© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Umgang mit festgesetzten Gewinnen aus schweren Straftaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 2 Umgang mit festgesetzten Gewinnen aus schweren Straftaten Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Abschluss der Arbeit: 22. Januar 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Aufgabe der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen nach Eingang einer Verdachtsmeldung (WD4) 4 1.1 Eingang der Meldung 4 1.2 Operative Analyse 4 1.3 Abschluss der operativen Analyse 5 1,4 Fristfälle gem. §§ 43 Abs. 1, 46 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 2 GwG 6 2. Entziehung von Geldern (WD7) 6 2.1. Zuständigkeitsverteilung 6 2.2. Zuweisung der eingezogenen Gelder 9 2.3. Die statistische Erfassung der eingezogenen Gelder 11 3. Konsequenzen der „Arbeitsfehler“ der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (WD4) 12 3.1. Zivilrechtliche Relevanz 12 3.2. Strafrechtliche Relevanz 12 3.2.1. Strafbarkeit bei Kenntnis einer Straftat 12 3.2.2. Strafbarkeit im Falle der Überlastung einer Behörde 13 3.3. Finanzielle Konsequenzen der „Arbeitsfehler“ 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 4 1. Aufgabe der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen nach Eingang einer Verdachtsmeldung (WD4) Die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen – Financial Intelligence Unit (FIU) – ist die nationale Zentralstelle für die Entgegennahme, Sammlung und Auswertung von Meldungen über verdächtige Finanztransaktionen, die im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung stehen könnten. Sie ist als funktional eigenständige Behörde organisatorisch in die Generalzolldirektion eingebettet und arbeitet im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse fachlich unabhängig. Strafrechtliche Ermittlungen im Bereich der Geldwäsche werden ausschließlich durch die dafür zuständigen Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden des Bundes und der Länder sowie gegebenenfalls durch Zoll- und Steuerfahndung durchgeführt.1 1.1 Eingang der Meldung § 28 Nr.1 des Geldwäschegesetzes (GwG)2 beschreibt den ersten Schritt der Tätigkeit der FIU, welcher zugleich Grundlage nahezu sämtlicher weiterer Tätigkeiten der Behörde ist: Die Entgegenahme , Sammlung und Speicherung der Meldungen und Informationen. Die Befugnis der FIU hierzu findet sich in § 30 Abs. 1 GwG. 1.2 Operative Analyse Gem. § 30 Abs. 2 GwG soll die FIU die ihr übersandten Meldungen nach §§ 43 und 44 GwG sowie die Mitteilungen der Finanzbehörden nach § 31b AO jeweils einzelfallbezogen im Rahmen der operativen Analyse dahingehend untersuchen, ob der betroffene Vermögensgegenstand mit Geldwäsche, mit Terrorismusfinanzierung oder mit einer sonstigen Straftat im Zusammenhang stehen.3 Eine Definition des Begriffs der operativen Analyse findet sich weder in der 4. EU-Geldwäscherichtlinie , noch im Geldwäschegesetz. Eine Definition der „operativen Analyse“– gleichfalls im Zoll-Kontext – findet sich jedoch im Beschluss 2009/917/JI des Rates vom 30. 11. 2009 über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich in Art.2 Nr. 4, demzufolge im Sinne des Beschlusses der Ausdruck „‚operative Analyse‘ die Analyse der Handlungen [bezeichnet], die gegen einzelstaatliche Rechtsvorschriften verstoßen oder zu verstoßen scheinen, und zwar durch folgende Schritte: 1 Hierzu im Ganzen Bundesministerium der Finanzen, Erste Nationale Risikoanalyse – Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung 2018/2019, Stand: 19. Oktober 2019, S. 39, abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium .de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2019-10-19-erste-nationale-risikoanalyse _2018-2019.html. 2 Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz) vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1822), das zuletzt durch Artikel 269 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist. 3 vgl. auch die Gesetzesbegr. BT-Drs. 18/11555, 140. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 5 a) Sammlung von Informationen, einschließlich personenbezogener Daten; b) Prüfung der Zuverlässigkeit der Informationsquelle und der Information selbst; c) Recherche, methodische Darstellung und Auswertung der Verbindung zwischen diesen Informationen oder zwischen diesen Informationen und anderen signifikanten Daten; d) Formulierung der Feststellungen, Hypothesen oder Empfehlungen, die durch die zuständigen Behörden unmittelbar als risikobezogene Informationen zur Verhinderung und Aufdeckung von anderen den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zuwiderlaufenden Vorgängen und/oder zur genauen Identifizierung der in diese Vorgänge verwickelten Personen oder Unternehmen genutzt werden können“. Obgleich diese Legaldefinition im Kontext des Ratsbeschlusses zu sehen ist, lässt sich hieraus ableiten , was unter der operativen Analyse der FIU zu verstehen ist.4 In der Praxis bestehen jedoch aufgrund der erheblichen Bearbeitungsrückstände und meist oberflächlichen Analyseberichte große Zweifel an der Durchführung derart detaillierter operativer Analysen aller eingehenden Meldungen.5 Zahlreiche Sachverhalte dürften vielmehr einer lediglich rudimentären Prüfung unterzogen werden.6 1.3 Abschluss der operativen Analyse Konnte im Rahmen der Analyse ein Zusammenhang mit Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder einer anderen strafbaren Handlung von der FIU nicht festgestellt werden, wird die Meldung nicht weitergeleitet, sondern in den sogenannten Informationspool/Datenpool bzw. ins „Monitoring “ genommen. Dieser „Filterprozess“ soll ausweislich der Gesetzesbegründung den „zentralen Mehrwert“ der FIU ausmachen.7 Stellt die FIU fest, dass ein Vermögensgegenstand mit Geldwäsche, mit Terrorismusfinanzierung oder mit einer sonstigen Straftat im Zusammenhang steht, übermittelt sie das Ergebnis ihrer Analyse sowie alle sachdienlichen Informationen unverzüglich an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden , § 32 Abs. 2 GwG. Ein solcher Zusammenhang liegt vor, wenn unter Würdigung des Einzelfalles und aller im Rahmen der Analyse hinzugezogenen Informationen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat vorliegen könnten. Dieser Verdachtsgrad liegt damit noch unterhalb des strafprozessualen Anfangsverdachts nach §§ 152 Abs. 2 i.V.m. 160 StPO.8 4 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage 2020, § 30 Rn. 12. 5 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage 2020, Vorbemerkung zu Abschnitt 5 – Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen Rn. 14 und 25. 6 vgl. Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage. 2020, § 30 Rn. 12. 7 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage. 2020, § 32 Rn. 5; BT-Drs. 18/11928, 39. 8 BT-Drs. 18/11555, 144. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 6 1,4 Fristfälle gem. §§ 43 Abs. 1, 46 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 2 GwG Jede Meldung nach § 43 Abs. 1 GwG führt gemäß § 46 Abs. 1 S. 1 GwG dazu, dass die Durchführung einer der Meldung zugrundeliegenden Transaktion erst nach Zustimmung (vgl. § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GwG) oder nach Ablauf von drei Werktagen (vgl. § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GwG) erfolgen darf.9 § 46 Abs. 1 S. 1 GwG legt dem betroffenen Verpflichteten somit eine temporäre Stillhaltepflicht auf. Anwendungsvoraussetzung des § 46 Abs. 1 GwG ist, dass eine konkret bevorstehende Transaktion, die zu einer Meldung nach § 43 Abs. 1 GwG geführt hat, betroffen ist.10 Die transaktionsbezogene Anhaltepflicht kann sich ersichtlich nur auf „verdächtige“ Transaktionen beziehen, d.h. dass bspw. weitere (unverdächtige) Transaktionen der Verdächtigen auf dem gleichen oder weiteren Konten grundsätzlich durchgeführt werden dürfen. Die Nicht-Durchführung einer verdächtigen Transaktion nach § 46 Abs. 1 GwG führt insofern nicht zu einer die gesamte Konto- oder Kundenverbindung betreffenden Soll-Umsatzsperre. Einzelne weitere verdächtige Transaktionen wären, sofern keine anderslautende Weisung der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen oder Staatsanwaltschaft vorliegt, wiederum nach den gleichen Grundsätzen des Abs. 1 zu behandeln