© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 024/21 Anwendung des § 48a Versicherungsaufsichtsgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/21 Seite 2 Anwendung des § 48a Versicherungsaufsichtsgesetz Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 024/21 Abschluss der Arbeit: 12. März 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellungen 4 2. Zu Frage 1: Inhalt und Anwendung des § 48a VAG 4 2.1. Inhalt des § 48a VAG 4 2.2. Anwendung des § 48a VAG 6 3. Zu Frage 2: Tätigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Zusammenhang mit § 48a VAG 7 4. Zu Frage 3: § 48a VAG und Restschuldversicherung 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/21 Seite 4 1. Fragestellungen 1. Welchen Spielraum hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei der Anwendung des § 48a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)? 2. Wie und wie oft wird dieser in der Praxis angewendet? 3. Fallen die Restschuldversicherung in Form der Gruppenversicherung und die Praxis der Provisionsgestaltung bei dieser Versicherungsform in den Anwendungsbereich des § 48a VAG? 2. Zu Frage 1: Inhalt und Anwendung des § 48a VAG 2.1. Inhalt des § 48a VAG § 48a VAG findet sich in Teil 2 (Vorschriften für die Erstversicherung und die Rückversicherung) Kapitel 1 (Geschäftstätigkeit) Abschnitt 5 (Versicherungsvertrieb) des VAG und ist überschrieben mit "Vertriebsvergütung und Vermeidung von Interessenkonflikten". Die Vorschrift des § 48a Abs. 1 VAG gilt für den Vertrieb aller Versicherungsprodukte. Sie besagt, dass die Vertriebsvergütung von Versicherungsunternehmen und deren Angestellten nicht mit ihrer Pflicht kollidieren darf, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln. Es dürfen, zum Beispiel durch die Vertriebsvergütung, keine Anreize für die Versicherung selbst oder für Versicherungsvermittler geschaffen werden, einem Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen, obwohl sie ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Versicherungsprodukt anbieten könnten. § 48a Abs. 2 bis 6 VAG beinhalten weitere Anforderungen an Versicherungsunternehmen, die Kapitalanlageprodukte vertreiben. So müssen die Unternehmen dauerhaft wirksame Vorkehrungen treffen, damit Interessenskonflikte den Kundeninteressen nicht schaden. Erhält oder zahlt das Versicherungsunternehmen eine Gebühr oder Provision, muss es dafür Sorge tragen, dass diese sich nicht nachteilig auf die Qualität der entsprechenden Dienstleistung für den Kunden auswirkt und nicht die Verpflichtung des Versicherungsunternehmens beeinträchtigt, im besten Interesse seiner Kunden ehrlich, redlich und professionell zu handeln. § 48a VAG wurde durch ein EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz mit Wirkung vom 23. Februar 2018 eingefügt.1 Er nimmt die allgemeinen Grundsätze aus Artikel 17 Abs. 3 der EU-Richtlinie zum Versicherungsvertrieb, die Vorgaben der Artikel 27 und 28 zur Vermeidung von Interessenkonflikten (soweit Versicherungsunternehmen der Normadressat sind) und aus Artikel 29 Abs. 2 auf.2 1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung weiterer Gesetze vom 20. Juli 2017, BGBl I, Seite 2789. 2 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes , Bundestags-Drucksache 18/11627, Seite 39. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/21 Seite 5 Die EU-Richtlinie (EU) 2019/97 legt Vorschriften für die Aufnahme und Ausübung des Versicherungs - und Rückversicherungsvertriebs in der Union fest (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie). Versicherungsvertrieb bezeichnet insbesondere die Beratung, das Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen, das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie). Die Richtlinie gilt für Versicherungsunternehmen, Versicherungsvermittler und nur unter ausdrücklich genannten Bedingungen nicht für Versicherungsvermittler in Nebentätigkeit (Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie). Versicherungsvermittler