Verschiedene Fragen zur finanziellen Förderung der evangelischen und der katholischen Kirche durch Bund Länder und Gemeinden - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 005/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Verschiedene Fragen zur finanziellen Förderung der evangelischen und der katholischen Kirche durch Bund Länder und Gemeinden Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 005/09 Abschluss der Arbeit: 27. Januar 2009 Fachbereich WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - 1. Vorbemerkung Das Verhältnis von Staat und Kirche ist erstmals umfassend durch die deutsche Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Verfassung) reichsgesetzlich geregelt worden. Diese Regelungen sind nach Artikel 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes und damit gültiges Verfassungsrecht geworden. Das Grundgesetz garantiert den Kirchen ein eigenes Besteuerungsrecht sowie das Recht, ihre Angelegenheiten selbstständig zu ordnen und zu verwalten. Sie unterliegen keiner Staatsaufsicht. Die Einkünfte und Vermögenswerte der Kirchen werden den staatlichen Institutionen nicht mitgeteilt. Die gestellten Fragen können daher insoweit beantwortet werden, als zu den angesprochenen Fragen auf vorliegende statistische Angaben zurückgegriffen werden kann. 2. Fragenkatalog 2.1. Staatliche Leistungen (sog. Dotationen) Nach Artikel 140 Grundgesetz i. V. m. Artikel 138 Abs. 1 Weimarer Reichsverfassung wird der Besitzstand der Kirchen aus vorkonstitutioneller Zeit gewährleistet. Bei sog. Dotationen handelt es sich um vorkonstitutionell begründete Leistungen an Religionsgemeinschaften , die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhen. Träger der Staatsleistungen sind die Länder. Die Staatsleistungen stellen vermögensrechtliche Verpflichtungen der Länder gegenüber den Großkirchen in Form von Pachtersatzleistungen, Besoldungs- und Pensionsleistungen etc. dar. Sie wurden gegenüber der katholischen Kirche und der evangelischen Kirche durch Konkordate bzw. Kirchenverträge begründet. Soweit ersichtlich gibt es in fast allen Bundesländern Konkordate bzw. Kirchenverträge.1 Rechtsgrundlage für die Zahlung von Renten an Bischöfe und Erzbischöfe z. B. in Bayern ist Artikel 10 Abs 1 Buchstabe a des Bayerischen Konkordats vom 29. März 1924. Für die evangelische Kirche z.B. in Sachsen Anhalt bildet der Art. 13 des Evangelischen Kirchenvertrags Sachsen-Anhalt die entsprechende Rechtsgrundlage. Nach fernmündlicher Auskunft der Deutschen Bischofskonferenz beliefen sich die Dotationen zugunsten der katholischen Kirche 2006 und 2007 auf insgesamt jeweils 151,8 Mio. €. Die Einnahmen der Evangelischen Kirche aus Dotationen betrugen ge- 1 Vgl. Auflistung der Konkordate und Kirchenverträge unter: http://www.auswaertigesamt .de/diplo/de/Laenderinformationen/HeiligerStuhlVatikan/Bilateral.html#t1; http://rsw.beck.de/bib/inhalt/coll.asp?xml=gesetze/sysColls&coll=Kulturelle%20Angelegenheiten %20(Wissenschaft,%20Bildung,%20Kultus,%20Medien)&listtype=ul# . - 4 - mäß der veröffentlichten Erhebung (Vgl. Anlage 1, Position Staatsausgaben) im Jahr 2004 222 Mio. €. Aktuellere Finanzdaten liegen nicht vor. Nach Auskunft der EKD Hannover sei beabsichtigt, im Laufe des Jahres 2009 eine Aktualisierung der Erhebung aus 2004 vorzunehmen und zu veröffentlichen. 2.2. Weitere Leistungen/Subventionen an die Großkirchen Die gemeinsame Haushaltssystematik von Bund und Ländern sieht eine Differenzierung von Ausgaben nach Funktions- und Aufgabenbereichen vor. Innerhalb der einzelnen Funktions- und Aufgabenbereiche wird keine Unterscheidung nach Institutionen (wie z. B. Kirchen) vorgenommen. Finanzdaten betreffend die Institution Kirche enthält die amtliche Statistik deshalb lediglich hinsichtlich der Funktion „kirchliche Angelegenheiten “, die dem kulturnahen Bereich zuzuordnen ist. Hierunter fallen insbesondere die Staatsleistungen in Form von Dotationen (vgl. auch Frage 1), Zuschüsse zur Durchführung von Kirchentagen und Investitionszuschüsse für Kirchenbauten. Die öffentlichen Ausgaben für die kirchlichen Angelegenheiten können der amtlichen Statistik (Anlage 2) entnommen werden. Hierbei ist zu beachten, dass es sich um Ausgaben für alle Kirchen und gleichgestellte Religionsgemeinschaften in Deutschland handelt. Allerdings dürften die Ausgaben zugunsten der übrigen Kirchen und gleichgestellten Religionsgemeinschaften im Vergleich zu den Großkirchen nur von unerheblichem Gewicht sein. Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes seien – wegen der fehlenden Differenzierung der Haushaltsstatistik nach Institutionen – keine Angaben zu den Ausgaben in den Bereichen Bildung, Kinder- und Jugendhilfe etc. möglich. Nach der Finanzstatistik der EKD (s. Anlage 1) betrugen die Fördermittel und Zuschüsse der öffentlichen Hand für Leistungen der evangelischen Kirche zugunsten der Allgemeinheit im Jahr 2004 1,781 Mrd. €. Entsprechende Finanzstatistiken werden nach Auskunft der Deutschen Bischofskonferenz nicht erstellt. Zur Begründung wird auf den hohen Erfassungsaufwand und z. .T. unterschiedliche Erfassungssystematik in den 5 Erzbistümern und 17 Bistümern der katholischen Kirche in Deutschland verwiesen. 2.3. Abzug der Kirchensteuer als Sonderausgabe Die aus dem Abzug der Kirchensteuer als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1. Nr. 4 EStG) resultierenden Steuermindereinnahmen belaufen sich ausweislich des 21. Subventionsberichts 2 auf: 2005 2006 2007 2008 3 Mrd. € 3,1 Mrd. € 2,96 Mrd. € 3,05 Mrd. € 2 Vgl. 21. Subventionsbericht der Bundesregierung vom 21.8.2007, BT-Drs. 16/6275, Anlage 3, lfd. Nr. 5, S. 94. - 5 - Nach der Begründung des Subventionsberichts handelt es sich um eine Begünstigung anerkannter Religionsgemeinschaften aus kirchen- und sozialpolitischen Erwägungen.3 2.4. Kirchensteuer/Erhebungskosten Die Bundesländer haben entsprechend der ihnen durch das Grundgesetz zugewiesenen Gesetzgebungskompetenz Kirchensteuergesetze erlassen, die zusammen mit den kirchlichen Steuervorschriften (Steuerordnungen und Kirchensteuerbeschlüsse) die Rechtsgrundlage für die Erhebung der Kirchensteuer und die Erstattung der Erhebungskosten der Länder bilden. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Recht überprüft und seine Verfassungsmäßigkeit bestätigt.4 Die Höhe des Kirchensteueraufkommens und des Kirchgeldes wird jährlich im Statistischen Jahrbuch veröffentlich. Die Deutsche Bischofskonferenz weist auch die an die Länder erstatteten Erhebungskosten aus. Diese betrugen in den Jahren 2006 und 2007 136,0 Mio. € bzw. 147,4 Mio. € (vgl. Anlage 3). Die Erhebungskosten entsprechen den in den Landessteuergesetzen festgelegten Prozentsätzen des Kirchensteueraufkommens. Für beide Großkirchen bewegen sich die Prozentsätze5 zwischen 2 und 4%. Der durchschnittliche Prozentsatz liegt bei etwa 3,5% des Kirchensteueraufkommens. Die Erstattungskostensätze werden von den Ländern in Kenntnis der eigenen Kostenstrukturen festgelegt, sodass von einer vollständigen Kostendeckung auszugehen ist. 2.5. Steuermindereinnahmen durch Steuerbefreiungen der Großkirchen Steuerbefreiungen bzw. Steuerermäßigungen stellen steuerliche Subventionen dar, die einschließlich der daraus resultierenden Steuermindereinnahmen von der Bundesregierung in den Anlagen 2 und 3 des Subventionsberichts nachgewiesen werden.6 Die Darstellung bezieht sich auf die einzelnen Steuerbegünstigungstatbestände des Steuerrechts, d. h. sie ist ausschließlich sachbezogen7 und setzt insbes. den Gemeinnützigkeitsstatus voraus, ohne nach den begünstigten Steuersubjekten (z. B. Institutionen) zu differenzieren . Statistische Angaben über den Umfang der Steuerbegünstigungen zugunsten der 3 Vgl. Ebenda. 4 Vgl. BVerfGE 19, 206f; 73, 388, 399. 5 In Bayern z. B. liegt der Prozentsatz bei 2%, da der Kirchensteuereinzug nur von der Lohnsteuer von der Finanzverwaltung vorgenommen wird. Von der veranlagten Einkommensteuer erfolgt der Kirchensteuerabzug durch die Kirchenämter selbst. In den anderen Bundesländern belaufen sich die Prozentsätze auf 3 bzw. 4%. 