Deutscher Bundestag Verfassungsmäßigkeit einer Bürgerversicherung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 486/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 2 Verfassungsmäßigkeit einer Bürgerversicherung Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 486/10 Abschluss der Arbeit: 21. Dezember 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Kompetenzrechtliche Vorgaben des Grundgesetzes 5 2.1. Kompetenzgrundlage Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG 5 2.1.1. Verfassungsrechtlicher Begriff der Sozialversicherung 5 2.1.2. Einbeziehung der gesamten Bevölkerung 6 2.2. Erweiterung der Beitragsbemessung 7 2.3. Kompetenzgrundlage Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG 7 2.4. Einbeziehung der Beamten 8 3. Grundrechte der privaten Krankenversicherungsträger bei der Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze 8 3.1. Eingriff in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG 8 3.1.1. Unmittelbarer Eingriff in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG 9 3.1.2. Mittelbarer Eingriff in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG 10 3.1.3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 11 3.1.3.1. Schranken von Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG 11 3.1.3.2. Berufsausübungsregel oder Berufswahlregel 11 3.1.3.3. Verhältnismäßigkeit der Bürgerversicherung 12 3.2. Eingriff in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG 14 4. Grundrechte der Versicherten bei der Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze 15 4.1. Eingriff in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (Altersrückstellungen) 15 4.1.1. Verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff 16 4.1.2. Einfachgesetzliche Ausgestaltung 17 4.1.3. Auswirkungen auf den verfassungsrechtlichen Schutz 17 4.1.4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 18 4.2. Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG (Selbstständige) 19 4.3. Eingriff in Art. 33 Abs. 5 GG (Beamte) 19 4.4. Eingriff in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (Einbeziehung in die GKV) 21 4.5. Eingriff in Art. 9 Abs. 1 GG (Einbeziehung in die GKV) 21 4.6. Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG (Einbeziehung in die GKV) 21 4.6.1. Schrankenbereich des Art. 2 Abs. 1 GG 22 4.6.2. Schranken-Schranke der Verhältnismäßigkeit 22 4.6.2.1. Geeignetheit der Maßnahme 22 4.6.2.2. Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme 23 5. Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage 24 5.1. Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG 24 5.2. Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG 25 5.3. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG 26 5.3.1. Rechtfertigung 26 5.3.2. Fazit 29 5.4. Finanzverfassungsrechtliche Aspekte 30 6. Zusammenfassung 31 7. Literaturverzeichnis 34 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 4 1. Einleitung Seit längerer Zeit gibt es Überlegungen, das bestehende Sozialversicherungssystem umzugestalten , um Gerechtigkeitslücken in der Krankenversicherung zu beheben. Hierfür sollen gesetzliche und private Krankenversicherungen zu einer sogenannten Bürgerversicherung weiterentwickelt werden. Modelle für eine Bürgerversicherung gibt es unter anderem von der SPD,1 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,2 der LINKEN,3 der „Rürup-Kommission“4 und zuletzt einer Reformkommission unter der Leitung des DGB5. Ein Kernelement aller Modelle ist die Erweiterung des Versichertenkreises durch Einbeziehung aller Bevölkerungsgruppen unter Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze in die Bürgerversicherung. Die Bürgerversicherung würde sich somit auch auf Selbstständige, Beamte, von der gesetzlichen Krankenversicherung befreite Personen und Sozialhilfeempfänger erstrecken. Die Beitragsbemessungsgrundlage soll auf sämtliche Einkunftsarten ausgeweitet werden, so dass zukünftig nicht nur das Arbeitseinkommen, sondern auch Kapitaleinkünfte und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Beitragsbemessung herangezogen werden könnten. Unterschiedliche Konzepte gibt es zur Beitragsbemessungsgrenze, hier reichen die Vorschläge von der Beibehaltung über eine Erhöhung bis zur ihrer vollständigen Abschaffung . Verschiedene Modelle sehen vor, dass die Bürgerversicherung unter einheitlichen Bedingungen von den gesetzlichen Krankenversicherungen und den privaten Versicherungsunternehmen angeboten wird.6 Diskutiert wird aber auch, den privaten Krankenversicherungen das Geschäft der Krankenvollversicherung ganz zu entziehen, so dass diesen nur noch der Verkauf von Zusatzversicherungen bliebe.7 Je nach gewählter Gestaltungsoption der Bürgerversicherung sind die Auswirkungen auf die beteiligten Grundrechtsträger – insbesondere die Pflichtversicherten und die privaten Krankenversicherungsträger – von unterschiedlichem Gewicht. Das macht konkrete Aussagen zum verfassungsrechtlichen Spielraum des Gesetzgebers schwierig. Gegenstand der folgenden Überlegungen kann deshalb nur eine Zusammenstellung des Meinungsstands in der Literatur und Rechtsprechung sein. Geprüft wird zunächst die Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Einführung einer Bürgerversicherung. Im Rahmen der materiellen Verfassungsmäßigkeit werden sodann die 1 Beschluss des SPD-Präsidiums vom 8. November 2010, http://www.spd.de/aktuelles/Pressemitteilungen/5782/20101108_beschluss_praesidium_buergerversicherung.html (Stand: 16.11.2010). 2 BT-Drs. 17/258 sowie Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz vom 19.-21.11.2010 zur Grünen Bürgerversicherung unter: http://www.gruenepartei .de/cms/default/dokbin/362/362228.g01zugang_teilhabe_praevention_gruene_ge.pdf (Stand: 24.11.2010). 3 BT-Drs. 17/1238. 4 Bericht der Rürup-Kommission: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, „Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme“, 2003, S. 149 ff. 5 Reformkommission „Für ein solidarisches Gesundheitssystem der Zukunft“, Pressemitteilungen und Bericht vom 13.10.2010 siehe http://www.dgb.de/presse/++co++5e0d6b18-0370-11e0-4e95-00188b4dc422 6 So die Überlegungen der SPD und von BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN. 7 So das Konzept der LINKEN und der DGB-Reformkommission. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 5 Grundrechte der privaten Versicherungsunternehmen und der Versicherten bei der Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze geprüft. Die Grundrechte der Versicherten können auch bei einer Erweiterung der Beitragsbemessungsgrundlage tangiert sein. Zur Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung bzw. Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Rahmen der Einführung einer Bürgerversicherung wird auf das Gutachten WD 3-3000-491/10 verwiesen.8 2. Kompetenzrechtliche Vorgaben des Grundgesetzes 2.1. Kompetenzgrundlage Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Das gegenwärtige Recht der gesetzlichen Krankenversicherung stützt sich auf die Kompetenzzuweisung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Grundgesetz (GG). Danach steht dem Bund auf dem Gebiet der Sozialversicherung die konkurrierende Gesetzgebung zu. Ob auch die Bürgerversicherung auf diesen Kompetenztitel gestützt werden kann, begegnet Bedenken in der rechtswissenschaftlichen Literatur. 2.1.1. Verfassungsrechtlicher Begriff der Sozialversicherung Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) versteht den Begriff „Sozialversicherung“ als weit gefassten Gattungsbegriff, der dem Wandel sozialer Verhältnisse angepasst werden könne.9 In ständiger Rechtsprechung hat das BVerfG klargestellt, dass sich dem Grundgesetz keine Garantie des bestehenden Sozialversicherungssystems entnehmen lässt.10 Der Gesetzgeber könne einen Krankenversicherungsschutz auf eine andere Weise gewährleisten und diesen auch auf andere Weise als bisher finanzieren. Neue Lebenssachverhalte können demnach in das Gesamtsystem „Sozialversicherung “ einbezogen werden, wenn die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen dem Bild entsprechen, das durch die klassische Sozialversicherung geprägt ist.11 Damit sind gewisse Mindestanforderungen an die organisatorische Durchführung der sozialen Sicherung und an die abzudeckenden Risiken zu beachten. Prägende Elemente der Sozialversicherung sind jedenfalls „die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“12, Aufbringung der Mittel durch Beiträge13 – und damit Verknüpfung von Beiträgen und Leistungen bei grundsätzlicher 8 , Ist die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung aus rechtlicher Sicht möglich?, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3-300-491/10), 2010. 9 BVerfGE 75, 108 (146). 10 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 18. Juli 2005 - 2 BvF 2/01 -, Rn. 136, abrufbar unter: http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20050718_2bvf000201.html. 11 BVerfGE 11, 105 (112); Schnapp/Kaltenborn, S. 13. 12 BVerfGE 75, 108 (146). 13 BVerfGE 75, 108 (146 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 6 Beitragsäquivalenz14 – und Durchführung durch selbständige juristische Personen des öffentlichen Rechts.15 In Abgrenzung zur privaten Krankenversicherung ist die gesetzliche Krankenversicherung durch ein Moment des sozialen Ausgleichs geprägt.16 2.1.2. Einbeziehung der gesamten Bevölkerung Die Einbeziehung der gesamten Bevölkerung in eine Krankenversicherung könnte dem traditionellen Bild der Sozialversicherung widersprechen. Im 20. Jahrhundert sei die Sozialversicherung im Wesentlichen auf die abhängig Beschäftigten beschränkt gewesen.17 Die Sozialversicherung war ursprünglich als Arbeitnehmerversicherung konzipiert. Im Laufe der Zeit hat sich der Kreis der Versicherten aber stetig ausgeweitet und der Anteil der nicht abhängig Beschäftigten ist gewachsen . Aus historischer Sicht lässt sich daher eine Eingrenzung der Sozialversicherung auf die Arbeitnehmerschaft nicht begründen.18 Auch das historische Argument, die Schutzbedürftigkeit des Versicherten sei konstitutives Element des Begriffs „Sozialversicherung“, und es könnten daher nur schutzbedürftige Personen in eine Krankenversicherung aufgenommen werden, kann nicht überzeugen. Weder das Versicherungs - noch das Solidarprinzip verlangen eine Einschränkung des Versichertenkreises in dieser Hinsicht.19 Die Beschränkung auf Arbeitnehmer und auf eine soziale Notlage gehört auch nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht zum Wesen der Sozialversicherung.20 Ausgehend von der Forderung des BVerfG zur „organisierten Vielheit“ 21 als prägendem Element der Sozialversicherung, leiten einige Autoren die Notwendigkeit einer zahlenmäßige Begrenzung des Versichertenkreises ab.22 Eine Bürgerversicherung widerspreche dieser Anforderung, da sie die gesamte Bevölkerung umfasse und nicht nur eine „organisierte Vielheit“. Hiergegen wird argumentiert , dass die „organisierte Vielheit“ den Versichertenkreis aber nicht nach oben, sondern nach unten begrenzen solle. Das Wort „Vielheit“ diene lediglich der Klarstellung, dass eine Versicherung , um funktionieren zu können, von einer ausreichend großen Anzahl von Versicherten getragen werden müsse.23 Sieht man das als überzeugend an, kann die Bürgerversicherung daher noch als Sozialversicherung iSd Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG interpretiert werden. 14 Degenhardt, in: Sachs, GG, Art. 74 Rn. 57; Kirchhof, in: HStR IV, § 93 Rn. 16 f. 15 BVerfGE 75, 108, (146). 16 BVerfGE 17, 1 (9). 17 Isensee, NZS 2004, 393 (396); Sodan, ZRP 2004, 217 (218). 18 Schräder, S. 89 f.; Bieback, S. 55. 19 Schräder, S. 98 ff.; Schenke, Die Verwaltung 2004, 475 (487 f.). 20 BVerfGE 59, 36 (113). 21 BVerfGE 75, 108 (146). 22 Sodan, ZRP 2004, 217 (218); Maunz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 74 Rn. 172. 