ist jede natürliche oder juristische Person, die kein Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen oder ihre Angestellten und kein Versicherungsvermittler in Nebentätigkeit ist und die die Versicherungsvertriebstätigkeit gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt (Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie). Versicherungsvermittler in Nebentätigkeit ist jede natürliche oder juristische Person, die kein Kreditinstitut und keine Wertpapierfirma ist und die die Versicherungsvertriebstätigkeit als Nebentätigkeit gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt, wenn wiederum ausdrücklich genannte Bedingungen erfüllt sind (Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 der Richtlinie). Die Richtlinie (EU) 2016/97 zielt vor allem auf eine Verbesserung des Verbraucherschutzes ab (Erwägungsgrund 43). Gemäß Erwägungsgrund 46 darf die Vergütungspolitik von Versicherungsvertreibern nicht die Möglichkeit ausschließen, im Einklang mit dem besten Interesse der Kunden zu handeln, oder sie daran hindern, eine geeignete Empfehlung abzugeben. Eine auf Verkaufsziele gestützte Vergütung sollte keinen Anreiz dafür bieten, dem Kunden ein bestimmtes Produkt zu empfehlen. Laut einem Kommentar zum VAG statuiert § 48a VAG letztlich allgemeine Programmsätze. Inhaltlich hätten sich diese Pflichten auch vorher schon aus den Beratungspflichten der Vermittler gemäß §§ 60ff. Versicherungsvertragsgesetz (VVG) [Beratungsgrundlage, Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers etc.], den Geschäftsorganisationspflichten gemäß §§ 23, 32 VAG [Allgemeine Anforderungen an die Geschäftsorganisation, Produktfreigabeverfahren ; Ausgliederung], der Stornohaftung aus § 49 VAG sowie allgemein im VAG verankerten Schutzgesichtspunkten, zum Beispiel § 294 VAG, ergeben. Diese seien in § 48a VAG kodifiziert worden, um der Umsetzungspflicht nachzukommen, die durch den Hinweis auf eine bestehende Rechtsprechung nicht erfüllt wird.3 Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zum oben genannten EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz fügte der Deutsche Bundestag § 7d VVG (Beratung, Information und Widerruf bei bestimmten Gruppenversicherungen) ein. Diese Regelung gilt für Gruppenversicherungen, die Restschuldversicherungen oder Restkreditversicherungen zur Absicherung von Zahlungsverpflichtungen sind, 3 Bähr in Kaulbach/Bähr/Pohlmann, Versicherungsaufsichtsgesetz Kommentar, § 48a, Randnummer 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/21 Seite 6 bei denen das Kreditinstitut eine Versicherung abgeschlossen hat, in die der Bankkunde als versicherte Person aufgenommen wird. Ausweislich der Begründung der Einfügung wird für diese Fälle die Transparenz verbessert; gegenüber der versicherten Person gelten die Informations- und Beratungspflichten des VVG und die versicherte Person hat die Rechte eines Versicherungsnehmers , insbesondere das Widerrufsrecht, soweit es um die Absicherung durch Versicherung geht.4 2.2. Anwendung des § 48a VAG Unter anderen mit Artikel 28 Abs. 4 und Artikel 29 Abs. 4 der Richtlinie wird der Europäischen Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Verordnungen übertragen, mit denen sie die Richtlinien ergänzt.5 § 48a VAG eröffnet den Versicherungsunternehmen Spielräume, die insbesondere in Artikel 8 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2359 der Kommission angelegt sind. Danach müssen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen eine Gesamtanalyse vornehmen, um festzustellen, ob ein Anreiz beziehungsweise eine Anreizregelung als nachteilig für die Qualität der betreffenden Dienstleistung für den Kunden angesehen wird. Dazu veröffentlichte die Kommission einen nicht abschließenden Katalog von Bewertungskriterien. Die BaFin muss die Delegierten Verordnungen bei ihrer Aufsichtstätigkeit berücksichtigen. Mit einem Rundschreiben veröffentlicht die BaFin ihre Verwaltungspraxis oder Norminterpretation beziehungsweise