NATO-Truppenstatut, Zusatzabkommen, Verwaltungsvereinbarungen - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 416/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: NATO-Truppenstatut, Zusatzabkommen, Verwaltungsvereinbarungen Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 416/08 Abschluss der Arbeit: 1. Dezember 2008 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Das Rechtsregime der Nutzung von Liegenschaften durch alliierte Stationierungsstreitkräfte der NATO in Deutschland richtet sich nach dem NATO-Truppenstatut, dem Zusatzabkommen dazu und bilateralen Verwaltungsabkommen mit dem jeweiligen Entsendestaat sowie den einschlägigen deutschen Rechtsnormen. Eine Truppe und ihr ziviles Gefolge müssen das deutsche Recht achten. Ausländische Truppenverbände werden nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als nationale Organe des Entsendestaates behandelt, wenn sie nicht in die militärische Organisation des Aufnahmestaates integriert oder supranational sind. In den Fällen, in denen Vorhaben einer Truppe oder eines zivilen Gefolges nach deutschem Recht einer Erlaubnis , Zulassung oder einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Genehmigung bedürfen, stellen deutsche Behörden die erforderlichen Anträge und betreiben die diesbezüglichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren in Verfahrens- bzw. Prozessstandschaft für die Truppe. Gleiches gilt, wenn Maßnahmen der Truppe oder eines zivilen Gefolges von Amts wegen oder durch Dritte angegriffen werden. - 3 - 1. Einleitung 4 2. Verteidigungsvorhaben im Grenzbereich von Staatenimmunität und Rechtsbindung 4 2.1. Schutz und Reichweite der Staatenimmunität 4 2.2. Bindung an deutsches Recht 5 3. Recht der Liegenschaften 6 4. Schutz der Rechte Dritter 8 4.1. Gerichtlicher Rechtsschutz 8 4.1.1. Neue Maßnahmen 8 4.1.2. Alte Maßnahmen 10 4.2. Vorverlagerter Rechtsschutz in den Genehmigungsverfahren 10 - 4 - 1. Einleitung Das Rechtsregime der Nutzung von Liegenschaften durch alliierte Stationierungsstreitkräfte der NATO in Deutschland richtet sich nach dem NATO-Truppenstatut, dem Zusatzabkommen dazu und bilateralen Verwaltungsabkommen mit dem jeweiligen Entsendestaat sowie den einschlägigen deutschen Rechtsnormen fachgesetzlicher Art. Am 1. Juli 1963 traten für die Bundesrepublik Deutschland das „Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen“ (NATO- Truppenstatut, NTS) vom 19. Juni 19511 und das Zusatzabkommen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen (Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, NTS-ZA)2 in Kraft. Um der seit der Herstellung der deutschen Einheit entstandenen veränderten Lage zu entsprechen, wurde am 18. März 1993 das Abkommen zur Änderung des ZA-NTS von den sechs Staaten, die Truppen auf Dauer in Deutschland stationiert haben (Be lgien , Frankreich, Großbritannien, Kanada, die Niederlande und die Vereinigten Staaten von Amerika), und der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet und trat am 29. März 1998 in Kraft.3 Denn durch den „Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland“ (Zwei-plus-Vier-Vertrag) vom 12. September 19904 war das bis dahin fortgeltende Besatzungsrecht abgelöst und die volle Souveränität der Bundesrepublik Deutschland hergestellt worden. Durch die Änderung des ZA-NTS wurde die Rechtsstellung der Stationierungsstreitkräfte dem Stand angepasst, der aufgrund des NTS und sonstiger Vorschriften auch in den Staatsgebieten der anderen Bündnispartner gilt. 2. Verteidigungsvorhaben im Grenzbereich von Staatenimmunität und Rechtsbindung Bei den Verteidigungsvorhaben der NATO-Truppen in Deutschland kommt es aus deutscher Sicht im Wesentlichen darauf an, ob und wieweit für diese das deutsche Bau-, Umwelt- und Planungsrecht gilt. Die Rechtsstellung der Stationierungsstreitkräfte wird durch die Kombination des völkergewohnheitsrechtlichen Prinzips der Staatenimmunität mit vertraglichen Vorschriften über die Bindung der Streitkräfte an das Recht des Aufnahmestaates in Art. II und IX Abs. 3 NTS bestimmt. 