© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 010/19 Einzelfragen zur Erbschaftsteuer Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 010/19 Seite 2 Einzelfragen zur Erbschaftsteuer Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 010/19 Abschluss der Arbeit: 21. Februar 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 010/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Wie haben sich die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer in den letzten 10 Jahren entwickelt? 4 2. Wie haben sich die Freibeträge in den letzten 10 Jahren entwickelt? 4 3. Wie viele Gewerbebetriebe sind in den letzten 10 Jahren vererbt worden? 4 4. Wie viele Gewerbebetriebe konnten aufgrund der Erbschaftsteuer nicht fortgeführt werden? 4 5. Ist das Erbschaftsteuergesetz verfassungsgemäß? 5 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 010/19 Seite 4 1. Wie haben sich die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer in den letzten 10 Jahren entwickelt ? Diese Information finden Sie in der Veröffentlichung "Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik - 2017" auf der Website des Statistischen Bundesamts unter folgendem Link: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/FinanzenSteuern/Steuern/Erbschaft- Schenkungsteuer/ErbschaftSchenkungsteuer.html und zwar in der Tabelle 1.1.2 „Festgesetzte Steuer insgesamt (Zeitreihe ab 2007)“. 2. Wie haben sich die Freibeträge in den letzten 10 Jahren entwickelt? Im Textteil auf Seite 6 der o. g. Veröffentlichung finden Sie die Tabellen „Persönliche Freibeträge nach § 16 ErbStG bei unbeschränkter Steuerpflicht“ sowie „Besondere Versorgungsfreibeträge nach § 17 ErbStG“. Diese Freibeträge haben sich in ihrer Höhe in den letzten 10 Jahren nicht geändert (abgesehen von der Einbeziehung aufgehobener Lebenspartnerschaften durch das Jahressteuergesetz 2010). 3. Wie viele Gewerbebetriebe sind in den letzten 10 Jahren vererbt worden? Laut Information des Statistischen Bundesamts enthält die Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik nur Informationen über das geerbte und geschenkte Betriebsvermögen. Ob es sich hierbei um Gewerbebetriebe handelt, wird jedoch nicht erfasst. Die genannte Information zum geerbten und geschenkten Betriebsvermögen findet sich ebenfalls in der o. g. Veröffentlichung in der Tabelle 2.3.2 „Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der festgesetzten Steuer bei unbeschränkt steuerpflichtigen Erwerben: Steuerpflichtiger Erwerb größer/gleich Null“. 4. Wie viele Gewerbebetriebe konnten aufgrund der Erbschaftsteuer nicht fortgeführt werden ? Diese Daten werden nicht erhoben. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 8. Juli 2014 konnten keine Zahlen über die tatsächliche Belastung der Liquidität im Erbfall nach der Erbschaftsteuerreform 2009 vorgelegt werden, weil es diese laut Bundesregierung wegen der vormals aktuellen Verschonungsregeln kaum gegeben habe.1 Auf andere Weise kommt 2015 der Autor eines Artikels der „tageszeitung“ zu einer ähnlichen Meinung.2 1 O. V.: Bundesgericht sägt am Steuerbonus für Erben, Frankfurter Allgemeine vom 9. Juli 2014, S. 19. 2 Schulte, Ulrich: Pleite als Phantom, vom 4. Mai 2015, abrufbar unter: http://www.taz.de/!5009647/, abgerufen am 14. Februar 2019. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 010/19 Seite 5 Eine aktuelle Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen (Länderindex Familienunternehmen, 7. Auflage, 2018) beantwortet die gestellte Frage zwar nicht, sieht jedoch Familienunternehmen in Deutschland in Bezug auf steuerliche Regelungen im Erbfall nur auf Platz 20 der 21 untersuchten OECD-Staaten.3 5. Ist das Erbschaftsteuergesetz verfassungsgemäß? Einen kurzen Überblick über die derzeit geltenden Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) gibt die Broschüre „Steuern von A bis Z“ des Bundesministeriums der Finanzen.4 Das ErbStG in seiner aktuellen Gestaltung wird von verschiedenen Stimmen als möglicherweise nicht verfassungsgemäß angesehen. Stellvertretend seien die folgenden Autoren genannt. Im ErbStG-Kommentar von Fischer/Pahlke/Wachter urteilt Thomas Wachter in Bezug auf § 13a ErbStG: „Die Verfassungsmäßigkeit des neuen ErbStG erscheint in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft. Dies gilt nicht nur für zahlreiche Einzelfragen, sondern auch für die gesetzliche Regelung insgesamt.“5 Diese Meinung führt der Autor in den Randziffern 48 – 69 zu § 13a ErbStG weiter aus. Verstöße sieht er bereits bezüglich allgemeiner Fragen des Verfassungsrechts: Klarheit und Verständlichkeit Steuern und Strafrecht Gemeinwohl und Eigeninteressen Transparenz und Offenheit Erhebung und Vollzug Effektivität und Verhältnismäßigkeit Jedoch benennt er auch eine Fülle von Regelungen, deren konkrete Ausgestaltung ihm kritikwürdig erscheint - in Bezug auf Fristen, Einzelunternehmen, Rechtsformneutralität, Wohnungsunternehmen , Grundstücke, Quote des Verwaltungsvermögens, Verfügungsbeschränkungen , Kunstgegenstände, Minderheits- und Mehrheitsgesellschafter, Besteuerung von Drittverhalten , Lohnsummenkontrolle, Großerwerbe, Gesellschafts- und Steuerrecht sowie Erleichterung der Unternehmensnachfolge. Hermann-Ulrich Viskorf, ehemaliger Vorsitzender Richter und Vizepräsident des BFH äußert sich zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit wie folgt: 3 https://www.familienunternehmen.de/de/wissenschaft-und-programme, abgerufen am 19. Februar 2019. 