© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 419/18 Religionsunterricht in den Verfassungen anderer Staaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 419/18 Seite 2 Religionsunterricht in den Verfassungen anderer Staaten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 419/18 Abschluss der Arbeit: 29. November 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 419/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Belgien 5 3. Griechenland 5 4. Irland 5 5. Kroatien 6 6. Litauen 6 7. Malta 6 8. Niederlande 7 9. Österreich 7 10. Polen 7 11. Portugal 8 12. Rumänien 8 13. Slowakei 8 14. Spanien 8 15. Tschechien 9 16. Zypern 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 419/18 Seite 4 1. Einleitung Der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen – mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen – ist in Deutschland grundgesetzlich garantiert.1 Artikel 7 Abs. 2 und 3 Grundgesetz (GG) bestimmen: „Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.“ Der Übersicht liegt die Frage zugrunde, ob der Religionsunterricht auch in den Verfassungen anderer Staaten verankert ist. Als Untersuchungsgegenstand wurden die Verfassungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika ausgewählt.2 Keine Bestimmungen zum Religionsunterricht in staatlichen Schulen konnten anhand der zur Verfügung stehenden Übersetzungen in den Verfassungen von Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Schweden, Slowenien, Ungarn sowie in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika gefunden werden. In Großbritannien existiert keine Verfassungsurkunde im formalen Sinn;3 in den Texten, die Teil der Verfassung sind – insbesondere solchen mit Grundrechtscharakter,4 konnten ebenfalls keine Aussagen zum Religionsunterricht gefunden werden. Die Verfassungen der nachfolgenden Staaten enthalten Bestimmungen zum Religionsunterricht. Der Großteil dieser Verfassungen sieht Religionsunterricht in den staatlichen Schulen vor. Ausdrücklich konfessionsfrei sind staatliche Schulen gemäß den Verfassungen Kroatiens und Portugals. 1 Dazu ausführlich Heinig, Die Verfassung der Religion, 2014, S. 339 ff. 2 Die Darstellung stützt sich im Wesentlichen auf die im Internet unter http://www.verfassungen.eu/eu/index.htm verfügbaren Übersetzungen der Verfassungen. Deutsche Übersetzungen sind nur teilweise vorhanden. Der letzte Aufruf der Internet-Quellen erfolgte am 29. November 2018. 3 Kimmel/Kimmel, Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, 6. Auflage 2005, S. 891. 4 Vgl. Kimmel/Kimmel, Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, 6. Auflage 2005, S. 892. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 419/18 Seite 5 2. Belgien Artikel 24 § 1 Abs. 3 und 4 der belgischen Verfassung bestimmen: „Die Gemeinschaft organisiert ein Unterrichtswesen, das neutral ist. Die Neutralität beinhaltet insbesondere die Achtung der philosophischen, ideologischen oder religiösen Auffassungen der Eltern und Schüler. Die von den öffentlichen Behörden organisierten Schulen bieten bis zum Ende der Schulpflicht die Wahl zwischen dem Unterricht in einer der anerkannten Religionen und demjenigen in nichtkonfessioneller Sittenlehre.“5 Artikel 24 § 3 Abs. 2 der Verfassung ergänzt: „Alle schulpflichtigen Schüler haben zu Lasten der Gemeinschaft ein Recht auf eine moralische oder religiöse Erziehung.“ 3. Griechenland Artikel 16 Abs. 2 der griechischen Verfassung bestimmt: „Die Bildung ist eine Grundaufgabe des Staates und hat die sittliche, geistige, berufliche und physische Erziehung der Griechen sowie die Entwicklung ihres nationalen und religiösen Bewusstseins und ihrer Ausbildung zu freien und verantwortungsbewussten Staatsbürgern zum Ziel.“6 4. Irland Artikel 42 Abs. 1 der irischen Verfassung bestimmt: „Der Staat anerkennt, daß die Erziehung des Kindes in erster Linie und natürlicherweise der Familie obliegt; er verbürgt sich, das unveräußerliche Recht und die unveräußerliche Pflicht der Eltern zu achten, je nach ihren Mitteln für religiöse, moralische, geistige, körperliche und soziale Erziehung ihrer Kinder Sorge zu tragen.“ Artikel 42 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 ergänzen: „Der Staat muß jedoch als Hüter des allgemeinen Wohles im Hinblick auf die tatsächlichen Bedingungen fordern, daß die Kinder ein gewisses Minimum an moralischer, geistiger und sozialer Erziehung erhalten. Der Staat trägt für eine kostenlose Volksschulbildung Sorge und bemüht sich, Privat- und Gemeinschaftsinitiative auf dem Gebiete der Erziehung weiterzuführen und in vernünftiger 5 Koordinierte Verfassung Belgiens vom 17. Februar 1994, offizielle Übersetzung abrufbar unter: http://senate .be/deutsch/index.html, Stand der Übersetzung: 9. März 2017. 