6 Vgl. 21. Subventionsbericht der Bundesregierung vom 21.8.2007, BT-Drs. 16/6275, S. 71ff. 7 Vgl. z. B. Steuerbegünstigung von Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher und gemeinnütziger Zwecke sowie von Zuwendungen an politische Parteien (§ 10 b EStG, § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG), Nr. 7, 17, 26 und 44 der Anlage 3, 21. Subventionsbericht a. a. O. - 6 - Großkirchen können daher weder dem Subventionsbericht noch anderen steuerlichen Statistiken entnommen werden. 2.6. Kosten staatlicher Ebenen für Religionsunterricht und Ausbildung von Religionslehrern Statistische Angaben über die Kosten des Staates für den Religionsunterricht und die universitäre Ausbildung von Religionslehrern und Theologen liegen in Ermangelung entsprechender Differenzierung der Bildungsstatistiken nicht vor. 2.7. Staatliche Zuschüsse und Subventionen an andere Religionsgemeinschaften Zwischen den Bundesländern und anderen Religionsgesellschaften bzw. ihnen gleichgestellten Religionsgemeinschaften bestehen ebenfalls zahlreiche Staatsverträge8, die Landesleistungen ähnlich den Dotationen an die Großkirchen vorsehen.9 Sie sind in der amtlichen Statistik der Ausgaben für kirchliche Angelegenheiten mit enthalten (Vgl. Pkt. 2.2 und Anlage 2). Ein gesonderter statistischer Ausweis der Länderzuschüsse nur zugunsten dieser Religionsgemeinschaften liegt nicht vor. Hinsichtlich der Inanspruchnahme der Steuerbegünstigungen (Spendenabzug, Umsatzsteuer etc.) kommt es auf den Status der Gemeinnützigkeit dieser Religionsgemeinschaften an. Dieser ist regelmäßig aufgrund der Zuerkennung durch den Staatsvertrag bzw. durch entsprechende Akte der Finanzverwaltung gegeben (Vgl. auch Pkt. 2.5). 3. Untersuchung von Carsten Frerk10 Nach Recherchen von Frerk beträgt das gesamte Kirchenvermögen (Grund und Boden, Immobilien, Beteiligungen, Aktien, Geldvermögen) 502 Mrd Euro. Nach seinen Angaben verzichtet der Staat jährlich auf ca. 10,2 Mrd Euro Steuereinnahmen, die er von den Kirchen erlangen könnte, wobei allein die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer von der Einkommensteuer einen Einnahmeverzicht von 3,5 Mrd Euro bedeute. Er beziffert zudem die staatlichen Zuschüsse an die Kirchen auf 9,8 Mrd Euro. So würden z.B. 77 % aller Mitarbeiter des „Konzerns Amtskirche“ aus staatlichen Steuermitteln und öffentlichen Geldern der Sozialversicherungsträger bezahlt. Diakonisches Werk und Misserior würden vollständig aus öffentlichen Geldern, das „Bischöfliche Hilfswerk Misserior“ zu 49 % finanziert. 8 Zur Vielzahl der Staatsverträge mit jüdischen Gemeinden, Griechisch-Orthodoxe Metropolie, Gemeinschaft der Siebenten-Tags Adventisten etc. vgl. die Auflistung unter: http://rsw.beck.de/bib/inhalt/coll.asp?xml=gesetze/sysColls&coll=Kulturelle%20Angelegenheiten %20(Wissenschaft,%20Bildung,%20Kultus,%20Medien)&listtype=ul#. 9 So begründet beispielsweise Art. 6 Abs. 1 des Staatsvertrags Bremen – Jüdische Gemeinde eine Landesleistung Bremens von jährlich 235.000€ ab dem Haushaltsjahr 2002. 10 Frerk, Carsten, Finanzen und Vermögen der Kirchen, Alibri-Verlag, Aschaffenburg, 2002. - 7 - Die Darstellung von Frerk zu den Finanzen und Vermögen der Großkirchen beruht zum erheblichen Teil auf Schätzungen und Hochrechnungen, die in Ermangelung statistisch belastbarer Daten weder nachvollziehbar noch widerlegbar sind. Auch berücksichtigt die Untersuchung nach hiesiger Ansicht nur unzureichend den Aspekt, dass – abgesehen von den auf rechtlichen Verpflichtungen der Länder beruhenden Dotationen (vgl. Pkt. 2.1) – die übrigen Zuschüsse des Staates und Steuerbegünstigungen als partieller Kostenausgleich für die von den Großkirchen und ihren Einrichtungen unter finanzieller Selbstbeteiligung erbrachten Leistungen für die Allgemeinheit gewertet werden müssten . Diese Zuschüsse und Steuerbegünstigungen erhalten auch andere gemeinnützige Träger, die diese Leistungen erbringen. Letztlich handelt es sich bei den Leistungen um eine Kompensation für die Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben in den Bereichen Bildung, Kinder- und Jugendhilfe etc., die anderenfalls vom Staat selbst vollständig zu erbringen wären.