Zur Zulässigkeit einkommensunabhängiger Schulgelder an Ersatzschulen - Sachstand - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 441/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Zur Zulässigkeit einkommensunabhängiger Schulgelder an Ersatzschulen Sachstand WD 3 - 441/07 Abschluss der Arbeit: 03.12. 2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Das Recht zur Gründung von Privatschulen ist durch Art. 7 Abs. 4 S. 1 Grundgesetz (GG) institutionell garantiert und grundrechtlich gewährleistet. Hierbei unterscheidet man zwischen Ersatzschulen und Ergänzungsschulen. Nur Ersatzschulen stehen zusätzlich unter dem Genehmigungsvorbehalt aus Art. 7 Abs. 4 S. 2 GG. Bei der Erhebung von Schulgeldern ist der Träger der Ersatzschule durch das sog. Sonderungsverbot als Genehmigungsvoraussetzung aus Art. 7 Abs. 4 S. 3 Hs. 2 GG beschränkt. Demnach ist die Genehmigung einer Ersatzschule zu untersagen, falls dadurch die Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern schon gefördert wird. Nach gängiger Auslegung wird hierunter eine weitere Förderung der bereits vorhandenen Sonderung durch die ungleichen Besitzverhältnisse verstanden. Hieraus ergibt sich die Pflicht des Ersatzschulträgers, bei der Auswahl und Aufnahme der Schüler bestehende Sonderungen durch geeignete Maßnahmen, wie Schulgeldnachlässe , Erziehungsbeihilfen, Geschwisterermäßigung und Stipendien auszugleichen. Einem Ersatzschulträger ist die Genehmigung zu versagen, wenn er ein einkommensunabhängiges Schulgeld erhebt, das diese Vorgaben nicht erfüllt und somit die Sonderung der Schüler fördert. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Genehmigungsvoraussetzungen 4 3. Literatur 6 - 4 - 1. Einleitung In Art. 7 Abs. 4 S. 1 Grundgesetz (GG) wird die Grundentscheidung für ein benachteiligungsfrei neben dem staatlichen Schulwesen bestehendes und funktionsfähiges Privatschulwesen getroffen.1 Das Privatschulwesen ist von Verfassungs wegen sowohl als Institution garantiert als auch gegenüber jedermann grundrechtlich als Abwehrrecht vor freiheitsverletzenden Eingriffen des Staates gewährleistet.2 Es steht jedoch unter dem staatlichen Genehmigungsvorbehalt aus Art. 7 Abs. 4 S. 2, 3 und 4 GG. Auf die Erteilung der Genehmigung besteht ein verfassungsrechtlich fundierter Anspruch3, wenn von dem Träger der Ersatzschule die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG erfüllt werden und kein Versagungsgrund nach Satz 4 vorliegt. Bei Privatschulen unterscheidet man zwischen Ersatzschulen und Ergänzungsschulen. Ersatzschulen sind Privatschulen, die grundsätzlichen die gleichen Bildungsgänge anbieten und auf die Vermittlung gleicher Fertigkeiten und Kenntnisse ausgelegt sind wie staatliche Schulen.4 Nur sie unterfallen der Genehmigungspflicht des Art. 7 Abs. 4 S. 2 GG. Ergänzungsschulen hingegen entsprechen keiner öffentlichen Schule hinsichtlich ihrer Schulart oder Fachrichtung (Sprachschulen, Musikschulen, Tanzschulen etc.).5 2. Genehmigungsvoraussetzungen Gem. Art 7 Abs. 4 S. 3 GG ist die Genehmigung ist zuerteilen, wenn 1. die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen 2. sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und 3. eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Für die Frage nach einer Zulässigkeit einkommensunabhängiger Schulgelder im Privatschulwesen ist die dritte Genehmigungsvoraussetzung maßgeblich, das sogenannte Sonderungsverbot (Art. 7 Abs. 4 S. 3 Hs. 3 GG). In seiner Entscheidung zum Hamburger Schulgesetz sah das Bundesverfassungsgericht den Inhalt und Zweck des Sonderungsverbots darin, dass der Zugang zu den Ersatzschulen grundsätzlich allen Bürgern ohne Rücksicht auf deren finanzielle Leistungsfähigkeit offen stehen muss6, um einer Entwicklung der Ersatzschulen zu „Standes- oder Plutokratenschulen“ entgegenzuwir- 1 BVerfGE 27, 195 (200); 75, 40 (61f.); 90, 107 (114); 112, 75 (83); Robbers, in: v. Mangold /Starck/Klein, GG, Art. 7, Rn. 165; Gröschner, in: Dreier, GG, Art. 7, Rn. 98. 