© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 411/18 Zusammenlegung der Kriminalämter von Bund und Ländern Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 411/18 Seite 2 Zusammenlegung der Kriminalämter von Bund und Ländern Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 411/18 Abschluss der Arbeit: 11. Dezember 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 411/18 Seite 3 1. Fragestellung Es stellen sich die folgenden Fragen: – In welchen Bereichen kann es zurzeit zu Doppelzuständigkeiten der Landeskriminalämter (LKA) und des Bundeskriminalamtes (BKA) kommen? – Welche Möglichkeiten bestehen, einzelne Aufgabengebiete der LKAs im Sinne einer Spezialisierung bzw. Aufgabenteilung bei einem LKA zu bündeln? – Ist es (verfassungs-)rechtlich möglich, einzelne LKAs zu einer Art „Regionalkriminalamt“ zusammenzulegen (z.B. die LKAs von Niedersachen, Schleswig-Holstein und Hamburg zu einem „Regionalamt Nord-West“)? – Welche Auswirkungen hätte die Zusammenlegung von LKAs auf die parlamentarische Kontrolle? – Wäre es möglich, alle LKAs vollständig in das BKA einzugliedern? 2. Doppelzuständigkeiten Im Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) sind Doppelzuständigkeiten angelegt. Das BKAG sieht daher eine laufende Abstimmung zwischen dem BKA und den LKAs vor (Hervorhebungen durch Autor): – § 2 Abs. 2 Nr. 2: „Das Bundeskriminalamt hat zur Wahrnehmung dieser Aufgabe [Zentralstelle] die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Länder unverzüglich über die sie betreffenden Informationen und die in Erfahrung gebrachten Zusammenhänge von Straftaten zu unterrichten.“ – § 4 Abs. 3 S. 1: „Die für die Strafrechtspflege und die Polizei zuständigen obersten Landesbehörden sind unverzüglich zu benachrichtigen, wenn das Bundeskriminalamt polizeiliche Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahrnimmt; außerdem sind unverzüglich zu benachrichtigen die zuständigen Landeskriminalämter, der Generalbundesanwalt in den Fällen, in denen er für die Führung der Ermittlungen zuständig ist, und in den übrigen Fällen die Generalstaatsanwaltschaften, in deren Bezirken ein Gerichtsstand begründet ist.“ – § 5 Abs. 2 S. 2: „Die zuständigen obersten Landesbehörden und, soweit zuständig, anderen Polizeibehörden des Bundes sind unverzüglich zu benachrichtigen, wenn das Bundeskriminalamt die Aufgabe nach Absatz 1 [Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus] wahrnimmt. Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt in gegenseitigem Benehmen.“ Die folgenden Tätigkeiten fallen in die Alleinzuständigkeit des BKA: – § 2: Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen und für die Kriminalpolizei ; – § 3: Internationale Zusammenarbeit (je nach Fallgestaltung); – § 4: Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten; Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 411/18 Seite 4 – § 5: Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus; – § 6: Schutz von Mitgliedern der Verfassungsorgane und der Leitung des Bundeskriminalamtes; – § 7: Zeugenschutz in Fällen des § 4. 3. Länderübergreifende Bündelung von Aufgabengebieten Die Bundesländer können bestimmte Aufgaben in der Behörde eines Landes bündeln. Beispiele sind länderübergreifend zuständige Prüfungsämter1 oder Medienanstalten.2 Sofern die Aufgabenbündelung keine Grundrechtsrelevanz hat, lässt sie sich per Verwaltungsabkommen regeln.3 Dies wäre im Bereich der Kriminalämter z. B. denkbar bei der allgemeinen Analyse bestimmter Kategorien von Beweismitteln. Besteht jedoch eine Grundrechtsrelevanz, ist ein Staatsvertrag der beteiligten Länder notwendig.4 Dies wäre z. B. bei der gemeinsamen Erhebung personenbezogener Daten der Fall. Der Staatsvertrag wird durch parlamentarische Zustimmung in Landesrecht transformiert und entfaltet erst so eine einer einem Gesetz zukommenden Außenwirkung.5 4. Länderübergreifende Behörden 4.1. Rechtlicher Handlungsspielraum Hier gilt das zu Punkt 3 Gesagte entsprechend. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Einrichtung einer länderübergreifenden Behörde regelmäßig Grundrechtsrelevanz hat. Ferner dürfte eine Gesetzesgrundlage auch schon aus beamtenrechtlichen Gründen erforderlich sein, um die Rechtsverhältnisse der verbeamteten Mitarbeiter klarzustellen. Damit dürfte regelmäßig ein Staatsvertrag erforderlich sein. 4.2. Parlamentarische Kontrolle Die parlamentarische Kontrolle der Kriminalämter besteht insbesondere aus dem parlamentarischen Informationsrecht (Fragerecht), dem Recht der Untersuchungsausschüsse und den für Inneres 1 Z. B. „Staatsvertrag über die Einrichtung eines gemeinsamen Studienganges für den Amtsanwaltsdienst und die Errichtung eines gemeinsamen Prüfungsamtes für die Abnahme der Amtsanwaltsprüfung vom 4. September 2007“ (13 unterzeichnende Länder), https://bravors.brandenburg.de/vertraege/amtsanwaltstv_2008. 