© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 002/20 Haushaltsrechtliche Aspekte der staatlichen Schadensausgleichsleistungen an Betroffene der Thomas-Cook-Insolvenz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 002/20 Seite 2 Haushaltsrechtliche Aspekte der staatlichen Schadensausgleichsleistungen an Betroffene der Thomas-Cook-Insolvenz Aktenzeichen: WD 4 - 3000 – 002/20 Abschluss der Arbeit: 14. Januar 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 002/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Erfordernis einer haushaltsrechtlichen Ausgabeermächtigung 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 002/20 Seite 4 1. Fragestellung Dem Auftrag liegt die Frage zugrunde, ob das geplante Vorgehen der Bundesregierung, den Thomas-Cook-Kunden den Schaden in Höhe der Differenz zwischen ihrer Zahlung und den erhaltenen Erstattungsleistungen Dritter bei gleichzeitiger Abtretung der Ansprüche der Betroffenen gegen Dritte an den Bund auszugleichen, mit dem Haushaltsrecht vereinbar ist. 2. Erfordernis einer haushaltsrechtlichen Ausgabeermächtigung Der von der Bundesregierung geplante Schadensausgleich führt zu Ausgaben, die voraussichtlich im Haushaltsjahr 2020 fällig werden. Aus haushaltsrechtlicher Sicht bedarf daher die Realisierung des geplanten Vorgehens der Bundesregierung einer entsprechenden Ausgabeermächtigung, die – soweit ersichtlich – im Haushaltsplan 2020 nicht enthalten ist. In Betracht könnte allerdings eine außerplanmäßige Ausgabeermächtigung kommen. Nach § 37 Abs. 1 Bundeshaushaltsordnung (BHO)1 i.V.m. Art. 112 GG bedürfen überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgabeermächtigungen der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen (BMF). Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden. Abweichend vom Budgetrecht des Haushaltsgesetzgebers räumen vorstehende Vorschriften dem BMF als Haushaltsminister eine subsidiäre Notbewilligungskompetenz ein, unter bestimmten Voraussetzungen anstelle des Haushaltsgesetzgebers Ermächtigungen zur Leistung von Ausgaben zu erteilen, die im Haushaltsplan nicht oder nicht in der notwendigen Höhe vorgesehen sind.2 Eine benötigte Ausgabeermächtigung ist außerplanmäßig, wenn für den vorgesehenen Zweck im Haushaltsplan eine Ausgabeermächtigung fehlt. Eine überplanmäßige Ausgabeermächtigung liegt dagegen vor, wenn eine im Haushaltsplan für den vorgesehenen Zweck erteilte Ausgabeermächtigung hinsichtlich ihres Gesamtbetrages überschritten wird. Das BMF darf sein Notermächtigungsrecht nur als Ausnahme ausüben, d. h. nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses. Die Unabweisbarkeit einer über- oder außerplanmäßigen Ausgabeermächtigung erfordert neben dem Vorliegen der sachlichen Dringlichkeit auch, dass aus zeitlichen Gründen die Leistung von Ausgaben keinen Aufschub duldet. Voraussetzung hierfür ist, dass die beantragte Ausgabeermächtigung nicht bis zum nächsten regulären Haushaltsgesetz zurückgestellt oder für sie ein Nachtragshaushalt rechtzeitig herbeigeführt werden kann.3 Von einer Beurteilung der Frage, ob die Herbeiführung eines Nachtragshaushalts zeitlich möglich oder anderenfalls eine über- oder außerplanmäßige Bewilligung nötig ist, kann 1 Vom 19.8.1969, BGBl. I S. 1284, zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 14.8.2017, BGBl. I S. 3122. 2 Vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetzes Lfg. 51, Dezember 2007, Art. 112 Rn 1. 3 BVerfGE 45, 1, 37; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Kommentar zum GG, Band III, 2. Auflage 2008, Art. 112, Rn 13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 002/20 Seite 5 das BMF gemäß § 37 Abs. 1 Satz 3 BHO absehen, wenn bestimmte in den jährlichen Haushaltsgesetzen 4 festgelegte Beträge nicht überschritten werden oder wenn Rechtsverpflichtungen zu erfüllen sind. Wird die Betragsgrenze der Ausgabeermächtigung in Höhe von 5 Millionen Euro nach § 4 Abs. 1 Haushaltsgesetz 2020 überschritten, muss der Haushaltsausschuss des Bundestages vor der Bewilligung durch das BMF unterrichtet werden, soweit nicht aus zwingenden Gründen eine Ausnahme geboten ist. *** 4 Vgl. z. B. § 4 Haushaltsgesetz 2020 vom 21.12.2019, BGBl. I S. 2890.