und ggf. wiederum anzuhalten und in Form einer Nachmeldung zur Erstmeldung zu melden.11 Betrifft die Verdachtsmeldung keine angehaltene verdächtige Transaktion, sondern wird ein Konto gesperrt, um Abverfügungen mutmaßlich deliktischen Guthabens zu verhindern, handelt es sich dem Wortlaut nach nicht um eine Fristfallmeldung nach § 46 Abs. 1 GwG. Derartige Meldungen werden – auch wenn sie vom Verpflichteten als Fristfallmeldung nach § 46 Abs. 1 gekennzeichnet sind – von der FIU nicht als solche gewertet12 und in der Folge auch nicht zwingend innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GwG bearbeitet und an Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet.13 2. Entziehung von Geldern (WD7) 2.1. Zuständigkeitsverteilung Im Ergebnis kann die Entziehung von Geldern im Zusammenhang mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auf verschiedene Weise geschehen. Soweit die Strafverfolgung betroffen ist, erfolgt die Entziehung durch Einziehung – in aller Regel angeordnet durch ein Strafgericht, voll- 9 BT-Drs. 19/16595, 6. 10 BT-Drs. 19/16595, 7. 11 Vgl. Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage 2020, § 46 Rn. 5. 12 BT-Drs. 19/16595, 7. 13 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage 2020, § 46 Rn. 6a. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 7 streckt durch die Staatsanwaltschaft. Soweit bei der vorläufigen Einziehung während des Strafverfahrens Gefahr im Verzug bestehen sollte, kann die Anordnung zunächst auch durch die Staatsanwaltschaft selbst ergehen. Der FIU selbst sind keine strafprozessualen Maßnahmen möglich.14 Liegen der FIU Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Transaktion im Zusammenhang mit Geldwäsche steht oder der Terrorismusfinanzierung dient, besitzt sie die Befugnis, die Durchführung der Transaktion gemäß § 40 GwG zeitlich beschränkt zu untersagen.15 Sofortmaßnahmen nach § 40 GwG dienen jedoch nicht dazu, den Strafverfolgungsbehörden zusätzliche Zeit für die Sachverhaltsprüfung und Einleitung strafprozessualer Maßnahmen einzuräumen , sondern sollen ausschließlich der FIU selbst ermöglichen, ihre operative Analyse abzuschließen .16 Im Einzelnen: Die Einziehung von Vermögenswerten, die mit der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung in Zusammenhang stehen, ist mittels mehrerer strafprozessualer Maßnahmen durch die Strafverfolgungsbehörden möglich. Hierbei ändert sich deren Charakter je nach Stadium des Strafverfahrens : Ein vollständiger Strafprozess lässt sich dabei in das zunächst stattfindende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren, das gerichtliche Zwischen- und Hauptverfahren sowie das wiederum staatsanwaltschaftliche Vollstreckungsverfahren aufgliedern.17 Die eigentliche, durch das Strafgericht angeordnete und durch die Staatsanwaltschaft vollstreckte Einziehung im Haupt-, und Vollstreckungsverfahren (s.u.) stellt hierbei den Schlusspunkt dar. Hierbei ergeht die Einziehungsentscheidung grundsätzlich im Rahmen eines Urteils neben einem Strafausspruch, sie kann jedoch auch unabhängig hiervon angeordnet werden.18 Soweit letzteres geschieht – etwa bei der 14 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage. 2020, § 46 Rn. 9. 15 Hierzu im Ganzen Bundesministerium der Finanzen, Erste Nationale Risikoanalyse – Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung 2018/2019, Stand: 19. Oktober 2019, S. 40, abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium .de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2019-10-19-erste-nationale-risikoanalyse _2018-2019.html. 16 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage. 2020, § 40 Rn. 3. 17 Werner, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 25. Auflage 2020, Stichwort „Strafprozess(recht)“. Die Attribute „staatsanwaltschaftlich“ und „gerichtlich“ beziehen sich dabei auf diejenige Strafverfolgungsbehörde, die den jeweiligen Verfahrensabschnitt maßgeblich prägt. 