Deutscher Bundestag Kanadas Banken in der Finanzkrise Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 – 002/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 2 Kanadas Banken in der Finanzkrise Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 – 002/13 Abschluss der Arbeit: 24. Januar 2013 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Bankenaufsicht / Finanzmarktregulierung 4 2.1. Allgemein 4 2.2. Arbeitsweise des OSFI 6 3. Gründe für die Stabilität kanadischer Banken in der Finanzkrise 7 3.1. Kanadische Mentalität 7 3.2. Kennziffern der kanadischen Banken 8 3.2.1. Hohe Kernkapitalquoten 8 3.2.2. Kapitalisierung 9 3.2.3. Liquidität 9 3.3. „Leveraging Cap“ 10 3.4. Finanzierungsstrukturen 11 3.4.1. Finanzierung über Einlagen vs. Wholesale Funding 11 3.4.2. Eigenheimfinanzierung und Hypothekenmarkt 11 4. Historischer Exkurs: Zusammenschlüsse mit Investmenthändlern 13 5. Ad-hoc-Maßnahmen während der Krise 13 6. Fazit 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 4 1. Einleitung Kanadas Banken haben die sogenannte Finanzkrise weitgehend unbeschadet überstanden und gerade im Vergleich zu anderen Banken großer Volkswirtschaften besonders gute Ergebnisse in der kritischen Zeit ausgewiesen. Im Jahre 2009 wurden sie im „Global Competitive Report“ des World Economic Forums im weltweiten Vergleich an erster Stelle in der Rubrik „Stabilität der Banken“ geführt.1 Insbesondere zu erwähnen ist die Tatsache, dass die kanadischen Banken keinerlei finanzielle Staatshilfe in Anspruch nehmen mussten, um die Krise zu überstehen.2 Derzeit werden die sechs großen Banken Kanadas3 in der Literatur häufig zum Anlass genommen, um Eigenheiten und systemische Aspekte des kanadischen Banken- und Finanzmarktes zu ergründen und aus diesen zu lernen. Nachfolgend sollen die Gründe für die positive Performance während der Krise beleuchtet werden . Dabei soll besonderes Augenmerk auf die Finanz- und Bankenaufsicht in Kanada gelegt werden. 2. Bankenaufsicht / Finanzmarktregulierung 2.1. Allgemein Institutionell setzt sich das kanadische Regulierungs- und Aufsichtssystem auf nationaler Ebene im Kern wie folgt zusammen: Das Finanzministerium (Department of Finance, DOF) trägt die grundsätzliche Verantwortung für die Stabilität der nationalen Finanzpolitik. Dabei übt es besonderen Einfluss über die Gesetzgebung aus. Die kanadische Nationalbank (Bank of Canada, BOC) greift in das finanzielle Geschehen unter anderem durch ihre Währungspolitik und ihren in der Natur der Sache verankerten Überblick über die systemrelevanten Zahlungs-, Clearing- und Abrechnungsvorgänge ein. Das „Office of the Superintenent of Financial Institutions“ (OSFI) ist verantwortlich für die ständige Regulierung und Aufsicht der Banken und Pensionspläne. Daneben gibt es die „Canada Deposit Insurance Corporation“ (CDIC), welche die Einlagen Privater bis zur Höhe von CAD 100.000 schützt, sofern diese wiederum bei einem der CDIC angeschlossenen Institut verwaltet werden.4 Zuletzt ist die „Financial Consumer Agency of Canada“ (FCAC) zu erwähnen, welche auf nationaler Ebene Aufklärungsarbeit im Hinblick auf Finanzprodukte leistet.5 1 World Economic Forum, unter: http://www3.weforum.org/docs/WEF_GlobalCompetitivenessReport_2008- 09.pdf, aufgerufen am 09.01.2013. 2 Financial Stability Board (FSB): Peer Review of Canada, 30.01.2012, S. 5, 11. 3 Diese sind: Bank of Montreal, Bank of Nova Scotia, Canadian Imperial Bank of Commerce, National Bank of Canada, Royal Bank of Canada, TD Canada Trust. 4 CDIC, unter: http://www.cdic.ca/Pages/default.aspx, aufgerufen am 16.01.2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 5 Das Aufsichtssystem in Kanada ist geprägt von der Unabhängigkeit der einzelnen Aufsichtsorgane . Zwar arbeiten die Organe zweckgerichtet Hand-in-Hand; jedoch ist jedes Organ mit eigenen Befugnissen ausgestattet, welche zumeist nicht auf staatlichen Gesetzen fußen, sondern Ausfluss der Tätigkeit des einzelnen Organs sind.6 Eine Besonderheit des kanadischen Aufsichtssystems besteht darin, dass auch die einzelnen Provinzen 7 mit Aufsichtsorganen ausgestattet sind. Zwar verbleibt die Aufsichtstätigkeit über Banken grundsätzlich auf nationaler Ebene beim OSFI; jedoch sind die Provinzorgane parallel zuständig , wenn es um Töchter von Großbanken geht, welche Treuhandgeschäfte oder Wertpapierhandel betreiben. Hingegen sind im Falle von Volksbanken nahezu immer die provinziellen