Zur Kompetenz des Bundes für den Bevölkerungsschutz - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 423/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Zur Kompetenz des Bundes für den Bevölkerungsschutz Ausarbeitung WD 3 - 423/07 Abschluss der Arbeit: 19.12. 2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Die Vorsorge in Notfällen ist in der Bundesrepublik Deutschland föderal ausdifferenziert und aufgeteilt in die Bereiche Zivil- und Katastrophenschutz. Für den Zivilschutz hat der Bund gem. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Grundgesetz (GG) die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren im Verteidigungsfall. Für den Katastrophenschutz sind die Länder gem. Art. 70 i. V. m. Art. 30 GG – auch im Verteidigungsfall – zuständig. Ein enge Ausnahme zu dieser grundsätzlichen Zweiteilung ist die Katastrophenhilfe des Bundes bei Katastrophen und schweren Unglücksfällen gem. Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG (sog. regionaler Katastrophennotstand) und Abs. 3 S. 1 GG (sog. überregionaler Katastrophennotstand). Terroristische Anschläge stellen hierbei den Unterfall eines schweren Unglücksfalls dar. Im Rahmen der „Neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ wurde eine neue Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Katastrophenschutz in Fällen länderübergreifender Naturkatastrophen und Unglücksfällen geschaffen. Hierdurch wurde die bisher auf den Zivilschutz beschränkte Gefahrenvorsorge des Bundes um eine Zusammenarbeitskomponente im Katastrophenschutz zu einem umfassenden Bevölkerungsschutz erweitert. Kompetenzielle Grundlage für die gesetzliche Regelung einer solchen Zusammenarbeit in einem Bevölkerungsschutzgesetz kann Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG sein, soweit es um den Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren geht. Zur Vorsorge vor darüber hinaus gehenden Gefahren ist Art. 73 Abs. 1 Nr. 2 GG keine hinreichende Kompetenzgrundlage. Nur soweit es um den Bereich der Vorsorge, Planung und Koordinierung der Hilfsverpflichtungen und Initiativbefugnisse des Bundes bei der Bekämpfung (länderübergre ifender) Katastrophen und schwerer Unglücksfälle geht, kommt eine aus Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG hergeleitete, ungeschriebene Gesetzgebungsbefugnis des Bundes kraft Natur der Sache in Betracht. Für eine Regelung, die dem Bund eine generelle Koordinierungs- und Steuerungskompetenz bei der Bekämpfung für diesen Bereich einräumen würde, dürfte es aber an einer entsprechenden Gesetzgebungsbefugnis fehlen. Inhalt 1. Verfassungsrechtliche Ausgangslage 4 1.1. Unterscheidung zwischen Zivilschutz und Katastrophenschutz 4 1.2. Ausnahmen in Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG 4 1.3. Zwischenergebnis 6 2. „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ 6 3. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für ein Bevölkerungsschutzgesetz 8 3.1.1. Gesetzgebungskompetenz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG 8 3.1.2. Ungeschriebene Gesetzgebungsbefugnis des Bundes kraft Natur der Sache 9 3.2. Zwischenergebnis 11 3.3. Grenzen eines künftigen Bevölkerungsschutzgesetzes 11 4. Literatur 15 - 4 - 1. Verfassungsrechtliche Ausgangslage 1.1. Unterscheidung zwischen Zivilschutz und Katastrophenschutz Die Vorsorge für Notfälle ist in der Bundesrepublik Deutschland föderal organisiert und ausdifferenziert.1 Sie ist zweigeteilt in den Bereich des Zivilschutzes und des Katastrophenschutzes . Gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Grundgesetz (GG) obliegt ausschließlich dem Bund die Gesetzgebung über den „Schutz der Zivilbevölkerung“. Aus der Formulierung „Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung“ in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG ergibt sich, dass mit Zivilschutz nicht der Schutz gegenüber jeder denkbaren Gefahr, sondern nur der Schutz gegenüber kriegsbedingten Gefahren als Unterfall der Verteidigung2 gemeint sein kann. 3 Demgegenüber sind die Länder aufgrund der Regelanordnung aus Art. 70 Abs. 1 i. V. m. Art. 30 GG für den Katastrophenschutz zuständig.4 Von seiner Befugnis aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG hat der Bund durch Erlass des Zivilschutzgesetzes (ZSG) Gebrauch gemacht. Infolge der Wiedervereinigung Deutschlands, verbunden mit einer weit reichenden Entspannungslage in Mitteleuropa wurde dieses Gesetz überarbeitet und ist am 4. April 1997 als Bestandteil des Zivilschutzneuordnungsgesetzes neu in Kraft getreten. 