23 Schräder, S. 86; Schenke, Die Verwaltung 2004, 475 (488); Bieback, S. 52 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 7 2.2. Erweiterung der Beitragsbemessung Die Einbeziehung weiterer Einkommensarten in die Beitragsbemessung wird ebenfalls mit einem Verweis auf die Tradition der Sozialversicherung abgelehnt. Beträge zur Krankenversicherung seien immer nur aus dem Arbeitseinkommen bezahlt worden.24 Für eine Erweiterung der Beitragsbemessung spricht aber, dass Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG auch eine Einbeziehung von Selbstständigen in die Sozialversicherung erlaubt und nicht nur das Einkommen aus unselbstständiger Arbeit.25 Zudem hat das BVerfG keine Einwände gegen eine erweiterte Beitragsbemessungsgrundlage für freiwillig versicherte Rentner erhoben, sondern bekräftigt, dass eine Ausdehnung dieser Regelung auch auf pflichtversicherte Rentner verfassungsrechtlich geboten sein könnte.26 Die ursprüngliche Bindung an das Arbeitseinkommen hat historische Gründe, ist aber kein konstitutives Merkmal der Sozialversicherung. Ebenso wenig steht das Versicherungsprinzip der Einbeziehung weiterer Vermögensarten entgegen.27 Eine Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage würde nach der Auffassung einiger Autoren dazu führen, dass der Beitrag für die Bürgerversicherung und die Einkommensteuer identisch wären.28 Eine Zuwendung zum Versorgungsprinzip der Bürgerversicherung durch Stärkung der solidarisch-umverteilenden Elemente stelle eher eine Steuer – die dem Zweck der Absicherung im Krankheitsfall diene –, als einen Sozialversicherungsbeitrag dar. Eine zweite „Einkommensteuer “ wäre aber nicht mit der Finanzverfassung des Grundgesetzes kompatibel und könne insbesondere nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gestützt werden. Gegen diese Auffassung wird vorgetragen , dass der Gesetzgeber lediglich beabsichtige, den Sozialversicherungsbeitrag zu modifizieren , der Beitrag aber nicht über Steuergesetze festgelegt werde noch den allgemeinen Steuergrundsätzen unterordne. Die Charakterisierung einer Abgabe als Sozialversicherungsbeitrag richte sich danach, ob sie eingebunden sei in ein System der Sozialversicherung, sie der Finanzierung von Leistungen der Sozialversicherung diene und Sozialversicherungsträgern zustehe.29 Zudem verhindere die Beitragsbemessungsgrenze, dass die gesamte Leistungsfähigkeit des Versicherten abgeschöpft werde und der Kreis der Versicherungspflichtigen decke sich nicht mit dem Kreis der Einkommensteuerpflichtigen.30 2.3. Kompetenzgrundlage Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG Lehnt man die Einführung einer Bürgerversicherung auf der Kompetenzgrundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ab, so bleibt zu prüfen, ob nicht das Recht der öffentlichen Fürsorge gemäß 24 Isensee, NZS 2004, 393 (396); Sodan, ZRP 2004, 217 (218). 25 Schenke, Die Verwaltung 2004, 475 (486 f.). 26 BVerfGE 102, 68 (92 f.); vgl. Schräder, S. 114. 27 Schräder, S. 113 f. 28 Isensee, NZS 2004, 393 (397); Brall/Voges, S. 52; Kirchhof, NZS 2004, 1 (6); Sodan, ZRP 2004, 217 (219). 29 Bieback, S. 61 f.; a.A. Brall/Voges, S.54 ff. 30 Schenke, Die Verwaltung 2004, 475 (488). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 8 Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG als Kompetenzgrundlage dienen könnte. Nach Auffassung von Schräder31 könnte der Bundesgesetzgeber die Bürgerversicherung auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG stützen. Die öffentliche Fürsorge werde vom Bundesverfassungsgericht32 ebenso wie der Sozialversicherungsbegriff als weiter Gattungsbegriff aufgefasst, so dass er als Auffangkompetenz für soziale Belange dienen könne. Die Autorin bejaht auch die Notwendigkeit einer bundesgesetzlichen Regelung, da unterschiedliche Länderregelungen zu einer Zersplitterung des komplizierten Systems und zur Gefährdung seiner Funktionsfähigkeit führen würden.33 2.4. Einbeziehung der Beamten Beamte nehmen eine Sonderstellung bei der Krankenversicherung ein, da ihr Dienstherr für die Versorgung im Krankenfall zuständig ist. Das BVerfG hat die Kompetenz für die beamtenrechtliche Fürsorge aus Art. 73 Nr. 8 und Art. 74a Abs. 1 GG abgeleitet.34 Die Einbeziehung der Beamten in eine einheitliche Sozialversicherung, die auf die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gestützt ist, könnte daher problematisch sein. Der Bund könnte jedoch unter Verzicht auf ein selbstständiges Krankenfürsorgesystem für Beamte seine Befugnis aus Art. 73 Nr. 8 GG nicht mehr wahrnehmen und ein allgemeines Sozialversicherungssystem gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG errichten.35 3. Grundrechte der privaten Krankenversicherungsträger bei der Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze 3.1. Eingriff in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG36 Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG schützt die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung als einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit.37 Dessen Gewährleistung erstreckt sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen, soweit diese eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben , die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise juristischen wie natürlichen Personen offen steht.38 31 Schräder, S. 126 ff. 32 Vgl. BVerfGE 106, 62 (133). 33 Schräder, S. 130. 34 BVerfGE 62, 354 (366). Art. 74 a GG wurde im Zuge der Föderalismusreform I mit Wirkung zum 1.9.2006 aufgehoben . 35 Schräder, S. 109 f. 36 Vgl. , Auswirkungen der Bürgerversicherung auf Grundrechte der Versicherungsunternehmen , Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WF III-376/05), 2006. 37 BVerfGE 7, 377, (397). 38 BVerfGE 105, 252, (265); Bundesverfassungsgericht vom 4.2.2004, 1 BvR 1103/03, Absatz-Nr. 15, unter www.bundesverfassungsgericht.de; Art. 19 Abs. 3 GG erfasst nicht nur juristische Personen im engeren Sinne, Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 9 Dies ist beim Angebot und der Abwicklung von Krankenversicherungen der Fall, so dass die privaten Krankenversicherungsunternehmen den Schutz des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG genießen.39 Höchstrichterlich geklärt ist, dass die Reichweite des Freiheitsschutzes durch diejenigen rechtlichen Regelungen mitbestimmt wird, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen: Das Grundrecht umfasst demnach von vornherein keinen Anspruch darauf, dass künftige Erwerbsaussichten gesichert und unverändert bleiben.40 Dies gilt auch, wenn das Marktgeschehen durch den Staat selbst verändert wird.41 Umstritten ist, ob überhaupt ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 Abs.1 GG vorliegt, ob – bei Bejahung des Eingriffs – Berufsausübungsregeln oder Berufswahlregeln betroffen sind und ob diese gerechtfertigt wären. 3.1.1. Unmittelbarer Eingriff in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG Die Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze und die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die Bürgerversicherung beeinträchtigt die gewerbliche Tätigkeit der PKV. Im Jahr 2009 stammten 71,71 % der Beitragseinnahmen der PKV aus der Krankheitsvollversicherung.42 Nach dem klassischen Eingriffsbegriff liegt ein unmittelbarer Eingriff in die Berufsfreiheit vor, wenn die Berufsbetätigung durch unmittelbare oder gezielte Regelungen final verkürzt wird und diese Regelungen zur Folge haben, dass die berufliche Tätigkeit nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr in der gewünschten Weise ausgeübt werden kann.43 Ein unmittelbarer Eingriff dürfte nach dieser Definition vorliegen, wenn die privaten Versicherungsunternehmen keine Krankenvollversicherungen mehr anbieten dürfen und nur noch auf den Bereich der Zusatzversorgungsverträge beschränkt wären. Soweit die Bürgerversicherung und die allgemeine Versicherungspflicht dazu führten, dass private Krankenvollversicherungen nicht mehr lukrativ wären und dadurch ein großer Bereich des sondern auch nicht rechtsfähige Personengesellschaften, siehe nur Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 19, Rn. 246. 39 Dem steht nicht entgegen, dass es sich beim Krankenversicherungssystem um ein System handelt, in dem private und gesetzliche Krankenversicherungsunternehmen nebeneinander agieren. Denn der Schutzbereich der Berufsfreiheit umfasst nach überwiegender Auffassung auch solche Tätigkeiten, die in erster Linie dem Staat vorbehalten sind und für die aufgrund gesetzlicher Vorgaben ein Verwaltungsmonopol besteht, vgl. BVerfGE 7, 377, (397); Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12, Rn. 80. 40 BVerfGE 105, 252, (265). 41 BVerfG vom 4.2.2004, 1 BvR 1103/03, Absatz-Nr. 15, unter www.bundesverfassungsgericht.de. 42 Verband der privaten Krankenversicherung e.V., Zahlenbericht der privaten Krankenversicherung 2009/2010, S. 27; im Internet: http://www.pkv.de. 43 Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 12, Rn. 42. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 10 Marktes für die PKV wegfiele, wäre dies nur eine mittelbare Folge.44 Auch wenn die Bürgerversicherungen zu gleichen Bedingungen von den gesetzlichen und den privaten Krankenversicherungsunternehmen angeboten würden, wäre dies nur ein mittelbarer Eingriff in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG. 3.1.2. Mittelbarer Eingriff in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG Ein Eingriff kann auch dann vorliegen, wenn mittelbare Verkürzungen des Schutzbereichs unter den Eingriffsbegriff fallen. Grundsätzlich ist dies nicht von vornherein ausgeschlossen,45 bei Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG aber nur zu bejahen, wenn die Regelungen in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen.46 Das Bundesverfassungsgericht hat die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze im Jahr 2002 nicht als Eingriff in die Berufsfreiheit der privaten Krankenversicherungsunternehmen gewertet , sondern ihre Auswirkungen als bloßen Reflex der Neuregelung angesehen, der nicht an Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG zu messen sei.47 Ferner gewährt Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG keinen Schutz gegenüber staatlicher Konkurrenz: Der Schutzbereich ist nicht tangiert, wenn der Staat oder seine Unternehmen unter den gleichen Bedingungen am Markt antritt wie private Unternehmen, d.h. keine genuinen Hoheitsmittel eingesetzt werden.48 Insoweit ließe sich der Eingriff verneinen, wenn GKV und PKV unter einheitlichen Wettbewerbsbedingungen die Bürgerversicherung anbieten dürfen. Die überwiegende Auffassung in der Literatur bejaht indes im Falle der Bürgerversicherung einen Eingriff, da die Auswirkungen auf die Versicherungsunternehmen erheblich größer wären als das bei der Änderung der Versicherungspflichtgrenze der Fall sei.49 Insoweit kann offen bleiben, ob das derzeitige bipolare Versicherungssystem als solches unter verfassungsrechtlichem Schutz steht und auch eine faktische Abschaffung oder starke Veränderung einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfte. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass sich dem Grundgesetz keine Garantie des bestehenden Sozialversicherungssystems oder seiner tragenden Organisationsprinzipien entnehmen lässt. Vielmehr bleibe es dem 44 Schmidt, SGb 2004, 732 (733); Glauben, DRiZ 2005, 229 (233). Synonym werden auch die Begriffe „nichtimperative “ bzw. „faktische“ Folgen genannt; die Begrifflichkeiten sind verschieden, in ihrer Bedeutung aber deckungsgleich , Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 12, Rn. 78. 45 Zum Wandel des Verständnisses des Grundrechtseingriffs vgl. Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 111, Rn. 62 – 68. 46 BVerfGE 70, 191, (214); kritisch: Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12, Rn. 74 – 76. 47 BVerfG vom 4.2.2004, 1 BvR 1103/03, Absatz-Nr. 15, unter www.bundesverfassungsgericht.de; a.A.: Wollenschläger /Krogull, NZS 2005, 237 (239). 48 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12, Rn. 89, m.w.N. 49 Axer, S. 12; Glauben, DRiZ 2005, 229 (233); Bieback, S. 111, 169; Schulte, S. 34; Schräder, S. 298 f.; Brall/Voges, S. 19; a.A.: Schmidt, SGb 2004, S. 733. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 11 Gesetzgeber unbenommen, Krankenversicherungsschutz auf andere Weise zu gewährleisten, diesen insbesondere auf andere Weise zu finanzieren.50 3.1.3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Geht man vom Vorliegen eines Eingriffs aus, stellt sich in der Folge die Frage, ob dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Das ist der Fall, wenn die Regelungen von den Schranken des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG gedeckt wäre. 3.1.3.1. Schranken von Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG Da Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG als einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit verstanden wird, erstreckt sich entgegen dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG der Regelungsvorbehalt dem Grunde nach auf die Berufsausübung und die Berufswahl. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist am Maßstab der so genannten Drei-Stufen-Theorie zu bestimmen. Hiernach ist für die Schranken-Schranken einer Grundrechtsbeeinträchtigung danach zu fragen, ob lediglich Berufsausübungsregeln geschaffen werden, also das „Wie“ der beruflichen Arbeit begrenzt wird oder aber Berufszulassungsregeln vorliegen, also das „Ob“ eines Berufes betroffen ist. Innerhalb der Berufszulassungsregeln wird zwischen subjektiven und objektiven Berufszulassungsregeln differenziert .51 Der Gesetzgeber ist inhaltlich umso freier, je mehr die Regelung reine Ausübungsregelung ist, und umso enger begrenzt, je mehr auch die Berufswahl berührt wird.52 Ist nur die Berufsausübung betroffen, können vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls eine entsprechende Regelung zweckmäßig erscheinen lassen. Handelt es sich um eine objektive Berufszulassungsregel, können nur überragend wichtige Gemeinschaftsgüter den Eingriff rechtfertigen. Die Anforderungen an ein Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG einschränkendes Gesetz hängen demnach davon ab, welcher Stufe sich die Beeinträchtigung zuordnen lässt. Auch hierüber herrscht betreffend die Bürgerversicherung Streit – darüber, welche Stufe tatsächlich betroffen ist und darüber, welche Konsequenzen für die Rechtfertigung zu ziehen sind. 3.1.3.2. Berufsausübungsregel oder Berufswahlregel Für die Annahme einer Berufsausübungsregel spricht, dass lediglich die gesetzlichen Vorgaben für den Abschluss von Krankenvollversicherungen abgeändert werden, deren Befolgung jedoch 50 Vgl. BVerfG vom 18.7.2005, 2 BvF 2/01, Absatz-Nr. 136 m.w.N., unter www.bundesverfassungsgericht.de; siehe auch: Jaeger, NZS 2003, 225 (234), m.w.N. 51 Als zulässige Berufsausübungsregel wurde beispielsweise die Einschränkung der Werbung nach dem UWG angesehen, BVerfGE 32, 311, (317), als subjektive Berufszulassungsschranken die Befähigungsnachweise für Handwerker, BVerfGE 13, 97 ff., als objektive Berufszulassungsschranken gelten vor allem Konzessionen, die an Umstände anknüpfen, auf die der Bewerber keinen Einfluss hat, zu Taxikonzessionen BVerfGE 79, 208, (210ff.). 52 BVerfGE 7, 377, (402). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 12 davon abhängt, ob private Unternehmen einen Bürgerversicherungstarif anbieten möchten oder nicht. Sie können, müssen aber nicht in Wettbewerb mit den gesetzlichen Krankenversicherungen treten und haben die Option, sowohl im Bereich Bürgerversicherung – dann zu wesentlich geänderten Bedingungen – als auch im Bereich der Zusatzversicherungen weiter zu agieren.53 Soweit durch eine generelle Pflichtversicherung potentielle Neukunden der privaten Krankenversicherer gar nicht mehr nachrücken können, werden lediglich die Rahmenbedingungen des Marktes neu strukturiert und künftige Betätigungsmöglichkeiten eingeschränkt.54 Für die Annahme einer Berufswahlregelung spricht, dass die privaten Krankenvollversicherungen in ihrer jetzigen Struktur das zentrale Betätigungsfeld bilden. Sollten die privaten Unternehmen auf die Bürgerversicherung und auf den Markt der Zusatzversicherungen beschränkt bleiben , lohnte sich die Tätigkeit als Krankenversicherer nicht mehr. Durch die Bürgerversicherung entstünde ein faktisches Monopol und in der Konsequenz eine objektive Berufszulassungsschranke .55 Dogmatisch ließe sich dies mit der Annahme begründen, dass Krankenvollversicherer ein eigenständiger Beruf ist, nicht nur ein Aspekt des Gesamtgeschäftsbereich „Krankenversicherungsunternehmen “.56 Dies gilt umso mehr, wenn die PKV nur noch Zusatzversicherungen anbieten darf. 3.1.3.3. Verhältnismäßigkeit der Bürgerversicherung Bejaht man den schwerwiegendsten Eingriff in Form einer objektiven Berufszulassungsschranke oder eine vergleichbare Eingriffsintensität, so ist diese nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur gerechtfertigt, wenn sie dem Zweck dient, nachweisbare oder höchstwahrscheinlich schwerwiegende Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut abzuwehren. Im Übrigen muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein. Dies ist der Fall, wenn die Bürgerversicherung zur Erreichung dieses Zweckes geeignet, erforderlich und angemessen ist. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut darstelle, allerdings kein Selbstzweck sei.57 Vielmehr diene die monetäre Sicherheit dazu, den schutzbedürftigen Personenkreis effektiv und ausreichend im Krankheitsfalle versorgen zu können. Legitimer Zweck der Ausdehnung der Versicherungspflicht auf alle Bürger wäre, dass sich der Kreis der Beitragszahler und damit das finanzielle Fundament der Krankenversicherung verbessert. Im Falle der Bürger- 53 Schulte , S. 34; Schräder, S. 302; Bieback, S. 110, geht sogar davon aus, dass dies auch beim Monopol-Modell gilt. 54 BVerfG vom 4.2.2004, 1 BvR 1103/03, Absatz-Nr. 40, unter www.bundesverfassungsgericht.de. 55 Axer, S. 12; Zur Kumulierung von Eingriffen, faktischen Folgen und daraus resultierenden Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung vgl. Hufen, S. 34, m.w.N. 56 Beck, SozSich 2004, 386 (389); Bieback, S. 109; Schmidt, SGb 2004, S. 734; grundlegend zur so genannten Berufsbildlehre : Breuer, HdStR VI, § 147, Rn. 35 ff. und 40 ff. 57 BVerfG vom 18.7.2005, 2 BvF 2/01, Absatz-Nr. 139. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 13 versicherung könnte diese außerdem dazu dienen, Lücken bei der Kranken- und Alterssicherung bei schutzbedürftigen Selbstständigen zu schließen.58 Hinsichtlich der Geeignetheit sozialrechtlicher Vorschriften räumt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum ein, der auch Prognosen hinsichtlich der Wirksamkeit einer Maßnahme einschließt. Es liegt grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, den Mitgliederkreis der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits danach abzugrenzen , welcher Personenkreis zur Bildung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist und andererseits danach, welche Personen deren Schutz benötigen.59 Durch die Einbeziehung aller Personengruppen und aller Einkommensarten kann die finanzielle Basis erweitert und von Schwächen des Arbeitsmarktes teilweise abgekoppelt werden. Welche Auswirkungen der dann auch größere Kreis der Leistungsberechtigten haben wird, ist nicht absehbar; konkret begründete Zweifel an der Eignung sind nicht ersichtlich. Auch bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Regelung wird dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungsspielraum eingeräumt, der nur dadurch begrenzt ist, dass es keine offensichtlich milderen Mittel geben darf, die zur Erreichung des angestrebten Zwecks gleichermaßen geeignet sind. Hier setzen Kritiker einer Bürgerversicherung einen Schwerpunkt ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken. Bezweifelt wird, dass es erforderlich sei, gerade Personen in einer Pflichtversicherung zu binden, die nicht unmittelbar schutzbedürftig seien. Vielmehr ginge es um die Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen, nicht um die Befriedigung objektiver Schutzinteressen .60 Hiergegen lässt sich einwenden, dass auch dieser Personenkreis zurzeit überwiegend eine private Krankenversicherung abgeschlossen hat, insoweit also selbst von einer gewissen Schutzbedürftigkeit ausgeht.61 Hinzu kommt, dass bei typisierender Betrachtung wohl der Großteil der Bevölkerung mit Blick auf die Kosten hinreichender moderner medizinischer Versorgung als schutzbedürftig angesehen werden kann.62 Und schließlich ist rechtsdogmatisch zweifelhaft, ob bei der Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufsfreiheit von privaten Unternehmen die Grundrechte der Versicherten, um die es bei der Frage der Schutzbedürftigkeit im Kern und unmittelbar geht, überhaupt in diese Abwägung eingestellt werden können.63 Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass die gesetzliche Krankenversicherung ein Grundpfeiler des Sozialstaates ist. Eine Prüfung aller derzeit diskutierten Reformmodelle würde zeigen, dass alle Modelle Vor- und Nachteile haben und sich nicht sofort ein milderes Mittel aufdrängt. 58 Bieback, S. 112. 59 BVerfG vom 18.7.2005, 2 BvF 2/01, Absatz-Nr. 139, unter www.bundesverfassungsgericht.de. 60 Papier, S. 22; Hufen, S. 37; Isensee, NZS 2004, 393 (401); Axer, S. 13; Brall/Voges, S. 31. 61 Jaeger, NZS 2003, 225 (232). 62 Jaeger, NZS 2003, 225 (232); Schmidt, SGb 2004, 732 (736); Schmidt-Aßmann, NJW 2004, 1689 (1693). 63 Schmidt, SGb 2004, 732 (736). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 14 Soweit mildere Mittel von den Kritikern vorgetragen werden64, ist dies verfassungsrechtlich nicht zwingend ein Grund für die Ablehnung der Bürgerversicherung. Der Gesetzgeber hat in dieser komplexen Materie auch eine Einschätzungsprärogative und Gestaltungsfreiheit.65 Für die Angemessenheit möglicher Regelungen zur Bürgerversicherung ist entscheidend, wie die konkrete Ausgestaltung des Krankenversicherungsschutzes im Rahmen einer Bürgerversicherung aussehen soll.66 Es kommt darauf an, welche Leistungen die Bürgerversicherung umfassen soll und ob beispielsweise der Markt der Zusatzversicherungen auch für die gesetzlichen Krankenversicherungen geöffnet würde. Auch Kritiker räumen ein, dass durch bestimmte strukturelle Veränderungen die Intensität der Eingriffe in Grundrechte der privaten Krankenversicherungsunternehmen ausgeglichen werden könnten.67 Beispielhaft werden hier regelmäßig die Aufhebung der Spartentrennung oder eine entsprechende Beschränkung der Leistungen der Bürgerversicherung genannt; letzteres könnte dazu führen, dass sich der Bereich der Zusatzversicherungen erheblich vergrößern würde.68 Ähnlich wie auch bei der Bestimmung der Eingriffsschwere und der Berücksichtigung von additiven Wirkungen auf dieser Ebene könnte für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung insoweit eine Saldierung von Vor- und Nachteilen vorgenommen werden.69 Auch wenn die PKV keine Krankenvollversicherungen mehr verkaufen darf, kann der Eingriff verhältnismäßig sein, wenn der Verkauf von Zusatzversicherungen ausreichend für den Bestand des Unternehmens ist.70 Die Gegenauffassung sieht die Existenz der PKV mit der Einführung der Bürgerversicherung in ihrem Kernbereich bedroht, diese stelle eine unangemessene Belastung für das Unternehmen dar und verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG.71 3.2. Eingriff in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG72 Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG schützt das Eigentum. Eigentum ist kein feststehender Begriff; sein Umfang muss vielmehr durch einfachgesetzliche Normen innerhalb der Schranken-Schranken von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bestimmt werden. Hiernach ist Eigentum die Summe aller vermögenswerten Rechtspositionen, die dem Bürger durch einfaches Recht zugeordnet sind und die ihm eine pri- 64 Isensee, NZS 2004, 393 (401). 65 Bieback, S. 113. 66 Beck, SozSich 2004, 386 (389); Beer/Klahn, SGb 2004, 13 (14). 67 Papier, S. 23; Axer, S. 13; Schmidt-Aßmann, NJW 2004, 1689 (1693); Beer/Klahn, SGb 2004, 13 (15). 68 Zur Verfassungsmäßigkeit der Ausgliederung von Versorgungsleistungen aus der GKV, vgl. Sodan, NZS 2003, 393 ff. 69 Allgemein zur Problematik der Saldierung auf der Rechtfertigungsebene: Hey, AöR 2003, 226 ff. 70 Schräder, S. 306 ff. 71 Brall/Voges, S. 17 ff. 72 Vgl. , Auswirkungen der Bürgerversicherung auf Grundrechte der Versicherungsunternehmen , Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WF III-376/05), 2006. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 15 vate Nutzungs- und Verfügungsbefugnis einräumen.73 Anerkannt ist, dass hierzu auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zählt, auf das sich juristische Personen gemäß Art. 19 Abs. 3 GG berufen können.74 Wird privaten Versicherungsunternehmen durch die Begründung eines Versicherungsmonopols ein bisher betriebener Geschäftszweig entzogen, so liegt darin ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb, der vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG umfasst ist. Dies gilt nicht, wenn durch eine allgemeine Versicherungspflicht die privaten Unternehmen nicht verdrängt werden, sondern lediglich gehindert, einen bislang nicht betriebenen Geschäftszweig aufzunehmen, da sich der Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nur auf den vorhandenen Besitzstand , nicht hingegen auf die Schaffung neuer Besitzstände erstreckt.75 Soweit geplant ist, die bisherigen Verträge mit den privaten Unternehmen unangetastet zu lassen – diese Verträge genießen wegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Bestandsschutz – liegt kein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG vor.76 Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass ohne Neuzugänge dauerhaft die Bildung von Altersrückstellungen unmöglich gemacht wird. Denn insoweit geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass für Versicherungen, die ihrer gesetzlichen Pflicht in diesem Bereich nachgekommen sind und im gebotenen Umfang für die vorhandenen Versicherten kollektive Rückstellungen gebildet haben, Neuzugänge nicht von existenzieller Bedeutung sind.77 4. Grundrechte der Versicherten bei der Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze 4.1. Eingriff in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (Altersrückstellungen)78 In der PKV zahlen die Versicherten mit ihren monatlichen Beiträgen auch einen Anwartschaftsteil , der der Alterssicherung in Form niedriger Prämien im Alter dient. Es stellt sich die Frage, ob diese Altersrückstellungen „Eigentum“ der Versicherten im Sinne von Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG sind. 73 Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 12. 