© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 006/17 Informationsrechte der Mitglieder des Haushaltsausschusses im Hinblick auf die Prüfungsfeststellungen des Bundesrechnungshofs Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 006/17 Seite 2 Informationsrechte der Mitglieder des Haushaltsausschusses im Hinblick auf die Prüfungsfeststellungen des Bundesrechnungshofs Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 006/17 Abschluss der Arbeit: 06. Februar 2017 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 006/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Finanzkontrolle privatrechtlicher Beteiligung des Bundes durch den BRH 4 2.1. Prüfungsrechte des BRH 4 2.2. Schutz personen-und unternehmensbezogener Daten 5 2.3. Berichterstattungsverfahren 5 2.3.1. Adressatenkreis vorläufiger Prüfungsergebnisse 5 2.3.2. Adressatenkreis der Prüfungsfeststellungen des BRH 6 3. Zusammenfassung 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 006/17 Seite 4 1. Fragestellung Folgenden Ausführungen liegt im Wesentlichen die Frage zugrunde, ob die einzelnen Mitglieder des Haushaltsausschusses nach den haushalts(verfassungs)rechtlichen Vorschriften einen Anspruch darauf haben, in die nicht veröffentlichten Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofs (BRH) hinsichtlich der Betätigung des Bundes bei privatrechtlichen Unternehmen Einsicht zu nehmen. Die gesellschaftsrechtlichen Aspekte der parlamentarischen Informationsansprüche gegenüber der Bundesregierung behandelt ein gesondertes Gutachten des Fachbereichs WD 7. 2. Finanzkontrolle privatrechtlicher Beteiligung des Bundes durch den BRH 2.1. Prüfungsrechte des BRH Ein grundsätzliches Prüfungsrecht des BRH bei privatrechtlich organisierten Unternehmen, an denen der Bund unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, ergibt sich aus § 44 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG)1 in Verbindung mit dem gleichlautenden § 92 Bundeshaushaltsordnung (BHO)2. Dieses umfasst keine Befugnis zu einem Selbstunterrichtungsrecht des BRH, also dem Recht direkt bei dem betroffenen Unternehmen eine Prüfung durchzuführen.3 Vielmehr räumt die Norm dem BRH ein Recht zur Betätigungsprüfung ein, also eine Überwachung der Betätigung desjenigen Bundesressorts, welches die Unternehmensbeteiligung verwaltet. Die zuständige staatliche Stelle trifft insofern eine Pflicht, die hierfür notwendigen Unterlagen an den BRH zu übersenden .4 Sofern der Bund an einem privatrechtlichen Unternehmen mehrheitlich beteiligt ist (§ 53 HGrG), kann gemäß § 54 HGrG (§ 66 BHO) in der Satzung auch eine Unterrichtung des BRH durch eine unmittelbare Einsichtnahme der relevanten Unterlagen beim Unternehmen vorgesehen werden. Gegenstand der Prüfung ist grundsätzlich die gesamte Betätigung des Bundes im Rahmen der Beteiligung an dem Unternehmen.5 Dabei wird insbesondere das Vorliegen der Voraussetzungen des Bundes an dem Unternehmen, die ordnungsgemäße Verwaltung der Anteile durch die zuständige Behörde und das Erreichen der mit der Beteiligung verfolgten Ziele untersucht.6 1 Vom 19.08.1969 (BGBl. I S. 1273), zuletzt geändert durch Art. 1 Abs. 10 G vom 15.07.2013 I 2398. 2 Vom 19.08.1969 (BGBl. I S. 1273), zuletzt geändert durch Art. 8 Abs. 10 G vom 3.12.2015 I 2178. 3 Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 42. Erg.-Lfg., Juni 2007, § 92 BHO Rn. 1. 4 Ebenda. 5 Schwarz, in: Gröpl, (Hrsg.), Bundeshaushaltsordnung/Landeshaushaltsordnung, Kommentar, 2011 § 92 BHO Rn. 4. 