2.1. Schutz und Reichweite der Staatenimmunität Das völkergewohnheitsrechtliche Prinzip der Staatenimmunität dient dem Schutz der Unabhängigkeit und Gleichheit der Staaten (par in parem non habet imperium).5 Es verbie- 1 BGBl. 1961 II S. 1183. 2 BGBl. 1963 II S. 745. 3 BGBl. 1994 II S. 2594. 4 BGBl. 1990 II S. 1318. 5 Zur allgemeinen Herleitung des Grundsatzes Schaumann BerDGVR 8(1968), S. 8 ff. - 5 - tet, dass ein Staat einen anderen bzw. dessen Organe im Bereich hoheitlicher Betätigung6 ohne dessen Einwilligung seiner Hoheitsgewalt unterwirft, das heißt ihn in einem staatlichen Verfahren für dessen Handlungen zur Verantwortung zieht und Vollstreckungsmaßnahmen aussetzt. Häufig wird der Schutz nur auf das gerichtliche Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren bezogen. 7 Nach einem weiteren Verständnis gilt die Staatenimmunität aber auch gegenüber Verwaltungsbehörden8 und schließt damit ebenfalls die Durchführung von Verwaltungsverfahren und den Erlass von Verwaltungsakten aus. Dieses weite Verständnis wird dem Schutzzweck der Staatenimmunität eher gerecht, weil die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens mit abschließendem Erlass eines Verwaltungsaktes ebenso geeignet ist, den anderen Staat zur Verantwortung zu ziehen und die Gleichheit der Staaten zu durchbrechen, wie ein Gerichtsverfahren mit abschließendem Urteil. Ausländische Truppenverbände, die sich mit der Einwilligung eines anderen Landes auf dessen Staatsgebiet aufhalten, werden nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als nationale Organe des Entsendestaates behandelt, wenn sie nicht in die militärische Organisation des Aufnahmestaates integriert oder supranational sind. Sie genießen kraft Völkergewohnheitsrechts bei ihren hoheitlichen Maßnahmen Immunität von der Jurisdiktion und der sonstigen Hoheitsgewalt des Aufnahmestaates, soweit der Entsendestaat nicht auf die Immunität verzichtet hat. Mit der Zulassung fremder Streitkräfte verzichtet der Aufnahmestaat nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts auf die Ausübung seiner souveränen Rechte insoweit, als die Wahrung der Disziplin und Kampfbereitschaft des militärischen Verbandes dies erfordern. 9 Lediglich einzelne Mitglieder der Truppe und des zivilen Truppengefolges sind - mit Einschränkungen - deutscher Hoheitsgewalt und der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen (vgl. Art. VIII Abs. 9 NTS, Art. 34 und 36 ZA-NTS). Gerichtliche Entscheidungen oder hoheitliche Maßnahmen des Aufnahmestaates, welche die Staatenimmunität der Truppen als Organe der Entsendestaaten verletzen, sind hingegen nichtig und für die ausländischen Truppen unbeachtlich .10 2.2. Bindung an deutsches Recht Schon nach der früher geltenden Fassung des ZA-NTS mussten eine Truppe und ihr ziviles Gefolge das deutsche Recht achten (Art. II NTS). Allerdings konnten sie bei Maßnahmen innerhalb der ihnen zur ausschließlichen Benutzung überlassenen Liegenschaften auf den Gebieten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unter bestimmten Voraussetzungen ihre 6 Zur Beschränkung der Staatenimmunität auf hoheitliche Handlungen des fremden Staates BVerfGE 16, 27 (33 ff.). 7 Etwa Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Auflage 2004, § 26 Rn. 17, 31. 