© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 004/20 Einzelfrage zur Veranschlagung von Erstattungen aufgrund von Verpflichtungserklärungen Dritter Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 004/20 Seite 2 Einzelfrage zur Veranschlagung von Erstattungen aufgrund von Verpflichtungserklärungen Dritter Aktenzeichen: WD 4 - 3000 – 004/20 Abschluss der Arbeit: 16. Januar 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 004/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Nettoveranschlagung als Ausnahme vom Bruttoprinzip 4 3. Schlussfolgerungen 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 004/20 Seite 4 1. Fragestellung Die Fragestellung zielt darauf ab, ob die praktizierte Nettoveranschlagung von Erstattungen der vom Bund erbrachten Leistungen zur Grundsicherung von Arbeitsuchenden mit dem Haushaltsrecht vereinbar ist. 2. Nettoveranschlagung als Ausnahme vom Bruttoprinzip § 15 Bundeshaushaltsordnung (BHO)1 statuiert in Übereinstimmung mit § 12 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG)2 den Grundsatz der Bruttoveranschlagung und regelt zugleich seine Ausnahmen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BHO sind die Einnahmen und Ausgaben in voller Höhe und getrennt voneinander zu veranschlagen (Bruttoprinzip). § 15 Abs. 1 Satz 3 BHO lässt Ausnahmen vom Bruttoprinzip durch Ausbringung von Haushaltsvermerken im Haushaltsplan oder durch Regelungen im Haushaltsgesetz zu.3 Der im Einzelplan 11 (EPl. 11) bei Kapitel 1101 Titelgruppe 01 – Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende – ausgebrachte Haushaltsvermerk4 ordnet an, dass „Beiträge Dritter und Rückeinnahmen sowie Zinsen den Ausgaben zufließen“. Dieser Rückeinnahme- bzw. Zuflussvermerk , unter den auch die Erstattungen der Leistungen der Grundsicherung aufgrund von Verpflichtungserklärungen Dritter fallen, stellt einen rechtsverbindlichen Haushaltsvermerk als Ausnahme vom Grundsatz der Bruttoveranschlagung im Sinne der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 3 BHO dar. Derartige Vermerke bewirken, dass Mittel, deren Verwendung zu Unrecht oder zweckwidrig erfolgte oder mit einem Erstattungsanspruch des Bundes behaftet war, für den Ausgabezweck wieder verfügbar gemacht werden und damit die veranschlagten Mittel in dem betreffenden Ausgabetitel erhöhen.5 Als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung wird gefordert, dass eine enge sachliche Nähe zwischen dem jeweiligen Haushaltstitel und den hiervon abgesetzten Einnahmen besteht.6 Dies ist vorliegend der Fall. Die Erstattungen Dritter beziehen sich auf vom Bund zuvor erbrachte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auch bei anderen gesetzlichen Leistungen gibt es Rückeinnahme- bzw. Zuflussvermerke, die eine Nettoveranschlagung zulassen. So ermöglicht beispielsweise der im EPl. 30 bei Kapitel 3002 Titelgruppe 50 – Bundesausbildungsförderungsgesetz – ausgebrachte Haushaltsvermerk,7 das zu 1 Vom 19.8.1969, BGBl. I S. 1284, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 9.12.2019, BGBl. I S. 2053. 2 Vom 19.8.1969, BGBl. I S. 1273, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 14.8.2017, BGBl. I S. 3122. 3 Vgl. Hugo, in: Heuer/Scheller, Kommentar zum Haushaltsrecht, 38. Erg.-Lfg. Dezember 2004, § 15 BHO Rn 5 ff. 4 Bundeshaushaltspläne 2019 und 2020, jeweils EPl. 11 Kapitel 1101 Titelgruppe 01. 5 Vgl. Mießen, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 27. Erg.-Lfg. Januar 1991, § 15 BHO Rn 6; Hugo, a.a.O., § 15 BHO Rn 7. 6 Vgl. Hugo, a.a.O., § 15 BHO Rn 6. 7 Bundeshaushaltsplan 2019, EPl. 30 Kapitel 3002 Titelgruppe 50, S. 20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 004/20 Seite 5 Unrecht oder zu viel geleistete BAföG-Förderbeiträge beim Ausgabetitel vereinnahmt werden können. Zur Vermeidung einer Vielzahl von Haushaltsvermerken im Haushaltsplan lässt der Gesetzgeber im jährlichen Haushaltsgesetz für eine Reihe von Sachverhalten generelle Ausnahmen vom Grundsatz der Bruttoveranschlagung zu. So bestehen seit Jahren im Wesentlichen unveränderte Regelungen in § 6 des jährlichen Haushaltsgesetzes8, die unter anderem eine Nettoveranschlagung ermöglichen bei Einnahmen, die aus Schadensersatzleistungen Dritter bei Ausgaben für Beihilfen , aus Erstattungen und Beiträgen Dritter bei den flexibilisierten sächlichen Verwaltungsausgaben sowie aus nachträglich gewährten Preisnachlässen bei Ausgaben für Trennungsgeld, Fahrtkostenzuschüssen , Umzugskostenvergütungen sowie für Dienstreisen resultieren. 3. Schlussfolgerungen Die praktizierte Nettoveranschlagung von Erstattungen der vom Bund erbrachten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufgrund von Verpflichtungserklärungen Dritter steht mit dem geltenden Haushaltsrecht und der Haushaltspraxis in Einklang. Hierdurch werden weder die Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof9 noch die Erhebung der Einnahmen und Ausgaben im Rahmen der Grundsicherung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung zur Erhebung der Daten nach § 51 b des SGB II10 beeinträchtigt. *** 8 Vgl. z. B. Haushaltsgesetz 2019 vom 17.12.2018, BGBl. I S. 2528. 9 Es steht im Ermessen des Bundesrechnungshofs, die Einnahmen aus den Erstattungen Dritter anhand der Buchungsunterlagen vor Ort zu prüfen. Vgl. Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 32. Erg.-Lfg. Januar 1995, § 89 BHO Rn 3. 10 Die Erstattungsleistungen von Verpflichtungsgebern stellen keine Einnahmen im Sinne des SGB II dar, da sie nach §§ 68, 68a Aufenthaltsgesetz erbracht werden. Hinsichtlich der Ausgaben im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sieht § 1 Abs. 3 der genannten Verordnung eine Erhebung von Bruttoausgaben nicht vor.