74 Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rn. 18. 75 Papier, S. 17; Beer/Klahn, SGb 2004, 13 (16); a.A. Brall/Voges, S. 33 ff., die in dem Entzug des Krankenvollversicherungsgeschäfts eine Enteignung sehen, der mangels Entschädigungsregelung einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 3 GG darstellt. 76 BVerfG vom 4.2.2004, 1 BvR 1103/03, Absatz-Nr. 40, unter www.bundesverfassungsgericht.de; Axer, S. 13; Bieback, SozSich 2003, S. 424; Muckel, SGb 2004, 670 (674); anders Kirchhof, NZS 2004, 1 (4 f.). Zu möglichen Verfahren bei der Einbeziehung der PKV-Versicherten siehe Sehlen/Hofmann/Reschke, S. 52 ff. und Schräder /Sehlen/Hofmann, SozSich 2004, 6 ff. 77 BVerfG vom 4.2.2004, 1 BvR 1103/03, Absatz-Nr. 34, unter www.bundesverfassungsgericht.de. 78 Vgl. , Auswirkungen der Einführung einer Bürgerversicherung auf die Versicherten in der privaten Krankenversicherung (PKV), Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WF III-375/05), 2006, S. 11 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 16 4.1.1. Verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff Das Grundgesetz definiert nicht ausdrücklich, was unter Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu verstehen ist. Bei der Beantwortung dieser Frage muss auf den Zweck und die Funktion der Eigentumsgarantie unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung zurückgegriffen werden.79 Die Eigentumsgarantie soll dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich erhalten und dem Einzelnen damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen.80 Zu diesem Zweck wird der Bestand der geschützten Rechtspositionen gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Gewalt bewahrt.81 Das Bundesverfassungsgericht sieht ein wesentliches Merkmal des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums darin, dass dem Berechtigten ein vermögenswertes Recht zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet wird.82 Auf dieser Grundlage hat das Bundesverfassungsgericht den Schutz der Eigentumsgarantie für dingliche oder sonstige absolute, gegenüber jedermann wirkende Rechtspositionen bejaht.83 Darüber hinaus umfasst Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.84 Voraussetzung ist dabei nicht, dass über die Rechte uneingeschränkt verfügt werden kann, diese insbesondere auch beliebig übertragbar sind. Zwar ist die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand ein wesentliches Merkmal des Eigentums.85 Jedoch ist dem Gesetzgeber die Schaffung vermögenswerter Rechte, bei denen die Verfügungsmöglichkeit eingeschränkt ist, nicht ohne weiteres verwehrt.86 Zusammengefasst gilt also: Eigentum ist kein feststehender Begriff. Sein Umfang muss durch einfachgesetzliche Normen innerhalb der Schranken-Schranken von Art. 14 Abs. 1 GG bestimmt werden. Eigentum ist danach die Summe aller vermögenswerten Rechtspositionen, die dem Bürger durch einfaches Recht zugeordnet sind und die ihm eine private Nutzungs- und Verfügungsbefugnis einräumen.87 79 BVerfGE 36, 281, (290). 80 BVerfGE 68, 193, (222), m.w.N. 81 BVerfGE 72, 175, (195). 82 Std. Rspr., vgl. BVerfGE 78, 58, (71), m.w.N. 83 BVerfGE 79, 174, (191), m.w.N. 84 BVerfGE 83, 201, (209). 85 Vgl. BVerfGE 52, 1, (30), m.w.N. 86 BVerfGE 83, 201, (209). 87 Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 17 4.1.2. Einfachgesetzliche Ausgestaltung Nach der Rechtsprechung begründen die Altersrückstellungen keinen individuellen Anspruch auf eine bestimmte Geldsumme, sondern lediglich einen Anspruch auf Beitragsermäßigung.88 Aus der Verwendung des Begriffs „Anwartschaft“ im Zusammenhang mit den Altersrückstellungen soll nichts anderes folgen. Der Begriff kennzeichne kein Anwartschaftsrecht im eigentlichen Sinn. Daraus, dass nach allgemeinen Versicherungsbedingungen zur „Finanzierung einer Anwartschaft auf Beitragsermäßigung im Alter“ bestimmte, am Beitragsaufkommen aller Versicherten orientierte Summen zuzuführen sind, folge nicht, dass es sich bei der Alterungsrückstellung um ein in der Entwicklung zum Vollrecht befindliches Recht handeln würde, dessen Erstarken zum vollständigen Recht allenfalls noch vom Willen des jeweiligen Versicherungsunternehmen abhinge.89 Der Begriff der Anwartschaft wird in den Versicherungsbedingungen in anderem Sinne gebraucht .90 Er meint, dass der Versicherungsnehmer im fortgeschrittenen Alter einen Anspruch darauf hat, eine geringere Prämie zu zahlen, als sich diese allein aus der Anwendung der allgemeinen Vorschriften und dem spezifisch höheren Risiko des älteren Menschen ergeben würde. Dabei gehe die „Anwartschaft“ im Sinne einer rechtlich abgesicherten Erwartung dahin, dass diese Beitragsermäßigung nach bestimmten, nicht am individuellen Beitrag des einzelnen Versicherungsnehmers , sondern am Beitragsaufkommen aller Versicherten des einschlägigen Tarifs bemessenen Kriterien errechnet wird. Aus der Verwendung des Begriffs „Anwartschaft“ folgt daher nicht, dass ein individueller Anspruch auf eine bestimmte Summe Geldes oder einen bestimmten Anteil an der Deckungsrückstellung besteht. Es besteht von vornherein kein, auch kein bedingter Anspruch auf Zahlung.91 4.1.3. Auswirkungen auf den verfassungsrechtlichen Schutz Welche Auswirkung diese einfachgesetzliche Auslegung hat, ist umstritten: Nach einer Auffassung sind die Altersrückstellungen in den Schutz von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG einbezogen, da der Schutz vor Beitragssteigerungen im Alter aufgrund der Kapitalbildung eine eigentumsrechtliche Position des jeweils Versicherten darstelle.92 Obgleich die Altersrückstellung nicht übertragbar und die Verfügungsbefugnis erheblich eingeschränkt sei, könne der Versicherte über die Altersrückstellungen grundsätzlich verfügen – er allein könne den Vertrag kündigen und so auf die Ansprüche aus der Altersrückstellung verzichten.93 88 OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, S. 324; BGH, BB 1999, S. 1457. 89 OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, S. 324; BGH, BB 1999, S. 1457. 90 OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, S. 324; BGH, BB 1999, S. 1457. 91 OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, S. 324; BGH, BB 1999, S. 1457. 92 Storr, SGb 2004, 279 (287); Schulte, S. 31; Bieback, S. 106; Axer, S. 8, Schräder, S. 203. 93 Storr, SGb 2004, 279 (287); Isensee, NZS 2004, 393 (400). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 18 Dagegen spricht, dass gerade kein Verzicht auf einen Anspruch vorliegt, sondern lediglich der Verzicht auf eine Aussicht. Es fehlt bereits an der Individualisierbarkeit des Anspruchs. Außerdem können die Altersrückstellungen nicht in dem Sinne genutzt werden, dass daraus laufend Früchte oder sonstige, auch einmalige Vorteile gezogen werden. Vielmehr stellen sie Rechtspositionen dar, die vom Gesetz zwar als Rechte oder Anwartschaften ausgestaltet sind, bei denen aber die Möglichkeit, sie auszunutzen, von weiteren Voraussetzungen abhängt, deren Eintritt ungewiss ist. Solche Positionen kommen wirtschaftlich betrachtet einer bloßen Chance nahe, die nicht unter den Schutz der Eigentumsgarantie fallen.94 Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht die Aussicht auf beitragslosen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz im Rentenfall nicht als vermögenswerte Position im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG angesehen.95 4.1.4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Folgt man der Auffassung in der Literatur, dass ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG vorliegt, so ist die Grundrechtsbeeinträchtigung gerechtfertigt, wenn sie rechtmäßig die verfassungsmäßigen Schranken konkretisiert, welche für das Eigentumsrecht gelten. Dies richtet sich danach, ob sich der Eingriff als Inhalts- oder Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG oder als Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG darstellt. Inhalts- und Schrankenbestimmungen legen durch rechtliche Regelungen Inhalt und Schranken des Eigentums abstrakt und generell fest. Eine Enteignung liegt in der vollständigen oder teilweisen Entziehung konkreter vermögenswerter Rechtspositionen durch einen gezielten hoheitlichen Rechtsakt zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben.96 Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung stehen in einem strengen aliud-Verhältnis zueinander.97 Eine Enteignung läge vor, wenn der Gesetzgeber mit der Bürgerversicherung gerade einen finalen Eingriff in die privaten Vollversicherungsverträge bezwecken würde. Der Gesetzgeber bezweckt die Ausweitung des Versichertenkreises, um die finanzielle Stabilität der GKV zu sichern. Nach einer Auffassung stellt die Ausweitung der Versicherungspflicht eine Legalenteignung dar, die nur gegen Entschädigung möglich wäre.98 Nach anderer Auffassung werden die in der PKV Versicherten nicht final gezwungen, ihre Verträge aufzugeben und in die Bürgerversicherung zu wechseln . Folge einer Versicherungspflicht in der Bürgerversicherung wäre jedoch entweder eine doppelte Versicherung in der PKV und der GKV oder die Kündigung des Vertrages mit der PKV und der Verlust der Altersrückstellungen. Da kein gezielter hoheitlicher Eingriff vorliegt, stelle die Einführung einer Bürgerversicherung mit der Erweiterung der Versicherungspflicht eine In- 94 BVerfGE 83, 201, (211) vgl. BVerfGE 68, 193, (222); 74, 129, (148). 95 BVerfGE 69, 272, (307ff.) zur gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung; Depenheuer, in: v. Mangoldt /Klein/Starck, GG, Art. 14, Rn. 181. 96 Std. Rspr. seit BVerfGE 58, 300 (330 ff.); Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 77. 97 BVerfGE 58, 300 (331 f.). 98 Kirchhof, NZS 2004, 1 (4 f.); Bieback, S. 106 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 19 halts- und Schrankenbestimmung iSd Art. 14 Abs. 1 S.2 GG dar.99 Dieser Eingriff ist jedoch aus Gründen des rechtstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes nicht verhältnismäßig. In der Literatur wird daher vorgeschlagen, entweder die „alten“ Verträge fortzuführen oder die Altersrückstellungen in die Bürgerversicherung zu überführen.100 4.2. Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG (Selbstständige) Die Ausweitung der Versicherungspflicht auf Selbstständige, die bisher in der PKV versichert waren, stellt keinen Verstoß gegen die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit dar. Es fehlt bereits an einer „objektiv berufsregelnden Tendenz“, da der Beruf des Selbstständigen durch die Auferlegung der Sozialversicherungspflicht nicht spezifisch betroffen ist.101 4.3. Eingriff in Art. 33 Abs. 5 GG (Beamte) Die Ausdehnung der Versichertenpflicht in der Bürgerversicherung auch auf Beamte könnte einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlich geschützten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG darstellen. Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen (§ 78 Bundesbeamtengesetz - BBG)102. Nach geltender Rechtslage erfüllen die Dienstherren in Bund und Ländern ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen durch die Gewährung von Beihilfen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu u. a. folgende Feststellungen getroffen: Die Beihilfe soll den Beamten von den durch die Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen. Die danach gewährte Beihilfe ist ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung, die zu der zumutbaren Eigenvorsorge des Beamten in angemessenem Umfang hinzutritt, um ihm seine wirtschaftliche Lage in einer der Fürsorgepflicht entsprechenden Weise durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern .103 Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehören u. a. das Alimentationsprinzip , das den Dienstherrn verpflichtet, dem Beamten und seiner Familie amtsangemessenen Unterhalt zu leisten, und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Nicht dazu zählt das gegenwärtige System der Beihilfegewährung, das sich erst in jüngerer Zeit herausgebildet hat. Es könnte daher geändert werden, ohne dass Art. 33 Abs. 5 GG berührt 99 Schräder, S. 203 ff. 100 Schräder, S. 205; Bieback, S. 106 f.; Axer, S. 8 f. 101 Vgl. Füsser, S. 19 ff; Brall/Voges, S. 44. 