5 Der Bund verzichtet darin auf jegliche Vorgaben an die Länder zur Organisation des Zivilschutzes und stützt sich in vollem Umfang auf die von den Ländern im Rahmen ihrer Zuständigkeiten geschaffenen Strukturen. Die nach Landesrecht am Katastrophenschutz mitwirkenden Einheiten und Einrichtungen nehmen damit gemäß § 11 ZSG auch die Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung vor den besonderen Gefahren und Schäden, die im Verteidigungsfall drohen, wahr. Diese unterstützt der Bund im Rahmen der sog. ergänzenden Katastrophenhilfe gem. §§ 11 ff. ZSG in den Aufgabenbereichen Brandschutz, ABC-Schutz, Sanitätswesen und Betreuung und Ausbildung. 1.2. Ausnahmen in Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG Eine enge Ausnahme hierzu bildet die Katastrophenhilfe des Bundes gem. Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG im Falle des sog. regionalen Katastrophennotstands und der Bundesintervention beim sog. überregionalen Katastrophennotstand gem. Art. 35 Abs. 3 S. 1 Meyer-Teschendorf, in: Pitschas u.a.(Hrsg.), Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, S. 799. 2 Heintzen, in: v. Mangold/Klein/Starck, GG, Art. 73, Rn. 13. 3 Maunz in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 73, Rdn. 43. 4 Vgl. statt aller Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 35, Rdn. 15. 5 BGBl I 1997, 726, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes über die Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe vom 27. April 2004, BGBl I 2004, S. 630. - 5 - 1 GG.6 Schlagwortartig lässt sich sagen, dass beim regionalen Katastrophennotstand gem. Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG die (Bundes-)Hilfe zum Katastrophenschutz auf Anforderung einer Landesregierung erfolgt, während sie beim überregionalen Katastrophenno tstand gem. Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG durch Direktive der Bundesregierung ergeht.7 Voraussetzungen für beide Fälle sind eine Naturkatastrophe oder ein besonders schwerer Unglücksfall. Beim regionalen Katastrophennotstand beschränken sich die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall auf das Gebiet eines Landes, im Fall des überregionalen Katastrophennotstands ist das Gebiet mehrerer Länder betroffen. Eine für die Staatspraxis maßgebliche Definition für Naturkatastrophe und schweren Unglücksfall kann dem Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung zu den Hilfsleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglückfällen vom 08. November 1988 entnommen werden. 8 Naturkatastrophen sind demnach Schädigungen oder unmittelbar drohende Gefahrenzustände von erheblichem Ausmaß, die durch Naturereignisse ausgelöst werden (Erdbeben-, Flut- oder Schneekatastrophen).9 Besonders schwere Unglücksfälle sind Schadensereignisse von großem Ausmaß und von Bedeutung für die Öffentlichkeit, die durch Unfälle, technisches oder menschliches Versagen ausgelöst oder von Dritten absichtlich herbeigeführt werden. 10 Unter den Begriff des Unglücksfalls lässt sich auch ein Terroranschlag als ein von Dritten absichtlich herbeigeführtes Schadensereignis fassen. 11 Beim regionalen Katastrophennotstand nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG kann ein Bundesland bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall neben der Unterstützung durch andere Länder auch Kräfte und Einrichtungen des Bundes – die Bundesverwaltung12, insbesondere den Bundesgrenzschutz13, sowie die Streitkräfte – anfordern. 6 Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 35, Rdn. 15. 7 Bauer, in Dreier, GG, Art. 35, Rn. 26. 8 Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung zu den Hilfsleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglückfällen und im Rahmen der dringenden Nothilfe, VMBl. 1988, 279 sub. 2. und 3. 9 Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung zu den Hilfsleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglückfällen und im Rahmen der dringenden Nothilfe, VMBl. 1988, 279 sub. 2. 