2 Z. B. „Medienanstalt Berlin-Brandenburg“, https://www.mabb.de/uber-die-mabb/aufgaben-und-rechtsgrundlagen .html. 3 Bortnikov, Staatsverträge der Länder, JuS 2017, 27 (28). 4 Bortnikov, JuS 2017, 27 (28). 5 Bortnikov, JuS 2017, 27 (28). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 411/18 Seite 5 zuständigen Ausschüssen („Innenausschuss“). Es gilt der Grundsatz umfassender und wirksamer Kontrolle: „[Der Gewaltenteilungsgrundsatz] […] gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht […].“6 Die Exekutive kann sich dieses Kontrollrechts des Parlaments nicht dadurch entledigen, dass sie ihre Aufgaben auf ein Unternehmen privater Rechtsform überträgt.7 Gleiches muss gelten, wenn die Exekutive einen anderen Hoheitsträger damit beauftragt, einen Teil ihrer Aufgaben zu erledigen (z. B. ein anderes Bundesland). Dies wirkt sich wie folgt aus: Ein Bundesland hat mit einem oder mehreren anderen Bundesländern einen Staatsvertrag abgeschlossen, um eine öffentliche Aufgabe durch die Behörde eines anderen Landes oder eine gemeinsame länderübergreifende Behörde wahrzunehmen. Der Staatsvertrag kann ausdrücklich vorsehen, dass die Behörde der parlamentarischen Kontrolle der Parlamente aller beteiligten Länder unterliegt. Fehlt es an einer solchen Regelung, ist der Staatsvertrag entsprechend verfassungskonform auszulegen. Dies folgt schon aus dem Prinzip der Bundestreue.8 Eine gemeinsame parlamentarische Kontrolle ist aus folgendem Grund eher problematisch: Die Informations- und Untersuchungsrechte stehen jedem Parlament der beteiligten Bundesländer zu. Daher kann z. B. nicht ein Parlament die Informations- und Untersuchungsrechte für alle Parlamente wahrnehmen. Auch die Bildung eines gemeinsamen Kontrollgremiums zur parlamentarischen Kontrolle einer länderübergreifenden Behörde wäre problematisch. Für die Beschlussfassung wie auch die Ausübung von Minderheitsrechten ist die Zusammensetzung der Mitglieder in den jeweiligen Parlamenten entscheidend. Diese würde verwischt, wenn Parlamente mit unterschiedlichen Fraktionen und unterschiedlichen Sitzverteilungen ein gemeinsames Gremium bildeten. Dieses Gremium könnte schon denklogisch nicht die unterschiedliche Sitzverteilung mehrerer Parlamente gleichzeitig abbilden. Eher denkbar wäre, wenn sich die parlamentarischen Ausschüsse mehrerer Länder zu gemeinsamen, sozusagen parallelen Sitzungen zusammenfänden. Dabei müsste jedoch jedes einzelne Gremium seine ihm eigenen Rechte autonom ausüben können. Gleichwohl könnte ein solches Vorgehen effizient sein, weil die Vertreter der Exekutive Stellungnahmen unter 6 BVerfG, Urteil vom 7. November 2017, 2 BvE 2/11, Rn. 196. 7 BVerfG, Urteil vom 7. November 2017, 2 BvE 2/11, Ls. 3. 8 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 84. EL August 2018, Art. 20 Rn. 128. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 411/18 Seite 6 Umständen nur einmal vortragen müssten. Die Details hängen von der konkreten Ausgestaltung der gebündelten Aufgabenwahrnehmung ab. Anzumerken ist noch, dass auch eine parallele, voneinander unabhängige Kontrolle durch mehrere Landesparlamente bei gemeinsamen Landesbehörden nicht unproblematisch ist. Es stellen sich unter anderem folgende Fragen: Kann jedes Parlament jeden Sachverhalt kontrollieren, auch wenn er keinen Bezug zu dem betreffenden Land hat, und wie lässt sich dies abgrenzen? Unterliegt die Landesregierung, bei der die gemeinsame Behörde angesiedelt ist, der Kontrolle des Parlamentes eines anderen Landes? 5. Künftige Alleinzuständigkeit des Bundes Das Grundgesetz (GG) sieht für die „Kriminalpolizei“ eine Zuständigkeit des Bundes und der Länder vor (Art. 70, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. a GG). Der Bund hat hiernach nur die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über „die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder […] in der Kriminalpolizei“. Über eine Änderung des Grundgesetzes (Art. 79 GG) ließe sich dem Bund die Alleinzuständigkeit für die Kriminalpolizei in Bund und Ländern zuweisen. In Umsetzung dieser Grundgesetzänderung ließen sich die LKAs in die künftig allein zuständige Bundesbehörde integrieren . ***