18 Siehe für nähere Informationen die Gliederungspunkte 3.2. und 4. des Sachstandes der Wissenschaftlichen Dienste vom 27. August 2018 („Beweisführung bei der Vermögensabschöpfung“, Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 174/18), abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/571480/b9ae3fb77e873a95167b8dc98791395b/wd-7-174-18-pdfdata .pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 8 insbesondere für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung relevanten „erweiterten“ selbstständigen Einziehung (§ 76a Abs. 4 StGB)19 – bedarf es vor einer gerichtlichen Anordnung mitunter noch eines gesonderten Antrages der Staatsanwaltschaft.20 Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung, dass der staatliche Einziehungsanspruch bereits mit Erlangen des Vermögensvorteils und nicht erst mit der endgültigen gerichtlichen Anordnung entsteht (s.u.), kann der Anspruch bereits im Ermittlungsverfahren vorläufig gesichert werden.21 Dies soll der Gefahr vorbeugen, dass der Einziehungsadressat den Einziehungsgegenstand oder andere Vermögenswerte weggibt, verbraucht oder zur Seite schafft.22 Bei der Sicherung einer Wertersatzeinziehung erfolgt dies durch den Vermögensarrest (§ 111e ff. StPO) in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen, etwa durch Pfändung oder Eintragung einer Sicherungshypothek auf ein Grundstück. Unter Umständen kommt auch eine Beschlagnahme einzelner Vermögensgegenstände (§§ 111b ff. StPO) anstelle eines Vermögensarrestes in Betracht.23 Beide Arten der Anspruchssicherung werden durch das im Einzelfall zuständige Strafgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft angeordnet, im Ermittlungsverfahren etwa durch das jeweilige Ermittlungsgericht.24 Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung allerdings auch durch die Staatsanwaltschaft selbst erfolgen, wobei es grundsätzlich innerhalb einer Woche einer gerichtlichen Bestätigung der Anordnung bedarf.25 Generell ist für eine Anordnung der Anfangsverdacht ausreichend, dass die Voraussetzungen für eine spätere (Wertersatz-)Einziehung vorliegen.26 Bei „dringenden Gründen“ für eine solche Annahme „soll“ die Maßnahme erfolgen.27 Der Vollzug 19 So sind in diesem Absatz sowohl die Geldwäsche (Nr. 1f) als auch die Terrorismusfinanzierung (Nr. 1a) als diesbezügliche Katalogtat aufgeführt. Nähere Informationen zur Funktionsweise der erweiterten selbstständigen Einziehung unter Gliederungspunkt 4.2.2. des bereits veröffentlichten Sachstandes der Wissenschaftlichen Dienste (Fußnote 18). 20 § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die dort ebenfalls aufgeführte Antragsberechtigung von Privatklägern bleibt in der Praxis weitgehend ohne Bedeutung. 21 BT-Drs. 18/11640 (Fußnote 37), S. 86. 22 Köhler/Burkhard, Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung – Teil 2/2, Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2017, S. 665, 676. 23 So möglicherweise im Rahmen der Geldwäsche, vergleiche Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung mit GVG und Nebengesetzen, 63. Auflage 2020, vor § 111b StPO, Randnummer 4. 24 § 111j Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 162 StPO. Vergleiche entsprechend Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschluss vom 11. Oktober 2018 – III-4 Ws 133/18 –, Leitsatz 1 (zitiert nach juris). 25 § 111j Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StPO. 26 Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung mit GVG und Nebengesetzen, 63. Auflage 2020, § 111b StPO, Randnummer 6 und zu § 111e StPO, Randnummer 4. § 152 Abs. 2 StPO definiert dabei den Anfangsverdacht allgemein als „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“. 27 § 111b Abs. 1 Satz 2 respektive § 111e Abs. 1 Satz 2 StPO. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 9 wird wiederum federführend durch die Staatsanwaltschaft übernommen, die auch im Anschluss grundsätzlich die weitere Verwaltung übernimmt.28 Vermögenswerte – insbesondere auch solche im Zusammenhang mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung – können im Übrigen nicht nur repressiv im Rahmen der Strafverfolgung durch Vermögensabschöpfung, sondern auch präventiv im Rahmen der Gefahrenabwehr durch die hierzu berufenen Sicherheitsbehörden vorläufig sichergestellt werden.29 Die gesetzlichen Grundlagen finden sich hierfür in den Polizeigesetzen des Bundes und der Länder sowie in § 12a Abs. 7 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG)30 und § 32b des Zollfahndungsdienstgesetzes (ZFdG).31 2.2. Zuweisung der eingezogenen Gelder Im Ergebnis stehen eingezogene Geldbeträge nach Abschluss des Strafverfahrens den Landesstaatskassen zu, soweit sie nicht im Einzelfall an Private auszukehren sind. Im Einzelnen: Sowohl die Geldwäsche als auch die Terrorismusfinanzierung stellen Straftaten dar.32 Neben den klassischen Rechtsfolgen begangener Straftaten wie der Kriminalstrafe nach §§ 38 ff. StGB (Freiheitsstrafe , Geldstrafe etc.) steht die Einziehung von mit rechtswidrigen Taten in Beziehung stehenden Vermögensvorteilen (§§ 73 ff. StGB), auch Vermögensabschöpfung genannt.33 Ein Beispielsfall ist etwa die Einziehung von erlangten Vermögenswerten des Täters durch eine rechtswidrige Tat.34 Bei der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung können im Einzelfall besondere 28 § 111k Abs. 1 und § 111m StPO. 29 Hierzu im Ganzen Bundesministerium der Finanzen, Erste Nationale Risikoanalyse – Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung 2018/2019, Stand: 19. Oktober 2019, S. 44, abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium .de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2019-10-19-erste-nationale-risikoanalyse _2018-2019.html. 30 Zollverwaltungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2125; 1993 I S. 2493), das zuletzt durch Artikel 210 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetzeim -internet.de/zollvg/. 31 Zollfahndungsdienstgesetz vom 16. August 2002 (BGBl. I S. 3202), das zuletzt durch Artikel 15 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/zfdg/. 32 § 261 und § 89c Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 47 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/ (letzter Abruf dieser und aller weiteren Internetquellen : 18. Januar 2021). 33 Eser/Schuster, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, Vorbemerkungen zu §§ 73 ff. StGB, Randnummer 2. 34 § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 10 Konstellationen zu beachten sein.35 Das Bestehen der rechtlichen Voraussetzungen für eine Einziehungsanordnung unterstellt, dürfte es bei den genannten Taten in der Folge oft um die Einziehung von Bar- oder Buchgeld gehen, was entweder für die Tat eingesetzt oder aus ihr erlangt wurde. Bei Bargeld, was sich im Regelfall inzwischen mit sonstigem Bargeld vermischt haben dürfte oder körperlich als Kontoguthaben von vornherein nicht greifbar ist, geschieht dies durch Einziehung des entsprechenden Geldbetrages als Wertersatz.36 Bereits mit Erlangen jedes einziehungsfähigen Vermögensvorteiles entsteht gegenüber dem Einziehungsadressaten nach der gesetzgeberischen Vorstellung ein fälliger „staatliche[r] (Wertersatz -)Einziehungsanspruch“.37 Durch die rechtskräftige Anordnung der Wertersatzeinziehung wird dieser Anspruch in der Folge lediglich „tituliert“,38 mit anderen Worten für den Staat vollstreckbar gemacht. Obwohl keine Geldstrafe (s.o.), wird die Vollstreckung der Einziehung von Wertersatz in der Strafprozessordnung (StPO)39 im Wesentlichen wie bei einer Geldstrafe behandelt .40 Soweit – wie in aller Regel – Wertersatzeinziehungsanordnungen durch die hierzu berufenen Strafgerichte der Länder angeordnet werden, stehen auch die beizutreibenden Gelder der jeweiligen Landeskasse zu.41 Die Vollstreckung erfolgt durch die ländereigenen Staatsanwaltschaften als Vollstreckungsbehörden.42 35 So ist etwa die Einziehung von verschleiertem Geld bei der Geldwäsche beziehungsweise gesammeltem oder zur Verfügung gestelltem Geld bei der Terrorismusfinanzierung nicht als Erlangtes sondern als Tatobjekt denkbar , § 261 Abs. 7 Satz 1 und § 92b Nr. 2 StGB, jeweils in Verbindung mit § 74 Abs. 2 StGB. 36 Theile, Die strafrechtliche Einziehung von Taterträgen sowie des Wertes von Taterträgen nach §§ 73 ff. StGB – Teil I, Juristische Arbeitsblätter (JA) 2020, Seite 1, 7 unter Bezugnahme auf § 73c Satz 1 Halbsatz 1 Alternative 1 StGB. Entsprechend aber auch § 74c Abs. 1 StGB (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 27. November 2018 – 5 StR 234/18 –, Randnummer 27 (zitiert nach juris)). 