Deutscher Bundestag Verfassungsgerichtliche Vorgaben für die Vermögensbesteuerung Vermögensteuern, Zwangsanleihen, „Grüne Vermögensabgabe“, Sonderabgaben Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 – 011/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 2 Verfassungsgerichtliche Vorgaben für die Vermögensbesteuerung Vermögensteuern, Zwangsanleihen, „Grüne Vermögensabgabe“, Sonderabgaben Verfasser: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 – 011/13 Abschluss der Arbeit: 18. Februar 2013 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben für Vermögensteuern 4 1.1. Freiheitsrechtliche Vorgaben 4 1.1.1. Vermögensteuer als Sollertragsteuer 4 1.1.2. Verschonung des persönlichen Lebensführungsvermögens 5 1.1.3. Belastungsobergrenze 6 1.2. Gleichheitsrechtliche Vorgaben 7 1.2.1. Die Besteuerungsgrundlage 7 1.2.2. Die Bewertung 9 1.2.3. Rechtsanwendungsgleichheit 11 2. Rechtsprechung und Literatur zu Zwangsanleihen 12 3. „Entschuldungsabgabe“ und Rechtsprechung zu Sonderabgaben 13 3.1. Einleitung 13 3.2. „Grüne Vermögensabgabe“ 13 3.2.1. Einordnung 13 3.2.2. Verfassungsrechtliche Anforderungen 14 3.2.2.1. Einmaligkeit 14 3.2.2.2. Staatliche Ausnahmelage 15 3.2.3. Vereinbarkeit mir Art. 14 GG 16 3.3. Rechtsprechung zu Sonderabgaben 16 3.3.1. Einordnung 16 3.3.2. Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des BVerfG 17 3.3.2.1. Verfolgung eines bestimmten Sachzwecks 17 3.3.2.2. Homogene Gruppe 17 3.3.2.3. Besondere Finanzierungsverantwortlichkeit 18 3.3.2.4. Gruppennützige Verwendung 18 3.3.2.5. Legitimitätsüberprüfung 18 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 4 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben für Vermögensteuern Im Folgenden werden die verfassungsrechtlichen Vorgaben für Vermögensteuern unter Zugrundelegung der maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) dargestellt. Besondere Relevanz kommt hierbei dem „Vermögensteuerbeschluss“ vom 22. Juni. 19951, dem „ersten Erbschaftsteuerbeschluss“ vom 22. Juni 19952, dem „zweiten Erbschaftsteuerbeschluss“ vom 7. November 20113 und dem Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. September 20124 zu. Die Darstellung gliedert sich in einen Abschnitt zu den freiheitsrechtlichen und einen Abschnitt zu den gleichheitsrechtlichen Anforderungen an Vermögensteuern. 1.1. Freiheitsrechtliche Vorgaben 1.1.1. Vermögensteuer als Sollertragsteuer In seinem Beschluss zur Vermögensteuer vom 22. Juni 19955 ging das BVerfG von einem Schutz der Vermögenssubstanz vor der Besteuerung aus und charakterisierte die Vermögensteuer als Sollertragsteuer 6. Es führte hierzu aus7: „Die Zuordnung der vermögenswerten Rechtsposition zum Eigentümer und die Substanz des Eigentums müssen gewahrt bleiben (vgl. BVerfGE 42, 263 (295) = NJW 1976,1783; BVerfGE 50, 290 (341) = NJW 1979, 699). Nach diesen Maßstäben bleibt unter den Bedingungen des gegenwärtigen Steuerrechts, nach denen das Vermögen bereits durch die Steuern auf das Einkommen und den Ertrag, der konkrete Vermögensgegenstand meist auch durch indirekte Steuern vorbelastet ist, für eine ergänzende Besteuerung dieses mehrfach vorbelasteten Vermögens von Verfassungs wegen nur noch ein enger Spielraum. Die Vermögensteuer darf nur so bemessen werden, daß sie in ihrem Zusammenwirken mit den sonstigen Steuerbelastungen die Substanz des Vermögens, den Vermögensstamm, unberührt läßt und aus den üblicherweise zu erwartenden, möglichen Erträgen (Sollerträge) bezahlt werden kann. Andernfalls führte eine Vermögensbesteuerung im Ergebnis zu einer schrittweisen Konfiskation, die den Steuerpflich- 1 BVerfG 2 BvL 37/91, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1995, 2615. 2 BVerfG 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165. 3 BVerfG 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1. 4 BFH II R 9/11, BFHE 238, 241. 5 BVerfG 2 BvL 37/91, NJW 1995, 2615. 6 Die Alternative hierzu wäre gewesen, die Vermögensteuer als Substanzsteuer einzuordnen. Das BVerfG hat allerdings im Vermögenssteuerbeschluss festgeschrieben, dass die Vermögenssubstanz – die den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) genießt – von der Besteuerung unberührt bleiben muss. Aufgrund dieser These konnte die Vermögensteuer nur als (grundsätzlich) verfassungskonform eingestuft werden, wenn man sie als Sollertragsteuer qualifiziert. 7 Die Hervorhebungen durch Fettdruck innerhalb der wörtlichen Ausführungen der Gerichte sind durch die Bearbeiter eingefügt worden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 5 tigen dadurch übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde (vgl. BVerfGE 14, 221 (241) = NJW 1962, 2003; BVerfGE 82, 159 (190) = NJW 1991, 930 L = NVwZ 1990, 53; st. Rspr.).