© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 006/20 Steuerrechtliche Auswirkungen einer Vollbezuschussung des öffentlichen Personennahverkehrs Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 006/20 Seite 2 Steuerrechtliche Auswirkungen einer Vollbezuschussung des öffentlichen Personennahverkehrs Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 006/20 Abschluss der Arbeit: 31. Januar 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 006/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Mehrwertsteuerbefreiung für Leistungen des Personennahverkehrs 4 3. Umsatzsteuerpflicht für Vollzuschüsse an Anbieter des öffentlichen Personennahverkehrs 4 4. Auswirkungen einer Vollbezuschussung auf Dauerverlustgeschäfte im Sinne des § 8 Abs. 7 KStG 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 006/20 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber erkundigt sich nach der Möglichkeit der rechtlichen Möglichkeit Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs vollständig von der Mehrwertsteuer zu befreien. Außerdem möchte er wissen, ob ein Vollzuschuss einer Kommune an den Verkehrsträger umsatzsteuerpflichtig wäre. Zuletzt sollen die Auswirkungen eines Vollzuschusses auf den körperschaftsteuerrechtlichen Status als Dauerverlustbetrieb im Sinne des § 8 Abs. 7 KStG beschrieben werden. 2. Mehrwertsteuerbefreiung für Leistungen des Personennahverkehrs Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSysRL) sieht in Art. 132 Nr. 1 a) eine Steuerbefreiung für Umsätze von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen vor. Leistungen zur Personenbeförderung werden im Übrigen in den Befreiungstatbeständen der Art. 131 ff. MwStSysRL nicht genannt. „Die Steuerbefreiungen nach Art 131 ff. MwStSystRL und demzufolge auch die des § 4 (Umsatzsteuergesetz) sind eng auszulegen , weil sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt.“1 In Art. 98 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang III Nr. 5 der MwStSysRL wird die Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks als Tatbestand für einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz genannt. Da die Regelungen der MwStSysRL für alle Mitgliedsstaaten verbindlich sind, kann Deutschland keine Steuerbefreiung außerhalb des abschließenden Katalogs der MwStSysRL einführen. In Steuerangelegenheiten der Europäischen Union gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Eine entsprechende Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie wäre daher nur als einstimmiger Beschluss des Rates gemäß Art. 113 AEUV möglich. 3. Umsatzsteuerpflicht für Vollzuschüsse an Anbieter des öffentlichen Personennahverkehrs Grundsätzlich erfolgt die Bestimmung, ob Zuschüsse und Beihilfen zum steuerbaren Entgelt gehören nach dem entgeltlichen Leistungsbegriff des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Zum Entgelt gehört jede Zahlung, die für eine konkrete Leistung gewährt wird und zwar vom Leistungsempfänger oder einem Dritten. „Bei Zahlungen aus öffentlichen Kassen liegen nach der Rechtsprechung des BFH nichtsteuerbare Zuschüsse vor, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang mit einer Leistung des Unternehmers fehlt. Ein solcher Zusammenhang ist regelmäßig gegeben, wenn die Zahlung auf einem gegenseitigen Vertrag beruht2. Ohne einen gegenseitigen Vertrag muss sich der unmittel- 1 Bunjes/Heidner, 18. Aufl. 2019, UStG § 4 Rn. 5 (beck-online) mit weiteren Nachweisen 2 BFH V R 38/06, BStBl. II 2009, 749 - Zahlung einer Gemeinde zur Durchführung eines Stadtfests Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 006/20 Seite 5 bare Zusammenhang aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergeben, wobei ein identifizierbarer Leistungsempfänger einen Vorteil erhalten muss, der zu einem Verbrauch im Sinne der Mehrwertsteuer führt3.“4 „Deshalb führen Zahlungen, die zum Beispiel aus struktur- oder allgemeinpolitischen oder volkswirtschaftlichen Gründen erfolgen, nicht zu einem steuerbaren Entgelt, wenn diese lediglich dazu dienen, die Tätigkeit des Unternehmers allgemein zu fördern, da die Zahlungen dann nicht einem Leistungsempfänger dienen. Andererseits sind auch dem Allgemeinwohl dienende Zahlungen als Entgelt für eine Leistung zu qualifizieren, wenn die Zahlungen als Gegenwert für eine Leistung an den Träger der öffentlichen Kasse selbst - dann Zahlung = Entgelt iSv § 10 Abs. 1 S. 2 - oder als Gegenwert für eine Leistung im Interesse des Trägers der öffentlichen Kasse - dann Zahlung = Entgelt von Drittem im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 2 (Preisauffüllung) - anzusehen sind.5 […] Voraussetzung für die Steuerbarkeit ist demnach, dass der Zuschuss für eine konkrete Leistung gewährt wird, an deren Ausführung auch die Auszahlung anknüpft. Dabei ist nicht erforderlich , dass der Leistungsempfänger einen Rechtsanspruch auf die Zahlung hat; es reicht aus, dass sie in seinem Interesse erfolgt.6 An alledem ändert sich nichts, wenn Zuschussgeber und Zuschussempfänger zueinander in einem Gesellschaftsverhältnis stehen7. Ebenso spielt die haushaltsrechtliche Befugnis für die Zahlungen keine Rolle.