2 Gröschner, in: Dreier, GG, Art. 7, Rn. 98; BVerfGE 90, 107 (114). 3 Gröschner, in: Dreier, GG, Art. 7, Rn. 102; Robbers, in: v. Mangold/Starck/Klein, Art. 7, Rn. 192. 4 Std. Rspr. seit BVerfGE 27, 195 (201); BVerfGE 90, 128 (140). 5 Robbers, in v.Mangold/Starck/Klein, Art. 7, Rn. 190. 6 BVerfGE 75, 40 (65). - 5 - ken7 und damit „die in Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG gewährleistete Freiheit im Schulwesen (BVerfGE 27, 195 (200)) tatsächlich verwirklicht und von allen Eltern und Schülern gleichberechtigt in Anspruch genommen werden [kann]“8. Das Gebot der allgemeinen Zugänglichkeit und das Verbot der Differenzierung nach den Besitzverhältnissen werden als Ausdruck der Integrationsfunktion des gesamten – staatlichen wie privaten – Schulwesens angesehen.9 Da Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG bereits eine Förderung der Sonderung unter den Schülern verbietet , würde eigentlich jede Erhebung von Schulgeld wegen der stets ungleichen Vermögensverhältnisse der Eltern eine Sonderung nach den Besitzverhältnissen bedeuten. Daher wird das Sonderungsverbot dahingehend verstanden, dass es sich auf ein Verbot einer weiteren Förderung der bereits gegebenen Sonderung bezieht.10 Hieraus wird die Pflicht des Ersatzschulträgers abgeleitet, bei der Auswahl und Aufnahme der Schüler bestehende Sonderungen durch geeignete Maßnahme, wie Schulgeldnachlässe, Erziehungsbeihilfen , Geschwisterermäßigungen und Stipendien auszugleichen.11 Hinsichtlich des Umfangs dieser Maßnahmen hat das BVerfG ausgeführt, dass es vor dem Hintergrund des Sonderungsverbotes nicht genüge „wenn die Schulträger nur in Ausnahmefällen für besonders begabte oder besonders arme Kinder Schulstipendien (…) gewähren, (…)“12. Hieraus lässt sich schließen, dass der Ersatzschulträger aufgrund des Sonderungsverbots die Höhe der Schulgelder so gestalten muss, dass die Privatschule grundsätzlich allgemein und nicht nur ausnahmensweise unabhängig von den Besitzverhältnissen der Schüler bzw. Schülereltern zugänglich ist und bleibt. Ein einkommensunabhängig erhobenes Schulgeld, welches diese Vorgaben nicht erfüllt und die Sonderung der Schüler fördert, ist somit nicht mit Art. 7 Abs. 4 S. 3 Hs. 3 GG vereinbar. Der Betrieb einer entsprechenden Ersatzschule dürfte nicht genehmigt werden . ( ) ( ) 7 BVerfGE 75, 40 (63), unter Hinweis auf eine Diskussion im Hauptausschuss, StenBer. S. 558 ff. 8 BVerfGE 75, 40 (65). 9 BVerfGE 75, 40 (63,64); Robbers, in: v. Mangold/Starck/Klein, GG, Art. 7, Rn. 199. 10 Umbach, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 7, Rn. 188 m.w.N. 11 Umbach, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 7, Rn. 188. 12 BVerfGE 75, 40 (63). - 6 - 3. Literatur - Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Band 1, 2. Auflage, Tübingen 2004. - v. Mangold, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Auflage, München 2005. - Umbach, Dieter C./Clemens, Thomas, Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band 1, Heidelberg 2002.