© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 005/20 Information zum Konzept einer Mikrosteuer in der Schweiz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 005/20 Seite 2 Information zum Konzept einer Mikrosteuer in der Schweiz Aktenzeichen: WD 4 - 3000 – 005/20 Abschluss der Arbeit: 16. Januar 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 005/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Konzept 4 2. Diskussion in der Schweiz 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 005/20 Seite 4 1. Konzept In der Schweiz gibt es aktuell eine Initiative, die sich „Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr “ nennt.1 Sie hat ein Konzept vorgelegt, in dem es heißt: „Das vorliegende Konzept vertritt eine neue Optik. Neu wird nicht länger der Mensch für seine Arbeit besteuert, besteuert wird in Promille-Ansätzen der gesamte bargeldlose Zahlungsverkehr; dieser umfasst auch die Finanztransaktionen. Die Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr zielt auf das grösstmögliche Steuersubstrat. Sie ist fair und leicht zu handhaben: bei der Verbuchung jeglicher Zahlung wird die Mikrosteuer einheitlich und automatisiert pro Belastung und pro Gutschrift erhoben. Mit der Mikrosteuer leistet nun auch die Finanzwirtschaft automatisch einen Steuerbeitrag, was Unternehmen und private Haushalte erheblich entlastet. Die Mikrosteuer bringt Transparenz in die Finanzströme. Auf Transparenz haben wir ein Anrecht, denn im Krisenfall haften unsere Steuergelder für das Finanzsystem. Dank ihrer Ergiebigkeit kann die Mikrosteuer im Prinzip sämtliche bestehenden Steuern und Abgaben ersetzen; in der föderalistischen Schweiz soll sie jedoch schrittweise implementiert werden. Vorerst sind Steuern und Abgaben auf Bundesebene abzulösen.“ Gegenstand der Mikrosteuer sollen zum einen alle Überweisungen, Lastschriften, Kartenzahlungen , Schecks etc. sein. Die Steuer fällt also z.B. an, wenn „jemand 100 Franken Bargeld aus dem Bancomat bezieht oder Rechnungen bezahlt oder wenn Unternehmen die Löhne auf das Bankkonto ihrer Mitarbeiter überweisen“.2 Zum anderen sollen vor allem aber der Hochfrequenzhandel und komplexe Finanzderivate besteuert werden, die rund 50 Prozent der Transaktionen im Zahlungsverkehr ausmachen. Alle sollen die neue Steuer zahlen, „die natürlichen wie die juristischen Personen, die Realwirtschaft wie die Finanzwirtschaft.“ Mit der Einführung der Mikrosteuer sollen zunächst die Stempelsteuer (CHF 2 Mrd.), die Mehrwertsteuer (CHF 23 Mrd.) und die direkte Bundessteuer (CHF 22 Mrd.) ersetzt werden.3 2. Diskussion in der Schweiz An dem Konzept gibt es verschiedene Kritikpunkte. So weist z. B. die Schweizerische Bankiervereinigung unter anderem auf Folgendes hin: „Die Auswirkungen der Volksinitiative sind aber unklar. Auf der einen Seite wäre die Abschaffung der Stempelabgaben sehr positiv. Sie sind ein Steuerhindernis für die Wirtschaft und den Finanzplatz und würden zu einem Wachstum des Finanzplatzes Schweiz führen. Auf der ande- 1 Zu Einzelheiten siehe MIKROSTEUER, https://mikrosteuer.ch/de/die-initiative/konzept/, abgerufen am 15. Januar 2020. 2 Schöchli, Hansueli, Eine neue Mikrosteuer soll alle anderen Steuern ersetzen, Neue Zürcher Zeitung vom 07.02.2018, https://www.nzz.ch/schweiz/neue-mikrosteuer-soll-alle-anderen-steuern-ersetzen-ld.1354847, abgerufen am 15. Januar 2020. 3 https://mikrosteuer.ch/site/assets/files/1031/amtdc_beiblatt_zu_initiativtext_d_4_4_2029.pdf, abgerufen am 15. Januar 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 005/20 Seite 5 ren Seite, dürfte die Mikrosteuer dazu führen, dass sich Geschäfte, insbesondere der Hochfrequenzhandel oder weitere Bereiche des Zahlungsverkehrs, einfach ins Ausland verlagern, wo man eine solche Steuer nicht kennt und der Schweizer Fiskus keinen Zugriff hat. Bricht die Steuerbasis für die Mikrosteuer in der Schweiz weg, werden auch die Steuereinnahmen daraus wegbrechen .“ „Weniger als die Hälfte der privaten Steuerzahler bezahlt heute direkte Bundessteuern. Der Grossteil der Einnahmen aus dieser stark progressiven Steuer stammt von den einkommensstärksten Personen in der Schweiz. Die neue Mikrosteuer hingegen würde jede Bezahlung der Miete, jeden Dauerauftrag für die Krankenkasse, jede Lohn- oder Rentenzahlung etc. zweimal erfassen – einmal bei der Überweisung und einmal bei der Gutschrift. Ebenso würde der ganze Zahlungsverkehr aller Unternehmen inkl. KMU in der Schweiz belastet. Wollen Frau und Herr Schweizer das?“4 Weiterhin wird kritisch angemerkt: „Der Vorstoss soll das Finanzsystem stabiler machen und das Steuersystem vereinfachen. Doch die Initiative ist hochgradig unausgegoren. Hier nur drei Kernprobleme : Wer mit Steuern eine Lenkungswirkung will, kann keine stabilen Fiskalerträge versprechen ; ohne globale Einführung sind grosse Umgehungsmanöver programmiert; und das Steuersystem wird noch komplizierter, denn die Einkommens- und Gewinnsteuern der Kantone bleiben .“5 *** 4 Kapalle, Urs, Mikrosteuer – Aladins Wunderlampe oder tauglicher Vorschlag? Insight # 4.19. Das Online-Magazin der Schweizerischen Bankiervereinigung, 13. Dezember 2019, https://www.swissbanking.org/de/services /insight/insight-4.19, abgerufen am 14. Januar 2020. 5 Schöchli, Hansueli, Radikale Steueridee mit Charme, aber ohne Realismus, Neue Zürcher Zeitung vom 16.11.2019, https://www.nzz.ch/wirtschaft/radikale-steueridee-mit-charme-aber-ohne-realismus-ld.1522377, abgerufen am 15. Januar 2020.