Behörden zuständig. Einige Produkte unterfallen einer zweigeteilten Kontrolle durch nationale und provinzielle Aufsicht wie z. B. Pensionspläne. Ähnlich werden beispielsweise Treuhänder oder Lebensversicherer behandelt, welche hinsichtlich ihres Marktverhaltens durch die provinziellen Behörden und hinsichtlich der übrigen Aufsicht durch die nationalen Behörden beaufsichtigt werden.8 Im Hinblick auf den Wertpapierhandel besteht in jeder der Provinzen ein eigenes Aufsichtsorgan. Sobald ein Wertpapierhandelshaus auf den Markt einer anderen Provinz vordringen will, muss es durch die dort ansässige Aufsichtsautorität zugelassen werden.9 Die einzelnen Aufsichtsorgane vereinen sich wiederum zur besseren Organisation der einzelnen Finanzmärkte und zur Harmonisierung der Gesetzgebung unter der sogenannten „The Canadian Securities Administrators“ (CSA).10 Die Zusammenarbeit zwischen nationalen und provinziellen Autoritäten wird koordiniert und harmonisiert durch: 5 FSB, a.a.O., S. 9f.; Porter, Tony: Canadian Banks in the financial and economic crisis, Vortrag im Rahmen des “Policy Responses to Unfettered Finance Workshop” in Ottawa vom 08.06.2010, S. 4. 6 Northcott, Carol Ann / Paulin, Graydon / White, Mark: Lessons for banking reform: A Canadian perspective, in: Central Banking, Volume 19, Nr. 4, 2009, S. 46; Price, Ted: Development in Bank Supervision – a Canadian Perspective , Office of the Superintendent of Financial Institutions Canada, 14.05.2010, S. 3. 7 Kanada ist unterteilt in 10 Provinzen und 3 Territorien. Die Provinzen sind mit souveränen Rechten ausgestattet , welche sie aus der Verfassung von 1867 ableiten. Die Territorien hingegen werden durch die nationale Regierung legitimiert: FSB, a.a.O., S. 8, Fn. 5; Die Aufgaben der Territorien sind im Rahmen dieser Arbeit zu vernachlässigen . Für eine Übersicht der Provinzen und Territorien vgl. die Website von Kanada, unter: http://canada.ca/othergov-autregouv/prov-eng.html, aufgerufen am 21.01.2013. 8 FSB, a.a.O., S. 10; Price, a.a.O., S. 5. 9 Dieser Vorgang scheint in der Regel jedoch unproblematisch: Die Anerkennung des Wertpapierhändlers in einer Provinz berechtigt diesen, im Zuge eines sogenannten „Passport-Systems“ auch in einer anderen Provinz anerkannt zu werden; vgl. FSB, a.a.O., S. 10. 10 FSB, a.a.O., S. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 6 „The Financial Institutions Supervisory Committee“ (FISC), deren Vorsitz die Vorsitzende der OFSI inne hat. Dieses Organ erfüllt vor allem informationelle Aufgaben; „The Senior Advisory Committee“, welches durch den stellvertretenden Finanzminister geleitet wird und hauptsächlich als Diskussionsforum für Anliegen auf dem fiskalpolitischen Markt dient und dem Finanzminister als Referenz dienen soll; „The Heads of Agencies Committee“, welches durch den Präsidenten der BOC geleitet wird und welchem die vier größten provinziellen Regulierer sowie der Vorstand der CSA beisitzen. Vor allem dient es dem Informationsaustausch mit besonderem Fokus auf allgemeinbedeutende Themen wie Hedgefonds und OTC Derivate.11 2.2. Arbeitsweise des OSFI Nach diversen Problemen und Konkursen einiger Finanzinstitute in den Jahren 1980-2000 versuchte man, die Aufsichtsarbeit durch klare und stringente Regeln zu vereinfachen und gleichzeitig effektiver zu gestalten. Mittlerweile ist der Auftrag des OSFI klar formuliert, indem es die Interessen der Anleger schützen, aber den Finanzinstituten gleichzeitig Raum zum effektiven Agieren am Markt, gegebenenfalls bei adäquatem Risiko, einräumen soll. Dabei geht es vor allem darum, dass die Stabilität und Kreditwürdigkeit der Banken nicht durch wettbewerbsorientierte Ziele nachteilig beeinflusst werden. Das OSFI ist damit vorrangig dem Schutz des Anlegers verschrieben , mittelbar natürlich auch dem Schutz des kanadischen Finanzsystems; dieser Fokus erleichtert die Aufsicht dahingehend, dass die Aufseher ihre Prüfungen klar umreißen können und auch herausgearbeitet werden kann, ob finanzielle Risiken bestehen oder nicht.12 Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass das OSFI einen transparenten „principlesbased “-Ansatz bei der Regulierung und Aufsicht verfolgt. Principle-based bedeutet, dass das OSFI eigene Richtlinien („Guidances“)13 erlässt, welche nach dessen Auffassung dafür sorgen, dass das Management eine Bank angemessen leiten kann. In diesen Richtlinien werden die Ziele der Regulierung und