Gesetzesauslegung zu einem Themenkomplex6, anders als bei einer Leitlinie, mit der sie die Leitlinien der zuständigen europäischen Aufsichtsbehörde übernimmt. Die BaFin hat die Delegierten Verordnungen mit dem Rundschreiben 11/2018 erläutert.7 Sie muss den Versicherungsunternehmen den Spielraum gewähren, die die Delegierten Verordnungen vorsehen. Die BaFin passt ihre Rundschreiben an neue Erkenntnisse aufgrund vorangegangener Diskussionen an, so auch Nrn. 99 und 100 des Rundschreibens 11/2018. Dazu führte sie aus: 4 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, Bundestags-Drucksache 18/13009, Seite 53. 5 Delegierte Verordnung (EU) 2017/2358 der Kommission vom 21. September 2017 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber, Amtsblatt der Europäischen Union (ABl.) L 341/1 vom 20. Dezember 2017. Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 der Kommission vom 21. September 2017 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln , (ABl.) L 341/8 vom 20. Dezember 2017. 6 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Verwaltungspraxis, unter: https://www.bafin.de/DE/RechtRegelungen /Verwaltungspraxis/verwaltungspraxis_node.html;jsessionid =C02FE8029488B2BDC6F68E5269749D0D.2_cid370, abgerufen am 1. März 2021. 7 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Rundschreiben 11/2018 zur Zusammenarbeit mit Versicherungsvermittlern sowie zum Risikomanagement im Vertrieb, unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen /DE/Rundschreiben/2018/rs_18_11_vertriebsrundschreiben_va.html, abgerufen am 1. März 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/21 Seite 7 "Eine wichtige Änderung betrifft das viel diskutierte Thema der Gruppenversicherungsverträge , insbesondere die Zahlungen von Versicherungsunternehmen an Kreditinstitute bei Gruppenversicherungsverträgen zur Restschuldversicherung. Hier ist eine Vielzahl an Bedenken vorgetragen worden. Die BaFin hält an Ihrer Auffassung fest, dass die neuen vergütungsrechtlichen Vorgaben auch auf Gruppenversicherungsverträge und damit entsprechende Restschuldversicherungen anzuwenden sind. Ausgangspunkt der Argumentation ist, dass § 48a Abs. 1 VAG zur Vertriebsvergütung unter anderem ausführt, dass ‚Versicherungsunternehmen (…) keine Vorkehrungen durch die Vertriebsvergütung, Verkaufsziele oder in anderer Weise treffen (dürfen), durch die Anreize für sie selbst oder Versicherungsvermittler geschaffen werden könnten, einem Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen (…).‘ Untersagt sind damit ausdrücklich auch Anreize innerhalb eines Versicherungsunternehmens selbst. Geht man davon aus, dass ein Versicherungsunternehmen durch den Abschluss eines Gruppenversicherungsvertrages eigene Vertriebstätigkeiten auf einen Dienstleister (bei Restschuld- Gruppenversicherungsverträgen meist ein Kreditinstitut) ausgliedert, dann müssen auch im Verhältnis zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Dienstleister die neuen vergütungsrechtlichen Vorgaben gelten. Ansonsten könnte ein Versicherungsunternehmen die für es selbst geltenden vergütungsrechtlichen Regelungen einfach dadurch umgehen, dass es nicht mit den einzelnen Kreditnehmern einen Restschuldversicherungsvertrag abschließt, sondern ein Kreditinstitut dazwischenschaltet, das für das Versicherungsunternehmen dessen vertriebliche Tätigkeit vornimmt."8 3. Zu Frage 2: Tätigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Zusammenhang mit § 48a VAG Mit Stand Februar 2021 hat die Bundesregierung mitgeteilt, dass die BaFin bisher keine Ordnungswidrigkeitenverfahren oder verwaltungsförmlichen Maßnahmen aufgrund von Verstößen gegen § 48 beziehungsweise § 48a VAG ergriffen beziehungsweise eingeleitet hat.Nach Aussage der Bundesregierung beobachtet die BaFin den Markt im Rahmen der laufenden risikoorientierten Aufsicht. Sie prüfe unter anderem, ob Versicherungsunternehmen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation den Umfang von Zahlungen mit