8 Vgl. insbesondere Schaumann (Fn. 5), S. 53 f. 9 Vgl. Sennekamp NJW 1983, 2732 ; Lübbe-Wolff NJW 1983, 2224. 10 Vgl. Sennekamp (Fn.9). - 6 - eigenen Vorschriften anwenden. Diese Möglichkeit ist mit dem Änderungsabkommen entfallen. Es besteht allerdings kein deutsches Interesse, auf der Anwendung deutschen Rechts auch dann zu bestehen, wenn die Maßnahmen lediglich die Organisation, die interne Funktionsweise, die Führung oder andere interne Angelegenheiten betreffen, es sei denn, sie haben vorhersehbare Auswirkungen auf die Rechte Dritter, auf umliegende Gemeinden oder generell auf die deutsche Öffentlichkeit. In Zweifelsfällen gilt das Konsultations- und Kooperationsprinzip (Art. 53 Abs. 1 ZA-NTS).11 Im Ergebnis können deutsche Behörden bei Anlagen der Entsendestaaten grundsätzlich ebenso tätig werden wie bei Bundeswehranlagen . Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Stationierungsstreitkräfte als Organe der Entsendestaaten kommen ebenso wenig in Betracht, wie auch gegenüber der Bundeswehr hoheitliche Vollstreckungsmaßnahmen ausscheiden. 3. Recht der Liegenschaften Truppenübungsplätze, Luft-/Boden-Schießplätze, Standortübungsplätze und Standortschießanlagen sind den Entsendestreitkräften teilweise zur ausschließlichen Benutzung überlassen. Ihre Benutzung durch Truppenteile, die zu Ausbildungs- und Übungszwecken nach Deutschland gebracht werden, ist den deutschen Behörden vorher zur Zustimmung anzuzeigen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die deutschen Behörden nicht innerhalb von 45 Tagen nach Eingang der Anzeige widersprechen. Für Truppenteile des anzeigenden Staates bis zur Stärke von 200 Personen, die organisch zu den in Deutschland stationierten Verbänden gehören und zu deren Verstärkung vorgesehen sind, ist die Anzeige ausreichend (Art. 53 Abs. 2 bis ZA-NTS). Über die Einzelheiten der Benutzung der den Streitkräften der Entsendestaaten zur ausschließlichen Benutzung überlassenen Liegenschaften sind bilaterale Verwaltungsvereinbarungen12 abgeschlossen worden, welche die Modalitäten der Benutzung denen der Bundeswehr auf ihren Übungsplätzen annähern. Sie traten zusammen mit dem Änderungsabkommen in Kraft. In diesen Verwaltungsabkommen sind vor allem die Schießzeiten an die Praxis der Bundeswehr angeglichen worden. So legt etwa die „Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesminister der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland und dem Oberbefehlshaber des US-Heeres in Europa und der 7. Armee über die Benutzung von Truppenübungsplätzen , die den US-Streitkräften gemäß dem Zusatzabkommen zum NATO- Truppenstatut zur ausschließlichen Benutzung überlassen sind“13 für die Truppenübungsplätze Grafenwöhr, Wildflecken und Hohenfels „grundsätzlich“ die einzuhaltenden Schießzeiten fest. Art. 4 Abs. 4 lässt aber Ausnahmen von diesen Bestimmungen „in begründeten 11 Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 12/6477 vom 21. Dezember 1993, S. 67. 12 Anlage III Nr. 1 bis 9 zur Denkschrift zum Änderungsabkommen (BGBl. 1994 II, S. 2594). 13 BT-Drs. 12/6477, S. 102. - 7 - Fällen“ zu. Die Berechtigung dazu steht dem Oberbefehlshaber zu. Er kann diese Befugnis aber nur „im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Verteidigung“ wahrnehmen. Das heißt, die deutsche Seite muss zustimmen. Zum Teil wird in den Verwaltungsabkommen auch ausdrücklich bestimmt, dass - insbesondere aus Gründen des Immissionsschutzes - ergänzende Vereinbarungen getroffen werden können. Zur Wahrnehmung der deutschen militärischen Interessen wird ein Deutscher Militärischer Vertreter (DMV) auf den