Aufsicht formuliert. Dabei ist das OSFI auf die Rückmeldung des jeweiligen Managements sowie auf die hausinternen Prüfungen und die eigenen Risikoanalysen angewiesen . Das OSFI prüft im Einzelnen die von der jeweiligen Bank vorgelegten Unterlagen und versucht anhand derer den Zustand, die typischen Risiken und etwaige Abhilfemaßnahmen zu evaluieren . Auf diese Weise soll unter anderem festgestellt werden, ob die Banken sich angemessener Kontrollmechanismen bedienen. Bei der Prüfung kann sich die OFSI gegebenenfalls externer Prüfer bedienen, um ihre Studien und Erkenntnisse zu diversifizieren.14 Insbesondere nimmt der Superintendent des OSFI auch an Board-Meetings der Banken teil.15 Den großen Vorteil dieses Ansatzes sieht das OSFI vor allem darin, dass es flexibler auf Veränderungen im Markt reagieren kann, da die Richtlinien der OSFI keiner weiteren Rechtsgrundlage bedürfen. Während der Krise 11 FSB, a.a.O., S. 10f. 12 FSB, a.a.O., S. 20; Price, a.a.O., S. 3f. 13 OSFI, unter: http://www.osfi-bsif.gc.ca/osfi/index_e.aspx?DetailID=527, aufgerufen am 17.01.2013. 14 FSB, a.a.O., S. 18f. 15 Freeland, Chrystia: What Toronto can teach New York and London, in: Financial Times vom 29.01.2010. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 7 beispielsweise hat das OSFI reagiert und befristete Richtlinien erlassen, um unerwünschte Vorgehensweisen der Banken zu vermeiden sowie diesen mehr Flexibilität zu gewähren. Die Transparenz dieser Vorgehensweise ergibt sich aus dem von dem OSFI herausgegebenen „Guide to Intervention for Federally Regulated Deposit-Taking Institutions“, welcher zum einen klarstellt, welche Maßnahmen eine Bank zu erwarten hat, wenn deren Existenzfähigkeit bedroht ist, und zum anderen die Rolle des OSFI und der CDIC in einem solchen Fall erklärt.16 Die regulatorischen Maßnahmen des OSFI richten sich weitestgehend nach den individuellen Bedürfnissen des beaufsichtigten Finanzinstituts. Es zieht dabei besonders die grundlegenden individuellen Risiken und die Qualität des Risikomanagements des jeweiligen Kreditinstituts heran. Das OFSI hat die Befugnis, jedem einzelnen Bankinstitut Vorgaben zu machen, auf welche diese hinarbeiten müssen, wobei diese Vorgaben wiederum individuell abgestimmt werden. Dabei versteht sich das OSFI gewissermaßen als einen Teil des jeweiligen Finanzinstituts und arbeitet unter anderem vor dem Hintergrund dieser individuellen Vorgaben darauf hin, dass ein Finanzinstitut nachhaltig funktioniert. Das OSFI versteht sich in gewisser Weise als der „Chef- Risikomanger“17 der jeweiligen Bank.18 3. Gründe für die Stabilität kanadischer Banken in der Finanzkrise 3.1. Kanadische Mentalität Zuvorderst muss die Mentalität der Kanadier beschrieben werden, denn sie ist als eine Grundlage für den Erfolg der Kanadier in der Krise anzuerkennen. Die Kanadier gelten als sehr konservativ, zuweilen werden sie als langweilig bezeichnet.19 Der Dekan der Universität von Toronto führte aus, dass sich die Kanadier durch „Frieden, Ordnung und gute Staatsführung“ auszeichneten.20 Paul Volcker, früher Chef der U.S. Federal Reserve und früherer Berater vom U.S. Präsidenten Barack Obama bezeichnete die Kanadier als konservativ.21 Dies schlägt sich auch im Vorgehen der kanadischen Banken nieder, welche im Allgemeinen – von den Vorgaben des OSFI abgesehen – eine im Vergleich zu vielen anderen Banken der OECD-Staaten konservative Strategie verfolgten . Sie haben darauf verzichtet, in großem Maße mit Hypotheken zu handeln22 oder ähnli- 16 FSB, a.a.O., S. 18ff.; Northcott et al., a.a.O., S. 48. 17 Zitat von Julie Dickson, Superintendent of the OSFI, in einem Interview mit Chrystia Freeland: View from the Top: Julie Dickson, Superintendent OSFI, in: Financial Times vom 21.12.2009. 18 Northcott et al., a.a.O., S. 48; Freeland, What Toronto can teach New York and London. 19 vgl. Porter, a.a.O., S. 5, m.w.N. 20 vgl. Porter, a.a.O., S. 5, m.w.N. 21 vgl. Freeland: What Toronto can teach New York and London. 22 FSB, a.a.O., S. 13. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 8 che, heutzutage die Finanzkrise charakterisierende Geschäfte durchzuführen.23 Selbst der International Monetary Fund (IMF) rügte im Jahre 2007, kanadische Banken würden nicht ausreichend auf dem Markt für Verbriefung von Hypotheken in Wertpapierform teilnehmen.24 Trotz dieser konservativen Herangehensweise haben die kanadischen Banken in den Jahren vor der Krise eine Eigenkapitalrendite von durchschnittlich 13-20% erzielen können.25 Diese konservative Mentalität hatte zur Folge, dass schon vor der Krise Grundlagen gelegt wurden , um eine etwaige Finanzkrise unbeschadet zu überstehen: Fünf der sechs großen Banken wiesen am Ende des Jahres 2008 Gewinne aus und alle sechs Banken berichteten Gewinne im ersten Quartal des Jahres 2009. Northcott et al. beschreiben darüber hinaus ein mit diesem konservativen Ansatz einhergehendes Vertrauen der Kunden.26 3.2. Kennziffern der kanadischen Banken 3.2.1. Hohe Kernkapitalquoten Kanadische Banken unterlagen vergleichsweise hohen Kernkapitalanforderungen durch das OSFI. In der Theorie führen höhere Kernkapitalquoten dazu, dass höhere Verluste kompensiert werden können, ohne dass Zahlungsunfähigkeit droht. Daneben schafft eine höhere Kernkapitalquote finanziellen Spielraum in unsicheren Marktumgebungen.27 Vor und zu den Zeiten der Krise hatte das OSFI den Banken eine Kernkapitalquote von mindestens 7% und eine Gesamtkapitalquote von mindestens 10% auferlegt.28 Dessen ungeachtet hielten die kanadischen Banken am Ende des ersten Quartals 2009 eine sogar darüber hinausgehende Kernkapitalquote von durchschnittlich 10% und eine Gesamtkapitalquote von durchschnittlich 13%. Damit lagen die kanadischen Banken ohnehin weit über den Basel II-Vorschriften von 4% bzw. 8%.29 Im Vergleich der G7-Staaten hatte Kanada damit die höchsten Kernkapital- Anforderungen.30 23 So hatten die kanadischen Banken beispielsweise einen nur sehr kleinen Markt für Repo-Geschäfte; die durchgeführten Repo-Geschäfte wurden durch die Regierung oder durch staatlich garantierte Wertpapiere abgesichert, vgl. FSB, a.a.O., S. 13. 24 vgl. Freeland, What Toronto can teach New York and London. 25 Freeland, What Toronto can teach New York and London. 26 Northcott et al., a.a.O., S. 45ff. 27 Northcott et al., a.a.O., S. 49. 28 Porter, a.a.O., S. 4. 29 Zu Basel II vgl. Deutsche Bundesbank: Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II), unter: http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichtsaufsaetze/2001/200 1_04_basel.pdf?__blob=publicationFile, aufgerufen am 14.01.2013, S. 17ff. 30 Northcott et al., a.a.O., S. 46. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 9 Darüber hinaus wird als wesentlich angesehen, dass nicht nur diese Quantität des Kernkapitals zu der großen Stabilität kanadischer Banken beigetragen hat, sondern auch die Qualität. Beispielsweise gab Basel II vor, dass lediglich 2% des Kernkapitals aus Stammkapital bestehen musste; das OSFI verlangte davon abweichend eine Stammkapitalquote von mindestens 5% bzw. 75% vom Kernkapital.31 Schon an dieser Stelle soll erwähnt werden, dass die sehr vorsichtige Herangehensweise an die Kernkapitalquoten eine wichtige Grundlage für die gute Performance in der Krise war. Darüber hinaus konnten die kanadischen Banken seit dem Höhepunkt der Krise Mitte des Jahre 2008 Kernkapital in Höhe von rund CAD 14 Mrd. aufbringen. Auch dies ist als Indiz für ein großes Vertrauen in kanadische Banken zu werten.32 3.2.2. Kapitalisierung Ratnovski/Huang haben in einer Studie 72 Banken anhand ihrer Kennzahlen zum Ende des Jahres 2006 miteinander verglichen, darunter auch fünf der sechs großen kanadischen Banken.33 Dabei wurden einige bezeichnende Ergebnisse gefunden: Unter anderem haben sie diese Banken anhand einer Kapitalisierungs-Ratio34 verglichen. Diese Ratio soll einen Überblick geben über die Verwundbarkeit der verglichenen Banken in der Krise aufgrund von niedrigem Eigenkapital. Dabei fanden sie heraus, dass sich die kanadischen Banken im Mittelfeld dieser Statistik befanden; zwar waren ihre Kapitalisierungs-Ratios nicht besonders hoch, jedoch stark genug um Insolvenzgefahren zu vermeiden. Im Vergleich verloren 6 der 12 Banken mit den niedrigsten Kapitalisierungsquotienten über 85% ihres Equity-Wertes, darunter auch die Hypo Real Estate AG und die Commerzbank AG, sowie 4 von jenen 12 zwischen 70 – 85% ihres Eigenkapitalwertes, darunter auch die Deutsche Bank AG. Im Übrigen mussten 10 dieser 12 Banken erhebliche staatliche Finanzhilfen in Anspruch nehmen. 35 3.2.3. Liquidität Des Weiteren haben sich Ratnovski/Huang mit der Liquidität der 72 Banken auseinandergesetzt.36 Liquidität ist deswegen ein wichtige Faktor, da sie dazu gebraucht wird, um unvorhergesehenen Ereignissen und Verbindlichkeiten begegnen zu können. Illiquidität kann nicht zuletzt deswegen 31 Price, a.a.O., S. 7; Ratnovski, Lev / Huang, Rocco: Why Are Canadian Banks More Resilient, in: International Monetary Fund (IMF) Working Papers, WP/09/152, Juli 2009, S. 16. 