“8 Es kommt für die Beantwortung der Frage nach einer Umsatzsteuerpflicht für Zuschüsse an einen Träger des öffentlichen Personennahverkehrs somit auf die konkrete Ausgestaltung der Zuschusszahlung an. Wird der Zuschuss pauschal an das Verkehrsunternehmen gezahlt ohne dass damit konkrete Leistungspflichten verknüpft werden, so liegt kein steuerpflichtiger Umsatz vor. Würde die Kommune dagegen den Zuschuss mit einer Leistungspflicht für das konkrete Angebot des Personennahverkehrs verbinden oder den Zuschuss nur für Fahrpreisermäßigungen bestimmter Personengruppen zahlen, so läge ein steuerbarer Umsatz vor. 4. Auswirkungen einer Vollbezuschussung auf Dauerverlustgeschäfte im Sinne des § 8 Abs. 7 KStG § 8 Abs. 7 Körperschaftsteuergesetz (KStG) enthält eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung zur verdeckten Gewinnausschüttung (vGA). Dabei werden für Betriebe, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden, die Rechtsfolgen für vGA nicht angeordnet, wenn es sich um sogenannte Dauerverlustgeschäfte handelt. § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG enthält eine Legaldefinion der Dauerverlustgeschäfte : Ein Dauerverlustgeschäft liegt vor, soweit aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kul- 3 BFH V R 8/07, BStBl. II 2009, 397 unter II 1 b und c, jeweils mit weiteren Nachweisen zur BFH- und EuGH- Rechtsprechung 4 Bunjes: § 10 Rn. 62 5 BFH Az: V R 4/08, BStBl. II 2010, 310 mit weiteren Nachweisen 6 BFH V R 51/02, BStBl. II 2004, 322 7 BFH V R 8/07, BStBl. II 2009, 397 - ebenso BFH V R 10/08, BStBl. II 2010, 879 Rn. 34 mwN 8 Bunjes: UStG § 10 Rn. 62 (beck-online) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 006/20 Seite 6 tur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird oder in den Fällen von Satz 1 Nr. 2 das Geschäft Ausfluss einer Tätigkeit ist, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehört. Im BMF-Schreiben vom 12.11.2009 wurden die Voraussetzungen für ein Dauerverlustgeschäft konkretisiert: „Ein Dauerverlustgeschäft im Sinne des § 8 Absatz 7 Satz 2 erster Halbsatz KStG setzt zum einen voraus, dass eine wirtschaftliche Betätigung aus den aufgeführten politischen Gründen ohne kostendeckende Entgelte unterhalten wird, und zum anderen der dabei entstehende Verlust ein Dauerverlust ist. Entsprechendes gilt, wenn die Entgelte nur zu einem ausgeglichenen Ergebnis führen. Ein Dauerverlust liegt vor, wenn auf Grund einer Prognose nach den Verhältnissen des jeweiligen Veranlagungszeitraums nicht mit einem positiven oder ausgeglichenen Ergebnis oder nicht mit einem steuerlichen Totalgewinn zu rechnen ist. Dabei sind Betriebsvermögensmehrungen , die nicht der Besteuerung unterliegen (z. B. zu erwartende Investitionszulagen oder Dividenden, die unter § 8b KStG fallen), gewinnerhöhend und Aufwendungen, die den steuerlichen Gewinn nicht mindern dürfen, gewinnmindernd zu berücksichtigen (vgl. BFH- Urteil vom 30. November 1989, BStBl 1990 II S. 452, 454). Maßgebend ist ausschließlich das Ergebnis aus der Geschäftstätigkeit selbst, das heißt unter Berücksichtigung allein des hierfür notwendigen Betriebsvermögens. Mögliche Aufgabe- und Veräußerungsgewinne sind bei der Beurteilung als Dauerverlustgeschäft nicht zu berücksichtigen. Gewinne in einzelnen Veranlagungszeiträumen stehen der Annahme eines Dauerverlustgeschäfts nicht entgegen.“9 Eine pauschale Aussage zur Gefährdung der Vergünstigung für Dauerverlustgeschäfte gemäß § 8 Abs. 7 KStG in Folge der Gewährung eines Vollzuschusses kann daher nicht getroffen werden. Es wird im Einzelfall darauf ankommen, ob der Zuschuss das Verkehrsunternehmen lediglich in den Bereich der Kostendeckung bringen und die Begünstigung aus § 8 Abs. 7 KStG nicht gefährden würde. Ist der Zuschuss jedoch so hoch, dass das Unternehmen damit die Gewinnzone erreichen würde, so wären die Voraussetzungen des § 8 Abs. 7 KStG nicht mehr erfüllt. Letztlich kann aber auch bei einem Vollzuschuss die Steuerbegünstigung Bestand haben, wenn das Verkehrsunternehmen seine Fahrpreise so weit absenkt, dass das Erreichen der Gewinnzone ausgeschlossen ist. Auf Grund der o.g. umsatzsteuerlichen Problematik sollten die Fahrpreisreduzierungen dann jedoch allen Fahrgästen zugutekommen. *** 9 BMF-Schreiben vom 12.11.2009, IV C 7-S 2706/08/10004, Rn. 38 (juris)