Truppenübungsplätzen eingesetzt. Dieser wird in beratender Funktion durch den Kommandanten des Truppenübungsplatzes bei der Verwaltung in allen die deutschen militärischen Interessen berührenden Fragen und Angelegenheiten beteiligt. In dem im Unterzeichnungsprotokoll (UP)14 zu Art. 53 ZA-NTS neu eingefügten Abs. 1 bis wird klargestellt, dass zu den in Art. 53 Abs. 1 Satz 1 ZA-NTS genannten Maßnahmen solche gehören, die zur Erfüllung nationaler Ausbildungsnormen einer Truppe erforderlich sind. Mit dem neu eingefügten Abs. 4 bis UP kamen die Entsendestaaten einem dringenden Wunsch der deutschen Seite, insbesondere der Länder, nach, den mit dem Gesetzesvollzug betrauten deutschen Behörden den unmittelbaren Zugang zu den überlassenen Liegenschaften zu gewähren, ohne sich der Vermittlung anderer deutscher Behörden bedienen zu müssen . Dadurch soll die Wahrung deutscher Interessen erleichtert und verbessert werden (Abs. 4 bis Buchstabe a UP). Die Buchstaben b und c in Abs. 4 bis UP sehen die Berücksicht igung bestimmter Interessen der Truppe vor. Abs. 4 bis Buchstabe d UP regelt den Instanzenweg im Falle der Uneinigkeit der unteren Behörden. Durch die Ergänzung der in Abs. 5 UP genannten Aufgabengebiete, auf denen die Behörden der Truppe und die deutschen Behörden bei der Verwaltung von überlassenen Liegenschaften zusammenarbeiten sollen, wird die Bedeutung hervorgehoben, welche die deutsche Seite dem Arbeitsschutz und dem Umweltschutz beimisst. Im Hinblick auf den Umweltschutz gilt dies insbesondere für die Erfassung und Bewertung von Flächen, von denen wegen Kontamination des Bodens ein Risiko ausgeht. Was die Durchführung der Verwaltungsverfahren angeht, war eine direkte Beteiligung der Stationierungsstreitkräfte nicht durchsetzbar. Die Entsendestaaten beriefen sich auf das Prinzip der Staatenimmunität. Um in den Fällen, in denen Vorhaben einer Truppe oder eines zivilen Gefolges nach deutschem Recht einer Erlaubnis, Zulassung oder einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Genehmigung bedürfen, ein nach deutschem Recht vorgeschriebenes Verfahren durchführen zu können und damit dem deutschen Verfahrensrecht auch im Interesse zu beteiligender Dritter Genüge zu tun, stellen deutsche Behörden die erforderlichen Anträge und betreiben die diesbezüglichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren in Verfahrens- bzw. Prozessstandschaft für die Truppe (Art. 53A Abs. 1 ZA-NTS). Gleiches gilt, wenn Maßnahmen der Truppe oder eines zivilen Gefolges von Amts wegen oder 14 Das Unterzeichnungsprotokoll ist Bestandteil des Änderungsvertrages. - 8 - durch Dritte angegriffen werden (Art. 53 Abs. 2 ZA-NTS). Das bedeutet nicht, dass die das Verfahren betreibende deutsche Behörde auch zum Träger des Vorhabens wird; Träger des Vorhabens und damit Berechtigter und Verpflichteter aus einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bleibt allein der Entsendestaat (Art. 53 Abs. 3 ZA-NTS). Nach Art. 53 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 ZA-NTS gilt deutsches Recht für die Benutzung von Liegenschaften nicht, soweit in anderen internationalen Übereinkünften etwas anderes vorgesehen ist. 4. Schutz der Rechte Dritter Die neuen Vorschriften über die Erforderlichkeit ordentlicher Genehmigungen sowie die Zulässigkeit von völkerrechtlich verbindlichen Verwaltungsakten der Fachbehörden zur Durchsetzung der materiellen Rechtsbindung haben erhebliche strukturelle Änderungen und Fortschritte für den Schutz von Drittbetroffenen bei den ausländischen Maßnahmen gebracht. Trotz fortbestehender Besonderheiten infolge der Aufrechterha ltung der Staatenimmunität haben sich die Möglichkeiten gerichtlichen Rechtsschutzes im Vergleich zur Rechtslage vor dem Änderungsabkommen erheblich verbessert. Gleichzeitig wurde auch der vorverlagerte Rechtsschutz in den der Ausführung vorangehenden Verfahren den innerstaatlich bestehenden Möglichkeiten angeglichen. 