102 In der Fassung vom 5.2.2009 (BGBl. I S. 160). 103 BVerfGE 83, 89, 100. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 20 würde. Demgemäß besteht auch keine spezielle verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfängern für Krankheitsfälle u. ä. Unterstützung gerade in Form von Beihilfen im Sinne der Beihilfevorschriften oder gar von solchen Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren.104 Das gegenwärtige System der Beihilfe ist kein Bestandteil der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation des Beamten. Die amtsangemessene Alimentation muss von Verfassung wegen lediglich die Kosten einer Krankenversicherung decken, die zur Abwendung krankheitsbedingter, durch Leistungen aufgrund der Fürsorgepflicht nicht ausgeglichener Belastungen erforderlich ist.105 Nach geltendem Recht ist der Beamte in der Wahl seiner Krankenvorsorge frei. Dieser Grundsatz der sogenannten Vorsorgefreiheit besagt, dass der Beamte in eigener Verantwortung darüber entscheiden kann, in welchem Umfang, bei welchem Versicherungsunternehmen , zu welchen Versicherungsbedingungen und mit welcher eigenen Beitragsleistung er Vorsorge treffen oder ob er anstelle einer Versicherung Rücklagen für den Krankheitsfall bilden will.106 Die Beihilfen selbst werden somit nicht von dem als hergebrachtem Grundsatz garantierten vollen Alimentationsverpflichtung der Beamten durch den Dienstherrn erfasst und können daher grundsätzlich geändert und durch andere beamtenrechtliche Leistungen ersetzt werden. Ein Teil des Schrifttums sieht aber entgegen der Rechtsprechung des BVerfG mit der Einbeziehung der Beamten in eine Bürgerversicherung einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Der Dienstherr dürfe die Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht nicht auf ein externes, rechtlich verselbstständigtes Vorsorgesystem abschieben. Dies sei unvereinbar mit der Vorsorgefreiheit des Beamten, die zu den hergebrachten Grundsätzen des Art. 33 Abs. 5 GG zähle.107 Zudem seien Beamte auf der Grundlage der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge ihres zuletzt bekleideten Amtes und nicht nach einem Lebens- oder Durchschnittseinkommen zu versorgen. Daher könne keine Vereinheitlichung der „Alterssicherungssysteme“ stattfinden.108 Diese Meinungen finden keinen Rückhalt in der Rechtsprechung des BVerfG und in einem Großteil der Literatur. Zum einen hat das BVerfG die Frage, ob die Vorsorgefreiheit zu den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums gehört, bisher explizit offen gelassen.109 Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zur Versicherungspflicht der Beamten in der Pflegeversicherung betont, dass dieser Grundsatz, sofern er denn existiere, nicht verletzt sei, wenn eine Versicherungspflicht 104 BVerfGE 83, 89, 98. 105 BVerfGE 83, 89, 98. 106 BVerfGE 83, 89, 105. 107 Isensee, NZS 2004, 393 (400). 108 Merten, NSZ 1998, 545 (548 f.); Axer, S. 10; Kirchhof, NSZ 2004, 1 (3) hält den Umstieg auf die Bürgerversicherung zwar im Grundsatz für möglich, nimmt aber an, dass die Bemessung der Versorgungsleistungen die bisherigen Leistungsregeln und –grenzen der Sozialversicherung sprengen dürfte. 109 BVerfGE 83, 89 (105); BVerfG NVwZ 2002, 463 (464). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 21 mit guten Gründen angeordnet werde.110 Zum anderen könne der angemessene Lebensunterhalt des Beamten oder des Versorgungsempfängers auch durch eine entsprechende Korrektur der Besoldungs - und Versorgungsgesetzes gewährleistet werden. Ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG durch die Ausweitung der Versicherungspflicht auf Beamte liegt nicht vor.111 4.4. Eingriff in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (Einbeziehung in die GKV) Nicht einschlägig im Hinblick auf die bisher nicht in der GKV Versicherten ist die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.112 Art. 14 GG schützt nur konkrete Rechtspositionen und nicht das Vermögen als solches.113 Öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten unterfallen nur dann dem Schutzbereich des Art. 14 GG, wenn ihnen eine erdrosselnde Wirkung zukommt.114 Hiervon kann bei dem Beitrag zur Bürgerversicherung nicht die Rede sein. 4.5. Eingriff in Art. 9 Abs. 1 GG (Einbeziehung in die GKV) Die bisher nicht in der GKV Versicherten werden mit der Einführung der Bürgerversicherung Zwangsmitglieder in dieser. Hierin könnte ein Verstoß gegen die negative Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG, d.h. das Recht, einer Vereinigung fernzubleiben oder aus ihr auszutreten, liegen. Die negative Vereinigungsfreiheit umfasst aber nur den Schutz vor Zwangsmitgliedschaften in privatrechtlichen Vereinigungen, nicht jedoch in öffentlich-rechtlichen Verbänden, wie der GKV.115 4.6. Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG (Einbeziehung in die GKV)116 In den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG – allgemeine Handlungsfreiheit – der auch die Vertragsfreiheit umfasst, wird eingegriffen, wenn Personen zum Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet werden.117 Die Reichweite des Schutzbereiches der allgemeinen Handlungsfreiheit umfasst jedes menschliche Verhalten ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht ihm für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt. 110 BVerfG NVwZ 2002, 463 (464). 111 Vgl. Bieback, S. 123 ff.; Schräder, S. 210 ff; Brall/Voges, S. 40 ff. 112 Vgl. Füsser, S. 44; Schräder, S. 202 ff. 113 BVerfG 81, 108 (122); 95 267 (300); Wendt, in: Sachs, GG Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 14 Rn. 38 m.w.N. 114 Std. Rspr. des BVerfG, z.B. BVerfGE 82, 159 (190); 95, 267 (300); Wendt, in: Sachs, GG Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 14 Rn. 39. 115 BVerfGE 10, 89 (102); 10 354 (361 f.); 15 235 (239); 38 281 (297 f.); Merten, NZS 1998, 545 (547); Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 9 Rn. 4. 116 Vgl. , Auswirkungen der Einführung einer Bürgerversicherung auf die Versicherten in der privaten Krankenversicherung (PKV), Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WF III-375/05), 2006, S. 5 ff. 117 BVerfGE 10, 89, (102); BVerfGE 32, 54, (63 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 22 4.6.1. Schrankenbereich des Art. 2 Abs. 1 GG Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ist allerdings nur in den Schranken des Art. 2 Abs. 1 HS 2 GG gewährleistet. Die Grundrechtsgarantie der freien Entfaltung der Persönlichkeit steht im Gegensatz zu den meisten Grundrechten nicht ausdrücklich unter einem Gesetzesvorbehalt , sondern unter dem Vorbehalt der in Art. 2 Abs. 1 2. HS GG genannten Schranken. Diese sind die verfassungsmäßige Ordnung, das Sittengesetz und die Rechte anderer. Durch den Zwang der Mitgliedschaft in einer Bürgerversicherung wird die Vertragsfreiheit begrenzt . Die Vertragsfreiheit selbst wird durch die verfassungsmäßige Ordnung begrenzt. Unter der verfassungsmäßigen Ordnung ist die allgemeine Rechtsordnung zu verstehen, die die materiellen und formellen Normen der Verfassung zu beachten hat.118 Nach der Rechtsprechung des BVerfG zählen die Regelungen über die Gründung öffentlich rechtlicher Vereinigungen mit Pflichtmitgliedschaft zur verfassungsmäßigen Ordnung.119 Voraussetzung ist, dass die Vereinigungen legitime Aufgaben wahrnehmen.120 Die Zwangsmitgliedschaft der Versicherten der GKV wird damit begründet, dass aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG dem Staat die Pflicht erwachse, für ein menschenwürdiges Existenzminimum jeden Bürgers auch im Krankheitsfall zu sorgen. Dies rechtfertige, dass der Gesetzgeber zum krankenversicherungsrechtlichen Schutz für einen Großteil der Bürger die Versicherungspflicht in der GKV vorgeschrieben habe. Die Maßnahme lasse sich aus dem Schutzbedürfnis der sozial Schwächeren rechtfertigen. Ein Schutz mit gleich hoher Effektivität habe nicht mit weniger einschneidenden Mitteln erreicht werden können. 4.6.2. Schranken-Schranke der Verhältnismäßigkeit In Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird in der Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 1 GG das Recht abgeleitet, nicht durch Zwangsmitgliedschaft in unnötigen Körperschaften in Anspruch genommen zu werden.121 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist zwar nirgendwo im GG expressis verbis erwähnt, er wird aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet.122 Verhältnismäßigkeit verlangt von jeder staatlichen Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, dass sie geeignet, erforderlich und angemessen ist. Eine Maßnahme, die diesen Anforderungen nicht entspricht, ist verfassungswidrig und kann angefochten und beseitigt werden. 4.6.2.1. Geeignetheit der Maßnahme Durch die Einführung der Bürgerversicherung soll langfristig die Krankenversicherung finanzierbar bleiben. Der Erste Senat des BVerfG hat in seinem Beschluss vom 4.2.2004 die Anhebung der 118 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 2, Rn. 8. 119 BVerfGE 10, 89, (102 f); 38, 281, (297 ff.). 120 BVerfGE 10, 89, (102 f); 38, 281, (297 ff.). 121 BVerfGE 38, 281, (298); BVerwGE 59, 231, (233); BVerwGE 64, 115, (117) 122 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 2, Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 23 Versicherungspflichtgrenze damit gerechtfertigt, dass die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der GKV ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut sei123 und betont, der Gesetzgeber könne den Mitgliederkreis von Pflichtversicherungen so abgrenzen, wie es für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich sei. Auch in einer neueren Entscheidung des BVerfG124 werden die finanzielle Stabilität und die Funktionsfähigkeit der GKV als „Gemeinwohlbelang von hinreichendem Gewicht“ bezeichnet. Nach Auffassung von Sodan125 dient diese Formel der Rechtfertigung erheblicher Grundrechtseingriffe, andererseits sei die GKV keine Institution mit Verfassungsrang. Er ist der Ansicht, dass das fiskalische Motiv niedriger Beitragssätze oder der Vermeidung von Bundeszuschüssen eine Bürgerzwangsversicherung nicht rechtfertigen würde.126 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass nach Auffassung der Rechtsprechung die Maßnahme als geeignet angesehen werden wird. 4.6.2.2. Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme Es stellt sich die Frage, ob die Einbeziehung in die Bürgerversicherung erforderlich und angemessen ist. Im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Maßnahme ist zu prüfen, ob es auch mildere Mittel gibt, um das Ziel (Stabilität und Funktionsfähigkeit einer solidarischen Krankenversicherung) zu erreichen . Hier könnte man erörtern, ob andere Modelle der Reform der Krankenversicherung weniger in die Rechte der Versicherten eingreifen. Eine solche Prüfung würde aber übersehen, dass es sich bei der gesetzlichen Krankenversicherung um einen Grundpfeiler der Sozialversicherung handelt, dass die Materie hochkomplex ist und alle zur Zeit diskutierten Modelle Vor- und Nachteile haben. Aus diesem Grunde drängt sich jedenfalls keine mildere Maßnahme auf. Zur Angemessenheit der Maßnahme muss daran erinnert werden, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG127 „das Maß der den Einzelnen durch seine Pflichtzugehörigkeit treffende Belastung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu der ihm und der Allgemeinheit erwachsenen Vorteilen “ zu stehen hat. Es gibt einige Stimmen, die Bedenken haben gegen die Einbeziehung von Personen , die objektiv keinen Bedarf an einer Einbeziehung in die GKV haben, aber gleichwohl zwangsversichert werden. So meint Heinze, dass eine allein mit der fiskalischen Zielsetzung betriebene Ausweitung der Versicherungspflicht dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot nicht genügen könne.128 Axer meint, dass sich für die Gruppe der heute privat versicherten Personen eine Schutzbedürftigkeit nicht generell unterstellen lasse. Nach seiner Ansicht muss die Einbe- 123 BVerfG, Erster Senat, Beschluss vom 4.2.2004, VersR 2004, 898. 124 BVerfGE 103, 172, (184). 125 Sodan, ZRP 2004, 217 (220). 126 Sodan, ZRP 2004, 217 (220); so auch Kirchhof, NZS 2004, 1 (2). 127 Urteil vom 18.12.1974: BVerfGE 38, 281, (302). 