37 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 22. März 2017, BT-Drs. 18/11640, S. 86, abrufbar unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/116/1811640.pdf. Diese Lesart wurde auch von der gerichtlichen Praxis übernommen, so etwa BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2018 – 5 StR 198/18 –, Randnummer 28 (zitiert nach juris). 38 Ebenda. 39 Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 49 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/. 40 Lohse, in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 13. Auflage 2020, Band 6, § 73c StGB, Randnummer 24 unter Verweis auf § 459g Abs. 2 StPO. 41 Der für die Wertersatzeinziehung maßgebliche § 459g Abs. 2 StPO verweist auf § 459 StPO, der wiederum zur Vollstreckung von Geldstrafen auf das für Bund und Länder geltende Justizbeitreibungsgesetz (JBeitrG) verweist. Daneben gilt nachrangig unter anderem auch die Einforderungs- und Beitreibungsanordnung (EBAO), eine bundeseinheitlich ausgestaltete Verwaltungsvorschrift der Länder (Nestler, in: Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung , 1. Auflage 2019, Band 3-1, § 459 StPO, Randnummer 1). § 14 Abs. 1 EBAO stellt hierbei den Grundsatz auf, dass die hiernach vereinnahmten Gelder der Landeskasse zustehen. 42 § 451 StPO in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 JBeitrG in Verbindung mit § 2 Buchstabe a EBAO. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 11 Die endgültige Zuweisung an die Staatskassen der Länder steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass keine diesbezüglichen privaten Ansprüche bestehen: So ist denkbar, dass Dritten Ansprüche auf Wertersatz des Erlangten aus der Tat entstanden sein könnten, möglicherweise etwa wenn aus der Tat erlangte Gelder mittels unrechtmäßigen Zugriffs auf Drittkonten in die Hände der Täter gelangt sind. In diesen Fällen sind die staatlich vereinnahmten Geldbeträge – vorbehaltlich einer unter Umständen komplexen Einzelfallprüfung der Herkunft und Verwendungsweise der Geldbeträge – an die Geschädigten auszukehren.43 Etwaige Ansprüche dieser Art hat die Vollstreckungsbehörde im Rahmen der Einziehung von Amts wegen zu prüfen.44 Im Übrigen hat der Verletzte seinen Anspruch auf Auskehrung des Verwertungserlöses binnen sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung bei der Vollstreckungsbehörde anzumelden .45 Weiter ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch der Einziehungsadressat den eingezogenen Wertersatz zurückfordern kann, etwa soweit er den eventuell bestehenden Schadensersatzanspruch des durch die Tat Geschädigten befriedigt hat.46 2.3. Die statistische Erfassung der eingezogenen Gelder Soweit ersichtlich, sind keine Statistiken über vorläufige oder vollstreckte Einziehungen durch die Strafverfolgungsbehörden bezüglich dieser speziellen Delikte verfügbar. Die offizielle statistische Erfassung beschränkt sich auf die geschätzte Gesamtsumme aller zunächst sichergestellten beziehungsweise endgültig eingezogenen Vermögensgegenstände durch die einzelnen Staatsanwaltschaften.47 Zudem existiert eine genauere Aufschlüsselung nach einzelnen Bundesländern für die Jahre 2017 und 2018 durch die Bundesregierung.48 Deutschlandweit wurden hiernach etwa im Jahr 2018 Vermögenswerte im Wert von geschätzt 369 055 000 Euro vorläufig sichergestellt und Vermögenswerte im Wert von geschätzt 1 866 580 000 Euro endgültig eingezogen. Genauere Erkenntnisse der Zusammensetzung der Summen im Einzelnen lagen auch der Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt nicht vor.49 43 § 459h Abs. 2 Satz 1 StPO in Fällen des § 73c StGB. 44 Coen, in: Beck’scher Online-Kommentar StPO, 38. Edition (Stand: 1. November 2020), § 459h StPO, Randnummer 38. 45 § 459k Abs. 1 Satz 1 StPO. Dieser Paragraf regelt auch das weitere Rückerstattungsverfahren. 