32 Northcott et al., a.a.O., S. 46. 33 Ratnovski / Huang, a.a.O., S. 1ff.; von den 6 großen kanadischen Banken wurde einzig die National Bank of Canada nicht berücksichtigt. 34 Ratnovski / Huang, a.a.O., S. 6: In der Studie wie folgt berechnet: Kapitalisierung = Eigenkapital / Bilanzsumme. 35 Ratnovski / Huang, a.a.O., S. 6f. 36 In der Studie wie folgt berechnet: Liquidität = Liquide Mittel / Verbindlichkeiten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 10 die Gefahr einer Insolvenz beschleunigen.37 Auch hier haben sie festgestellt, dass kanadische Banken Ende 2006 zu denjenigen gehörten, welche mit einer vergleichsweise überdurchschnittlichen Liquiditätsrate ausgestattet waren. Hingegen hatten acht der zwölf am wenigsten liquiden Banken einen Equity-Wertverlust von mehr als 70%, vier der zwölf Banken waren auf signifikante Eingriffe der Regierung angewiesen.38 Die Autoren betonen allerdings auch, dass die Liquidität als Kennzahl in losgelöster Form nicht genügend Aussagekraft besäße, um verbindliche Aussagen über die Performance einer Bank in einer Krise zu treffen. Vielmehr müsse sie im Zusammenhang mit anderen Faktoren betrachtet werden. Insoweit kommen sie zu dem Schluss, dass die gesunde Liquiditätsrate kanadischer Banken einen Beitrag zu der guten Performance kanadischer Banken in der Krise geleistet habe.39 3.3. „Leveraging Cap“ Leveraging bedeutet, durch den Einsatz von Fremdkapital eine Hebelwirkung bei der Rendite zu erzielen und somit die Rendite exponentiell zu steigern. Dabei wird zwischen on-balance und off-balance Leveraging unterschieden. Besonders das off-balance Leveraging, welches insbesondere in den Formen von Verbriefungen von Krediten in Wertpapierform, Derivaten oder Darlehenszusagen auftritt, hat in besonderem Maße zum Entstehen der Finanzmarktblase beigetragen; während der Krise waren die hohen Leveragequoten nicht mehr tragbar, denn sie führten zu einem enormen Liquiditätsbedarf zur Absicherung von Ausfallrisiken. Deswegen mussten sie reduziert werden, was die Volatilität und letztlich auch den Abschwung der Finanzmärkte vorantrieb .40 Kanada hatte schon vor der Krise eine Bremse dieses Leveraging namens „assets-to-capital multiple “ (ACM) implementiert. Das ACM ist darauf ausgerichtet, exzessives Wachstum durch Risikoinvestitionen zu limitieren. Als Besonderheit im Vergleich zu anderen Märkten wurden in Kanada seit jeher die oben erwähnten „off-balance sheet“-Posten bei der Überwachung der Leveraging-Ratios einbezogen. Auf eine solche Einbeziehung wurde beispielsweise in den USA verzichtet.41 Überdies werden die ACM für jedes Kreditinstitut einzeln festgelegt, so dass die Quoten der individuellen Risikoverträglichkeit eines jeden Instituts angepasst werden. Je nach Eigenheiten der Bank wird ein individueller ACM-Wert ermittelt. In der Finanzkrise hatten die sechs großen Banken nach Berechnungen des OSFI einen durchschnittlichen ACM von 16:1; hin- 37 Armstrong, Jim / Caldwell, Gregory: Liquidity Risk at Banks: Trends and Lessons Learned from the recent Turmoil , in: Bank of Canada, Financial Systems Review, Dezember 2009, S. 47. 38 Ratnovski / Huang, a.a.O., S. 8f. 39 Ratnovski / Huang, a.a.O., S. 8. 40 Price, a.a.O., S. 5. 41 Price, a.a.O., S. 5f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 11 gegen gab es nach Angaben der OSFI vermehrt amerikanische und europäische Banken, welche mehr als doppelt so hohe ACM’s während der Finanzkrise vorgewiesen haben.42 3.4. Finanzierungsstrukturen 3.4.1. Finanzierung über Einlagen vs. Wholesale Funding Ratnovski/Huang haben sich in ihrer Studie weiterhin mit Finanzierungsstrukturen beschäftigt und dabei die Finanzierung über Einlagen mit der Finanzierung über den Wholesale-Markt verglichen .43 Sie haben festgestellt, dass unter den 72 verglichenen Kreditinstituten kanadische Banken weit überdurchschnittliche Möglichkeiten haben, sich aus den Einlagen der Kunden zu finanzieren , wohingegen andere Banken in weitaus höherem Maße auf die Refinanzierung auf dem Wholesalemarkt zurückgreifen.44 Dies scheint daran zu liegen, dass die Mehrheit der Depots kanadischer Einleger zu einem hohen Prozentsatz aus kleineren Einlagen besteht. Solche Einleger sind zumeist einer