© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 010/20 Einzelfrage zur Umsetzung der Schuldenbremse in den Bundesländern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 010/20 Seite 2 Einzelfrage zur Umsetzung der Schuldenbremse in den Bundesländern Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 010/20 Abschluss der Arbeit: 23. Januar 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 010/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Möglichkeiten zur Umsetzung der Schuldenbremse für die Bundesländer 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 010/20 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber fragt, ob es möglich ist, landesrechtliche Regelungen zur Schuldenbremse abzuschaffen bzw. gar nicht erst einzuführen und welche haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen auf Länderebene, über Art. 109 Abs. 3 GG hinaus, gelten würden? Welche Vorgaben bezüglich einzelner Komponenten der Schuldenbremse, wie der Einbezug von Extrahaushalten, finanziellen Transaktionen, etc. sind rechtlich zu berücksichtigen und wie verhalten sich diese im Vergleich zur Schuldenbremse für den Bund? 2. Möglichkeiten zur Umsetzung der Schuldenbremse für die Bundesländer Nach Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG regeln die Länder die Umsetzung der Schuldenbremse im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen, mit der Maßgabe, dass Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG nur dann entsprochen ist, wenn keine Einnahmen aus Krediten zugelassen werden. Der Regelungsauftrag steht unter Vorbehalt eines förmlichen Gesetzes, wobei den Ländern materiell Gestaltungsspielraum zukommt. Dieser gestattet Regelungen über die Bereinigung um finanzielle Transaktionen sowie die eigenständige Festsetzung der Folgen im Falle eines Verstoßes.1 Sogenannte Strukturanpassungsklauseln mit denen der Landesgesetzgeber eine Neuverschuldung auch für den Fall zulässt, dass der Bund dem Land zusätzliche Aufgaben zuweist, ohne unmittelbar 2 oder mittelbar3 für finanziellen Ausgleich zu sorgen, sind von Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG hingegen nicht erfasst.4 Die landesrechtliche Ausgestaltung muss der Regel des Nettoneuverschuldungsverbots gemäß Art. 109 Abs. 3 Satz 1 und 5 GG und damit dem Ausnahmecharakter der konjunkturbedingten Modifikation bei anormaler konjunktureller Entwicklung berücksichtigen, sachlich muss die Feststellung, ob eine Abweichung von der Normallage der konjunkturellen Entwicklung vorliegt, ermöglicht und auf Rechtsfolgenseite bestimmt werden, inwiefern die festgestellte Abweichung eine Nettokreditaufnahme rechtfertigt, oder eine Tilgung verlangt.5 Für die Länder ist die Umsetzung der Schuldenbremse auf landesrechtlicher Ebene auf zwei Wegen möglich6: 1 Vgl. BT-Drs. 16/12410, 17; Reimer in BeckOK Grundgesetz/Reimer, 41. Ed. 15.2.2018, GG Art. 109 Rn. 79. 2 Vgl. Art. 104a Abs. 3 GG. 3 Vgl. Art. 106 Abs. 4 GG. 4 Reimer in BeckOK Grundgesetz/Reimer, 41. Ed. 15.2.2018, GG Art. 109 Rn. 80; Hierzu allg. Buscher/Fries, Gestaltungsmöglichkeiten der Bundesländer bei der Schuldenbremse, in Junkernheinrich u.a. (Hrsg.), Jahrbuch für öffentliche Finanzen, 2012, 367; Gröpl LKRZ 2010, 401 (404, 406). Speziell zur Rechtslage in Rheinland-Pfalz (vgl. Art. 117 Abs. 1 Nr. 2 lit. b LVerf RhPf.) Steinbach/Rönicke, Umsetzung der Schuldenbremse in Rheinland- Pfalz – Vorreiter und Vorbild?, in Junkernheinrich ua (Hrsg.), Jahrbuch für öffentliche Finanzen, 2013, 339. 5 Kube in Maunz/Dürig, 86. EL Januar 2019, GG Art. 109 Rn. 183. 6 Vgl. Prof. Dr. Markus Heintzen, Der Regelungsort der Schuldenbremse, S. 1, abrufbar unter: http://www.berlin .de/sen/finanzen/haushalt/nachrichten/2018_fu_prof_heintzen.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 010/20 Seite 5 a. Kombiniert verfassungs- und haushaltsrechtliche Umsetzung: Landesrechtliche Umsetzung der Schuldenbremse des Art. 109 Abs. 3 GG in der jeweiligen Landesverfassung, mit konkretisierenden Bestimmungen in einfachen Landesgesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften des Landes. b. Haushaltsrechtliche Umsetzung: Die Verfassungsebene bleibt ausgeblendet und die Umsetzung erfolgt primär im Gesetzesrecht, insbesondere in der Landeshaushaltsordnung, und, insoweit in Übereinstimmung mit der ersten Option, in Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften. Entscheidet sich ein Land gegen die Modifikation landesrechtlicher Regelungen, auch etwa im Wege der schlichten legislativen Untätigkeit auf die Föderalismusreform II von 2009 hin, gilt das strikte Nettoneuverschuldungsverbot seit 01.01.2020 ausnahmslos.7 Lediglich im Rahmen der Konjunkturkomponente oder von Notsituationen ist überhaupt eine Nettokreditaufnahme zulässig. Ursprünglich war eine begrenzte Kreditaufnahme parallel zur Bundesermächtigung in Art. 109 Abs. 3 S. 4 GG in Höhe von 0,25 v.H. des BIP für die Ländergesamtheit ins Auge gefasst, dann aber bereits von der Föderalismuskommission aufgegeben worden . Bei der Verschuldung der Länder ist nur die Kreditaufnahme durch das Land selbst, nicht aber diejenige durch die Kommunen und sonstigen juristisch selbständigen Körperschaften einzubeziehen . Der Fiskalpakt erstreckt allerdings die Unionsregeln auch auf die Kommunen. Unter Berücksichtigung der europäischen Regelungen wurde neben den 0,25 v.H. des BIP für die Ländergesamtheit auch eine Zulässigkeit von 0,15 v.H. des BIP für die Ländergesamtheit erörtert, die sich mit den 0,35 v.H. des BIP für den Bund zu den 0,5 v.H. des BIP des Gesamtstaats summieren , die das Unionsrecht als Mittelwert anvisiert hat. Auch angesichts der Abkehr von dieser Regelung und aus den allgemeinen Grundsätzen des Haushaltsrechts lässt sich nichts anderes ableiten .8 Folglich bestehen Handlungsspielräume für die Bundesländer nur dann, wenn eine Umsetzung der Schuldenbremse im Landesrecht erfolgt. *** 7 Maunz/Dürig/Kube, GG, Art. 109, Rn. 182. 8 Dreier/Heun, GG, Art. 109, Rn. 52.