10 Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung zu den Hilfsleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglückfällen und im Rahmen der dringenden Nothilfe, VMBl. 1988, 279 sub. 3. 11 v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art. 35, Rn. 70. 12 v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art. 35, Rn. 73. 13 Seit dem 21.06.2005 „Bundespolizei“ durch das Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei, Bundesgesetzblatt Teil I 2005, S. 1818; das Grundgesetz verwendet noch die alte Bezeichnung Bundesgrenzschutz. Im Folgenden wird stattdessen die neue Bezeichnung Bundespolizei einheitlich verwendet. - 6 - Beim überregionalen Katastrophennotstand lässt Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG ausnahmsweise eine begrenzte Weisungs- und Einsatzbefugnis der Bundesregierung zu.14 Die Ausübung der Befugnisse durch die Bundesregierung muss jedoch zur wirksamen Bekämpfung erforderlich sein, was nur dann der Fall ist, wenn ansonsten die Gefahren nicht wirkungsvoll bekämpft werden können, weil die Länder hierzu nicht fähig oder willens sind.15 Liegen die Voraussetzungen des Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG vor, so verfügt die Bundesregierung über verschiedene Möglichkeiten, um die Gefährdung der Länder durch die Katastrophe zu bekämpfen. Sie kann einerseits den Landesregierungen Weisung erteilen, Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen, und andererseits – alternativ oder kumulativ – die Einheiten der Bundespolizei und der Streitkräfte unmittelbar zur Unterstützung der Polizeikräfte der betroffenen Länder einsetzen. 16 1.3. Zwischenergebnis Der Katastrophenschutz liegt grundsätzlich in der Zuständigkeit der Länder. Soweit der Bund im Rahmen des regionalen oder überregionalen Katastrophennotstands beim Katastrophenschutz gem. Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG Hilfe leistet, ändert dies nichts an der grundsätzlichen Kompetenzverteilung von Zivilschutz und Katastrophenschutz zwischen Bund und Ländern. Diese richtet sich nach dem Anlass, kriegsbedingte Gefahren einerseits oder durch Katastrophen- und Unglücksfälle bedingte Gefahren andererseits. Der Schutz der Bevölkerung vor Gefahren aus terroristischen Anschlägen gehört zum Katastrophenschutz und damit grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder. 2. „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ Seit den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001 und dem Sommerhochwasser 2002 an Donau und Elbe findet eine Neuordnung der Zusammenarbeit beim Zivil - und Katastrophenschutz zwischen Bund- und Ländern statt. Hierzu beschloss die Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder (IMK) im Juni 2002 als gemeinsame neue politische Rahmenkonzeption die „Neue Strategie für den Bevölkerungsschutz in Deutschland“, die seitdem fortlaufend umgesetzt und weiterentwickelt wird. Schwerpunkte der „Neuen Strategie“ sind ein - effizienteres Krisenmanagement von Bund und Ländern bei der Bewältigung länderübergreifender Katastrophen und Unglücksfällen durch die bessere Verzahnung, 14 v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art. 35, Rn. 77; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 35, Rn. 29. 15 Stern, Staatsrecht, Band 2, S. 1465; v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art. 35, Rn. 79; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 35, Rn. 29. 16 Bauer, in: Dreier, GG, Art. 35, Rn. 33. - 7 - Abstimmung und Zusammenarbeit der föderalen Verantwortlichkeitsebenen und Hilfspotentiale, - sowie das Schaffen neuer Koordinierungsinstrumentarien für ein effizienteres Zusammenwirken des Bundes und der Länder. Infolge der Umsetzung wurden - durch eine Vereinheitlichung der Strukturen bei der Bildung von Verwaltungsstäben einheitliche Führungssysteme in den Ländern geschaffen sowie - Informations- und Koordinations instrumente auf Bundesebene durch die Errichtung eines Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) als strategischer Netzknoten und Dienstleistungszentrum des Bundes mit dem Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum des Bundes und der Länder (GLMZ) und dem Deutschen Notfallvorsorge-Informationssystem (deNIS) geschaffen und vorgehalten. Hinzu kommen - fortlaufende Gefährdungsanalysen des Bundes, - gemeinsame Bund-Länder Übungen (LÜKEX), - Pocken- und Pandemiepläne, Bevorratung von Arzneimitteln und Medizinprodukten 17 sowie - eine ergänzende Ausstattung der Länder durch den Bund im Bereich der Feuerbekämpfung und ABC-Abwehr18. Neu an diesem Ansatz ist die in der „Neuen Strategie“ zum Ausdruck kommende Auffassung einer über föderale Grenzen hinweggehenden „gemeinsamen“ Verantwortung von Bund und Ländern für den Schutz der Bevölkerung vor länderübergreifenden Gefahrenlagen . 