“ Diese Qualifizierung der Vermögensteuer als Sollertragsteuer ist allerdings nicht unumstritten. Sie wird sowohl in der Literatur8 als auch im Beschluss des BVerfG selbst9 kritisiert. In Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ist neben dem Eigentum auch das Erbrecht garantiert. Trotzdem ist eine Besteuerung durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer im Lichte des Art. 14 GG weniger problematisch. Wie aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, wird das Erbrecht nicht schrankenlos gewährleistet, den Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. Das Erbschaftsteuergesetz ist eine solche Schranke. Sie hat im Gegensatz zur Vermögensteuer allerdings die gestiegene Leistungsfähigkeit des Erben als Anknüpfungspunkt für die Steuerbelastung.10 1.1.2. Verschonung des persönlichen Lebensführungsvermögens In den Beschlüssen vom 22. Juni 199511 hat das BVerfG – sowohl für die Vermögen- als auch für die Erbschaftsteuer – festgelegt, dass gewisses Vermögen nicht (weiter) besteuert werden darf. Das BVerfG führte hierzu im Vermögensteuerbeschluss aus: „Der steuerliche Zugriff auf das Vermögen belastet auch Wirtschaftsgüter, die der persönlichen Lebensführung des Steuerpflichtigen und seiner Familie dienen. Sie ermöglichen einen Freiheitsraum für die eigenverantwortliche Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs. Dieses Vermögen genießt einen besonderen Schutz (vgl. BVerfGE 24, 367 (389) = NJW 1969, 309; BVerfGE 50, 290 (399f.) = NJW 1979, 699; st. Rspr.). Es sichert die persönliche Freiheit des einzelnen in Ergänzung der im wesentlichen durch Arbeitseinkommen und Sozialversicherungsanspruch sowie durch Gewerbe und andere selbständige Tätigkeit gewährten Sicherheit. Unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung des Vermögens darf der Steuergesetzgeber daher in bestimmten Grenzen das vom Steuerpflichtigen zur Grundlage seiner individuellen Lebensgestaltung bestimmte Vermögen nicht durch weitere Besteuerung mindern. Er muß deshalb jedenfalls die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung gegen eine Sollertragsteuer abschirmen.(..) Diese wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung entwickelt sich je nach den in einer Rechtsgemeinschaft erreichten ökonomischen und kulturellen Standards.(..) 8 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 34. 9 Abweichende Meinung des Richters Böckenförde (BVerfG, NJW 1995, 2615, 2621), der feststellt: „Die Begrenzung der Vermögensteuer auf eine Besteuerung der (Soll-)Erträge ist durch die Verfassung nicht geboten.“ 10 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 42. 11 BVerfG 2 BvL 37/91, NJW 1995, 2615 und BverfG 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 6 Der Gesetzgeber hat die ökonomische Grundlage individueller Freiheit typisierend zu bemessen und von der Vermögensteuerlast freizustellen. Dabei liegt es nahe, daß er sich - unbeschadet von Regelungen wie in §§ BEWG § 110 und BEWG § 111 BewG - an den Werten durchschnittlicher Einfamilienhäuser orientiert. Er muß freilich Grundeigentümer und Inhaber anderer Vermögenswerte in einem gleichen Individualbedarf steuerlich freistellen.“ Die Verschonung dieses Lebensführungsvermögens wird im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) durch Freibeträge ( § 16 ErbStG) sichergestellt. 1.1.3. Belastungsobergrenze Im „Vermögensteuerbeschluss“12 hat das BVerfG den sogenannten Halbteilungsgrundsatz aufgestellt . Aus Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG, der vorschreibt, dass das Eigentum zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen muss, folgerte das BVerfG, dass eine Gesamtbelastung maximal in der Größenordnung um 50% erfolgen darf.13 Hierzu führte es aus: „Nach Art. 14 II GG dient der Eigentumsgebrauch zugleich dem privaten Nutzen und dem Wohl der Allgemeinheit. Deshalb ist der Vermögensertrag einerseits für die steuerliche Gemeinlast zugänglich, andererseits muß dem Berechtigten ein privater Ertragsnutzen verbleiben. Die Vermögensteuer darf deshalb zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen , abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt und dabei insgesamt auch Belastungsergebnisse vermeidet, die einer vom Gleichheitssatz gebotenen Lastenverteilung nach Maßgabe finanzieller Leistungsfähigkeit zuwiderlaufen.“ Es ist allerdings sehr fraglich, ob der im Jahre 1995 aufgestellte Halbteilungsgrundsatz nach wie vor Auswirkungen auf die Rechtsprechung des BVerfG hat. Schon in seinem Urteil vom 11. August 199914 hat sich der BFH gegen eine Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes ausgesprochen. Bestätigt wurde das Urteil des BFH durch den Beschluss des BVerfG vom 18. Januar 200615, in dem dieses ausführte, dass zumindest für die Belastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer der Halbteilungsgrundsatz nicht gilt.Das BVerfG betont zwar, dass es in der Entscheidung vom 18. Januar 2006 gerade nicht um die Vermögensteuer geht, allerdings führt es aus: „Aus diesem in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GG zum Ausdruck kommenden Maßstab , der lediglich den Rahmen der Abwägung kennzeichnet, lässt sich keine allgemein verbindliche , absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung ("Halbteilungsgrundsatz ") ableiten. Der Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG ("zugleich") reicht zur Begrün- 12 BVerfG 2 BvL 37/91, NJW 1995, 2615. 13 Der Halbteilungsgrundsatz wurde vom BVerfG im Wege eines obiter dictum in den „Vermögensteuerbeschluss“ aufgenommen, er war für die letztendliche Entscheidung mithin nicht von Bedeutung. 14 BFH XI R 77/97, BFHE 189, 413. 15 BVerfG 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 7 dung einer mit Sinn und Zweck des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG sowie seiner Entstehungsgeschichte (..) zu vereinbarenden Herleitung einer Höchstbelastungsgrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung nicht aus.