128 Heinze, S. 68 ff.; siehe auch Kirchhof, NZS 2004, 1 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 24 ziehung von bislang privat versicherten Personen Vorteile für diese bringen, die die Nachteile der Zwangsmitgliedschaft aufwiegen.129 Egger130 und Uleer131 sehen in der Bürgerzwangsversicherung einen Verfassungsverstoß, da jüngere, gutverdienende Arbeitnehmer und Selbstständige nicht schutzwürdig seien. Dem lässt sich entgegenhalten, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Definition , wer schutzbedürftig ist, einen erheblichen Spielraum hat.132 Darüber hinaus argumentiert Jaeger, dass die überwiegende Mehrzahl der nicht versicherungspflichtigen Menschen in Deutschland einen privaten Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen hat und hierdurch zum Ausdruck gebracht haben, dass sie sich selbst als schutzbedürftig ansehen.133 Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass in Teilen der Literatur die Ansicht vertreten wird, dass ein Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 1 GG vorliegt, die bisherige Rechtsprechung zu der Wertung führt, dass kein Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 1 GG vorliegt. 5. Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage Mit der Einführung einer Bürgerversicherung soll nicht nur der Kreis der Versicherten, sondern auch die Beitragsbemessungsgrundlage ausgeweitet werden. Anstatt nur das Arbeitseinkommen bei der Berechnung des Beitrags zu Grunde zu legen, wird angedacht, auch sonstige Einkommen, aus Mieten oder Kapitaleinkünften hinzuzuziehen. 5.1. Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor, da dieses Grundrecht nur konkrete Rechtspositionen und nicht das Vermögen als solches schützt.134 Öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten unterfallen nur dann dem Schutzbereich des Art. 14 GG, wenn ihnen eine erdrosselnde Wirkung zukommt.135 Eine Abgabe wirkt nur dann erdrosselnd, wenn durch ihre Existenz das abgabenbegründende Verhalten praktisch unmöglich gemacht wird.136 Es ist nicht davon auszugehen , dass die Erweiterung der Beitragsbemessungsgrundlage eine erdrosselnde Wirkung hätte, auch wenn die besser Verdienenden – abhängig von der Beitragspflicht und der Höhe der Bei- 129 Axer, S. 6. 130 Egger, SGb 2003, 76 (76). 131 Uleer, S. 767, 773 f. 132 Sodan, ZRP 2004, 217 (221). 133 Jaeger, NZS 2003, 225 (229), zum gleichen Ergebnis kommt Schulte, S. 29. 134 BVerfG 81, 108 (122); 95 267 (300); Wendt, in: Sachs, GG Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 14 Rn. 38 m.w.N. 135 Std. Rspr. des BVerfG, z.B. BVerfGE 82, 159 (190); 95, 267 (300); Wendt, in: Sachs, GG Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 14 Rn. 39. 136 BVerfGE 75, 108 (154). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 25 tragsbemessungsgrenze – eine finanzielle Mehrbelastung hätten. Art. 14 GG bietet somit keinen Schutz gegen eine Erhöhung der Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze.137 5.2. Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG Die Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage stellt einen Eingriff in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG dar. Als Rechtfertigungsgrund kommt aber die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Krankenversicherungssystems bzw. das Solidarprinzip in Frage. Ziel der Ausweitung der Beitragsbemessungsgrenze ist der solidarische Ausgleich zwischen den Versicherten und damit die Stützung der Funktionsfähigkeit der GKV. Die konkrete Beitragspflicht knüpft an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit an. Auch wenn der Gesetzgeber bisher die gesamte Leistungsfähigkeit durch Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung ausreichend fand, spricht nichts dagegen, weitere Einkünfte mit zu erfassen.138 Ein Vergleich lässt sich ziehen mit der Einführung der Beitragspflicht der Versicherten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) im Jahr 1982/83. Dieser Beitrag wurde nicht nur von der Rente, sondern auch von vergleichbaren Einnahmen erhoben, insbesondere von Versorgungsbezügen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Diese Regelung, die eine Ausweitung der Bemessungsgrundlage darstellt, hat das Bundesverfassungsgericht gebilligt. Solange die GKV nur abhängig Beschäftigte umfasste, sei der Verdienst der Versicherten aus dieser Beschäftigung regelmäßig mit ihrem Gesamteinkommen zusammengefallen . Daher habe es dem Solidarprinzip entsprochen, die Beiträge an diesem Verdienst und damit an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten zu orientieren. Mit Schaffung der KVdR habe sich die Situation aber verändert. Nun seien Personen sehr unterschiedlicher beruflicher Herkunft in die Versicherungspflicht einbezogen worden, für die nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass eine niedrige Rente eine entsprechend geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bedeute. Wenn das Solidarprinzip seine sinngebende Funktion und Legitimation behalten solle, dann dürften die Beiträge pflichtversicherter Rentner nicht allein nach der Rente berechnet werden, soweit sie noch über andere, vergleichbare Einnahmen – wie beispielsweise Versorgungsbezüge – verfügen.139 Allerdings betrifft diese Entscheidung lediglich die Besonderheiten der KVdR, so dass die darin getroffenen Feststellungen keine Allgemeingültigkeit besitzen. Zudem bezieht sich die Beitragspflicht nur auf der Rente vergleichbare Einnahmen, die ebenfalls aus einer früheren beruflichen Betätigung stammen. Die Entscheidung macht aber deutlich, dass das Gericht der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Beitragsrecht der GKV besondere Bedeutung zumisst.140 Dass die Beitragspflicht im Grundsatz ausschließlich an das Arbeitsentgelt geknüpft ist, legitimiert sich für 137 Schräder, S. 283 ff.; Brall/Voges, S. 49 f. 138 Schräder, S. 287.; Brall/Voges, S. 50. 139 BVerfGE 79, 223, 236 ff. 140 Vgl. Huster, JZ 2002, 371 (375). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 26 das Bundesverfassungsgericht dadurch, dass das Arbeitsentgelt regelmäßig das Gesamteinkommen darstellt. Diese Anknüpfung muss aber aufgegeben werden, wenn bei einer Versichertengruppe weitere Einkunftsarten hinzutreten, die diese Regelvermutung nicht mehr zulassen. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass dann auch Vermögenseinkünfte berücksichtigt werden müssen, wenn sich herausstellt, dass sie das Gesamteinkommen der Versicherten in nicht nur ganz untypischen Fällen maßgeblich mitbestimmen.141 Demgemäß liegt kein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG vor. 5.3. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG Eine Ausweitung der Beitragsbemessungsgrenze könnte gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung setzt voraus, dass vergleichbare Personengruppen oder auch Sachverhalte betroffen sind. Die Feststellung , ob die übereinstimmenden oder die verschiedenen Einzelmerkmale zweier Personengruppen den Ausschlag geben sollen, ist nur möglich, wenn man ein Differenzierungsmerkmal auswählt , anhand dessen der Vergleich angestellt wird.142 Abgestellt werden kann auf die Gruppe der höher verdienenden Beschäftigten, die höhere Beiträge für die Bürgerversicherung bezahlen muss sowie die Gruppe der niedrig verdiendenden Beschäftigten , die niedrigere Beiträge zahlt, aber die gleichen Leistungen wie die erstgenannte Gruppe erhält. 5.3.1. Rechtfertigung Nicht jede Ungleichbehandlung von vergleichbaren Personengruppen ist verfassungswidrig; vielmehr kann die Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein. Nach früherer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war die Ungleichbehandlung gerechtfertigt, wenn wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich, und wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich behandelt wird.143 Danach rechtfertigte das Vorliegen eines sachlichen Grundes eine Ungleichbehandlung. Nach der so genannten „neuen Formel“ müssen in bestimmten Fällen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist.144 Einzelheiten und Folgen dieser Rechtsprechung sind umstritten145, ganz allgemein lässt sich aber festhalten , dass der Rechtfertigungsgrund „in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung “ stehen muss.146 Es kommt demnach auf die Intensität der Ungleichbehandlung an. Das 141 Huster, JZ 2002, 371 (375); vgl. , Verfassungsrechtliche, beamtenrechtliche und finanzielle Fragen in Zusammenhang mit der Einführung einer Bürgerversicherung, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WF III – 36/03), 2003. 142 Heun, in: Dreier, GG, Art. 3, Rn. 18 und 23, m. w. N. 143 BVerfGE 4, 144 (155); 27, 364, (371f.). 144 BVerfGE 55, 72 (88); 71, 146 (154 f.); 82, 126 (146). 145 Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 21 f. 146 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 189, m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 27 Bundesverfassungsgericht fordert, eine strenge Prüfung vorzunehmen, wenn verschiedene Personengruppen ungleich behandelt werden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Beurteilung der hier zu prüfenden Ungleichbehandlung. Sachlicher Grund für die diskutierte Differenzierung könnte das Ziel sein, Strukturdefizite und Gerechtigkeitslücken in der Krankenversicherung zu beheben. Zusätzlich zum Vorliegen eines sachlichen Grundes fordert das Bundesverfassungsgericht: „Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen“147. Dabei ist allerdings nicht entscheidend, „ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat“.148. Im Hinblick auf die Angemessenheit einer zukünftigen Regelung ist der Gedanke der Beitragsund Leistungsäquivalenz in der Sozialversicherung entscheidend. Der Gesetzgeber hat die Aufgabe , das Äquivalenzprinzip und den sozialen Ausgleich in ein angemessenes Verhältnis zu setzen , wobei ihm ein erheblicher Gestaltungsspielraum zusteht.149 Das BVerfG hat dem Prinzip des sozialen Ausgleichs bzw. Solidarprinzips, einen hohen Stellenwert eingeräumt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, das die Finanzierung der Sozialversicherung seit jeher auch durch Elemente der sozialen Umverteilung geprägt war.150 Dementsprechend hat das BVerfG auch festgestellt , dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung sozialversicherungsrechtlicher Systeme von Verfassungs wegen nicht gehalten ist, Geldleistungen der Höhe nach in voller Äquivalenz zu den Beiträgen festzusetzen. Das Ziel des sozialen Ausgleichs vermag somit prinzipiell eine Gleichheitsverletzung wegen mangelnder Äquivalenz von Beitrag und Leistung zu rechtfertigen. Allerdings hat das BVerfG auch betont, dass die Relation zwischen Beitrag und Leistung nicht gänzlich außer Betracht bleiben darf.151 Wird nun durch die Einbeziehung auch der Nichterwerbseinkünfte in die Beitragspflicht die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Maßstab der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen gemacht, verschärft sich die schon bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit nur nach dem Erwerbseinkommen bestehende Schieflage im Hinblick auf das Verhältnis von Beitrag und Gegenleistung – und damit auch das Problem der intraindividuellen Äquivalenz – weiter. Fraglich ist vor diesem Hintergrund, ob die Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage dennoch durch das Solidarprinzip gerechtfertigt werden kann oder ob Beitrag und Gegenleistung dadurch in einer nicht mehr angemessenen Relation zueinander stehen. 147 BVerfGE 82, 126 (146). 148 Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 18, m. w. N. 149 Schenke, Die Verwaltung 2004, 475 (492). 150 Werner, S. 86 m.w.N. 151 BVerfGE 79, 223 (236). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 28 Anhaltspunkte, dass das BVerfG die Ausdehnung der Beitragspflicht auf Nichterwerbseinkünfte unter Solidaritätsgesichtspunkten in Betracht zieht, ergeben sich u.a. aus der Entscheidung des Zweiten Senats 1988 zu den Renten-Pensionären.152 Eine tatsächliche Ausdehnung des Begriffs der sog. vergleichbaren Einnahmen auf Vermögenseinkünfte erfolgte in einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1998 zur Anrechnung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen auf Hinterbliebenenrenten.153 In diesem Verfahren ging es u.a. darum, dass nur diese Einkunftsarten, nicht aber Vermögenseinkünfte angerechnet werden. Das Gericht führte in der Entscheidung aus, dass voraussichtlich in den nächsten Jahren der Teil der Bevölkerung zunehmen werde, der aufgrund von Schenkungen und Erbfällen seinen Lebensunterhalt nicht überwiegend aus dem Arbeitseinkommen, sondern aus dem Vermögen bestreitet. Der Gesetzgeber habe mit Rücksicht auf seine Bindung an den Gleichheitssatz diese Entwicklung zu beobachten und auf wesentliche Veränderungen rechtzeitig zu reagieren.154 Das Bundesverfassungsgericht hat hier zum ersten Mal aus den vermuteten Veränderungen der Einkommensstruktur verfassungsrechtliche Konsequenzen für die Behandlung von Vermögenseinkünften in der Sozialversicherung angedeutet, wenn auch zunächst nur für das besondere, eigentlich systemfremde fürsorgerische Element, das die Hinterbliebenenrenten in der Rentenversicherung darstellen.155 In einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2000 zum Zugang zur KVdR156 hat das Gericht ausgeführt, der Gesetzgeber habe zu prüfen, ob die Annahme noch zutreffe, dass freiwillig Versicherte bei typisierender Betrachtung im Rentenalter wirtschaftlich leistungsfähiger sind als Pflichtversicherte. Dabei sei zum einen zu berücksichtigen, dass Veränderungen in der Struktur der Einkommen zu beobachten seien, die möglicherweise auf einen geringer werdenden Anteil der Löhne und Gehälter am individuell verfügbaren Einkommen hindeuten. Zum anderen könne es von Bedeutung sein, dass die Vermögen der privaten Haushalte durch Erbschaften und Zuwendungen unter Lebenden vermehrt anwachsen. Beide Entwicklungen beträfen Pflicht- und freiwillig Versicherte in gleicher Weise. Sollten diese Entwicklungen tatsächlich in größerem Umfang stattfinden, so sei es nicht mehr gerechtfertigt, bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge der Pflichtversicherten bestimmte Einkünfte unberücksichtigt zu lassen .157 152 BVerfGE 79, 223 ff. Siehe ausführliche Darstellung des Urteils oben S. 24 im Rahmen der Prüfung von Art. 2 Abs. 1 GG. 153 BVerfGE 97, 271 ff. 154 BVerfGE 97, 271, 294 f. 155 Huster, JZ 2002, 371 (375). 156 BVerfGE 102, 68 ff. 157 BVerfGE 102, 68, 94. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 29 Aus diesen Erwägungen des Gerichts ist in einigen Stellungnahmen im Schrifttum bereits geschlossen worden, das Bundesverfassungsgericht vertrete jetzt die Auffassung, aus dem Gleichheitssatz und dem Grundsatz der Beitragsbemessung nach der Leistungsfähigkeit ergebe sich eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Bemessungsgrundlage in der gesetzlichen Krankenversicherung allgemein auf weitere Einkunftsarten auszudehnen.158 Eine solche Bewertung geht jedoch zu weit, denn die in Rede stehenden Passagen der Entscheidung beziehen sich zwar nicht ihrem Wortlaut, wohl aber ihrem Sinn nach auf die besondere Problematik der Ungleichbehandlung pflichtversicherter und freiwillig versicherter Rentner. Daraus kann man jedoch nicht ohne weiteres den Schluss ziehen, das Bundesverfassungsgericht wollte das gesamte Beitragsrecht der Sozialversicherung umgestalten. 5.3.2. Fazit Die eben dargestellten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehen sich jeweils nur auf ein spezielles Teilgebiet der Sozialversicherung und lassen sich daher nicht ohne weiteres verallgemeinern. Kombiniert man aber den erweiterten, nicht nur auf das Arbeitsentgelt bezogenen Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aus der Rentner-Pensionärsentscheidung mit der gleichheitsrechtlichen Relevanz der Veränderung der Einkommensstruktur, die in der Entscheidung zur Hinterbliebenenrente betont wurde, so drängt sich der Eindruck auf, dass nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts für die Beitragsbemessung in der Sozialversicherung künftig auch die Vermögenseinkünfte zu berücksichtigen sein könnten. Diese Tendenz wird auch in der jüngsten Entscheidung deutlich, in der das Gericht ausführt, es sei „nicht mehr gerechtfertigt , bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge der Pflichtversicherten bestimmte Einkünfte unberücksichtigt zu lassen.“159 Erweitert man allerdings die Beitragsbemessungsgrundlage, so müsste dies eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze nach sich ziehen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die relativ einkommensstarken GKV-Mitglieder, bei denen ja vor allem mit zusätzlichen Vermögenseinkünften zu rechnen ist, durch die erweiterte Bemessungsgrundlage die Pflichtversicherungsgrenze überschreiten und zu den privaten Krankenversicherungen wechseln. Dabei ist aber zu beachten, dass die Pflichtgrenze die sog. „Friedensgrenze“ zwischen gesetzlicher und privater Versicherung darstellt. Insoweit sind bei einer Anhebung der Pflichtgrenze insbesondere die Vertrauensschutzinteressen der privaten Versicherungsunternehmer zu berücksichtigen.160 Der Vorschlag einer Erweiterung der Bemessungsgrundlage wird häufig mit der Forderung verbunden , nicht nur die Pflichtgrenze, sondern auch die Bemessungsgrenze deutlich anzuheben 158 Huster, JZ 2002, 371 (374), m. w. N. 159 BVerfGE 102, 68, 94. 160 Vgl. dazu oben S. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 30 bzw. sie ganz abzuschaffen.161 Diese Forderung ist jedoch im Schrifttum nicht unumstritten. Wegen des Meinungsstandes wird auf die Ausarbeitung WD 3 – 3000 - 491/10 verwiesen.162 5.4. Finanzverfassungsrechtliche Aspekte163 Die Frage, ob es sich bei einer Ausdehnung der Beitragspflicht noch um Sozialversicherungsbeiträge handelt, oder schon um eine „verkappte“ zweite Einkommensteuer, wird nicht nur im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit164, sondern auch in materiell-rechtlicher Hinsicht diskutiert . Wäre der Sozialversicherungsbeitrag in Form der Bürgerversicherung rechtlich als Steuer einzuordnen , müsste dieses Konzept jedoch nicht nur auf Grundlage des Art. 105 GG erlassen werden (anstatt auf Grundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG). Es bestünden darüber hinaus auch Probleme im Hinblick auf Art. 106 GG, der die Verteilung des Steueraufkommens regelt. Denn dieser sieht eine neue „Sozialversicherungssteuer zur Bürgerversicherung“ nicht vor.165 Fraglich ist somit, ob die Beiträge zur Bürgerversicherung tatsächlich als Steuer zu qualifizieren sind. Das BVerfG hat bisher eine Konkurrenzsituation zwischen Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern verneint.166 Die Sozialversicherungsbeiträge dienten von vornherein nicht der allgemeinen Mittelbeschaffung des Staates, sondern fänden ihren Grund und ihre Grenze in der Finanzierung der Sozialversicherung. Der Gesetzgeber könne sich seiner Regelungskompetenz für die Sozialversicherung nicht bedienen, um dadurch Mittel für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben aufzubringen. Die Finanzmasse der Sozialversicherung sei tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt. Ein Einsatz der Sozialversicherungsbeiträge zur Befriedung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates sei damit ausgeschlossen. Auch in der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass die zum Schutz der Verteilung von Sachund Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern gebotene Abgrenzung des Sozialversicherungsbeitrags als nichtsteuerliche Abgabe von der Steuer hinreichend durch sozialversicherungsspezifische Kriterien erfolgen könne. Hiernach sei der Sozialversicherungsbeitrag zweckgebunden für die Finanzierung eines spezifischen Vorsorgesystems und werde nicht in den allgemeinen , sondern in einen selbstständigen öffentlichen Haushalt gezahlt werde.167 161 Huster, JZ 2002, 371 (377). 162 , Ist die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung aus rechtlicher Sicht möglich?, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 – 3000 – 491/10), 2010. 163 Vgl. , Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Bürgerversicherung, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WF IV – 223/05), 2006. 164 Siehe oben S. 7. 165 Brall/Voges, S. 55. 166 BVerfGE 75, 108,148. 167 Bieback, S. 135; Beck, SozSich 2004, 386 (388) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 31 Nach anderer Auffassung sei der Sozialversicherungsbeitrag dazu bestimmt, Einnahmen zu erzielen . Würde der Sozialversicherungsbeitrag durch die Ausdehnung auf alle anderen Einkunftsarten somit zur Steuer „mutieren“, zöge diese Ausdehnung wegen Verstoßes gegen die Finanzverfassung die Verfassungswidrigkeit nach sich. Dass der Steuerertrag im Gegensatz zum Beitrag zur Bürgerversicherung dem allgemeinen Staatshaushalt zufließt, wird dabei als Gegenargument nicht gelten gelassen.168 Die Abgaben zur Bürgerversicherung seien zweckgebundene Steuern, da sie den Zweck der Absicherung im Krankheitsfall verfolgen.169 Zu fragen ist ferner, ob das Kriterium der Gegenleistung ein taugliches Abgrenzungskriterium des Sozialversicherungsbeitrages gegenüber der Steuer darstellt. Dies wird teilweise mit dem Hinweis darauf bejaht. dass der Zahlung von Steuern gerade keine Gegenleistung gegenüberstehe, während der Sozialversicherungsbeitrag das Recht auf Sozialversicherungsleistungen vermittle, auch wenn hier keine strenge synallagmatischen Verknüpfung der Rechte und Pflichten von Versicherten und Sozialversicherungsträgern bestehe. Insofern lasse sich der Sozialversicherungsbeitrag als Gegenleistung für den Versicherungsschutz begreifen.170 Diese Gegenleistung wird angezweifelt : Wenn beim Beitrag zur Bürgerversicherung überhaupt ein Leistungsjunktim aufrecht erhalte bleibe, so sei dies ein „symbolischer Rückstand ohne rechtliches Gewicht.“ In Wahrheit entstehe ein voraussetzungsloses subjektives Recht, vergleichbar dem auf Sozialhilfe.171 Dem wird jedoch entgegengehalten, dass selbst dann, wenn der Gesetzgeber – wie bei der Bürgerversicherung – den Sozialversicherungsbeitrag modifiziere und dieser einer Steuer dadurch nicht nur nahe, sondern sogar gleichkomme, der Beitrag sich dennoch nicht in eine – unzulässige – Steuer verwandle, da der Beitrag weder über Steuergesetze festgelegt werde noch sich den grundgesetzlichen Steuerverteilungsgrundsätzen unterordnen lasse.172 6. Zusammenfassung Die Verfassungsmäßigkeit der Bürgerversicherung ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur sehr umstritten. Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überlegungen sind die Ausweitung der Versicherungspflicht und deren Auswirkungen auf die Grundrechte der privaten Krankenversicherungsträger und der Versicherten. Des Weiteren hat auch die Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage Auswirkungen auf die grundrechtlichen Positionen der Versicherten. Die Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung bzw. Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze wurde bereits im Gutachten WD 3-3000-491/10 geprüft, hierauf wird verwiesen. Da bisher kein konkretes Modell zur Bürgerversicherung vorliegt, sind konkrete Aussagen zum verfassungsrechtlichen Spielraum des Gesetzgebers schwierig. 168 Isensee, NZS 2004, 393 (397). 169 Brall/Voges, S. 51 ff. 170 Werner, S. 61. 171 Isensee, NZS 2004, 393 (398). 172 Bieback, S. 61. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 32 Das Bundesverfassungsgericht hat sich bisher nicht zur Bürgerversicherung geäußert, aber in ständiger Rechtsprechung verdeutlicht, dass sich dem Grundgesetz keine Garantie des bestehenden Sozialversicherungssystems entnehmen lasse. Der Gesetzgeber könne einen Krankversicherungsschutz auf eine andere Weise gewährleisten und diesen auf andere Weise als bisher finanzieren . Umstritten ist bereits die Kompetenzgrundlage für die Bürgerversicherung. Einige Autoren stufen sowohl die Ausweitung der Versicherungspflicht als auch die Erweiterung der Beitragsgrundlage als Verstoß gegen die kompetenzrechtlichen Vorgaben des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ein. So würde die Einbeziehung der gesamten Bevölkerung in eine Krankenversicherung dem traditionellen Bild der Sozialversicherung widersprechen. Dieses Argument wird mit dem Verweis auf den im Laufe der Zeit stetig größer gewordenen Kreis der Versicherten in der GKV in der Literatur entkräftet . Auch die Erweiterung der Beitragsgrundlage widerspreche der Tradition der Sozialversicherung , da Beträge zur Krankenversicherung immer nur aus dem Arbeitseinkommen bezahlt worden seien. Zudem seien der Beitrag für die Bürgerversicherung und die Einkommensteuer identisch. Hiergegen wird vorgetragen, dass Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG auch eine Einbeziehung von Selbstständigen erlaube und der Beitrag für die Bürgerversicherung nicht über Steuergesetze festgelegt werde noch den allgemeinen Steuergrundsätzen unterordne. Nach Auffassung einer Autorin könnte der Gesetzgeber die Bürgerversicherung auch auf die Kompetenzgrundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG stützen. Bezweifelt wird außerdem die Einbeziehung der Beamten in die Bürgerversicherung . Vorgeschlagen wird, dass der Bund seine Befugnis aus Art. 73 Nr. 8 GG nicht mehr wahrnimmt und ein allgemeines Sozialversicherungssystem gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG errichtet . Als verletzte Grundrechte der privaten Krankenversicherungsträger kommen Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in Betracht. Die überwiegende Meinung in der Literatur sieht in der Bürgerversicherung einen mittelbaren oder unmittelbaren Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der privaten Krankenversicherungsträger. Unterschiedliche Auffassungen bestehen hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung: während ein Teil der Autoren die Existenz der PKV in ihrem Kernbereich mit der Einführung der Bürgerversicherung bedroht und daher in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG verletzt sieht, halten andere Autoren den Eingriff für verhältnismäßig, wenn der Verkauf von Zusatzversicherungen ausreichend für den Bestand des Unternehmens ist. Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG umfasst ist, liegt nicht vor, solange die Unternehmen lediglich gehindert werden, einen bislang nicht betriebenen Geschäftszweig aufzunehmen und die bisherigen Verträge unangetastet bleiben. Die Aufhebung der Versicherungspflicht greift ebenfalls in die Grundrechte der Versicherten ein. Nach überwiegender Auffassung liegt ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG im Hinblick auf die bereits in der PKV Versicherten und deren Altersrückstellungen vor. Die Ausweitung der Versicherungspflicht auf Selbstständige ist keine Verletzung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit, da es an einer „objektiv berufsregelnden Tendenz“ fehlt. Ein Teil des Schrifttums sieht in der Einbeziehung der Beamten in eine Bürgerversicherung einen Verstoß gegen die durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich geschützten Grundsätze des Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 33 Berufsbeamtentums. Diese Auffassung findet keinen Rückhalt in der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG und einem Großteil der Literatur. Nicht einschlägig im Hinblick auf die bisher nicht in der GKV Versicherten ist die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und die durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützte negative Vereinigungsfreiheit . Hingegen ist nach Auffassung einiger Autoren die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, da durch den Zwang der Mitgliedschaft in einer Bürgerversicherung die Vertragsfreiheit begrenzt wird. Die bisherige Rechtsprechung führt aber zu der Wertung, dass kein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG vorliegt. Die Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG, stellt aber einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG dar. Dieser Eingriff ist wohl zu rechtfertigen mit Verweis auf die vom Gesetzgeber bezweckte Sicherung der Funktionsfähigkeit des Krankenversicherungssystems. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG kann unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG wohl verneint werden. Sehr umstritten ist die Frage, ob es sich bei einer Ausdehnung der Beitragspflicht noch um einen Sozialversicherungsbeitrag handelt, oder schon um eine „verkappte“ Einkommensteuer . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 34 7. Literaturverzeichnis Axer, Peter, Verfassungsrechtliche Fragen einer Bürgerversicherung, in: Gedächtnisschrift für Meinhard Heinze, München 2005, 1 – 16. (zit.: Axer) Beck, Jürgen, Bürgerversicherung: Steht die Verfassung ihrer Einführung entgegen? Soziale Sicherheit 2004, 386 – 392. (zit.: Beck, SozSich 2004) Beer, Daniela; Klahn, Dominik, Rechtliche und ökonomische Eckpunkte einer Bürgerversicherung , SGb 2004, 13 – 23. (zit.: Beer/Klahn, SGb 2004) Bieback, Karl-Jürgen, Sozial- und verfassungsrechtliche Aspekte der Bürgerversicherung, Baden-Baden 2005. (zit.: Bieback) Bieback, Karl-Jürgen, Verfassungsrechtliche Aspekte einer Bürgerversicherung: Der Bund hat die Kompetenz zur Einführung einer umfassenden Versicherung, Soziale Sicherheit 2003, 416 – 425. (zit.: Bieback, SozSich 2003) Brall, Natalie; Voges, Hans-Joachim, Modell Bürgerversicherung – verfassungsrechtliche und europarechtliche Fragen: ein exemplarischer Beitrag zu den Schranken staatlicher Monopole und Unternehmen mit Ausschließlichkeitsrechten. Baden-Baden 2005. (zit.: Brall/Voges) Breuer, Rüdiger, in: Isensee, Josef; Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VI, Freiheitsrechte, 2. Auflage, Heidelberg 2001. (zit.: Breuer, in: Isensee/Kirchhof, HdStR VI) Bryde, Brun-Otto, in: von Münch, Ingo; Kunig, Philip (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2000. (zit.: Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG) Degenhardt, Christoph, in: Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage, München 2009. (zit.: Degenhardt, in: Sachs, GG) Depenheuer, Otto, in: von Mangoldt, Hermann; Klein, Friedrich; Starck, Christian (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 6. Auflage, München 2010. (zit.: Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein, GG) Egger, Hartmut, Verfassungsrechtliche Grenzen einer Gesundheitsreform, SGb 2003, S. 76 – 82. (zit.: Egger, SGb 2003) Füsser, Sonja, Ausweitung der Sozialversicherungspflicht auf Selbstständige in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung unter verfassungsrechtlichem und europarechtlichem Blickwinkel, Sankt Augustin 2005. (zit. Füsser) Glauben, Paul, Bürgerversicherung – ein verfassungs- und europarechtliches Risiko, DRiZ 2005, 229 – 234. (zit.: Glauben, DRiZ 2005) Gubelt, Manfred, in: von Münch, Ingo; Kunig, Philip (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Auflage, München 2000. (zit.: Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG) Heinze, Meinhard, Grund und Missbrauch der Solidarität im System der sozialen Gerechtigkeit , in: Dassmann, Ernst; Depenheuer, Otto; Heinze, Meinhard (Hrsg.), Solidarität in Knappheit: zum Problem der Priorität, Berlin 1998, S. 67 – 96. (zit.: Heinze) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 35 Heun, Werner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2004. (zit.: Heun, in: Dreier, GG) Hey, Johanna, Saldierung von Vor- und Nachteilen in der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen und Ungleichbehandlungen, AöR2003, 226 – 254. (zit.: Hey, AöR 2003) Hofmann, Hans, in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno; Klein, Franz, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Auflage München 2008. (zit.: Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG) Huber, Peter Michael, in: von Mangoldt, Hermann; Klein, Friedrich; Starck, Christian (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Auflage, München 2005. (zit.: Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG) Hufen, Friedhelm, Grundrechte der Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, in: Sodan, Helge (Hrsg.), Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechte der Leistungserbringer, Vorträge im Rahmen der 1. Berliner Gespräche zum Gesundheitsrecht, Berlin 2003, 27 – 44. (zit.: Hufen ) Huster, Stefan, Die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicehrung – gesellschaftlicher Wandel als Herausforderung für das Sozialversicherungsrecht, JZ 2002, 371 – 378 (zit.: Huster, JZ 2002) Isensee, Josef, „Bürgerversicherung“ im Koordinatensystem der Verfassung, NZS 2004, 393 – 401. (zit.: Isensee, NZS 2004) Isensee, Josef, in: Isensee, Josef; Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band V, Allgemeine Grundrechtslehren, 2. Auflage, Heidelberg 2000. (zit.: Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V) Jaeger, Renate, Die Reformen in der gesetzlichen Sozialversicherung im Spiegel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZS 2003, 225 – 234. (zit.: Jaeger, NZS 2003) Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1 11. Auflage 2008, Art. 3 Rn. 18, m. w. N. (zit.: Kannengießer, in: Schmidt- Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG) Kirchhof, Ferdinand, Verfassungsrechtliche Probleme einer umfassenden Kranken- und Renten -„Bürgerversicherung“, NZS 2004, 1 – 7. (zit.: Kirchhof, NZS 2004) Kirchhof, Ferdinand, in: Isensee, Josef; Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band IV, Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Heidelberg 1990. (zit.: Kirchhof, in: HdStR IV) Manssen, Gerrit, in: von Mangoldt, Hermann; Klein, Friedrich; Starck, Christian (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 6. Auflage, München 2010. (zit.: Manssen, in: v. Mangoldt /Klein/Starck, GG) Maunz, Theodor, in: Maunz, Theodor; Dürig, Günter, Grundgesetz Kommentar, Band V, München, Stand 2010. (zit.: Maunz, in: Maunz/Dürig, GG) Merten, Detlef, Die Ausweitung der Sozialversicherungspflicht und die Grenzen der Verfassung , in: NSZ 1998, S. 545 ff. (zit.: Merten, NSZ 2004) Muckel, Stefan, Verfassungsrechtliche Grenzen der Reformvorschläge zur Krankenversicherung , Teil II und Schluss, SGb 2004. 670 – 677. (zit.: Muckel, SGb 2004) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 36 Papier, Hans-Jürgen, Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der PKV, PKV- Dokumentation 16, Verband der privaten Krankenversicherung e.V. (Hrsg.), Köln 1992. (zit.: Papier) Schenke, Ralf Peter, Reform der gesetzlichen Krankenversicherung zwischen Verfassungsund Europarecht, Die Verwaltung 2004, 475 – 508. (zit.: Schenke, Die Verwaltung 2004) Schmidt, Tillmann, Die Berufsfreiheit privater Krankenversicherungsunternehmen in einer Bürgerversicherung ohne Beteiligung der PKV, SGb 2004, 732 – 737. (zit.: Schmidt, SGb 2004) Schmidt-Aßmann, Eberhard, Verfassungsfragen der Gesundheitsreform, NJW 2004, 1689 – 1695. (zit.: Schmidt-Aßmann, NJW 2004) Schnapp, Friedrich E.; Kaltenborn, Markus; Verfassungsrechtliche Fragen der „Friedensgrenze “ zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung, Berlin 2001. (zit.: Schnapp/Kaltenborn) Schräder, Jutta, Bürgerversicherung und Grundgesetz, Baden-Baden 2008. (zit.: Schräder) Schräder, Wilhelm F.; Sehlen, Stephanie; Hofmann, Jürgen, Integration von privat Krankenversicherten , Soziale Sicherheit 2004, 6 – 12. (zit.: Schräder/Sehlen/Hofmann, SozSich 2004) Schulte, Bernd, Rechtsfragen einer solidarischen Bürgerversicherung – unter besonderer Berücksichtigung rechtsvergleichender und europarechtlicher Aspekte, Gesprächskreis Arbeit und Soziales der Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Bonn 2005. (zit.: Schulte) Sehlen, Stefanie; Hofmann, Jürgen; Reschke, Peter, Private Krankenversicherung und Bürgerversicherung . Zwei Verfahren zur Berücksichtigung von PKV-Versicherten für die Finanzierungsgrundlage einer Bürgerversicherung, Gesundheits- und Sozialpolitik 2005, 52 – 61. (zit.: Sehlen/Hofmann/Reschke, Gesundheits- und Sozialpolitik 2005) Sodan, Helge, Zur Verfassungsmäßigkeit der Ausgliederung von Leistungsbereichen aus der gesetzlichen Krankenversicherung – Dargestellt am Beispiel der Versorgung mit Zahnersatz, NZS 2003, 393 – 401. (zit.: Sodan, NZS 2003) Sodan, Helge, Die Bürgerversicherung als Bürgerzwangsversicherung, ZRP 2004, S. 217 – 222. (zit.: Sodan, ZRP 2004) Starck, Christian, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 6. Aufl. 2010. (zit.: Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG) Storr, Stefan, „Neuorganisation der Sozialen Sicherungssystem“ – zu den verfassungsrechtlichen Grenzen von Reformen in der Sozialversicherung am Beispiel der Krankenversicherung , SGb 2004, S. 279 – 287. (zit.: Storr, SGb 2004) Uleer, Hans Christoph, in: Boecken, Winfried (Hrsg.), Sozialrecht und Sozialpolitik in Deutschland und Europa: Festschrift für Bernd Baron von Maydell, Neuwied u.a. 2002. (zit.: Uleer) Wallrabenstein, Astrid, Kopfprämien auf versicherte Bürger und weitere Ungereimtheiten zur Reform des Gesundheitswesens, SGb 2004, S. 24 – 33. (zit.: Wallrabenstein, SGb 2004) Wendt, Rudolf, in: Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage, München 2009. (zit.: Wendt, in: Sachs, GG) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 486/10 Seite 37 Wieland, Joachim, in: Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar. Band I, Art. 1 – 19, 2. Auflage, Tübingen 2004. (zit.: Wieland, in: Dreier, GG) Werner, Rica, Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung , Berlin 2004. (zit.: Werner) Wollenschläger, Michael; Krogull, Jutta, Zur Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Beitragssatzsicherungsgesetz , NZS 2005, 237 – 244. (zit.: Wollenschläger/Krogull, NZS 2005) Zipperer, Manfred, Gutachten zu verfassungsrechtlichen, ordnungspolitischen und finanziellen Implikationen der Einführung einer Bürgerversicherung, Gutachten im Auftrag des Verbandes der privaten Krankenversicherung Art, Sankt Augustin 2003, Download: www.pkv.de/downloads/zipperer.htm. (zit.: Zipperer)