19 Durch die Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 20 im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern wurde hierzu die organisatorische Konsequenz auf Bundesebene gezogen. Über den traditionellen Zivilschutzauftrag hinaus soll das BBK alle Bereiche der zivilen Sicherheitsvorsorge fachübergreifend berücksichtigen und zu einem wirksamen Schutzsystem für die Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen verknüpfen. Außerdem soll es den Ländern ein Angebot zur Unterstützung beim Krisenmanagement im Falle von großflächigen Gefah- 17 Vgl. Bericht der AG „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung“ der IMK (Stand März 2006), Anlage zu Beschluss Nr. 19, Sitzung vom 5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen, S. 1-4, http://www.bundesrat.de/cln_050/DE/gremien-konf/fachministerkonf/imk/Sitzungen/06-05-05/06- 05-05-anlage-nr-19,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/06-05-05-anlage-nr-19.pdf (Stand: 4.12.2007). 18 BT-Drs. 16/6867, Antwort der Bundesregierung vom 29.10.2007, S. 5ff. 19 Beschlussniederschrift über die 173. Sitzung der IMK vom 21. November 2003, TOP 19; Beschlussniederschrift über die 173. Sitzung der IMK vom 1. November 2007, TOP 16, Punkt 2; Meyer -Teschendorf, in: Pitschas u.a.(Hrsg.), Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, S. 801. 20 BGBl I 2004, S. 630. - 8 - renlagen machen, unabhängig davon, ob der Anlass der Gefahr kriegs- oder katastrophenbedingt ist.21 3. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für ein Bevölkerungsschutzgesetz Die Namensgebung des neuen Bundesamtes, sein Aufgabenzuschnitt und die sonstigen Maßnahmen im Rahmen der „Neuen Strategie“ lassen erkennen, dass der Bund sich bei seiner Gefahrenvorsorge nicht mehr vorrangig an dem Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren, d. h. dem Zivilschutz i. S. d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG orientiert .22 Vielmehr wurde die Zivilschutzkomponente um eine Zusammenarbeitskomponente zwischen Bund und Ländern in Fällen länderübergreifender Gefahrenlagen erweitert zu einem übergreifenden Bevölkerungsschutz. Dieser geht über die traditionelle Zivilschutzvorsorge hinaus.23 Eine gesetzliche Regelung dieser neuen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern wird vom Bund durch Fortschreibung des Zivilschutzgesetzes zu einem Bevölkerungsschutzgesetz beabsichtigt.24 Die Länder befürworten diese Initiative und haben den Bund ausdrücklich aufgefordert die Unterstützung der Länder beim Schutz der Bevölkerung vor länderübergreifenden Naturkatastrophen und Unglückfällen in einem Bevölkerungsschutzgesetz zu regeln. 25 Dies wirft die Frage nach der Gesetzgebungsbefugnis für die Maßnahmen auf, die der Bund in Umsetzung der „Neuen Strategie“ ergriffen hat und in einem Bevölkerungsschutzgesetz zu regeln beabsichtigt. 3.1.1. Gesetzgebungskompetenz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG Das Zivilschutzgesetz wurde aufgrund der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis des Bundes aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG erlassen. Hierbei ist der Bundesgesetzgeber auf die Regelung des Schutzes der Zivilbevölkerung vor kriegsbe dingten Gefahren beschränkt (s. o. 1.1). 21 Vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Einrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, BT -Drs. 15/2286, S. 6; sowie PSt Körper anlässlich der 2. und 3. Beratung des Gesetzentwurfs für die Errichtung des BBK im Deutschen Bundestag am 4. März 2004, Plenarprotokoll 15/94, S. 8450. 22 Meyer-Teschendorf, in: Pitschas u.a.