© 2018 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 007/18 Frage zur Umsatzsteuerpflicht von Kommunen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 007/18 Seite 2 Frage zur Umsatzsteuerpflicht von Kommunen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 007/18 Abschluss der Arbeit: 19. Januar 2018 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 007/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Rechtlicher Hintergrund 4 3. Kommunale Betreiber von Veranstaltungshallen 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 007/18 Seite 4 1. Vorbemerkung Es ist die Frage zu klären, ob Kommunen als Betreiber von Veranstaltungshallen umsatzsteuerpflichtig sind. 2. Rechtlicher Hintergrund Mit dem Steueränderungsgesetz vom 2. November 20151 wurde die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand grundlegend neu geregelt und das Umsatzsteuerrecht an unionsrechtliche Vorgaben des Art. 13 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL)2 angepasst. Der bisherige § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) wurde aufgehoben und durch § 2b UStG ersetzt, da er die unionsrechtlichen Besteuerungsvorgaben für Einrichtungen des öffentlichen Rechts unvollständig umsetzte. Nach dem früheren § 2 Abs. 3 UStG waren juristische Personen des öffentlichen Rechts nur mit ihren Betrieben gewerblicher Art unternehmerisch tätig. Die Unternehmereigenschaft knüpfte an das Vorliegen eines Betriebes gewerblicher Art an. Mit der Neuregelung wird unterstellt, „dass auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts sind.“3 Mit der Rechtsänderung durch die Einfügung des § 2b UStG wurden die Regelungen zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts neu gefasst. In § 2b UStG wird nicht mehr der gesamte Bereich der Besteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts geregelt, sondern nur einschränkend festgelegt, wann die Körperschaft kein Unternehmer ist. Nach § 2b UStG sind nur hoheitliche Tätigkeiten (Tätigkeiten der öffentlichen Gewalt) keine unternehmerischen Tätigkeiten. Die Körperschaft handelt hier auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Bei allen anderen selbständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeiten sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts Unternehmer. Selbständig ausgeübte Tätigkeiten mit Einnahmeerzielungsabsicht führen künftig zur Steuerpflicht. „Zukünftig sind juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG Unternehmer, also dann, wenn Selbständigkeit, Nachhaltigkeit und Einnahmeerzielungsabsicht zu bejahen sind.“4 Handeln juristische Personen des öffentlichen Rechts auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag (z. B. Vermietung von Gebäuden, Räumlichkeiten gegen Entgelt), sind sie grundsätzlich Un- 1 BGBl. I 2015, S. 1834 2 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 3 Krogoll/Slotty-Harms: Einführung des § 2b UStG – Darstellung der Neuregelung und damit verbundener Zweifelsfragen sowie Risiken und Chancen für die öffentliche Hand, in: Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2016, S. 181 4 Möller: Steueränderungsgesetz 2015: Wichtige Änderungen im Unternehmenssteuerrecht, in: GWR 2015, 469 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 007/18 Seite 5 ternehmer und damit steuerpflichtig. Dagegen führen Tätigkeiten öffentlicher Gewalt, die staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme die Nutzer aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet sind (z. B. Abwasserbeseitigung, Müllentsorgung, Straßenreinigung) zur Nichtbesteuerung. Diese beruhen auf öffentlich-rechtlichem Vertrag, auf öffentlich-rechtlicher Vereinbarung oder auf einem Verwaltungsakt. Zu beachten ist an dieser Stelle, dass die Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen darf. Größere Wettbewerbsverzerrungen liegen nach § 2 Abs. 2 UStG nicht vor, wenn der Umsatz, den eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Kalenderjahr erzielt, 17.500 Euro nicht übersteigt. Die Verankerung des Aspekts etwaiger „größerer Wettbewerbsverzerrungen“ im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 der MwStSystRL („Die Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten in Bezug auf die in Anhang I genannten Tätigkeiten in jedem Fall als Steuerpflichtige, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.“) ist die Kernidee des § 2b UStG. Der Wettbewerbssituation wird damit eine entscheidende Bedeutung beigemessen. Größere Wettbewerbsverzerrungen nach § 2 b Abs. 2 Nr. 2 UStG liegen nicht vor, „wenn vergleichbare , auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht (§9) einer Steuerbefreiung unterliegen.“ Beispielsweise Vermietungsleistungen an Nichtunternehmer oder Bildungsleistungen zählen dazu. Nähere Informationen zur Neufassung des § 2b UStG sind im Monatsbericht des BMF vom April 2017 unter dem nachfolgenden Link ausgeführt. http://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2017/04/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3- 5-Neuordnung-Umsatzbesteuerung-der-oeffentlichen-Hand.html, abgerufen am 18.01.2018 3. Kommunale Betreiber von Veranstaltungshallen Wirtschaftliche Tätigkeiten einer Kommune sind – wie dargestellt – im Grundsatz steuerpflichtig. Ausgenommen von der Steuerpflicht sind Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Ausgehend von den Ausführungen unter Punkt 2. ist für die Steuerpflicht neben der Erzielung von Einnahmen über 17.500 Euro auch maßgebend, ob das Betreiben von Veranstaltungshallen auf privatrechtlicher Grundlage zur Steuerpflicht führen würde oder nicht (siehe § 9 UStG). Wird eine Kommune als Betreiber von Veranstaltungshallen als Vermieter tätig und erzielt damit Einnahmen, kann sie als Unternehmerin tätig und damit umsatzsteuerpflichtig sein. Zur vollständigen Beurteilung ist stets eine Einzelfallprüfung notwendig, da für die abschließende Bewertung zusätzlich die Kenntnis über die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers bestehen muss. Ist dieser Nichtunternehmer, kann auf die Steuerbefreiung nicht verzichtet werden, mit der Folge, dass größere Wettbewerbsverzerrungen nach § 2 b Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht vorliegen. Krogoll, Slotty-Harms haben in ihrem Aufsatz folgendes Beispiel genannt, welches die Problematik untermauert: „ Die Stadt vermietet eine Stadthalle an verschiedene Organisationen. Während nach dem bisherigen Recht (§ 2 Abs. 3 UStG) eine Steuerbarkeit mangels Begründung eines Be- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 007/18 Seite 6 triebes gewerblicher Art ausscheidet, ist die Vermietungstätigkeit nach § 2b UStG steuerbar. Sofern von der Option gemäß § 9 UStG kein Gebrauch gemacht wird, ist die Vermietungsleistung in der Regel steuerbefreit. Je nach Ausgestaltung der Vermietung (z. B. Garderobe, Licht- und Schankanlage, etc.) ist die Vermietung der Stadt jedoch steuerpflichtig.“5 **** 5 Krogoll/Slotty-Harms: Einführung des § 2b UStG – Darstellung der Neuregelung und damit verbundener Zweifelsfragen sowie Risiken und Chancen für die öffentliche Hand, in: Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2016, S. 183