4.1. Gerichtlicher Rechtsschutz 4.1.1. Neue Maßnahmen Der Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten wird bei neuen Maßnahmen im Wesentlichen durch das Ineinandergreifen der Genehmigungsbedürftigkeit mit den Vorschriften über die Herbeiführung und Verbindlichkeit der deutschen Entscheidungen gemäß Art. 53A ZA-NTS bestimmt. Art. 53A Abs. 2 Satz 1 ZA-NTS sieht in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Durchführung von Verfahren auf Betreiben Dritter vor. Dritte können also eine Genehmigung für die Stationierungsstreitkräfte nach der erfolglosen Durchführung erforderlicher Widerspruchsverfahren jederzeit mit der Behauptung vor dem Verwaltungsgericht anfechten, dass diese in Verkennung nachbarschützender Normen ergangen sei und dadurch die Rechte der klagenden Dritten verletzt seien. An dem Verfahren ist die Betreuungsverwaltung dann als Prozessstandschafter der Stationierungsstreitkräfte gemäß Art. 53A Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 ZA-NTS notwendig zu beteiligen (§ 65 Abs. 2 VwGO). Hebt das Gericht die Genehmigung auf und teilt die Betreuungsverwaltung den Streitkräften dies pflichtgemäß gemäß Art. 21c Abs. 2 des Gesetzes zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen (G-NTS)15 mit, mangelt es den Streitkräften an der nach Art. 53 Abs. 1 Satz 2 15 BGBl. 1961 II S. 1183. - 9 - ZA-NTS oder Art. 49 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz ZA-NTS erforderlichen Genehmigung. Sie sind dann völkerrechtlich verpflichtet, die Maßnahme einzustellen. Wird eine Maßnahme durchgeführt, obwohl es von vornherein an einer Genehmigung fehlt, die Genehmigung zwischenzeitig entfallen oder der Genehmigungsinhalt überschritten worden ist, können die Dritten unter Berufung auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften ebenfalls dagegen vorgehen: Nach erfolgloser Durchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens müssen sie eine Verpflichtungsklage gegen die zuständige Fachbehörde richten, mit dem Ziel, die ungenehmigte Maßnahme nach den Spezialvorschriften der Fachgesetze oder den subsidiären Vorschriften des allgemeinen Ordnungsrechts untersagen zu lassen. Ob die Klage dabei als Vornahmeoder Bescheidungsklage zu erheben ist, hängt von der Ausgestaltung der fachgesetzlichen Vorschriften als Grundlage einer gebundenen oder einer Ermessensentscheidung ab. Die Betreuungsverwaltung ist auch an den hier stattfindenden Verfahren gemäß Art. 53A Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 ZA-NTS notwendig als Prozessstandschafter der Stationierungsstreitkräfte zu beteiligen. Soweit daraufhin die angestrebte Verfügung der Verwaltungsbehörde ergeht, ist diese den Streitkräften zur Bewirkung der vö lkerrechtlichen Verbindlichkeit gemäß Art. 21c Abs.2 G-NTS durch die Betreuungsverwaltung mitzuteilen. Die Streitkräfte sind hieran aufgrund von Art. 53A Abs.3 Satz 1 ZA-NTS völkerrechtlich gebunden. Entsprechendes gilt für die Herbeiführung nachträglicher Anordnungen bei rechtmäßig genehmigten Maßnahmen der Streitkräfte. Gegen rechtswidrig verwirklichte Vorhaben der Stationierungsstreitkräfte bleibt den Betroffenen die Klage auf diplomatischen Schutz. Es kann nicht ausgeschlossen werden , dass die Streitkräfte aufgrund einer anderen Einschätzung der völkervertraglichen Anforderungen an eine Maßnahme die Erforderlichkeit einer deutschen Genehmigung verneinen, etwa weil sie den Vorbehalt nach der zweiten Alternative von Art. 53 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 ZA-NTS weit auslegen. 