(Hrsg.), Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, S. 804; ausdrücklich PSt Körper anlässlich der 2. und 3. Beratung des Gesetzentwurfs für die Errichtung des BBK im Deutschen Bundestag am 4. März 2004, Plenarprotokoll 15/94, S. 8450. 23 Antwort der Regierung vom 29.10.2007 auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 16/6867, S. 2. 24 Antwort der Regierung vom 29.10.2007 auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 16/6867, S. 2. 25 Beschlussniederschrift über die 183. Sitzung der IMK vom 1. Juni 2007, TOP 16, Punkt 5 und 6; nach telefonischer Auskunft des Bundesministerium des Innern befindet sich der Gesetzesentwurf zurzeit noch in einem sehr frühen Stadium und in der internen Abstimmung. - 9 - Demzufolge bestimmt auch § 1 Abs. 1 ZSG: „Aufgabe des Zivilschutzes ist es, durch nichtmilitärische Maßnahmen die Bevölkerung, ihre Wohnungen und Arbeitsstätten, lebens- oder verteidigungswichtige zivile Dienststellen, Betriebe, Einrichtungen und Anlagen sowie das Kulturgut vor Kriegseinwirkungen zu schützen und deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern. Behördliche Maßnahmen ergänzen die Selbsthilfe der Bevölkerung.“ Das Bereitstellen von Ausstattung und Material sowie die Ausbildung von Helfern ist zwar durch den Bund im Rahmen des ergänzenden Katastrophenschutzes gem. §§ 12, 13 i. V. m. § 11 Abs. 1 S. 2 ZSG möglich. Diese findet jedoch nur dazu statt, damit die Katastrophenschutzbehörden der Länder die Zivilschutzaufgaben im Verteidigungsfall wahrnehmen können, die ihnen durch § 11 Abs. 1 S. 1 ZSG übertragen sind. Allein auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützte Regelungen wie das ZSG können daher sowohl in der bestehenden Form als auch durch Gesetzesänderungen nur Grundlage für Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren sein. Soweit die Maßnahmen der „Neuen Strategie“ nicht dem Bevölkerungsschutz vor kriegsbedingten Gefahren, d. h. dem Zivilschutz, sondern dem Katastrophenschutz dienen, dürften Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG und die auf diesem Kompetenztitel beruhenden Regelungen keine Grundlage darstellen.26 3.1.2. Ungeschriebene Gesetzgebungsbefugnis des Bundes kraft Natur der Sache Soweit der Bund Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung vor Gefahren aus länderübergreifenden Naturkatastrophen und Unglückfällen erledigt, könnte jedoch eine ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz des Bundes kraft Natur der Sache mit Blick auf die Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG in Frage kommen. Ungeschriebene Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes sind nur in äußerst engen Grenzen anerkannt.27 Nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich bei Gesetzgebungskompetenz des Bundes kraft Natur der Sache um Sachgebiete, die „ihrer Natur nach eine eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheit des Bundes darstellen, vom Bund und nur von ihm geregelt werden können .“28 Hierbei müssen die Schlussfolgerungen „aus der Natur der Sache“ begriffsnot- 26 Meyer-Teschendorf, in: Pitschas u.a.(Hrsg.), Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, S. 806. 27 BVerfGE 98, 265 (299). 28 BVerfGE 11, 89 (98f.), Hervorhebung im Urteil. - 10 - wendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluss anderer sachgerechter Lösungsmöglichkeiten zwingend fordern. 29 In der Begründung zum Entwurf des Gesetzes über die Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe nahm die Bundesregierung eine solche ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache an, soweit das Bundesamt Aufgaben auf dem Gebiert der Katastrophenhilfe erledige.30 Um die aus Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG sich ergebende Unterstützungspflicht der Bundes wirksam erfüllen zu können und die in Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG vorgesehene Initiativbefugnis des Bundes sicherzustellen , sei der Bund berechtigt, Regelungen für diese Fälle zu schaffen. Planung, Vorbereitung und Koordinierung dieser Bundespflichten seien ihrer Natur nach von vornherein eigene Angelegenheiten des Bundes, die nur er selbst regeln könne.31 Für die Annahme einer Gesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache