Bestehen rechtliche Möglichkeiten des Deutschen Bundestages, Ministererlaubnisse nach § 24 Abs. 3/§ 42 GWB an einzelnen Stellen nach der Erteilung der Erlaubnis zu ändern? - Sachstand - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 476/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Bestehen rechtliche Möglichkeiten des Deutschen Bundestages, Ministererlaubnisse nach § 24 Abs. 3/§ 42 GWB an einzelnen Stellen nach der Erteilung der Erlaubnis zu ändern? Sachstand WD 3 - 476/07 Abschluss der Arbeit: 21.12.2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Bei der Ministererlaubnis nach § 42 GWB (§ 24 Abs. 3 a. F.) handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt (VA), der gem. § 42 Abs. 2 in Verbindung mit § 40 Abs. 3a Satz 1 GWB nur unter engen Voraussetzungen widerrufen oder geändert werden kann. Die Zulässigkeit eines Widerrufs oder einer Änderung bemisst sich nach den gleichen Kriterien, die auch für die Freigabeentscheidungen des Bundeskartellamts bei der Zusammenschlusskontrolle gelten: wenn die Erlaubnis auf unrichtigen Angaben beruht, arglistig herbeigeführt worden ist oder die beteiligten Unternehmen einer mit ihr verbundenen Auflage zuwiderhandeln. Diese Widerrufs- und Änderungsgründe sind im GWB abschließend geregelt und verdrängen die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) über die Rücknahme eines rechtswidrigen VA (§ 48 VwVfG) und den Widerruf eines rechtmäßigen VA (§ 49 VwVfG). Für die Erlaubnis und ihren Widerruf ist der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie (BMWi) funktionell zuständig; er wird dabei als Kartellbehörde tätig (§ 48 Abs. 1 GWB). Die Ministererlaubnis stellt eine gebundene Entscheidung dar, auf welche die betroffenen Unternehmen einen Rechtsanspruch haben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen1. Nach § 42 Abs. 1 GWB wird auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss erteilt, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist, wobei durch das Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet werden darf. Dem BMWi steht zwar ein weiter Beurteilungsspielraum in der Auslegung der gesamtwirtschaftlichen Vorteile und des überragenden Interesses der Allgemeinheit zu2; bei dieser gebundenen Entscheidung ist dem BMWi aber kein Ermessen eingeräumt3. Soweit bei der Erteilung der Erlaubnis die gesamtwirtschaftliche Lage und Entwicklung zu berücksichtigen ist, bleibt diese Einschätzung in analoger Anwendung von § 71 Abs.5 Satz 2 GWB der gerichtlichen Nachprüfung entzogen. Gleiches gilt für die Abwägung zwischen Wettbewerbsbeschränkungen einerseits, gesamtwirtschaftlichen Vorteilen und überragenden Interessen der Allgemeinheit andererseits. Demgegenüber kann sich die gerichtliche Überprüfung sehr wohl auf die Frage erstrecken, ob die der Würdigung zugrunde liegenden Tatsachen ohne Verfahrensverstoß richtig und vollständig ermittelt worden sind. Ferner müssen die hiernach innerhalb des Beurteilungsspielraums liegenden Feststellungen „ver- 1 OLG Düsseldorf 25. 7. 2002 WuW/E DE-R 926,928 „E.ON/Ruhrgas“ 2 OLG Düsseldorf 25. 7. 2002 WuW/E DE-R 926, 940 „E.ON/Ruhrgas“; Riesenkampff/Lehr, in: Loewenheim /Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Bd. 2: GWB, 1. Aufl. 2006, § 42 Rdnr. 4; Mestmäcker /Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2. GWB, 4. Aufl. 2007, § 42 Rdnr. 57 3 KG 7. 2. 1978 WuW /E OLG 1937, 1938 „Thyssen-Hüller“ - 4 - nünftig begründet und vertretbar erscheinen“. Es dürfen nicht „allgemeingültige Bewertungsgrundsätze oder Denkgesetze verletzt oder sachfremde Erwägungen angestellt worden“ sein4. Was den Inhalt der Erlaubnis angeht, hat der BMWi nicht nur die Wahl zwischen Ablehnung und Erteilung der Erlaubnis. Diese kann auch mit Bedingungen und Auflagen versehen werden, wodurch dem BMWi die durch den Zweck der gesetzlichen Regelung begrenzte Befugnis eingeräumt wird, den Zusammenschluss so umzugestalten, dass er mit dem öffentlichen Interesse vereinbar ist. Die betroffenen Unternehmen haben jedoch keinen Rechtsanspruch darauf, dass der BMWi den Zusammenschluss, für den eine Erlaubnis beantragt ist, durch Bedingungen oder Auflagen erlaubnisfähig macht5. Die Erteilung oder Versagung der Ministererlaubnis ist ein rein exekutivischer Vorgang, an dem der Deutsche Bundestag nicht zu beteiligen ist. Weder dem Wortlaut zufolge noch nach der Intention des GWB, seiner Entstehungsgeschichte oder Systematik ist das Parlament in das Verfahren der Zusammenschlusskontrolle in rechtlich relevanter Weise einzubeziehen. Auch das Grundgesetz verschafft dem Bundestag keinen derartigen Kompetenztitel. Die parlamentarische Verantwortlichkeit der Bundesregierung begründet kein Partizipations- oder gar Letztentscheidungsrecht des Bundestages im konkreten Fall einer Fusionskontrolle. Von Rechts wegen muss der Bundestag in einem solchen Verfahren noch nicht einmal angehört werden. Der Bundestag hat an der ministeriellen Entscheidung nicht konstitutiv mitzuwirken und kann sie folglich auch nicht aufheben oder in einzelnen Punkten ändern. Deshalb ist er auch nicht in das Rechtsschutzsystem durch eigene Klagebefugnis gegen die Ministerentscheidung eingebunden, was immerhin ein Indiz für ein Mitspracherecht wäre. Der Bundestag könnte auch kein Gesetz erlassen, mit dem er die Ministerentscheidung aufhöbe oder änderte, da es sich dabei um ein unzulässiges Einzelfallgesetz handelte. Freilich wäre er nicht gehindert, aus Anlass eines konkreten Falles eine abstraktgenerelle Regelung in Gesetzesform zu treffen, welche die bestehenden gesetzlichen Vorschriften der Fusionskontrolle ändert. 4 KG, a. a. O., 1939 5 Mestmäcker/Veelken, a. a. O., § 42 Rdnr. 59 - 5 - Es ist dem Bundestag auch unbenommen, über die Ministererlaubnis in einem konkreten Fall zu beraten und den BMWi aufzufordern, über den Antrag der betroffenen Unternehmen in der einen oder anderen Richtung zu entscheiden. Es handelte sich dann um einen schlichten Parlamentsbeschluss, der für den BMWi rechtlich nicht bindend ist, Er brauchte einer derartigen Willensäußerung des Bundestages nicht nachzukommen. Ein solcher Beschluss erfüllte lediglich eine politische Appellfunktion ohne weitere Rechtswirkungen. Die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 18. September 2002 im Falle E.ON/Ruhrgas ist als Anlage beigefügt.