46 § 459l Abs. 2 StPO in Fällen des § 73c StGB. 47 Zuletzt Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.6, Rechtspflege – Staatsanwaltschaften (2019), 21. August 2020, S. 13, Nrn. 30 f., abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen /_publikationen-innen-gerichte-straf-anwaltschaft.html. 48 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP, BT-Drs. 19/21156, S. 4, abrufbar unter: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/211/1921156.pdf. 49 Ebenda, S. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 12 3. Konsequenzen der „Arbeitsfehler“ der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (WD4) 3.1. Zivilrechtliche Relevanz Die Stellen oder Personen, denen aufgrund der „Arbeitsfehler“ die festgesetzten Gelder nicht überführt wurden, haben nur in Ausnahmefällen einen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG. Unter „Arbeitsfehlern“ der FIU ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass Fristfälle gem. §§ 43 Abs. 1, 46 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 2 GwG nicht innerhalb der Drei-Tages-Frist bearbeitet wurden, so dass inkriminierte Gelder in den legalen Wirtschaftskreislauf eingeschleust wurden. Ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG dürfte überwiegend ausscheiden, da insbesondere nicht jede schuldhaft unrichtige Amtsausübung einen Amtsmissbrauch darstellt50, vielmehr muss es sich um ein den Forderungen von Treu und Glauben und guter Sitte widersprechendes Verhalten handeln, wie es immer, aber nicht nur bei Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals des § 826 BGB zu bejahen ist.51 In subjektiver Hinsicht setzt die Haftung wegen Amtsmissbrauchs - auch in Fällen pflichtwidriger Unterlassung - voraus, dass der Beamte wenigstens die Richtung, in der sich die amtsmissbräuchliche Handlung zum Nachteil anderer auswirken kann, und die Art des möglichen Schadens in seinen Willen aufnimmt und billigt.52 3.2. Strafrechtliche Relevanz 3.2.1. Strafbarkeit bei Kenntnis einer Straftat In verschiedenen Presseberichterstattungen wurde von Weiterleitungen von Verdachtsmeldungen an Strafverfolgungsbehörden durch die FIU nach vielen Wochen, Monaten oder über einem Jahr berichtet.53 In der Rechtslehre wird die Auffassung vertreten, dass eine Strafbarkeit nach §§ 258, 258a StGB in Betracht komme, wenn ein Sachbearbeiter der FIU als Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB im Rahmen der operativen Analyse von einer Straftat Kenntnis erlange, dieser absichtlich oder 50 BGH, Urteil vom 26.06.1986, Az. III ZR 191/85, VersR 1986, 1100, 1102. 51 BGH, Urteil vom 22.05.1984, Az. III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 252. 52 BGH, Urteil vom 22.03.1979, Az. III ZR 24/78, VersR 1979, 1053, 1054. 53 Diehl/Siemens, Verdacht auf Strafvereitelung, Ermittler gehen gegen Zoll-Spezialeinheit vor, Artikel vom 14.07.2020, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/panorama/justiz/verdacht-auf-strafvereitelung-ermittlergehen -gegen-zoll-spezialeinheit-fiu-vor-a-8d657c7f-f570-4a16-85c0-82134da79905, letzter Abruf: 15.01.2021; Diel, Zoll kriegt Probleme bei Geldwäsche-Spezialeinheit nicht in den Griff, Artikel vom 15.04.2019, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/panorama/justiz/zoll-geldwaesche-spezialeinheit-kriegt-probleme-nicht-in-dengriff -a-1262871.html, letzter Abruf: 15.01.2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 13 wissentlich von einer Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden absehe und dadurch eine Strafe oder Maßnahme nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB verhindert werde.54 Nach § 258a Abs. 1 Var. 1 StGB muss der Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren berufen sein. Es wird diskutiert, ob der Prozess der operativen Analyse der FIU gemäß § 30 Abs. 2 GwG bereits Teil des Strafverfahrens ist.55 Dafür spreche, dass die operative Analyse, obwohl die FIU keine Ermittlungskompetenzen habe, durchaus Ermittlungskomponenten enthalte.56 Auch wenn Meldungen nach § 43 Abs. 1 und § 44 GwG keine Strafanzeigen darstellten, sei der darauf folgende Prozess der Verifizierung des übermittelten Sachverhalts seinem Wesen nach fast identisch mit Ermittlungen, die sich an Strafanzeigen anschließen. Es könne sich daher um eine besondere Art