spricht, dass mit der Möglichkeit der Länder, Katastrophenhilfe im Rahmen von Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG anzufordern, auch eine allgemeine Pflicht des Bundes zur Katastrophenhilfe korrespondiert .32 Der Bund muss dann im Rahmen seiner Möglichkeiten helfen. Darüber hinaus gibt Art. 35 Abs. 3 GG im Falle des überregionalen Katastrophennotstands dem Bund eine originäre Befugnis zur Intervention33, bei der die Bundesregierung eine begrenzte Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Landesregierungen und eine Einsatzbefugnis der Bundespolizei und der Bundeswehr erhält (s. o. 1.2).34 Die Pflicht zur Katastrophenhilfe – soweit der Bund um Hilfe ersucht wird – beim regionalen Katastrophennotstand gem. Art. 35 Abs. 2 S. 2.GG und das Recht zur Bundesintervention beim überregionalen Katastrophenotstand gem. Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG betreffen damit nur den Bund und sind unmittelbar Sache des Bundes. Beide Fälle stellen eine vom Grundgesetz selbst vorgesehene enge Ausnahme zu der grundsätzlich strengen Aufteilung der Kompetenzen zum Zivilschutz und Katastrophenschutz zwischen Bund und Ländern dar.35 Das Schaffen von „Ausführungsvorschriften“ und das Treffen von Vorkehrungen für diese Fälle kann somit nur vom Bund selbst vorgenommen werden. Es spricht daher einiges dafür, die Kompetenz zur gesetzlichen Regelung der Einzelheiten der Katastrophenhilfe gem. Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG und der Bundesintervention im überregionalen 29 BVerfGE 11, 89 (98f.); 12, 205 (251), 15, 1 (24); 22, 180 (217); 26, 246 (257). 30 Entwurf eines Gesetz über die Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe , BT -Drs. 15/2286, S. 7. 31 Entwurf eines Gesetz über die Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe , BT -Drs. 15/2286, S. 7. 32 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 35, Rn. 27; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 35, Rn. 40; v. Danwitz , in: v. Mangold/Klein/Starck, GG, Art. 35, Rn. 75, 63. 33 Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1465. 34 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 35, Rn. 29; v. Danwitz, in: v. Mangold/Klein/Starck, GG, Art. 35, Rn. 77. 35 Maunz in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 73, Rdn. 43. - 11 - Katastrophennotstand gem. Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG dem Bund kraft Natur der Sache zuzugestehen. 3.2. Zwischenergebnis Maßnahmen und Regelungen des Bundes im Rahmen der „Neuen Strategie“, die dem Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren, d. h. dem Zivilschutz dienen , können auf die Gesetzgebungskompetenzen aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt werden. Über den Zivilschutzauftrag hinausgehende Regelungen, die der Planung, Vorbereitung und Koordinierung der Katastrophenhilfe des Bundes nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG bzw. der Bekämpfung überregionaler Katastrophennotstände i. S. d. Art. 35 Abs. 3 GG dienen, können sich auf eine ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache stützen. Die hierdurch geschaffenen Einrichtungen des Bundes, wie zum Beispiel das BBK, können vom Bund den Ländern zur Koordinierung und Konzeptionierung ihres Katastrophenschutzes im Rahmen der einfachen Amtshilfe i. S. v. Art. 35 Abs. 1 GG jederzeit nutzbar gemacht werden. Auch können sie vom Bund im Wege der Katastrophenhilfe gem. Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG den Ländern bei der Bekämpfung von regionalen Katastrophen zur Verfügung gestellt und im Rahmen des überregionalen Katastrophenotstands gem. Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG von Bund und Ländern gemeinsam genutzt werden. 3.3. Grenzen eines künftigen Bevölkerungsschutzgesetzes36 Es wird diskutiert, ob der Bund eine generelle selbstständige und eigenverantwortliche Kompetenz gegenüber den Ländern bei Großkatastrophen, die die Ressourcen und Fähigkeiten einzelner oder mehrer Länder überfordern, zum Zwecke der Koordinierung und Unterstützung der Gefahrenabwehrmaßnahmen der Länder erhalten soll.37 Als einschlägige Szenarien werden - biologische Gefahrenlagen, wie Influenza-Pandemien, SARS, Vogelgrippe, Freisetzung biologischer Kampfstoffe durch Terroristen, - länderübergreifende Hochwasser, - die Folgen von Schäden an kritischen Infrastrukturen z. B. bei großflächigen Stromausfällen, 36 Vgl. hierzu auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zum Thema „Zu ausgewählten verfassungsrechtlichen Aspekten des Katastrophenschutzes“, WF III – 189/02. 