“ Im selben Beschluss führte das BVerfG weitergehend aus: „Wählt der Gesetzgeber einen progressiven Tarifverlauf, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden , hohe Einkommen auch hoch zu belasten, soweit beim betroffenen Steuerpflichtigen nach Abzug der Steuerbelastung ein - absolut und im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen betrachtet - hohes, frei verfügbares Einkommen bleibt, das die Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar macht. Ist letzteres gewährleistet, liegt es weitgehend im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, die Angemessenheit im Sinne vertikaler Steuergerechtigkeit selbst zu bestimmen . Auch wenn dem Übermaßverbot keine zahlenmäßig zu konkretisierende allgemeine Obergrenze der Besteuerung entnommen werden kann, darf allerdings die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen für den Regelfall nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt.“ Zwar behandelt der Beschluss nicht die Vermögensteuer, allerdings ist anzunehmen, dass das BVerfG den Halbteilungsgrundsatz aufgegeben16 und durch die allgemeinen Ausführungen zum Übermaßverbot ersetzt hat. 1.2. Gleichheitsrechtliche Vorgaben Unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten ist die Festlegung der Besteuerungsgrundlage, die Bewertung und die Rechtsanwendungsgleichheit näher zu betrachten. 1.2.1. Die Besteuerungsgrundlage Bei der Frage, welches Vermögen für eine Besteuerung durch Vermögens- oder Erbschaftsteuer herangezogen wird, ist vor allem die Frage der Privilegierung des Betriebsvermögens gegenüber dem Privatvermögen relevant. Im Steuerrecht gilt der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Jeder soll nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichermaßen zur Finanzierung der Staatsaufgaben herangezogen werden.17 Die Ausführungen des BVerfG im „ersten Erbschaftsteuerbeschluss“18 legen nahe, dass das BVerfG davon ausging, dass Betriebsvermögen eine geringere Leistungsfähigkeit vermittelt als Privatvermögen. Das BVerfG führte hierzu aus: 16 So auch Sacksofsky, Halbteilungsgrundsatz ade – Scheiden tut nicht weh, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2006, 661 der ausführt: „In dem Beschluss vom 18. 1. 2006 lässt der Zweite Senat deutlich erkennen, dass er - in seiner derzeitigen Besetzung - vom Halbteilungsgrundsatz nichts hält.“ 17 Pahlke in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Auflage 2009, § 3 Rn. 75. 18 BVerfG 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 8 „Zudem hat der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Steuerlast zu berücksichtigen, daß die Existenz von bestimmten Betrieben - namentlich von mittelständischen Unternehmen - durch zusätzliche finanzielle Belastungen, wie sie durch die Erbschaftsteuer auftreten, gefährdet werden kann. Derartige Betriebe, die durch ihre Widmung für einen konkreten Zweck verselbständigt und als wirtschaftlich zusammengehörige Funktionseinheit organisiert sind, sind in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet: Sie unterliegen als Garant von Produktivität und Arbeitsplätzen insbesondere durch Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern , das Betriebsverfassungsrecht, das Wirtschaftsverwaltungsrecht und durch die langfristigen Investitionen einer gesteigerten rechtlichen Bindung. Sie hat zur Folge, daß die durch die Erbschaftsteuer erfaßte finanzielle Leistungsfähigkeit des Erben nicht seinem durch den Erbfall erworbenen Vermögenszuwachs voll entspricht. Die Verfügbarkeit über den Betrieb und einzelne dem Betrieb zugehörige Wirtschaftsgüter ist beschränkter als bei betrieblich ungebundenem Vermögen. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) fordert, diese verminderte Leistungsfähigkeit bei den Erben zu berücksichtigen, die einen solchen Betrieb weiterführen , also den Betrieb weder veräußern noch aufgeben, ihn vielmehr in seiner Sozialgebundenheit aufrechterhalten, ohne daß Vermögen und Ertragskraft des Betriebes durch den Erbfall vermehrt würden.“ Diese These ist in der Folgezeit unter dem Hinweis darauf, dass sich die Sozialpflichtigkeit des Betriebsvermögens bereits auf die Bewertung auswirkt, angegriffen worden.19 Auch der BFH hält diese These in seinem – die Erbschaftsteuer betreffenden - Vorlagebeschluss vom 27. September 2012 für widerlegt20. Er führte hierzu aus: „Darüber hinaus hat das BVerfG inzwischen im Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192, unter C.II.2.b ee --wie bereits dargelegt-- zur Besteuerung des Erwerbs von Grundvermögen ausgeführt, bei dieser Vermögensart bestehende Besonderheiten wie z.B. geringe Fungibilität , höhere Sozialbindung, Mieterschutzbestimmungen, öffentlich-rechtliche Auflagen und die zusätzliche Belastung durch Grundsteuer schieden als Rechtfertigung für Verschonungsregelungen schon im Ansatz aus, soweit sich diese Besonderheiten regelmäßig in den Marktpreisen abbildeten.(..) Für Betriebsvermögen gewerblicher oder freiberuflicher Unternehmen kann nichts anderes gelten (Piltz, DStR 2010, 1913, 1918; vgl. auch Moench/Albrecht, Erbschaftsteuer , 2. Aufl., Rz 839). Darauf deutet insbesondere hin, dass das BVerfG im Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192, unter C.II.2.b ee im vorliegenden Zusammenhang hinsichtlich des Betriebsvermögens zustimmend auf Bareis (DB 1996, 1153, 1157) und Seer (Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft Band 22, 1999, S. 191, 212) verwiesen hat, die sich kritisch mit den o.g. Ausführungen des BVerfG im Beschluss in BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C.I. 2.b bb auseinandersetzen.