Bank länger verbunden als Großanleger.45 Von den zwölf Banken mit der höchsten Refinanzierung aus Wholesale Funding haben während der Krise sechs mehr als 85% ihres Equity-Wertes verloren, weitere vier zwischen 70 und 85%. Die Autoren stellen weiterhin fest, dass diese Art der Finanzierung ebenfalls wie bei dem schon angesprochenen Punkt Liquidität losgelöst kein Punkt ist, um die Stabilität der Banken in der Krise zu erklären, jedoch in der Summe mit den anderen Tugenden einen wichtigen Faktor für die Widerstandsfähigkeit kanadischer Banken während der Finanzkrise darstellt.46 3.4.2. Eigenheimfinanzierung und Hypothekenmarkt Der kanadische Hypothekenmarkt war in der Krise bei weitem nicht so anfällig wie beispielsweise der U.S.-Hypothekenmarkt. Man kann auch in diesem Zusammenhang erneut nicht die konservative Einstellung der kanadischen Bevölkerung hinwegdenken. Von der bekannten Diskussion über die sogenannten „Subprime-Hypotheken“ in den USA war die kanadische Bankenlandschaft kaum betroffen. Die meisten der Hypotheken waren nämlich „prime“. So lieferte eine Studie aus dem Jahre 2009 das Ergebnis, dass nur 5% der kanadischen Hypotheken subprime und 42 Porter, a.a.O., S. 4; Price, a.a.O., S. 6; Price hält es in diesem Zusammenhang für unausweichlich, einen solchen ACM in ähnlicher Form in die Basel-Reglementierungen aufzunehmen, um auf diese Weise das international stark ausgeprägte Leveraging zu kontrollieren, a.a.O., S. 6. 43 Ratnovski / Huang, a.a.O., S. 9ff.; in der Studie wie folgt berechnet: Ratio = (Finanzierung durch Einlagen) / Bilanzsumme. 44 Zu den Risiken des Wholesale Fundings vgl. Ratnovski / Huang, The Risks of Bank Wholesale Funding, März 2008. 45 Ratnovski / Huang, a.a.O., S. 11. 46 Ratnovski / Huang, a.a.O., S. 9ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 12 25% verbrieft waren im Vergleich zu den USA, wo zu demselben Zeitpunkt 25% der Kredite subprime und 60% verbrieft waren.47 Des Weiteren ist festzuhalten, dass der kanadische Hypothekenmarkt grundsätzlich nicht auf den Handel ausgerichtet ist. Die Hypothekengeber halten die ausgegebenen Hypotheken zumeist und handeln nicht damit, etwa in Form von Verbriefungen.48 Darüberhinaus sind auf dem kanadischen Markt diverse Abwandlungen oder Optionen der Hypothekenfinanzierung, welche heutzutage unter anderen für die Subprimekrise verantwortlich gemacht werden, nicht bekannt, wie z.B. anpassbare Zinsen, Zahlung nur der Zinsen ohne Tilgung, Zahlung von Beträgen unter dem Zinssatz.49 Der kanadische Gesetzgeber hat darüber hinaus bestimmt, dass alle Hypotheken mit einer „Loanto -Value Ratio“ (LTV)50 größer als 80 % entweder durch die „Canada Mortgage and Housing Corporation “ (CMHC)51 oder durch einen privaten Hypothekenversicherer in voller Höhe gegen den Ausfall versichert werden müssen. Alle privaten Versicherer haben wiederum Verträge mit der Regierung, wonach 90% der Eigenheimhypotheken im Falle des Ausfalls des privaten Versicherers durch den Staat abgesichert sind. Fast die Hälfte aller Hypotheken in Kanada sind versichert .52 Weiterhin können die Hypothekenzinsen steuerlich nicht abgesetzt werden, wodurch ein Anreiz für den Hypothekennehmer geschaffen wurde, die Hypothek pünktlich abzubezahlen.53 Anfang des Jahres 2008 wurden erfolgreich Maßnahmen vorgenommen, um einem starken Anstieg der Häuserpreise vorzubeugen und damit hohe Schulden der privaten Haushalte zu vermeiden . Hinsichtlich der staatlich garantierten Versicherungen von Hypotheken senkte man den maximalen Amortisationszeitraum von vierzig auf dreißig Jahre; die LTV-Ratios wurden hinsichtlich einer vermeintlichen Versicherungsgewährung verschärft; die einmalige Abschlagszahlung für Grundstücke, die der Käufer nicht selbst bewohnt, wurde von 5% auf 20% angehoben; Hypothekennehmer mussten die (strengeren) Bedingungen für eine Zinsanpassung erst nach fünf Jahren erfüllen, auch wenn sie diesen gar nicht in Anspruch nehmen wollten; es wurden strengere Anforderungen an Bonität und Kreditdokumentation gestellt.54 47 IMF, Canada Staff Report for the 2009 Article IV Consultation, IMF Country Report No. 09/162, Mai 2009, unter: http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2009/cr09162.pdf, aufgerufen am 10.01.2013, S. 5. 48 FSB, a.a.O., S. 13. 49 Canadian Bankers Association: Canada’s Strong Banking System: Benefitting Canadians, vom 16.11.2012, unter: http://www.cba.ca/en/media-room/50-backgrounders-on-banking-issues/469-canadas-strong-banking-systembenefiting -canadians, aufgerufen am 10.01.2013. 