16 Wird in einem solchen Fall auch die Verbindlichkeit einer mit der Illegalität einer Maßnahme begründeten Verfügung der Aufsichtsbehörde von den Stationierungsstreitkräften verneint, bliebe den Dritten keine andere Möglichkeit, als die Bundesregierung nach den Regeln des Auslandsschutzes (analog Art. 5 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen) mit dem Ziel zu verklagen, Verhandlungen mit den Stationierungsstreitkräften aufzunehmen. 16 Art. 53 Abs. 1 Satz 2 ZA -NTS lautet: „Für die Benutzung solcher Liegenschaften gilt das deutsche Recht, soweit in diesem Abkommen und in internationalen Übereinkünften nicht etwas anderes vorgesehen ist und sofern nicht die Organisation, die interne Funktionsweise und die Führung der Truppe und ihres zivilen Gefolges, ihrer Mitglieder und deren Angehöriger sowie andere interne Angelegenheiten, die keine vorhersehbaren Auswirkungen auf die Rechte Dritter oder auf umlie - gende Gemeinden und die Öffentlichkeit im allgemeinen haben, betroffen sind.“. - 10 - Eine Einschätzungsprärogative der Bundesregierung im Rahmen ihres außenpolitischen Ermessens wird man hier nicht annehmen können.17 4.1.2. Alte Maßnahmen Zumindest teilweise anderes gilt für die alten Maßnahmen. Mangels einer nachträglichen Genehmigungsbedürftigkeit können die Nachbarn in keinem Fall die Genehmigungslosigkeit der bestehenden Anlagen oder Nutzungen bemängeln. Die zuständigen Fachbehörden müssen den Bestandsschutz der ungenehmigten Anlagen respektieren und können nicht auf Erlass einer Untersagungsverfügung wegen der Illegalität der Maßnahme verurteilt werden. Ansonsten besteht aber auch bei den alten Maßnahmen die Möglichkeit, die Nachbarrechte durch eine Klage auf den Erlass nachträglicher Anordnungen der Fachbehörden bis hin zu einer Untersagung (Stilllegung, Beseitigung) der Maßnahme nach den fachgesetzlichen oder allgemeinen ordnungsrechtlichen Vorschriften schützen zu lassen. Diese Vorgehensweise ist durch Art. 21b Abs. 3 G-NTS in Verbindung mit Art. 53A Abs. 2 Satz 1 ZA-NTS garantiert. 4.2. Vorverlagerter Rechtsschutz in den Genehmigungsverfahren Auch im Bereich des vorverlagerten Rechtsschutzes ist zwischen neuen und alten Maßnahmen zu unterscheiden. Bei den neuen Maßnahmen gibt es aufgrund der generellen Genehmigungsbedürftigkeit der ausländischen Maßnahmen keinen Unterschied zu innerstaatlichen Vorhaben geben. Das heißt, dass alle fachgesetzlichen Beteiligungsrechte auch bei den neuen ausländischen Maßnahmen beachtet werden müssen. Gleichzeitig wird man davon ausgehen können, dass der bislang bei den ausländischen Maßnahmen wegen des gerichtlichen Rechtsschutzdefizits richtigerweise anzunehmende Anspruch von Drittbetroffenen auf Durchführung von Genehmigungsverfahren nicht besteht: Da Art. 53A ZA-NTS die völkerrechtliche Verbindlichkeit von Unterlassungsund Beseitigungsentscheidungen deutscher Behörden garantiert, sind die nachbarlichen Interessen zumindest nach der herrschenden Meinung18 ausreichend durch einklagbare Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche geschützt. Bei den alten Maßnahmen kann es dagegen zukünftig nur zu einer Beteiligung an den unter Umständen gebotenen Änderungsgenehmigungsverfahren kommen. Das folgt aus dem Ausschluss einer nachträglichen Genehmigungsbedürftigkeit gemäß Art. 21b Abs. 1 G-NTS. 17 Berger, Die Verfahrensstandschaft für die Stationierungsstreitkräfte, 1995, S. 182 f. 18 BVerwGE 41, 58 (64 f.), Berger (Fn. 17), S, 184.