4 https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2018-03-26- steuern-von-a-z.pdf?__blob=publicationFile&v=18, S. 63 – 71, abgerufen am 19. Februar 2019. 5 Wachter, in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 13a ErbStG Rz. 47, Stand: 08.03.2017. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 010/19 Seite 6 „Auch die derzeitige Rechtslage bietet eine ganze Reihe verfassungsrechtlicher Angriffspunkte. An der Grenzlinie zwischen der (viel zu) hohen Belastung mit Steuersätzen von 30 bis 50 % beim Erwerb selbst kleinerer nicht begünstigter Vermögen (Eingangssteuersatz der St.-Klasse III: 30%) und der vollständigen Freistellung selbst größter Betriebsvermögen gibt es am Maßstab der Leistungsfähigkeit und am Gleichheitssatz gemessen keine überzeugende und verfassungsrechtlich tragfähige Lösung.“6 Auch Florian Oppel erwartet eine erneute Vorlage beim Bundesverfassungsgericht: „Die Überarbeitung der Begünstigungsvorschriften für Unternehmensvermögen zeigt, dass das Hochsteuerkonzept mit weitreichenden sachlichen Steuerbefreiungen an seine Grenzen stößt. Um es den Anforderungen des Gleichheitssatzes entsprechend auszugestalten, hat der Gesetzgeber zahlreiche Detailregelungen für notwendig befunden, die in der praktischen Umsetzung erhebliche Probleme verursachen werden und verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt sind. Zudem sind gerade in Bezug auf die Regelungen über Großerwerbe Gestaltungen möglich, die eine Anwendung von § 13c ErbStG nF und § 28a ErbStG nF vermeiden. Der Gesetzgeber hat hier ein neues gleichheitsrechtliches Problem geschaffen. Sicher ist vor diesem Hintergrund, dass in nicht ferner Zukunft die Fachwelt auf die vierte Entscheidung des BVerfG zum ErbStG warten wird.“7 Manfred Reich sieht bestimmte Regelungen des Unternehmenserbschaftsteuerrechts dann als verfassungswidrig an, wenn sie durch die Finanzverwaltung nicht verfassungskonform ausgelegt werden. Er bezieht sich in seiner Kritik auf den aktuell diskutierten Entwurf der Erbschaftsteuer- Richtlinien 2019.8 „Dem Vernehmen nach sieht sich die Finanzverwaltung durch den Gesetzeswortlaut des § 13b Abs. 9 ErbStG darin bestärkt, diese Vorschrift dahingehend auszulegen, dass auch verbund- bzw. konzerninterne Einlagen von Finanzmitteln zu jungen Finanzmitteln führen können. Die Entstehungsgeschichte , die auch einen ausreichenden Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden hat, spricht klar dagegen. Zudem kann die Auslegung der Finanzverwaltung zur Verfassungswidrigkeit des Unternehmenserbschaftsteuerrechts führen. Daher muss auch die Finanzverwaltung das Gesetz verfassungskonform auslegen, dh derjenigen Auslegungsalternative folgen, die zu einem verfassungskonformen Rechtszustand führt. Die Ansätze der Finanzverwaltung für eine verfassungskonforme Auslegung in R E 13b.29 Abs. 3 S. 5 und 6 ErbStR-E 2019 reichen nicht aus. Da einige Länder und die Bundesregierung zu Recht keinen Sinn darin sehen, konzern- bzw. verbundinterne Einlagen von Finanzmitteln zu berücksichtigen, besteht die begründete Hoffnung, 6 https://www.nwb-experten-blog.de/die-zukunft-des-erbschaftsteuerrechts-interview-mit-hermann-ulrichviskorf /, abgerufen am 15. Februar 2019. 7 https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fsteuk%2F2016%2Fcont%2Fsteuk.2016.469.1.htm&pos=7&hlwords=on, abgerufen am 15. Februar 2019. 8 https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerarten/Erbschaft _und_Schenkungsteuer/2018-12-20-entwurf-ErbStR-2019-anlage.pdf;jsessionid =A2304F94FA4AF27125ED46963EF9EE58?__blob=publicationFile&v=2, abgerufen am 20. Februar 2019. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 010/19 Seite 7 dass die Finanzverwaltung aus steuer- und verfassungsrechtlichen sowie wirtschaftspolitischen Gründen ihre Rechtsauffassung nochmals überdenken und nur konzern- bzw. verbundexterne Einlagen von Finanzmitteln pönalisieren wird. Dann kann es auch entsprechend der Ansicht der Bundesregierung nicht zu einer Mehrfacherfassung kommen und nur dann existieren auch keine Nachteile für eigenkapitalfinanzierte Investitionen. Im Übrigen besteht sonst die große Gefahr, dass das ErbStG uU sogar schon im Jahr 2019 erneut dem BVerfG vorgelegt werden wird, weil konzern- bzw. verbundinterne Einlagen ein Massenphänomen sind.“9 *** 9 https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fdstr%2F2019%2Fcont%2Fdstr.2019.145.1.htm&pos=1&hlwords=on, abgerufen am 15. Februar 2019.