50 LTV = (Höhe der Hypothek) / (Wert des besicherten Objektes). 51 Die CMHC gehört dem Staat, vgl. Porter, a.a.O., S. 5. 52 Porter, a.a.O., S. 5. 53 Porter, a.a.O., S. 5. 54 FSB, a.a.O., S. 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 13 4. Historischer Exkurs: Zusammenschlüsse mit Investmenthändlern In den 1980er Jahren gab es eine Welle von Zusammenschlüssen kommerzieller Banken mit selbstständigen Investmenthäusern. Das lag daran, dass das Wertpapierhandelsgeschäft bis dahin historisch bedingt größtenteils in Händen privater Investmenthäuser lag. In Zeiten des wachsenden Wettbewerbs und steigender Nachfrage nach Kapital sowie bedingt durch verschiedene Marktunwägbarkeiten war diese Marktstruktur kaum tragfähig, so dass von legislativer Seite Regelungen geschaffen wurden, welche Zusammenschlüsse der kommerziellen Banken mit den Investmenthäusern erlaubten. Fünf der 6 großen kanadischen Banken schlossen sich daraufhin mit den bedeutenden Investmenthäusern zusammen; die sechste der großen Banken baute eine eigene Wertpapierhandelsabteilung auf.55 Die Folge war, dass die Investmentbanking-Vorgänge mittelbar unter die Kontrollen und Vorgaben des OSFI fielen. Das OSFI konnte somit seine Kontrollen auf den Wertpapierhandel erstrecken . Damit war eine den Einschätzungen des OSFI zu dem jeweiligen Kreditinstitut adäquate Herangehensweise der Wertpapierhändler gesichert. Gleichzeitig unterfielen die Wertpapiersparten den ohnehin konservativ eingestellten Banken, so dass sich eine gewisse natürliche Regulierung des Wertpapierhandels zwangsläufig ergeben musste.56 5. Ad-hoc-Maßnahmen während der Krise Die einzelnen Behörden haben während der Finanzkrise zügig und effektiv reagiert. Besonders haben sie sich einiger makroökonomischer Handlungsweisen bedient, die Wachsamkeit der Aufsichtsorgane geschärft, Zugang zu liquiden Mitteln erweitert und aufkommende Probleme aktiv bearbeitet.57 In der Krise hat sich die Flexibilität der kanadischen Behörden durch die Verabschiedung des „Bank of Canada Act“ gezeigt, welcher den Spielraum der BOC erweitert und somit für größere Flexibilität im Markt gesorgt hat. Daneben hat die BOC in der Krise ausnahmsweise diverse Möglichkeiten der Liquiditätsbeschaffung kreiert. Nachdem das Gröbste der Finanzkrise überstanden war, senkte die BOC im Jahre 2009 den Leitzins auf ein Allzeittief von 0,25%. Darüberhinaus wurden im Januar 2009 Steuervergünstigungen in Höhe von 4% des Bruttoinlandsproduktes über zwei Jahre gewährt. Überdies wurde der „Extraordinary Financing Framework“ etabliert, welcher 55 Canada’s Department of Finance: Factsheet on Canada’s Securities Industry, January 2005, unter: http://www.fin.gc.ca/activty/factsheets/cansec05_e.pdf, aufgerufen am 10.01.2013, S. 2. 56 Heinrich, Erik: Why Canada’s Banks Don’t Need Help, in: TIME vom 10.11.2008, unter: http://www.time.com/time/business/article/0,8599,1855317,00.html, aufgerufen am 10.01.2013. 57 FSB, a.a.O., S. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 14 durch gezielte Maßnahmen Kreditinanspruchnahme durch Haushalte und Unternehmen antreiben sollte.58 Darüber hinaus sah die kanadische Regierung Handlungsbedarf auf dem Markt für „Asset Backed Commercial Papers“ (ABCP). Diese sind mit Assets unterlegte Geldmarktpapiere, wie zum Beispiel verbriefte Forderungen, welche zu einem Portfolio geschnürt und anschließend zur Liquiditätsgenerierung verkauft werden.59 Dieser Markt war äußerst labil, da viele Unsicherheiten über die Qualitäten der unterlegten Assets und des damit verbundenen Leveraging bestand und sich deswegen viele Marktteilnehmer zurückzogen. Problematisch waren in diesem Zusammenhang solche ABCP, welche von selbstständigen Emittenten herausgegeben wurden und nicht durch dahinterstehende Banken gesichert wurden. Diese Emittenten hatten sehr schnell Liquiditätsprobleme . Im Rahmen des sogenannten „Montréal Accord“ stellte die Regierung zusammen mit den provinziellen Regierungen finanzielle Mittel bereit, damit sich die Privatemittenten neu strukturieren konnten. Diese Maßnahme trug ebenfalls in großem Maße zur Stabilisierung der Märkte bei.60 Des Weiteren erließ die kanadische Regierung während der Krise das sogenannte „Insured Mortgage Purchase Program“ (IMPP). Dabei bot die Regierung den Hypothekengebern an, die von der CMHC