der Vorermittlung handeln.57 Die operative Analyse sei jedenfalls dann dem Strafverfahren zuzurechnen, wenn die FIU den Sachverhalt gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 GwG an eine Strafverfolgungsbehörde übermittle und es zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens komme.58 Zudem könne eine Strafvereitelung im Amt auch begangen werden, wenn das Strafverfahren noch nicht eingeleitet worden sei, es genüge vielmehr, dass auf Grund der Vortat ein verfolgbarer materieller Strafanspruch des Staates bestehe.59 3.2.2. Strafbarkeit im Falle der Überlastung einer Behörde Wenn ein Amtsträger Vorgänge wegen Arbeitsüberlastung unbearbeitet lässt, kommt grundsätzlich eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen in Betracht.60 Die hierfür erforderliche Garantenstellung (vgl. § 13 Abs. 1 StGB)61 kann sich auch aus speziellen gesetzlichen Anzeigepflichten ergeben, die den Zweck haben, den Strafverfolgungsbehörden dienstlich in Erfahrung gebrachte Tatsachen zu übermitteln, welche den Verdacht einer Straftat begründen.62 54 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage. 2020, § 32 Rn. 3b. 55 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage. 2020, § 30 Rn. 13. 56 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage. 2020, § 30 Rn. 13. 57 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage. 2020, § 30 Rn. 13. 58 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 4. Auflage. 2020, § 30 Rn. 13. 59 vgl. BGH, Urteil vom 19.05.1999, Az. 2 StR 86–99, BGHSt 45, 97. 60 OLG Koblenz, Urteil vom 02.02.2005, Az. 1 Ss 301/04, NStZ-RR 2006, 77, 79; Altenhain, in: Kindhäuser /Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 258a Rn. 9. 61 Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.) Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258 Rn. 17. 62 Grunst, Strafrechtlich relevante Pflicht von Amtsträgern außerhalb der Strafverfolgungsorgane zur Anzeige bzw. Verhinderung von Straftaten innerhalb der Behörde?, StV 2005, 453, 456; Ruhmannseder, in: Beck`scher Online -Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258 Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 001/21; WD 7 - 3000 – 002/21 Seite 14 Für die FIU ergibt sich eine solche gesetzliche Anzeigepflicht aus § 32 GwG. Nach der herrschenden Auffassung, nach der es einer endgültigen Vereitelung des staatlichen Sanktionsanspruchs nicht bedarf, kommt es bereits zu einer Strafbarkeit, wenn die Durchsetzung des Sanktionsanspruchs aufgrund der Untätigkeit des Amtsträgers um geraume Zeit verzögert wird.63 Darin liegt nach der im Schrifttum teilweise vertretenen Gegenauffassung eine „unzulässige Pönalisierung langsamen Arbeitstempos“.64 Eine Strafbarkeit nach den §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1 Var. 1, 13 Abs. 1 StGB komme danach nicht in Betracht, solange der Strafanspruch des Staates noch nicht verjährt und die Beweislage noch unverändert ist.65 Auch nach der herrschenden Meinung liegt jedenfalls dann kein pflichtwidriges Unterlassen vor, wenn ein Polizeibeamter Strafanzeigen wegen unverschuldeter Arbeitsüberlastung nicht bearbeitet und er seine vorgesetzte Dienststelle rechtzeitig über die Unmöglichkeit sachgerechter Erledigung unterrichtet hat.66 Für andere Amtsträger dürfte Entsprechendes gelten.67 3.3. Finanzielle Konsequenzen der „Arbeitsfehler“ Dem Wissenschaftlichen Dienst liegen keine Berichte des Bundesrechnungshofes oder anderer Stellen vor, die das Volumen beziffern, welches durch die „Arbeitsfehler“ der FIU entstanden sein könnten. * * * 63 OLG Koblenz, Urteil vom 02.02.2005, Az. 1 Ss 301/04, NStZ-RR 2006, 77, 79. 64 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band V, 9. Auflage 2019, § 258a Rn. 7. 65 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band V, 9. Auflage 2019, § 258a Rn. 7. 66 BGH, Urteil vom 08.07.1960, Az. 4 StR 213/60, NJW 1960, 1962, 1963; Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen , 66. Auflage 2019, § 258a Rn. 4; Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 10. 67 Vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 29. Auflage 2018, § 258a Rn. 3.