würden. Aus dem Vereinszweck ergebe sich keine Konkretisierung eines als gemeinnützig anerkannten Zweckes. Hierfür zog das FG sowohl die Förderung der Religion (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), die Förderung von Kunst und Kultur (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AO) als auch die Förderung des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AO) in Betracht.5 Zum Nichtvorliegen der Gemeinnützigkeit in diesem Fall führte das FG dann jedoch aus: „Der Zweck „einen Friedhof mit einer Trauerhalle für seine Mitglieder zu unterhalten“, enthält sprachlich weder einen Hinweis auf Religion noch auf Kultur.“6 „Zwar könnte ein Friedhof grundsätzlich ohne weiteres als Ort der Schaffung bzw. Ausübung von Kultur gesehen werden. Darüber hinaus dienen ein Friedhof und eine Trauerhalle typischerweise der Ausübung von Religion. Nach seiner Formulierung in § 2 Satz 2 der Satzung des Klägers ist der Zweck des Klägers jedoch lediglich, den Friedhof und die Trauerhalle „zu unterhalten “. Der „Unterhalt“ entspricht aber nicht den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO, da allein durch den „Unterhalt“ weder Religion noch Kultur gefördert werden. Vielmehr werden hierdurch lediglich Wirtschaftsgüter unterhalten. In welcher Weise diese Wirtschaftsgüter in der Praxis tatsächlich genutzt werden, wird durch die Satzung des Klägers jedoch nicht bestimmt. Dies entspricht nicht den Anforderungen des § 59 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 Satz 1 AO. Aus der Satzung des Klägers ergibt sich auch nicht, dass sein Zweck der Förderung des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AO) dient. Aus der Formulierung in § 2 Satz 2 der Satzung ist nämlich überhaupt kein Hinweis auf Denkmäler, den Denkmalschutz oder die Denkmalpflege erkennbar. Es ist anhand der Formulierung der Satzung auch nicht erkennbar, an der Erhaltung welcher Denkmäler auf dem Friedhof ein öffentliches Interesse bestehen könnte. Dasselbe gilt für alle weiteren Zwecke, die in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO genannt sind.“7 Ein Verein, der sich der Gräberpflege und der Beisetzung der Verstorbenen widmet, wäre somit nach Auffassung des Finanzgerichts generell durchaus unter § 52 Abs. 1 AO subsumierbar. Er müsste jedoch einem gemeinnützigen Zweck, wie der Religionsausübung oder der Schaffung bzw. Ausübung von Kultur dienen. Hierfür verlangt die Rechtsprechung konkrete Festlegungen in der Satzung, die Rückschlüsse auf einen derartig geprägten Vereinszweck zulassen. Ein weiterer problematischer Aspekt bestand für das Gericht in der Unmittelbarkeit der Ausübung der steuerbegünstigten Zwecke im Sinne der §§ 51 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 57 4 FG Münster: Urteil vom 19. Februar 2018 – 13 K 3313/15 F –, Rn. 3 (juris) 5 FG Münster: aaO., Rn. 34 (juris) 6 FG Münster: aaO., Rn.37 (juris) 7 FG Münster, aaO., Rn. 38 - 40 (juris) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/19 Seite 6 Abs. 1 AO. Der Verein hatte in seiner Satzung einen durch die Mitgliedschaft erworbenen Anspruch der Mitglieder auf Überlassung einer Grabstätte und auf Benutzung der Friedhofseinrichtungen vorgesehen. Aufgrund dieser Regelung ging das Gericht davon aus, dass lediglich eine mittelbare Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke durch die Vereinsmitglieder für den Verein vorliege. „Der Kläger hat im Klageverfahren selbst erklärt, er stelle im Rahmen seines satzungsmäßigen Zwecks Flächen auf dem Friedhofsgelände zur zeitlichen Unterhaltung von Gruften sowie eine Trauerhalle zur Verfügung. Seine Aufgabe sei hierbei die Pflege der Trauerhalle, der Wege, der Grababgrenzungen, der Friedhofshecken, die Abfallentsorgung, der Baumschnitt, die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften für eine Bestattung, die Einhaltung der Liegezeiten von bis zu 25 Jahren sowie die Überprüfung der Standfestigkeit von Grabmalen. Diese Darstellung stimmt überein mit den Betriebsausgaben, die der Kläger in seinen Gewinnermittlungen für die Jahre 2010 bis 2012 angegeben hat, nämlich Aufwendungen u.a. für die Abfallentsorgung, Strom und Wasser , Instandhaltungen, Friedhofspflege, Verwaltungskosten, Versicherungen sowie Reinigungsarbeiten . Durch all diese Tätigkeiten, die sich auch in den genannten Ausgaben widerspiegeln, werden Religion und Kultur jedoch nicht unmittelbar gefördert. Die beschriebenen Tätigkeiten stellen vielmehr lediglich den „äußeren sachlichen und organisatorischen Rahmen“ dafür dar, dass andere Personen auf dem Friedhof und in der Trauerhalle Religion und Kultur fördern bzw. ausüben können. Einen unmittelbar fördernden Einfluss auf Religion und Kultur haben diese Tätigkeiten indes nicht. Indem der Kläger lediglich den „äußeren Rahmen“ für andere Personen bietet , fördert er die Religion und die Kultur nur mittelbar.