“ Es scheint sich auch beim BVerfG die Ansicht durchgesetzt zu haben, dass Betriebsvermögen die gleiche Leistungsfähigkeit vermittelt wie Privatvermögen. Unter Zugrundelegung dieser Annahme sind Privilegierungen des Betriebsvermögens rechtfertigungsbedürftig, da ansonsten gegen das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstoßen wird. Zur 19 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 55. 20 BFH II R 9/11, BFHE 238, 241. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 9 Rechtfertigung wurden in der Vergangenheit regelmäßig Argumente, wie der Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen und andere Sozialzwecke angeführt. Im derzeit geltenden ErbStG ist demnach auch eine umfangreiche Privilegierung des Betriebsvermögens festgeschrieben (§§ 13a, 13b ErbStG). Der BFH hält diese Privilegierungen für verfassungswidrig und hat die Frage daher dem BVerfG durch Vorlagebeschluss vom 27. September 2012 zur Entscheidung vorgelegt. Der BFH führt aus, dass seiner Ansicht nach keine hinreichenden Sachgründe vorliegen, die eine Privilegierung des Betriebsvermögens im derzeit gültigen Umfang rechtfertigen. Exemplarisch führt er – im Zusammenhang mit der Behauptung, eine Privilegierung wäre für den Erhalt von Arbeitsplätzen nötig – aus: „Der Wissenschaftliche Beirat beim BMF hat in diesem Zusammenhang in seinem zur Begünstigung des Unternehmensvermögens in der Erbschaftsteuer erstatteten Gutachten 01/2012 ausgeführt , es sei zwar denkbar, aber keineswegs zwingend, dass die Erbschaftsteuer ungünstige Liquiditätseffekte bei Unternehmen auslöse. Die empirische Evidenz liefere kaum Hinweise darauf, dass Betriebe durch den mit der Erbschaftsteuer verbundenen Liquiditätsentzug in Bedrängnis gebracht würden. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage sei es nicht möglich gewesen, einen konkreten Fall zu benennen, bei dem ein Betrieb aufgrund der Erbschaftsteuer aufgegeben, veräußert oder zahlungsunfähig geworden sei (BTDrucks 16/1350, Fragen 13 ff.).“ Eine Entscheidung des BVerfG steht noch aus. Es ist zu erwarten, dass eine grundlegende Entscheidung über die Frage ergeht, ob eine weitreichende Privilegierung von Betriebsvermögen im Rahmen der Vermögensbesteuerung auch in Zukunft möglich bleibt. 1.2.2. Die Bewertung Neben der Frage, welche Wirtschaftsgüter in das Vermögen einbezogen werden, ist das Problem evident, wie verschiedene Bestandteile des Vermögens bewertet werden müssen. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 22. Juni 199521 die Erhebung der Vermögensteuer für mit dem steuerlichen Gleichheitssatz unvereinbar erklärt. Grund hierfür war, dass das Finanzvermögen bei der Ermittlung des Gesamtvermögens mit Verkehrswerten angesetzt wurde, Immobilien hingegen mit Einheitswerten, die nur einem Bruchteil des Verkehrswertes entsprachen.22 Dem Gesetzgeber wurde eine Frist bis zum 31. Dezember 1996 gesetzt, um diesen verfassungswidrigen Zustand zu beheben. Da dies nicht geschah, wird die Vermögensteuer seit 1997 nicht mehr erhoben. Das BVerfG hat die Vermögensteuer als Sollertragsteuer qualifiziert. Dennoch hat es ausdrücklich festgestellt, dass der Verkehrswert (und nicht zwingend der Ertragswert) ein zulässiger Anknüpfungspunkt für die Bewertung ist: 21 BVerfG 2 BvL 37/91, NJW 1995, 2615. 22 Tipke, GmbHRundschau 1996, 8 (9). Die selben Erwägungen stellte das BVerfG im „ersten Erbschaftsteuerbeschluss “ vom selben Tag für die Erbschaftsteuer auf (BVerfG 2 BvR 552/91). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 10 „Die nach einem Sollertrag bemessene Besteuerung kann nicht an vorgefundene Ertragssummen anknüpfen, sondern muß für Zwecke der Besteuerung einen erwarteten Ertrag unterstellen . Deshalb ist das die Ertragserwartung begründende Wirtschaftsgut in seiner Ertragsfähigkeit zu bewerten. Die Ermittlung der Sollerträge setzt grundsätzlich am Tatbestand der Ertragsfähigkeit eines Wirtschaftsgutes an, mag aber auch an dessen Verkehrswert anknüpfen, sofern die im Steuersatz bestimmte Belastung gewährleistet, daß die Vermögensteuer lediglich anteilig auf die Erträge zugreift, die aus der in Verkehrswerten erfaßten wirtschaftlichen Einheit typischerweise erwartet werden. Erfaßt die Bemessungsgrundlage nicht den vermuteten Ertrag, sondern den Veräußerungswert eines Wirtschaftsgutes, so kommt dem Steuersatz die Aufgabe zu, anknüpfend an einen aus dem Veräußerungswert abgeleiteten Sollertrag den steuerlichen Zugriff auf diesen angemessen und gleichheitsgerecht zu begrenzen.