37 Meyer-Teschendorf, in: Pitschas u.a.(Hrsg.), Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, S. 810; Vgl. Bericht der AG „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung“ der IMK (Stand März 2006), Anlage zu Beschluss Nr. 19, Sitzung vom 5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen, Haltung des Bundes zur Anpassung der Vorschriften des ZSG an neue Bedrohungslagen, II.1.1, S. 5-6, http://www.bundesrat.de/cln_050/DE/gremien-konf/fachministerkonf/imk/Sitzungen/06-05-05/06- 05-05-anlage-nr-19,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/06-05-05-anlage-nr-19.pdf (17.12.2007). - 12 - - schwere Havarien in kerntechnischen Anlagen, - schwere Chemieunfälle an exponierten Standorten und - der Massenanfall von Verletzten genannt. Während in diesen Fällen das operative Krisenmanagement nach wie vor bei den Katastrophenschutzbehörden der Länder verbleibe, solle der Bund gegenüber den Landesregierungen die Befugnis zur Koordinierung und Lenkung auch einzelner Maßnahmen zur Gefahrenabwehr erhalten.38 Die gesetzliche Regelung einer solchen Steuerungs- und Koordinierungskompetenz des Bundes bedürfte jedoch einer entsprechenden Gesetzgebungsbefugnis. Eine Befugnis des Bundes aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG kommt nicht in Betracht, da der Bund hier nicht den Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren regeln will, sondern den Schutz vor länderübergreifenden Katastrophen- und Unglückfällen. Der Katastrophenschutz liegt aber in der Zuständigkeit der Länder (s. o. 1.1). Fraglich ist, ob eine entsprechende Koordinierungs- und Steuerungskompetenz aus Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG hergeleitet werden könnte. Wie oben unter 1.2 dargestellt, kommt dem Bund nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG eine Weisungs- und Einsatzbefugnis zu. Die Vorschrift des Art. 35 Abs. 3 GG hat somit den Charakter einer Notkompetenz. Die Aufgabe des Katastrophenschutzes soll dadurch nicht von den Ländern auf den Bund verlagert werden, sondern vie lmehr Ländersache bleiben. Dies wird auch daran deutlich, dass selbst der Einsatz der Bundeseinheiten lediglich zur Unterstützung der Polizei des Einsatzlandes erfolgt, und auch nur, wenn dies zur Bekämpfung der Katastrophe oder des Unglücksfalles erforderlich ist. Dies verdeutlicht den subsidiären Charakter der Bundesintervention. 39 Dies gilt ebenso für die Katastropheneinsatzleitung und somit auch die Koordinierung des Einsatzes sowohl von Bundestruppen als auch von allen anderen beteiligten öffentlichen und privaten Hilfsorganisationen. Die Weisungsbefugnis der Bundesregierung erstreckt sich lediglich auf die Anordnung an die Bundesländer, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen. Hierbei richten sich die Weisungen der Bundesregierung nicht an die Polizeikräfte der Bundesländer selbst, sondern sie müssen an die Lan- 38 Vgl. Bericht der AG „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung“ der IMK (Stand März 2006), Anlage zu Beschluss Nr. 19, Sitzung vom 5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen, Haltung des Bundes zur Anpassung der Vorschriften des ZSG an neue Bedrohungslagen, II.1.1, S. 5-6, http://www.bundesrat.de/cln_050/DE/gremien-konf/fachministerkonf/imk/Sitzungen/06-05-05/06- 05-05-anlage-nr-19,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/06-05-05-anlage-nr-19.pdf (Stand: 17.12.2007). 