Anreizcharakter ermitteln und bewerten, in welchem Maße sich Fehlanreize ergeben. Ihre Feststellungen flössen in das aufsichtliche Überprüfungsverfahren ein (§ 294 Abs. 5 VAG).9 Im Rahmen der Zuständigkeit der BaFin für den kollektiven Verbraucherschutz will ihr Geschäftsbereich Versicherungsaufsicht in 2020 als weiteren Aufsichtsschwerpunkt den Umgang 8 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Erläuterungen zum Vertriebsrundschreiben 11/2018 (VA) vom 17. Juli 2018 (20. Juli 2018), unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben /dl_rs1118_begleitschreiben_va.html;jsessionid=7658C4DCA3EA2935041ABB43B052EC8D.2_cid383, abgerufen am 9. März 2021. 9 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP: Marktuntersuchung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu Restschuldversicherungen, Antwort zu Frage 8, Bundestags-Drucksache 19/26801 vom 19. Februar 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/21 Seite 8 der Versicherungsunternehmen mit den Vorgaben des § 48a VAG für die Vertriebsvergütung überprüfen. Dabei will die Versicherungsaufsicht die Erkenntnisse der zuvor erfolgten Abfrage zu den Provisionszahlungen in der Lebensversicherung nutzen.10 Die Ergebnisse der verstärkten Prüfungstätigkeit der BaFin bei der Einhaltung von § 48a VAG werden vermutlich im Jahresbericht 2020 im Frühjahr 2021 veröffentlicht werden. 4. Zu Frage 3: § 48a VAG und Restschuldversicherung Bei der Restschuldversicherung handelt es sich um eine spezielle Form der Risikolebensversicherung . Wirtschaftlicher Zweck der Restschuldversicherung ist die Absicherung der Rückzahlung von Kreditverbindlichkeiten. Versichertes Risiko ist das Versterbensrisiko eines Kreditnehmers.11 "Üblicherweise" sind Restschuldversicherungen als echte Gruppenversicherungen (Kollektivversicherung ) ausgestaltet. Der Vertrag wird zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Kreditinstitut (als Gruppenspitze) geschlossen. Die Bank wird damit Versicherungsnehmer, der Darlehensnehmer tritt dem echten Gruppenversicherungsvertag lediglich als versicherte Person bei, wird also nicht Vertragspartner des Versicherers.12 Restschuldversicherungen in Form der unechten Gruppenversicherung liegen vor, wenn der fest umschriebene Kreis der versicherbaren Personen bei Vertragsschluss nur nach bestimmten abstrakten Merkmalen festgelegt wird und die Einbeziehung konkreter Versicherter während der gesamten Laufzeit des Gruppenversicherungsvertrags erfolgen kann. Bei dieser Form wird der Versicherte zugleich Versicherungsnehmer.13 10 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Aufsichtsschwerpunkte 2020, Seite 29, unter: https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/Aufsichtsschwerpunkte/Aufsichtsschwerpunkte_2020/aufsichtsschwerpunkte 2020_node.html, abgerufen am 1. März 2021. 11 Stoffregen, Tim: Die vorzeitige Kündigung und Rückabwicklung von Restschuldversicherungen unter besonderer Berücksichtigung ihrer historischen Funktion als Entschuldungsmittel, Dissertation Hamburg 2020, Seite 8f., unter: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/bitstream/ediss/8764/1/Dissertation_Druckfassung_final.pdf, abgerufen am 4. März 2021. 12 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Ergebnisbericht zur Marktuntersuchung Restschuldversicherungen , 21. Juni 2017, Seite 8, unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Anlage /dl_170620_marktuntersuchung_restschuldversicherungen.pdf?__blob=publicationFile&v=8, abgerufen am 4. März 2021. Stoffregen, Tim: Die vorzeitige Kündigung und Rückabwicklung von Restschuldversicherungen unter besonderer Berücksichtigung ihrer historischen Funktion als Entschuldungsmittel, Dissertation Hamburg 2020, Seite 14ff., unter: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/bitstream/ediss/8764/1/Dissertation_Druckfassung _final.pdf, abgerufen am 4. März 2021. 