“ Im „Vermögensteuerbeschluss“ stellt das BVerfG darüber hinaus klar, dass realitätsgerechte Werte nur dann der Besteuerung zugrunde gelegt werden können, wenn es in regelmäßigen Abständen zu einer Neubewertung kommt. Im „zweiten Erbschaftsteuerbeschluss“ vom 7. November 201123 betont das BVerfG, dass der Bewertung ein möglichst realitätsnaher Wert zugrunde gelegt werden muss. Im Rahmen der Bewertung dürfen nicht anderweitige Ziele, wie etwa Lenkungsziele verfolgt werden. Diese dürfen erst im Anschluss an eine sachgerechte Bewertung eine Rolle spielen. Das BVerfG führt hierzu aus: „Selbst bei Wirtschaftsgütern, deren Wert typischerweise durch ihren regelmäßig anfallenden Ertrag realisiert wird, ist nicht notwendig der Ertragswert der einzig "wahre" Wert zur Bestimmung des Vermögenszuwachses, weil auch bei ihnen die Realisierung des Verkehrswerts durch Veräußerung nicht ausgeschlossen ist. (..) Bei den weiteren, sich an die Bewertung anschließenden Schritten zur Bestimmung der Steuerbelastung kann der Gesetzgeber auf den solcher Art zutreffend ermittelten Wert der Bereicherung aufbauen und Lenkungszwecke, etwa in Form steuerlicher Verschonungsnormen, zielgenau und normenklar ausgestalten. Stellt der Gesetzgeber dagegen schon bei der Bewertung als der notwendigen Verdeutlichung der nicht als Geldbetrag vorliegenden Gegenstände in einem Geldwert auf andere Bewertungsmaßstäbe ab, so löst er sich von seiner Belastungsgrundentscheidung und legt damit strukturell Brüche und Wertungswidersprüche des gesamten Regelungssystems an. Es ist nicht erkennbar, dass diese notwendigerweise mit dem Gleichheitssatz kollidierenden Verwerfungen auf der Bewertungsebene in den weiteren Schritten zur Festlegung der Steuerbelastung korrigiert werden könnten. Sowohl Verschonungsregelungen wie beispielsweise Bewertungsabschläge oder Freibeträge auf der zweiten Ebene der Ermittlung der Bemessungsgrundlage als auch Regulierungen über den Steuersatz bauen auf der Bewertungsebene auf und schreiben einen dort angelegten Verstoß gegen das Erfordernis, die Werte in ihrer Relation realitätsgerecht zu ermitteln, fort. Zur Verfolgung außerfiskalischer Förderungs- und Lenkungsziele im Erbschaftsteuerrecht ist die Bewertungsebene daher aus verfassungsrechtlichen Gründen bereits vom Ansatz her ungeeignet . Ein regulierendes Eingreifen des Gesetzgebers mittels Differenzierungen beim Bewertungsmaßstab für bestimmte Vermögensgegenstände scheidet als gleichheitswidrig aus. Denn es ist nicht mit dem Erfordernis der gleichheitsgerechten Ausgestaltung des Lenkungszwecks (vgl. BVerfGE 93, 121 <140>; 110, 274 <293>) vereinbar. Der Versuch einer Lenkung auf der 23 BVerfG 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 11 Bewertungsebene führt zu uneinheitlich vom gemeinen Wert abweichenden Bewertungsergebnissen und damit dazu, dass schon beim ersten Schritt der Ermittlung der Steuerbelastung darauf verzichtet wird, die Begünstigungswirkung den Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zugute kommen zu lassen. Dadurch werden zufällig und willkürlich eintretende Entlastungen bereits strukturell angelegt.“ Allerdings erkennt das BVerfG, dass eine exakte Bewertung aufgrund der Vielzahl der Steuerfälle und des hierfür erforderlichen Aufwandes nicht erreichbar ist. Daher lässt das BVerfG einen Annäherungswert genügen: „Insbesondere kann er die Wertermittlungsregelungen unter Berücksichtigung der Erfordernisse eines praktikablen Steuererhebungsverfahrens sowie der gesetzessystematisch notwendigen Typisierungen und Pauschalierungen ausgestalten. Die Methodik der Bewertung im Erbschaftsteuerrecht wird allerdings dann den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr gerecht , wenn sie dazu führt, dass nicht alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden.“ 1.2.3. Rechtsanwendungsgleichheit Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht bedeutet, dass nicht nur das Gesetz (abstrakt) gleichheitsrechtlichen Vorgaben genügen muss, sondern auch in der konkreten Umsetzung tatsächlich zu einer gleichmäßigen Belastung führen muss. Zwar sind Vollzugsdefizite bei der Steuererhebung nicht vermeidbar24, ein strukturelles Erhebungsdefizit führt allerdings dazu, dass die Steuer gleichheitswidrig ist.25 Dies ist kein spezielles Problem der Vermögensteuern, sondern ein allgemeingültiger steuerrechtlicher Grundsatz. Die Vermögensteuer weist aber, wie die Schenkungs- und Erbschaftsteuer, erhebliches Hinterziehungspotential auf, insbesondere was den Bereich des privaten Vermögens betrifft.26 Gerade bei wertvollen Kunstgegenständen, die sich im privaten Besitz befinden, sorgt die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) dafür, dass eine Überprüfung, ob die Deklaration von Vermögensgegenständen stattgefunden hat, schier undurchführbar ist. Da der Steuerpflichtige bei einer Deklaration nur nachteilig betroffen werden kann, besteht im Gegensatz zum häuslichen Arbeitszimmer , das ebenfalls unter den Wirkbereich des Art. 13 GG fällt, kein Deklarationsanreiz.27 Das BVerfG führte hierzu aus28: „Das ist allerdings nicht schon bei einer Belastungsungleichheit der Fall, die durch Vollzugsmängel bei der Steuererhebung hervorgerufen wird, wie sie immer wieder vorkommen können 24 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 57. 25 So BVerfG 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 für die Besteuerung privater Kapitalerträge. 26 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 57. 27 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 58. 28 BVerfG 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 12 und sich auch tatsächlich ereignen. Wirkt sich indes eine Erhebungsregelung gegenüber einem Besteuerungstatbestand in der Weise strukturell gegenläufig aus, daß der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann, und ist dieses Ergebnis dem Gesetzgeber zuzurechnen, so führt die dadurch bewirkte Gleichheitswidrigkeit zur Verfassungswidrigkeit auch der materiellen Norm.“ 2. Rechtsprechung und Literatur zu Zwangsanleihen Unter einer Zwangsanleihe versteht man grundsätzlich eine „Form der staatlichen Geldbeschaffung , die sich von einer Anleihe durch die Unfreiwilligkeit der Geldhergabe und von einer Steuer durch die vom Staat als Gegenleistung eingegangene Rückzahlungsverpflichtung unterscheidet .