39 Bauer, in: Dreier, GG, Art. 35, Rn. 32; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 1465; v. Danwitz, in : v.Mangold/Klein/Starck, GG, Art 35, Rn. 79. - 13 - desregierungen ergehen. Die auf Weisung der Bundesregierung an der Bekämpfung der Katastrophe beteiligten Polizeikräfte unterliegen den Weisungen des Landes, dem sie zur Verfügung gestellt werden. Sie nehmen, ohne ihren Charakter als Organ ihres Herkunftslandes zu verlieren, Aufgaben des Einsatzlandes auf der Grundlage des dort ge ltenden Rechts wahr.40 Anders verhält es sich zwar im Falle des Einsatzes von Bundespolizei und Bundeswehr. Die Bundesregierung ist hier nicht darauf beschränkt, Einhe iten von Bundespolizei und Bundeswehr zu entsenden, sondern sie kann sie eigenständig einsetzen. In diesem Falle nimmt die Bundesregierung eine eigene Bundeskompetenz wahr. Bundespolizei und Streitkräfte werden als Bundeskräfte eingesetzt, nicht lediglich zur Verfügung gestellt. Das Einsatzland kann den Einheiten daher keine Weisungen erteilen. 41 Aus dem Zweck des Einsatzes „zur Unterstützung der Polizeikräfte“ ergeben sich jedoch inhaltliche Grenzen für einen selbständigen Einsatz der Einheiten. Denn durch diese Formulierung wird deutlich, dass es nicht zu einer Aufgabenverschiebung zwischen Bund und Ländern kommt. Der Einsatz liegt vielmehr im Rahmen der Kompetenzhoheit des betroffenen Landes.42 Bundespolizei und Bundeswehr nehmen folglich bei ihrem Einsatz Landesaufgaben wahr, so dass sich ihre Befugnisse nach dem Recht des Landes richten, in dem der Einsatz erfolgt.43 Regelungen eines künftigen Bevölkerungsschutzgesetzes, die eine generelle Steuerungs - und Koordinierungskompetenz des Bundes bei länderübergreifenden Katastrophen und Unglückfällen vorsehen würden, ließen sich somit weder auf den Zivilschutzauftrag aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG stützen noch aufgrund einer aus Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG hergeleiteten Gesetzgebungsbefugnis kraft Natur der Sache rechtfertigen . 40 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 35, Rn. 29; Klein, in: HStR VII, § 169, Rn. 33. 41 v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art. 35, Rn. 80; Klein, in: HStR VII, § 169, Rn. 34; z.T. abweichend Stern, Staatsrecht II, S. 1465, der die Weisungsgewalt des Bundes nur für den Fall anerkennt, in dem das Land zur wirksamen Bekämpfung der Gefahr weder fähig noch willens ist. 42 Stern, Staatsrecht II, S. 1465 f. 43 v. Danwitz, in: v. Mangoldt/ Klein/Stark, GG, Art. 35, Rn. 82; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 35, Rn. 30; Klein, in: HStR VII, § 169, Rn. 33; Stern, Staatsrecht II, S. 1465 f. - 14 - Wenn der Bund keine generelle Steuerungs- und Koordinationsbefugnis bereits in den Ausnahmefällen des Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG hat, so kann er erst recht keine einfachgesetzlichen Ausführungsregelungen hierzu erlassen. Diese würden über den durch Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG gezogenen Rahmen hinausgehen. Hierzu bedürfte es vielmehr einer Verfassungsänderung. 44 44 So auch: Bericht der AG „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung“ der IMK (Stand März 2006), Anlage zu Beschluss Nr. 19, Sitzung vom 5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen, Haltung des Bundes zur Anpassung der Vorschriften des ZSG an neue Bedrohungslagen, II.1.1, S. 6, http://www.bundesrat.de/cln_050/DE/gremien-konf/fachministerkonf/imk/Sitzungen/06-05-05/06- 05-05-anlage-nr-19,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/06-05-05-anlage-nr-19.pdf (Stand: 17.12.2007); Meyer-Teschendorf, in: Pitschas u.a.(Hrsg.), Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, S. 810-811. - 15 - 4. Literatur - Dreier, Horst, Grundgesetzkommentar, Band II, 2. Auflage, Thübingen 2006. - Maunz,Theodor/Dürig, Günter, Grundgesetzkommentar, Band V, München. - v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Stark, Christian, Kommentar zum Grundgesetz , Band 2, 5. Auflage, München 2005. - Meyer-Teschendorf, Klaus, Neuordnung des Zivil- und Katastrophenschutzes, Gibt es verfassungsrechtlichen Handlungsbedarf?, in: Pitschas, Rainer/Uhle, Arnd (Hrsg.), Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, Festschrift für Rupert Scholz zum 70. Geburtstag, Berlin 2007. - v. Münch, Ingo/Kunig, Philip, Grundgesetzkommentar, Band 2, 5. Auflage, München 2001. - Sachs, Michael, Grundgesetzkommentar, 4. Auflage, München 2007. - Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, München 1980. - Klein, Eckart, in: Isensee, Josef / Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VII: Normativität und Schutz der Verfa ssung – Internationale Beziehungen, Heidelberg 1992.