“8 „Aus diesen Gründen kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, die Unmittelbarkeit ergebe sich daraus, dass der Friedhof allen interessierten Menschen zur stillen Einkehr zur Verfügung stehe, Trauerfeiern in der auf dem Friedhof befindlichen Trauerhalle durchgeführt werden könnten und auch durchgeführt würden und die Teilnahme an Bestattungen unterschiedlicher Art für jedermann möglich sei. Die von § 52 Abs. 2 Satz 1 AO geförderten Zwecke werden nämlich hier durch die an der stillen Einkehr interessierten Menschen sowie durch die Teilnehmer der Trauerfeiern und der Bestattungen verwirklicht, nicht jedoch durch den Kläger selbst. Die Mittelbarkeit der Förderung von Religion und Kultur bzw. deren fehlende Unmittelbarkeit wird ebenfalls deutlich durch § 3 Abs. 2 der Satzung des Klägers. Hier ist geregelt, dass ein Mitglied mit der Erlangung der Mitgliedschaft für sich und seine Familie gegen entsprechendes Entgelt „Anspruch“ auf Überlassung einer Grabstätte und auf Benutzung der Friedhofseinrichtungen erwerbe. Kunst und Kultur auf einem Friedhof können aber nur durch diejenigen Personen ausgeübt werden, denen die Grabstätte überlassen wird. Indem nun das Mitglied einen „Anspruch“ erwirbt und diesen durchsetzt, verwirklicht das Mitglied eigene Tätigkeiten gegenüber dem Kläger . Das Mitglied tritt hier nicht als Hilfsperson i.S.d. § 57 Abs. 1 Satz 2 AO des Klägers auf, sondern als Vertragspartner gegenüber dem Kläger. Kunst und Kultur werden also von einer dem 8 FG Münster, Urteil vom 19. Februar 2018 – 13 K 3313/15 F –, Rn. 48 - 50 (juris) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 011/19 Seite 7 Kläger gegenüber anspruchsberechtigten Person ausgeübt und nicht unmittelbar von dem Kläger selbst.“9 4. Schlussfolgerungen Einer der am Urteil beteiligten Richter hat in der Urteilsanmerkung10 festgehalten, dass auch Friedhofsvereine in der Rechtsform des privaten Vereins gemeinnützig sein können. „Wie jeder andere Verein muss aber auch ein Friedhofsverein die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit entsprechend den Vorgaben der AO einhalten. Daran fehlte es im Streitfall, weil die Satzung keine hinreichend genauen Hinweise auf gemeinnützige Zwecke enthielt und weil die Zwecke überdies vom Verein nicht unmittelbar selbst verwirklicht wurden. Da der Verein über viele Jahrzehnte als gemeinnützig anerkannt war, konnte er sich zunächst auf Vertrauensschutz berufen – zumindest für die Vergangenheit. Ab demjenigen Jahr, in dem der ablehnende Feststellungsbescheid ergangen war, endete aber der Vertrauensschutz. Ein solcher Verein muss dann seine Satzung und ggf. auch seine tatsächliche Geschäftsführung an die Vorgaben der AO anpassen, um gemeinnützig zu bleiben.“11 Denkbar wäre somit eine gesetzgeberische Lösung über die Ergänzung des Katalogs der gemeinnützigen Zwecke in § 52 Abs. 2 AO um „die Pflege und Verwaltung von Friedhöfen“. Alternativ und insbesondere niedrigschwelliger würde jedoch auch eine Anpassung der Vereinssatzung und der tatsächlichen Geschäftsführung an die steuerbegünstigten Zwecke und das Kriterium der Unmittelbarkeit genügen, um die Gemeinnützigkeit für nicht-kirchliche Friedhofsvereine zu erhalten . Der Vereinszweck müsste hinreichend bestimmt zur Ausübung eines gemeinnützigen Zwecks sein. Zudem sollte die Vereinstätigkeit nicht ausschließlich in der Verwaltung des Friedhofes liegen . Würde beispielsweise die Organisation und Durchführung der Trauerfeiern vom Verein verantwortet , so wäre eine unmittelbar dem Verein zurechenbare steuerbegünstigte Tätigkeit vorhanden , die die Voraussetzung der Unmittelbarkeit im Sinne des § 51 Abs. 1 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 AO erfüllen würde. *** 9 FG Münster, Urteil vom 19. Februar 2018 – 13 K 3313/15 F –, Rn. 48 - 50 (juris) 10 EFG 2018, 897-902 (juris) 11 ebenda