“29 Während Steuern Eigenmittel des Staates sind, haben Zwangsanleihen Fremdkapitalcharakter .30 Das BVerfG hat in seinem Urteil zum Investitionshilfegesetz31 klargestellt, dass Zwangsanleihen keine Steuern im Sinne des Grundgesetzes sind. Zudem führte das BVerfG aus, dass Art. 115 GG keine Kompetenz zur Einführung von Zwangsanleihen entnommen werden kann. Die Investitionshilfeabgabe , die als Zwangsanleihe qualifiziert wurde, war mangels Gesetzgebungskompetenz verfassungswidrig. Auch eine Einordnung als Sonderabgabe auf Grundlage der Gesetzgebungskompetenz des Rechts der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) schied aus. In der Literatur wird die Zwangsanleihe hauptsächlich bezüglich ihrer Rechtsnatur thematisiert. Dem BVerfG folgend, wird sie nicht als Steuer angesehen32, vielmehr wird darauf abgestellt, dass eine Zwangsanleihe auf einer Sachkompetenznorm (z.B. Recht der Wirtschaft, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) beruhen könne, falls sie als Sonderabgabe zu qualifizieren wäre.33 Ausführliche Ausarbeitungen zur Thematik finden sich in: Rolf Zimmermann, Die Zwangsanleihe, Universität Heidelberg (1992), Hans-Wolfgang Arndt, Steuern, Sonderabgaben und Zwangsanleihen – zur „Abgabenerfindungskompetenz “ des Bundesgesetzgebers, Arbeitskreis für Steuerrecht (Köln) (1983), Norbert Räth, Die Zwangsanleihe als finanzpolitisches Instrument, Surbir (1980). 29 Von Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung, Bd. 2, S. 1180. 30 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 72. 31 BVerfG, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1985, S. 37. 32 Pahlke/König, Abgabenordnung (AO), 2. Auflage 2009, § 3 Rn. 15; Höfling, Erzwungene Investitionshilfe mittels einer Neunzehntelsteuer, Betriebs-Berater (BB), 1992, S. 2479; Elsner/Kaltenborn, Sonderabgaben im Steuerstaat , Juristische Arbeitsblätter (JA), 2005, S. 825; diesbezüglich allerdings zweifelnd: Henseler, Das Urteil zur Investitionshilfenabgabe in seiner Bedeutung für die Dogmatik des Abgabenrechts, in: NVwZ 1985, S. 398, 399. 33 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 73. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 13 3. „Entschuldungsabgabe“ und Rechtsprechung zu Sonderabgaben 3.1. Einleitung Neben der Wiedereinführung der Vermögensteuer ist die sogenannte „Grüne Vermögensabgabe“ Teil der politischen Diskussion. Mit dieser soll die „durch die Finanz- und Wirtschaftskrise bedingte Erhöhung der Staatsverschuldung“ abgebaut werden.34 Am 25. September 2012 wurde der Entwurf eines Gesetzes zur Erhebung einer Vermögensabgabe in den Deutschen Bundestag eingebracht .35 Im Folgenden sollen zunächst die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die „Grüne Vermögensabgabe “ skizziert werden. Im Anschluss wird die Rechtsprechung zu Sonderabgaben dargestellt . 3.2. „Grüne Vermögensabgabe“ 3.2.1. Einordnung Öffentliche Abgaben sind Geldleistungen, die der Bürger aufgrund von Rechtsvorschriften an den Staat abzuführen hat. Abgabe ist damit der Oberbegriff, unter den verschiedene Kategorien fallen. Hierbei werden Steuern von den sonstigen (nichtsteuerlichen) Abgaben wie Beiträgen, Gebühren und Sonderabgaben unterschieden.36 Art. 106 Abs. 1 GG legt fest, welches Steueraufkommen dem Bund allein zusteht. Steuern sind nach gängiger Definition des § 3 Abgabenordnung „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. Ob es sich um laufende oder einmalige Geldleistungen handelt , macht danach keinen Unterschied. Da die Vermögensabgabe auch in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG ausdrücklich als Steuer aufgezählt ist, fällt sie unter den Steuerbegriff. Jedoch ist sie streng von der Vermögensteuer (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG) zu trennen. Entscheidende Abgrenzungskriterien sind die einmalige Erhebung und der besondere Finanzierungszweck der Vermögensabgabe. 34 BT-Drs. 17/10770, Seite 3. Eingebracht wurde dieser Entwurf von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, weswegen von „Grüner Vermögensabgabe“ die Rede ist. 35 BT-Drs. 17/10770. 36 vgl. hierzu allgemein: Birk, Steuerrecht, 14. Aufl. 2011/12, Rn. 110 ff.. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 14 Ebenfalls abzugrenzen ist die Vermögensabgabe von der Sonderabgabe. Einmalige Vermögensabgaben müssen nicht die für Sonderabgaben entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllen . Sie werden nicht von einer „homogenen“ Gruppe wegen einer besonderen Finanzierungsverantwortung erhoben, ihre Erträge müssen nicht für die entsprechende Aufgabe „gruppen-nützig“ verwendet werden, sondern fließen in den allgemeinen Haushalt.37 Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben werden mit dem Ausnahmecharakter der Sonderabgaben begründet, die außerhalb der Finanzverfassung erhoben werden, zu den steuerlichen Regellasten treten und ein haushaltsflüchtiges Aufkommen begründen. 38 Sie greifen daher nicht, wenn das Grundgesetz eine Abgabe ausdrücklich vorsieht. Auch die Tatsache, dass Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG die einmalige Vermögensabgabe als Steuer bezeichnet, verdeutlicht den Unterschied zwischen einmaliger Vermögensabgabe und Sonderabgabe. 3.2.2. Verfassungsrechtliche Anforderungen An eine Vermögensabgabe werden hohe Anforderungen gestellt. Sie muss einmalig sein und auf einer Notlage beruhen. 