6 Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 42. Erg-Lfg., Juni 2007, § 92 BHO Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 006/17 Seite 5 2.2. Schutz personen- und unternehmensbezogener Daten Der BRH kann grundsätzlich sämtliche Unterlagen anfordern, welche er im Rahmen der Ausübung seines Ermessensspielraums im Prüfungsverfahren für erforderlich hält.7 Dies umfasst auch unter Geheimnisschutz stehende Informationen.8 Mit diesen Befugnissen korrespondiert eine Verschwiegenheitspflicht des BRH hinsichtlich personen - bzw. unternehmensbezogener Informationen, die grundrechtlich geschützte Positionen ihrer Rechtsträger berühren und keine Regelungsbefugnis zur Weitergabe dieser Informationen bzw. zur Erteilung diesbezüglicher Auskünfte besteht. Neben anderen Grundrechten verbürgen insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 14 GG ihren Trägern einen Schutz gegen unbegrenzte Weitergabe, der auf sie bezogenen Daten auch innerhalb der staatlichen Organisation, erst recht aber, wenn damit die Möglichkeit öffentlichen Bekanntwerdens der Information verbunden ist.9 2.3. Berichterstattungsverfahren Hinsichtlich des Gegenstandes der Berichterstattung des BRH ist zwischen den vorläufigen Prüfungsergebnissen (Prüfungsmitteilungen) und den Prüfungsfeststellungen (Prüfungsergebnisse i. e. S.) zu unterscheiden.10 In Abhängigkeit davon ergeben sich unterschiedliche Adressatenkreise. 2.3.1. Adressatenkreis vorläufiger Prüfungsergebnisse Gemäß § 96 Abs. 1 S. 1 BHO übersendet der BRH die vorläufigen Prüfungsergebnisse zunächst den zuständigen Stellen zur Äußerung innerhalb einer bestimmten Frist. Dies sind die geprüfte Stelle, die vorgesetzte Behörde und – sofern die vorl. Prüfungsergebnisse von besonderer Bedeutung sind - das Bundesministerium der Finanzen (§ 96 Abs. 2 BHO). Diese grundsätzliche Beschränkung des Adressatenkreises durch die BHO trägt dem Schutzaspekt Rechnung, dass von den Prüfungsmitteilungen Rechte Dritter betroffen sein können.11 Ausnahmsweise – bei Vorliegen besonderer Gründe – eröffnet § 96 Abs. 1 S. 2 BHO dem BRH die Möglichkeit, die vorläufigen Prüfungsergebnisse dem Haushaltsausschuss zur Kenntnis zu geben. Adressat der Unterrichtung sind nicht die einzelnen Mitglieder, sondern der Haushaltsausschuss 7 von Lewinski/Burbat, Bundeshaushaltsordnung Kommentar, 1. Auflage, 2013, § 95 BHO Rn. 3. 8 Herausgabe von Patientenakten, BVerfGE, NJW 1997, 1633,1634. 9 BVerfGE 67, 1, 133ff, BVerfGE 77, 1, 38ff. 10 Die Prüfungsergebnisse sind solange vorläufig, bis der BRH die Stellungnahmen der zuständigen Stellen abschließend bewertet hat. Im Anschluss daran trifft der BRH seine Prüfungsfeststellungen. 11 Engels, Bonner Kommentar, August 2010, Art. 114 GG Rn. 290ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 006/17 Seite 6 insgesamt.12 Zulässig ist die Unterrichtung, wenn das parlamentarische Kontrollrecht dies erfordert , der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist und ggf. dem Geheimhaltungserfordernis durch den Haushaltsausschuss Rechnung getragen wird.13 2.3.2. Adressatenkreis der Prüfungsfeststellungen des BRH Nach Art. 114 Abs. 2 S. 2 GG und § 46 Abs. 1 und 2 HGrG ist der BRH verpflichtet, über seine Prüfungsfeststellungen jährlich Bericht an den Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung zu erstatten. Die in diesen Vorschriften normierte Berichtspflicht wird hinsichtlich ihres Zwecks und Inhalts durch § 97 BHO konkretisiert. Nach § 97 Abs. 1 BHO nimmt der BRH nur solche Feststellungen in den Bericht auf, die für die Entlastung der Bundesregierung wegen der Haushaltsrechnung und der Vermögensrechnung von Bedeutung sein können. Hierzu gehören auch bedeutsame Feststellungen aus der Prüfung der Betätigung des Bundes bei privatrechtlichen Unternehmen (§ 97 Abs. 2 Nr. 3 BHO). Der Bericht wird anschließend unter der Bezeichnung „Bemerkungen des BRH“ den o.g. Organen zugeleitet. Bemerkungen zu geheim zu haltenden Angelegenheiten sind gemäß § 97 Abs. 4 BHO einem besonderen Verfahren unterworfen. Zur Sicherung der Geheimhaltung ist der Adressatenkreis auf die am Haushaltsverfahren beteiligten Verfassungsorgane beschränkt. Mitgeteilt werden derartige Bemerkungsbeiträge in einem gesonderten Berichtsteil ausschließlich der Präsidentin/dem Präsidenten des Bundestages und Bunderates, der Bundeskanzlerin/dem Bundeskanzler und dem Bundesministerium der Finanzen. 