Zum Entwurf eines Lobbyismus-Gesetzes - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 408/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Zum Entwurf eines Lobbyismus-Gesetzes Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 408/08 Abschluss der Arbeit: 4. Dezember 2008 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Kompetenz des Bundes 4 3. Zu § 1 Abs. 1 IntVG: Registrierungspflicht 5 3.1. Interessenvertretung: Indirekte Einflussnahme 5 3.2. Interessenvertretung: Politische Initiativen 6 3.3. Verfassungsrechtliche Probleme der Registrierungspflicht 6 4. Zu § 1 Abs. 2 IntVG: Definition der Interessenvertretung 7 5. Zu § 1 Abs. 3 IntVG: Honorarvolumen 7 6. Zu § 1 Abs. 4 IntVG: Ausnahmetatbestände 8 7. Zu § 1 Abs. 5 IntVG: Anhörungen 9 8. Zu § 2 Abs. 1 IntVG: Registerinformationen 10 8.1. Informationelle Selbstbestimmung 10 8.2. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 IntVG (neu) 12 8.3. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 IntVG (alt) 12 8.4. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 IntVG (alt) 12 8.5. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 4 IntVG (alt) 12 8.6. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 6 IntVG (alt) 13 9. Zu § 2 Abs. 4 IntVG: Register 13 10. Zu § 3 IntVG: Kodex 13 11. Zu § 4 IntVG: Ausführungsbestimmungen 14 12. Zu § 5 Abs. 1, 2 IntVG: Stellung des Beauftragten 15 13. Zu § 5 Abs. 3 IntVG: Allgemeine Richtlinien 16 14. Zu § 5 Abs. 4 IntVG: Weisungsfreiheit 16 15. Zu § 5 Abs. 5 IntVG: Zitierrecht 17 16. Zu § 6 IntVG: Aufgaben 17 17. Zu § 6 IntVG: Sanktionen 17 18. Zu § 7 IntVG: Berichtspflichten 18 19. Zu § 8 IntVG: Wahl des Interessenvertretungsbeauftragten 18 20. Zu § 9 IntVG: Wählbarkeit 18 21. Zu § 10 IntVG: Verschwiegenheitspflicht 18 22. Zu § 11 IntVG: Ausstattung des Beauftragten 19 23. Allgemeine Anmerkungen 19 - 4 - 1. Einleitung Der Deutsche Bundestag hat 1972 eine „Öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertreter“ eingeführt.1 Die Registrierung der Verbände soll dem Wortlaut der Geschäftsordnung nach Voraussetzung sein, um an öffentlichen Anhörungen vor Bundestagsausschüssen teilzunehmen. Das Lobbyisten-Register des Bundestages umfasst Verbände und eingetragene Vereine, nicht jedoch z. B. selbstständig tätige Lobbyisten. In das Lobbyisten-Register einzutragen sind Angaben zum Sitz, zur Geschäftsführung , zum Interessenbereich, zur Mitgliederzahl und zur Anzahl der angeschlossenen Organisationen des Verbandes. Weitere Bundes- oder Landesvorschriften zu Lobbyisten gibt es nicht. Nunmehr liegt ein Entwurf vor zu einem „Gesetz über die Vertretung von Interessen gegenüber dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung (IntVG)“. - Anlage 1 - Es stellt sich die Frage, wie dieser Entwurf verfassungs- und verwaltungsrechtlich zu bewerten ist. 2. Kompetenz des Bundes Die Regelung in Form eines formellen Gesetzes erscheint im Hinblick auf die Gewaltenteilung nicht unbedenklich, denn der Gesetzgeber würde auch einen Verfahrensaspekt im Regierungsbereich regeln, nämlich die Vorarbeiten zu Gesetzesentwürfen. Allerdings bedeutet nach Auffassung des BVerfG nicht jede Einflussnahme des Parlaments auf die Regierung schon einen Verstoß gegen die Gewaltenteilung: „Selbst eine gewisse Gewichtsverlagerung auf Kosten der Exekutive zugunsten des Parlaments ist in der parlamentarischen Demokratie unbedenklich. Erst wenn zugunsten des Parlaments ein Einbruch in den Kernbereich der Exekutive erfolgt, ist das Gewaltenteilungsprinzip verletzt.