3.2.2.1. Einmaligkeit Zunächst darf die Vermögensabgabe ihrem Wortlaut nach nur einmalig also – im Unterschied zur Vermögensteuer – nicht laufend erhoben werden. Allerdings ist es zulässig, diese einmalige Abgabe über mehrere Jahre zu strecken, wie es etwa bei den Lastenausgleichsabgaben nach dem LAG von 1952 praktiziert wurde. Unzulässig wäre hingegen der Versuch, durch wiederholte Erhebung einer Vermögensabgabe kontinuierlichen Zugriff auf Vermögen zu nehmen, da dies dem verfassungsrechtlichen Postulat der Einmaligkeit zuwiderlaufen würde und zudem als falsch etikettierte Vermögensteuer die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 105 Abs. 3 GG umgehen würde.39 Die „Grüne Vermögensabgabe“ soll 15% des abgabepflichtigen Vermögens betragen (§ 12 Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Vermögensabgabe).40 Nach § 13 Abs. 1 des Entwurfes erfolgt die Entrichtung in zehn Jahresbeträgen zu je 1,5%. Diese Verteilung auf einen Zehnjahreszeitraum ändert nichts an der Einmaligkeit der Abgabe. Dass nicht kontinuierlich auf das Vermögen zugegriffen wird, folgt daraus, dass das Vermögen nur einmal zu Beginn festgestellt wird. Die Streckung auf einen Zehnjahreszeitraum entspricht daher wirtschaftlich lediglich einer Stundungsregelung.41 Diese These stützt auch § 13 Abs. 2 des Entwurfes, der eine vorzeitige Tilgung – mit dem Vorteil einer Abzinsung – vorsieht. 37 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 67. 38 Kirchhof, Gregor: Vermögensabgabe aus verfassungsrechtlicher Sicht, Steuer und Wirtschaft (StuW) 2011, S. 189, 193. 39 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung „Rechtliche Rahmenbedingungen einer Vermögensabgabe“, WD 4 – 3000 - 176/08. 40 BT-Drs. 17/10770, S. 3. 41 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 68. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 15 3.2.2.2. Staatliche Ausnahmelage Für die Einführung einer einmaligen Vermögensabgabe bedarf es einer existenzbedrohenden finanziellen Notlage des Staates, in der weder eine Steigerung der Einnahmen aus den übrigen Steuern noch eine Ausweitung der Kreditaufnahme oder eine entsprechende Ausgabenkürzung möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass allein die Tatsache, dass die Grenzen der Steuerbelastung und der Kreditaufnahme erreicht sind, nicht ausreicht. So stellte Schemmel in seinem Gutachten „Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe“ fest: „Was in Kriegszeiten ausnahmsweise zulässig sein mag, muss in Friedenszeiten ausgeschlossen sein. Einem Staat, der seine Einnahmemöglichkeiten in Friedenszeiten erschöpft hat, ist die einmalige Vermögensabgabe als letzte finanzielle Rettung verwehrt, weil er in dieser Normallage weniger wichtige Ausgaben und Aufgaben abbauen kann, um sich finanziell Luft zu verschaffen“.42 Zwar ist mittlerweile anerkannt, dass die Erhebung einer Vermögensabgabe nicht auf Kriegszeiten beschränkt ist, jedoch ist ein Ereignis gefordert, das in seinen außerordentlichen Finanzwirkungen vermutlich nicht nochmals auftreten wird.43 Die zu deckenden Ausgaben des Bundes resultieren also aus historisch einzigartigen Geschehnissen, aus zwingenden Umständen (Menzel), aus einem Notstand (Wolff).44 Nur erhebliche, aber nicht außergewöhnliche Lasten vermögen den einmaligen Zugriff auf das Vermögen indes nicht zu rechtfertigen. Es kann bezweifelt werden, ob die Banken- und Finanzkrise solch ein außergewöhnliches Geschehnis darstellt, welches mit seinen erheblichen Finanzauswirkungen vermutlich nicht nochmals auftreten wird. In der Historie waren die Vermögensabgaben jeweils ein Versuch zur Deckung von Kriegskosten. Mit diesen historischen Ereignissen ist die Banken- und Finanzkrise wohl nicht vergleichbar. „Eine solche Not bewirkt die Euro-Krise aber nicht. Deutschland ist durch die Krise weniger stark beeinträchtigt als Länder wie Griechenland, Irland oder Portugal. Die öffentliche Misswirtschaft in diesen und anderen EU-Staaten wird Deutschland belasten, aber auch zukunftsweisende finanzwirtschaftliche Maßnahmen ermöglichen.“45 Im Gesetzesentwurf wird bestritten, dass eine existenzielle Notlage Voraussetzung für die Erhebung einer Vermögensabgabe ist. Es wird darauf hingewiesen, dass auch der Lastenausgleich aus dem Jahr 1952 zu einer Zeit erhoben wurde, als sich die Bundesrepublik „nicht mehr in einer 42 Schemmel, Verfassungsfragen einer Vermögensteuer, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Sonderinformation 37, Oktober 1999, S. 10. 43 Kirchhof, Gregor: Vermögensabgabe aus verfassungsrechtlicher Sicht, StuW 2011, S. 189, 193. 44 13. Sitzung des Ausschusses für Finanzfragen, 6.10.1948, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Band 12, Ausschuss für Finanzfragen (FN 32), S. 423. 45 Kirchhof, Gregor: Vermögensabgabe aus verfassungsrechtlicher Sicht, Steuer und Wirtschaft 2011, S. 189, 193. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 16 existenzbedrohenden finanziellen Notlage“ befand.46 Argumentiert wird damit, dass die Voraussetzungen der Ausnahmesituation in der Verfassung keine Anhaltspunkte finden.47 Zweck der Vermögensabgabe ist nach dem Gesetzesentwurf vielmehr, dass größere soziale Gerechtigkeit erreicht werden soll.48 Hiergegen wendet Hey ein, dass der Ausnahmecharakter der Vermögensabgabe dadurch verwischt werde und die Vermögensabgabe von einer – den Ländern zustehenden – Vermögensteuer, die ebenfalls der Umverteilung dient, nicht mehr unterscheidbar wäre.49 3.2.3. Vereinbarkeit mit Art. 14 GG Hey hält die „Grüne Vermögensabgabe“ für mit Art. 14 GG unvereinbar, da sie zu einem nicht gerechtfertigten Vermögenssubstanzeingriff führe.50 Hieran ändere sich selbst dann nichts, wenn man - wie im Gesetzesentwurf festgeschrieben – davon ausgehe, dass die Abgabe so ausgestaltet sei, dass sie „weitgehend aus den Vermögenserträgen gezahlt werden kann.“51 Als Sollertragsteuer sei sie nicht folgerichtig ausgestaltet, da sich die Abgabe nicht auf typischerweise ertragsbringendes Vermögen beschränke. Zudem sieht Hey bei einer Sollertragsteuer von jährlich 1,5% neben der regulären Einkommensbesteuerung die Übermaßgrenze als „gravierend verletzt“ an.52 3.3. Rechtsprechung zu Sonderabgaben 3.3.1. Einordnung Als Sonderabgaben werden Abgaben bezeichnet, die im Unterschied zu Steuern nicht von der Gesamtheit der Steuerbürger, sondern nur von einer bestimmten Gruppe erhoben werden und zur Finanzierung besonderer Aufgaben in Sonderfonds fließen. Sie werden nicht im Haushaltsplan erfasst. Genau wie Steuern stehen ihnen grundsätzlich keine zurechenbaren Gegenleistungen gegenüber. Sonderabgaben sind verfassungsrechtlich problematisch, weil sie dem Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans widersprechen und so die Verwendung der Sonderabgaben einer parlamentarischen Kontrolle entzogen ist. Deshalb nimmt das Bundesverfassungsgericht eine Begrenzungs - und Schutzfunktion der Finanzverfassung an, aus der sich Grenzen für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben ergeben. Die Gesetzgebungskompetenz für Sonderabgaben ist daher 46 BT-Drs. 17/10770, S. 8. Ausdrücklich gegen dieses Vorbringen wendet sich Hey in Zukunft der Vermögensbesteuerung , 2012, S. 69 unter Verweis auf Gallenkamp, Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht 1999, 185. 47 BT-Drs. 17/10770, S. 8. 48 BT-Drs. 17/10770, S. 8. 49 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 70. 50 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 70. 51 BT-Drs. 17/10770, S. 1. 52 Hey, Zukunft der Vermögensbesteuerung, 2012, S. 71. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 17 problematisch, denn anders als bei Steuern richtet sie sich nicht nach der Finanzverfassung, sondern als Annex nach den Sachkompetenzen der Art. 70 ff. GG. Nach diesen Kompetenzen dürfen aber nicht „beliebig nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln begründet werden“53. Somit sind Sonderabgaben nur unter engen Voraussetzungen zulässig. 3.3.2. Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des BVerfG Die Zulässigkeitskriterien des Bundesverfassungsgerichts sind dazu gedacht, die Sonderabgabengesetzgebung in engen Grenzen zu halten. Sonderabgaben sollen gegenüber der Steuer die seltene Ausnahme bleiben. Aus diesem Grunde sind die Zulässigkeitskriterien restriktiv anzuwenden. In seiner Entscheidung vom 3. Februar 200954 hat das BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Sonderabgabe nach dem Absatzfondsgesetz seine bisherige Rechtsprechung bezüglich der Voraussetzungen für die Erhebung von Sonderabgaben grundsätzlich bestätigt. Bei einer Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: - Verfolgung eines bestimmten Sachzwecks - Homogene Gruppe - Sachverantwortung - Gruppennützige Aufgabenverwendung - Periodische Legitimationsüberprüfung. 3.3.2.1. Verfolgung eines bestimmten Sachzwecks Zunächst ist es erforderlich, dass der Gesetzgeber mit der Sonderabgabe einen bestimmten Sachzweck verfolgt, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Dieser Sachzweck muss genau konkretisiert und in seiner Einordnung und Durchführung klar herausgearbeitet sein. 3.3.2.2. Homogene Gruppe Weiterhin dürfen Sonderabgaben nur einer homogenen Gruppe auferlegt werden, die in der Rechtsprechung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit bereits vorgefunden wird und durch gleiche Interessenlage oder durch besondere Gemeinsamkeiten klar von der Allgemeinheit abgrenzbar ist. Die Gruppe darf nicht vom Gesetzgeber selbst abgegrenzt werden, sondern muss der Lebenswirklichkeit entstammen. 53 BVerfG 2 BvL 54/06, Rn. 97. 54 BVerfG 2 BvL 54/06, BVerfGE 122, 316-341. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 011/13 Seite 18 3.3.2.3. Besondere Finanzierungsverantwortlichkeit Die ausgewählte Gruppe muss eine besondere Finanzierungsverantwortung haben. Das bedeutet, dass sie dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck näher stehen muss als jede andere Gruppe oder als die Allgemeinheit der Steuerzahler. Alle einzelnen Gruppenmitglieder müssen Träger dieser besonderen Verantwortung sein. Anderenfalls würde die Abgabe gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wonach Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Er schützt den Einzelnen vor nicht gerechtfertigter ungleicher Belastung. Die besondere Verantwortlichkeit ergibt sich meist aus gruppenspezifischen Zuständen oder Verhaltensweisen . 3.3.2.4. Gruppennützige Verwendung Die Sonderabgabe muss gruppennützig, also im überwiegenden Interesse der Gruppe, verwendet werden, da nur dies den Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum rechtfertigt. 3.3.2.5. Legitimitätsüberprüfung Bei Sonderabgaben muss zudem periodisch die fortdauernde Legitimität der Erhebung überprüft werden.