14 Dieser Berichtsteil wird nach der Verschlusssachenanweisung des Bundesministeriums des Innern als vertraulich oder geheim eingestuft.15 Wichtiger Anwendungsfall der Verfahrensregelung des § 97 Abs. 4 BHO sind Ergebnisse von Prüfungen der Haushaltsmittel, deren Verwendung mit einem Haushaltsvermerk für geheim erklärt worden sind und die nach § 10a BHO, § 19 Bundesrechnungshofgesetz (BRHG)16 einem besonderen Prüfungsverfahren unterliegen.17 § 97 Abs. 4 BHO ist auch in Fällen anzuwenden, in denen 12 BVerfGE 92, 130; Butzer, in: Beck’scher Online-Kommentar, Art. 114 GG Rn. 8.2; Engels, in: Engels/Eibelshäuser , Kommentar zum Haushaltsrecht, Oktober 2014, § 96 BHO Rn. 31. 13 Engels, Bonner Kommentar, August 2010, Art. 114 GG Rn.291ff. 14 § 50 Abs. 2 Prüfungsordnung des BHR (PO-BRH). 15 § 8 Abs. 3 PO-BRH. 16 Vom 11. 07.1985 (BGBl. I S. 1445), geändert durch Art. 15 Abs. 82 G vom 5.2.2009 I 160. 17 Sievers, in: Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Oktober 2014 § 97 BHO Rn. 50. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 006/17 Seite 7 aus Gründen des Staatswohls oder zum Schutz der Rechte Dritter (z.B. bei Betriebs-/Geschäftsgeheimnissen ) verhindert werden soll, dass Sachverhalte durch Aufnahme in die Bemerkungen in der Öffentlichkeit bekannt werden.18 Das Bundesverfassungsgericht hat einen Anspruch einzelner Abgeordneter auf Übermittlung jährlicher Prüfungsberichte des BRH verneint.19 Ein solcher Anspruch lässt sich aus dem Wortlaut und der Systematik der Verfassungsbestimmungen und der Bundeshaushaltsordnung nicht entnehmen. Anspruchsberechtigter ist das Verfassungsorgan Bundestag selbst und als Ganzes. Von Bedeutung ist die Negation eines solchen Anspruchs durch das Bundesverfassungsgericht insbesondere auch hinsichtlich der Einsichtnahme in die nicht veröffentlichten Teile des Gesamtberichts des BRH im Sinne des § 97 Abs. 4 BHO.20 Auch hier ist der Adressatenkreis abschließend beschrieben. Das Bundesverfassungsgericht21 erkennt zwar an, dass die einzelnen Abgeordneten ein berechtigtes Informationsinteresse im Hinblick auf die sachgerechte Ausübung des parlamentarischen Haushalts- und Kontrollrechts haben. Adressat dieses Informationsanspruchs ist indes in Ermangelung einer Rechtsgrundlage nicht der BRH, sondern ausschließlich die Bundesregierung.22 3. Zusammenfassung Die einzelnen Mitglieder des Haushaltsausschusses haben keinen Anspruch, in die Prüfungsergebnisse des BRH hinsichtlich der Betätigung des Bundes bei privatrechtlichen Unternehmen Einsicht zu nehmen. Berichtspflichten bzw. -rechte des BRH bestehen nur im Verhältnis zum Bundestag bzw. Haushaltsausschuss insgesamt. 18 Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 48. Erg.-Lfg. Februar 2014, § 97 BHO Rn. 5; Sievers, in: Engels/Eibelshäuser , Kommentar zum Haushaltsrecht, Oktober 2014, § 97 BHO Rn. 51. 19 BVerfGE 92, 130, 134f. 20 Butzer, in: Beck’scher Online-Kommentar, Art. 114 GG GG Rn. 8.1; Kube, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar , Okt. 2008, Art. 114 Rn. 121; Heintzen, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2007, § 120 Rn. 93. 21 BVerfGE 70, 235 m. w. N. 22 BVerfGE 92, 130, 134f.