13 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Ergebnisbericht zur Marktuntersuchung Restschuldversicherungen , 21. Juni 2017, Seite 8f., unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Anlage /dl_170620_marktuntersuchung_restschuldversicherungen.pdf?__blob=publicationFile&v=8, abgerufen am 4. März 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/21 Seite 9 Zur Vertriebspraxis der Versicherungsunternehmen bei Restschuldversicherungen als Gruppenversicherung kann angemerkt werden, dass der Vertrieb auf maximale Rationalisierung und Kostenersparnis ausgerichtet ist: "Zwecks Erzielung von Kostenersparnissen in der Vertragsverwaltung wird bewusst die Gruppenversicherung als Gestaltungsform gewählt, da sie eine vereinfachte und rationelle Abwicklung der einzelnen Versicherungsverhältnisse erlaubt."14 Zum 1. September 2020 veröffentlichte die BaFin die weiteren Ergebnisse der Marktuntersuchung „Restschuldversicherungen“, in der sie nicht nur die Entwicklung der Provisionen bei der Vermittlung untersucht, sondern zum Beispiel auch die Vertragsgestaltungen im Hinblick auf Einzel- oder Gruppenverträge. "Bemerkenswert ist dabei, dass von den fünf Versicherungsunternehmen, die ihre Vertragskonstruktion von der echten Gruppenversicherung auf individuelle Verträge umgestellt haben , drei Versicherer den Vertrieb von echten Gruppenversicherungsverträgen ganz einstellten . Vergleichbar ist die Situation bei den Kreditinstituten, wo in sechs Fällen eine Umstellung von einem Gruppenversicherungsmodell auf das Einzelvertragsmodell stattgefunden hat."15 Eine Risikolebensversicherung, die nur im Todesfall oder bei Arbeitsunfähigkeit infolge von Körperverletzung , Krankheit oder Gebrechen zahlbar ist, stellt kein Versicherungsanlageprodukt dar.16 Folglich kann nur § 48a Abs. 1 VAG angewendet werden. Die BaFin muss gemäß ihren Aufgaben und Aufsichtsbefugnisse nach §§ 294, 298 VAG und im Sinne des Verbraucherschutzes den Verantwortlichen eines jeden Versicherungsunternehmen im Einzelfall nachweisen, dass durch Vergütungsanreize einem Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt empfohlen 14 Stoffregen, Tim: Die vorzeitige Kündigung und Rückabwicklung von Restschuldversicherungen unter besonderer Berücksichtigung ihrer historischen Funktion als Entschuldungsmittel, Dissertation Hamburg 2020, Seite 12 mit Verweis auf die Diskussion bereits im Jahr 1985, unter: https://ediss.sub.uni-hamburg .de/bitstream/ediss/8764/1/Dissertation_Druckfassung_final.pdf, abgerufen am 4. März 2021. 15 Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht: Marktuntersuchung „Restschuldversicherungen“ - Thematische Folgearbeit – 01.09.2020, Textziffer 29, unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Anlage /dl_Marktuntersuchung_Restschuldversicherung_.html?nn=9021442, abgerufen am 1. März 2021. 16 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Versicherungsanlageprodukte - Neue Regeln ab 2018: Anwendungsbereich im deutschen Markt, unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel /2017/fa_bj_1708_Versicherungsanlageprodukte.html, abgerufen am 2. März 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 024/21 Seite 10 wurde, obwohl es ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Versicherungsprodukt hätte anbieten könnten.17 Dazu kann sie sich konkreterer Vorschriften im Versicherungsvertragsgesetz oder VAG bedienen, zum Beispiel der oben genannten §§ 23, 32 VAG. Dies macht auch vor dem Hintergrund Sinn, dass § 48a VAG selbst nicht sanktionsbewehrt ist. * * * 17 Papier, Hans-Jürgen: Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit eines gesetzlichen Provisionsdeckels für die Vermittlung von Lebensversicherungen im Auftrag des Bundesverbandes Finanzdienstleistung AfW e.V., des VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e. V. und der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler, Januar 2019, unter: https://www.bundesverband-finanzdienstleistung .de/wp-content/uploads/2019/02/Prof.-Papier-Rechtsgutachten-gesetzlicher-Provisionsdeckel.pdf, abgerufen am 9. März 2021.