6 Verfassung der Griechischen Republik vom 9. Juni 1975, abrufbar unter: http://www.verfassungen.eu/griech/, Stand der Übersetzung: 18. Januar 2003. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 419/18 Seite 6 Weise zu unterstützen; überdies trägt er, sofern das Gemeinwohl es erfordert, und stets unter gebührender Beachtung der elterlichen Rechte, für weitere Erziehungserleichterungen und -einrichtungen, insbesondere auf dem Gebiet der religiösen und moralischen Bildung, Sorge.“ Artikel 44 Abs. 2 Nr. 4 bestimmt schließlich: „Gesetze über die Gewährung staatlicher Hilfe an Schulen dürfen nicht zwischen Schulen, die unter der Leitung verschiedener Religionsbekenntnisse stehen, differenzieren; ebenso wenig dürfen sie das Recht irgendeines Kindes beeinträchtigen, eine mit öffentlichen Geldern unterstützte Schule zu besuchen, ohne am Religionsunterricht an dieser Schule teilzunehmen.“7 5. Kroatien Artikel 41 der kroatischen Verfassung bestimmt: „Alle Religionsgemeinschaften sind vor dem Gesetz gleich und vom Staat getrennt. Religionsgemeinschaften können in Einklang mit dem Gesetz öffentlich Glaubenszeremonien ausüben, Schulen, Bildungsanstalten, andere Anstalten, soziale und wohltätige Einrichtungen gründen, sowie diese verwalten. In ihrem Tätigkeitsbereich genießen sie den Schutz und die Unterstützung des Staates.“8 6. Litauen Artikel 40 Abs. 1 der litauischen Verfassung bestimmt: „Die Lehr- und Erziehungseinrichtungen des Staates und der Selbstverwaltungen sind weltlich. Auf Wunsch der Eltern wird in ihnen Religion gelehrt.“9 7. Malta Artikel 2 der maltesischen Verfassung bestimmt: „The religion of Malta is the Roman Catholic Apostolic Religion. The authorities of the Roman Catholic Apostolic Church have the duty and the right to teach which principles are right and which are wrong. 7 Verfassung Irlands vom 1. Juli 1937, abrufbar unter: http://www.verfassungen.eu/irl/, Stand der Übersetzung: 24. Januar 2009. 8 Verfassung der Republik Kroatien vom 21. Dezember 1990, abrufbar unter: http://www.verfassungen.eu/hr/verf90- i.htm, Stand der Übersetzung: 2. Juni 2012. 9 Verfassung der Republik Litauen vom 25. Oktober 1992, abrufbar unter: http://www.verfassungen.eu/lt/index .htm, Stand der Übersetzung: 9. Dezember 2007. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 419/18 Seite 7 Religious teaching of the Roman Catholic Apostolic Faith shall be provided in all State schools as part of compulsory education.”10 8. Niederlande Artikel 23 Abs. 3 und 5 der niederländischen Verfassung bestimmen lediglich: „Der öffentliche Unterricht wird unter Wahrung der Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses durch Gesetz geregelt. […] Die Anforderungen, die an die Qualität des ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln zu finanzierenden Unterrichts zu stellen sind, werden durch Gesetz geregelt; Soweit es sich um Unterricht an Privatschulen handelt, ist die Freiheit der religiösen und weltanschaulichen Ausrichtung zu gewährleisten.“11 9. Österreich Artikel 14 Abs. 10 der österreichischen Verfassung bestimmt: „In den Angelegenheiten der Schulgeldfreiheit sowie des Verhältnisses der Schule und Kirchen (Religionsgesellschaften) einschließlich des Religionsunterrichtes in der Schule, soweit es sich nicht um Angelegenheiten der Universitäten und Hochschulen handelt, können Bundesgesetze vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. [...]“12 10. Polen Artikel 53 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 der polnischen Verfassung bestimmen: „Die Eltern haben das Recht, die moralische und religiöse Erziehung und Unterrichtung ihrer Kinder gemäß ihren Anschauungen sicherzustellen. […] Die Religion einer Kirche oder einer anderen rechtlich anerkannten Glaubensgemeinschaft darf in der Schule unterrichtet werden, wobei die Gewissens- und Religionsfreiheit anderer Personen nicht berührt werden darf.“13 10 Verfassung von Malta vom 21. September 1964, zuletzt geändert am 21. Juni 2018, abrufbar auf Englisch unter: http://justiceservices.gov.mt/DownloadDocument.aspx?app=lom&itemid=8566. 11 Verfassung des Königreiches der Niederlande vom 24. August 1815 in der Fassung der Neubekanntmachung vom 17. Februar 1983, abrufbar unter: http://www.verfassungen.eu/nl/, Stand der Übersetzung: 4. April 2004. 12 Bundes-Verfassungsgesetz vom 19. Dezember 1945, zuletzt geändert am 15. Mai 2018, abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000138. 13 Verfassung der Polnischen Republik vom 2. April 1997, abrufbar unter: http://www.verfassungen.eu/pl/, Stand der Übersetzung: 26. November 2003. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 419/18 Seite 8 11. Portugal Artikel 43 Abs. 1 bis 3 der portugiesischen Verfassung bestimmen: „Die Lern- und Lehrfreiheit ist gewährleistet. Der Staat darf sich nicht das Recht zusprechen, Bildung und Kultur nach den Maßstäben irgendwelcher philosophischen, ästhetischen, politischen, ideologischen oder religiösen Richtlinien programmatisch festzulegen. Das staatliche Schulwesen ist konfessionsfrei.“14 12. Rumänien Artikel 32 Abs. 7 der rumänischen Verfassung bestimmt: „Der Staat gewährleistet die Freiheit des religiösen Unterrichts gemäß den spezifischen Erfordernissen eines jeden Glaubensbekenntnisses. In den Staatsschulen ist der religiöse Unterricht gesetzlich organisiert und garantiert.“15 13. Slowakei Artikel 24 Abs. 2 und 3 Verfassung der Slowakischen Republik bestimmen: „Jeder hat das Recht, seine Religion oder seinen Glauben einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen, privat oder öffentlich, durch Gottesdienst und religiöse Handlungen, durch die Beachtung von Zeremonien oder die Teilnahme am Religionsunterricht frei auszuüben. Kirchen und Religionsgemeinschaften verwalten ihre Angelegenheiten selbständig, insbesondere bilden sie ihre Organe, bestimmen ihre Geistlichen, gewährleisten den Religionsunterricht und gründen Ordensgemeinschaften und andere kirchliche Institutionen unabhängig von staatlichen Organen.“16 14. Spanien Artikel 27 Abs. 1 bis 3 der spanischen Verfassung bestimmen: „Alle haben das Recht auf Erziehung. Die Freiheit des Unterrichts wird anerkannt. 14 Verfassung der Portugiesischen Republik vom 2. April 1976 in der Fassung des Verfassungsgesetzes vom 12. Dezember 2001, abrufbar unter: http://www.verfassungen.eu/p/, Stand der Übersetzung: 6. Oktober 2003. 15 Verfassung Rumäniens vom 21. November 1991, abrufbar unter: http://www.cdep.ro/pls/dic/act_show?ida=1&idl=4&tit=2#t2c2s0a45, Stand der Übersetzung: 30. April 2006. 16 Verfassung der Slowakischen Republik vom 1. September 1992, abrufbar unter: http://www.verfassungen.eu/sk/index .htm, Stand der Übersetzung: 8. Februar 2003. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 419/18 Seite 9 Ziel der Erziehung ist die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit unter Achtung der demokratischen Grundsätze des Zusammenlebens sowie der Grundrechte und Grundfreiheiten. Die öffentliche Gewalt gewährleistet das Recht der Eltern auf eine religiöse und moralische Erziehung ihrer Kinder, die mit ihren eigenen Überzeugungen übereinstimmt.“17 15. Tschechien Die Grundrechte und -freiheiten sind in der Tschechischen Republik in einer eigenen Urkunde geregelt. Gemäß Artikel 3 der Verfassung der Tschechischen Republik ist die Deklaration der Grundrechte und -freiheiten „Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung der Tschechischen Republik“.18 Artikel 16 Abs. 1 und 3 der Urkunde der grundlegenden Rechte und -freiheiten bestimmen: „Jedermann hat das Recht, seine Religion oder seinen Glauben frei kundzutun, allein oder gemeinsam mit anderen Personen, privat oder öffentlich, im Gottesdienst, im Unterricht, durch religiöse Akte oder Riten. […] Das Gesetz bestimmt die Bedingungen des Religionsunterrichtes an staatlichen Schulen.“19 16. Zypern Artikel 20 Abs. 1 der zypriotischen Verfassung bestimmt: „Every person has the right to receive, and every person or institution has the right to give, instruction or education subject to such formalities, conditions or restrictions as are in accordance with the relevant communal law and are necessary only in the interests of the security of the Republic or the constitutional order or the public safety or the public order or the public health or the public morals or the standard and quality of education or for the protection of the rights and liberties of others including the right of the parents to secure for their children such education as is in conformity with their religious convictions.”20 *** 17 Verfassung des Königreiches Spanien vom 29. Dezember 1978; abrufbar unter: http://www.verfassungen .eu/es/verf78-index.htm, Stand der Übersetzung: 3. März 2002. 18 Verfassungsgesetz des Tschechischen Nationalrates vom 16. Dezember 1992, abrufbar unter: http://www.verfassungen .eu/cz/index.htm, Stand der Übersetzung: 12. Dezember 2003. 19 Urkunde der grundlegenden Rechte und -freiheiten, erlassen als Verfassungsgesetz der Bundesversammlung der Tschechischen und der Slowakischen Föderativen Republik vom 9. Januar 1991, abrufbar unter: http://www.verfassungen.eu/cz/grundrechte92.htm, Stand der Übersetzung: 11. Dezember 2002. 20 Verfassung der Republik Zypern vom 6. April 1960, abrufbar auf Englisch unter: http://www.verfassungen .eu/cy/verf60-i.htm, Stand der Übersetzung: 29. Juni 2006.