oder von privaten Institutionen versicherten Hypotheken abzukaufen. Die Hypothekengeber erhielten im Austausch liquide Mittel; die Regeirung brachte auf diese weise CAD 125 Mrd. in Umlauf. Diese Vorgehensweise sollte es den Banken erlauben, in dem angespannten Markt einen gewissen Spielraum zu erhalten, um neue Hypotheken auszugeben. Des Weiteren wollte man die kanadischen Banken im Wettbewerb mit ausländischen Anbietern stärken, welche ihrerseits durch staatliche Finanzhilfen unterstützt wurden.61 6. Fazit Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die kanadischen Behörden frühzeitig mit den Finanzmarktrisiken auseinandergesetzt und dabei das kanadische Aufsichts- und Regulierungssystem derartig ausgestaltet haben, dass sie im Hinblick auf die kanadischen Bedürfnisse eine adäquate Kontrolle geschaffen haben. Die Kernannahme, welche auch weiterhin in Kanada propagiert wird, ist, dass es kein „one-size-fits-all“-Modell geben kann. Dabei vertraut das OSFI seinem principles-based Ansatz, anders als andere Staaten, welche die Aufsicht über einen rein normativen Ansatz verfolgen.62 58 FSB, a.a.O., S. 11f. 59 Aktueller Begriff der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages: Asset Backed Securities und die Subprime-Krise, Nr. 181/08 vom 15.10.2008. 60 FSB, a.a.O., S. 14, 22 ff. 61 Porter, a.a.O., S. 5; Kanadisches Parlament, unter: http://www.parl.gc.ca/Content/LOP/ResearchPublications/prb0856-e.htm, aufgerufen am 23.01.2013. 62 Porter, a.a.O., S. 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 002/13 Seite 15 Kanada hat im Rahmen seiner Aufsichtsbemühungen versucht, auf lokale und nationale Bedürfnisse zu reagieren, obgleich es dabei nie den internationalen Wettbewerb außer Acht lassen durfte , denn die teilweise immensen Renditen in anderen Ländern bedeuteten einen bemerkenswerten Wettbewerb. Doch auch hier zeigt sich die Mentalität der Kanadier einmal mehr, da diese es gar nicht darauf angelegt haben, beispielsweise in den benachbarten USA auf die Jagd nach hohen Renditen zu gehen. Im Umkehrschluss wird das kanadische Aufsichtssystem von vielen als Grundlage des Vertrauens kanadischer Bürger in das Finanzsystem in den Zeiten der Finanzkrise gesehen. Auch hat die konservative Verhaltensweise der Banken im Zusammenspiel mit dem beschriebenen Einlagensicherungssystem einen enormen Einfluss auf das Vertrauen der Kunden kanadischer Banken gehabt.63 Daneben muss die Finanzmarktstabilität auch als Ganzes betrachtet werden. Unsicherheiten oder Missstände in einer Bank können eine gewisse Unsicherheit auslösen, welche sich schnell auf den gesamten Markt auswirkt. An dieser Stelle wirkt sich die Harmonie der Maßnahmen durch die kanadischen Behörden sowie insbesondere das Risikobewusstsein des OSFI zur Vermeidung von Krisensituationen aus. Soweit die angesprochenen Kennzahlen betroffen sind, so wurde herausgearbeitet, dass diese in der Krise nicht nur jede für sich solide waren, sondern gerade in ihrem Zusammenspiel ein bedeutendes Maß an Stabilität geboten haben. Ratnovski/Huang haben in ihrer Studie mehrfach betont, dass die einzelnen von ihnen analysierten Kennzahlen für sich genommen keine so große Aussagekraft besitzen wie bei gemeinsamer Betrachtung.64 Darüber hinaus haben die kanadischen Banken vernünftig agiert und hohe Kernkapitalquoten, welche sogar teilweise über den Vorgaben des OSFI lagen, aus eigenen Sorgfaltserwägung heraus implementiert. Ebenso wirkte sich beispielsweise die hohe Liquidität aus: So waren kanadische Banken in der Lage, kritische Situationen abzufedern und folglich erst gar nicht schlechte Nachrichten mit eventuellen Seiteneffekten für den kanadischen Finanzmarkt entstehen zu lassen.65 In regulatorischer Hinsicht war sicherlich der Leverage Cap ein entscheidender Faktor, welcher in der tiefen Krise vielen Problemen die Grundlage entzog. Letztendlich schien in der Finanzkrise eine perfekte Geschäftsbeziehung zwischen Kunde und Bank bestanden zu haben: Die Banken haben jahrelang durch ihr umsichtiges Geschäftstreiben eine Sphäre des Vertrauens geschaffen, welches die Kunden in der Finanzkrise derart zurückgegeben haben, dass die Banken während der Krise trotz der unsicheren Marktgegebenheiten ihr Kernkapital um ca. CAD 14 Mrd. erhöhen konnten.66 63 Northcott et al., a.a.O., S. 47. 64 Ratnovski / Huang, a.a.O., S. 8, 10. 65 Armstrong / Caldwell, a.a.O., S. 47. 66 Northcott et al., a.a.O., S. 46.