“2 Von einem solchen Einbruch in den Kernbereich dürfte hier eher nicht auszugehen sein. Es würde nur ein untergeordneter Teilaspekt zum Verfahren der Gesetzesentwürfe geregelt. Sollten einzelne Interessenvertreter aufgrund des Transparenzvorbehalts der Regierung nicht mehr zur Verfügung stehen, so dürfte diese Beeinträchtigung der Regierungsarbeit durch das Transparenzinteresse der Bürger gerechtfertigt sein.3 1 BGBl. 1972 I S. 2066 (unverändert). 2 BVerfG, NJW 1959, 1171. 3 Siehe hierzu schon die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste WD 3 – 266/07. - 5 - Der Bund hat für das IntVG die Gesetzgebungskompetenz. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese sich aus der Natur der Sache oder aus einem Sachzusammenhang z. B. zum Gesetzgebungsverfahren ergibt.4 3. Zu § 1 Abs. 1 IntVG: Registrierungspflicht § 1 Abs. 1 IntVG definiert in einem Satz vier Bereiche: - Interessenvertreter - Interessenvertretung - Adressat der Interessenvertretung - Registrierungspflicht. Die Regelung könnte möglicherweise übersichtlicher werden, wenn die Definitionen von Tatbestand (Interessenvertretung) und Rechtsfolge (Registrierungspflicht) in zwei Absätze oder Paragraphen gegliedert würden. 3.1. Interessenvertretung: Indirekte Einflussnahme Der Begriff „indirekte Einflussnahme“ ist sehr weit gefasst. Hierunter fallen auch Journalisten , Autoren von Leserbriefen, Geistliche etc. die bei ihrer Tätigkeit politische Themen öffentlich ansprechen. Selbst private politische Gespräche könnten theoretisch hierunter fallen, die immer auch darauf abzielen, die eigene Position zu verbreiten und damit letztlich Einfluss auszuüben. Diese weite Definition ist vor allem aus zwei Gründen problematisch: Je weiter der Einzelne davon entfernt ist, Parlament oder Regierung direkt zu beeinflussen, desto weniger lässt sich die Beschränkung seiner Grundrechte (z. B. Handlungs-, Glaubens-, Presse- oder Meinungsfreiheit) rechtfertigen. Ferner ist in § 6 Abs. 4 IntVG eine Sanktion vorgesehen. Nach Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG) muss der Tatbestand einer Strafnorm hinreichend bestimmt sein. Dabei ist es unerheblich , ob es sich bei der Sanktion um eine Kriminalstrafe oder nur eine Ordnungswidrigkeit handelt.5 Diese Bestimmtheit fehlt jedenfalls bei dem Begriff „indirekte Einflussnahme “. Diese Fallgruppe ist daher entweder zu streichen oder in konkrete Fallgruppen detailliert aufzugliedern. 4 Hierzu Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 70 Rn. 5f. 5 Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, Art. 103 Rn. 106. - 6 - 3.2. Interessenvertretung: Politische Initiativen Das Vorgenannte gilt ebenfalls für das Objekt der Einflussnahme, „politische Initiativen , Gesetzgebungsaktivitäten und Verordnungen sowie […] die Implementation [Implementierung ] politisch-legislativer Entscheidungen“. Diese Aufzählung ist weit gefasst und erfasst z. B. auch Sammelpetitionen, die nach Art. 17 GG geschützt sind. Ferner ist die Aufzählung nicht auf Aktivitäten des Bundestages und der Bundesregierung beschränkt . Zum Beispiel wäre auch ein Bürger erfasst, der mit einem Bundestagsabgeordneten über das Volksbegehren auf Landesebene zum „Flughafen Tempelhof“ diskutiert , für das der Bundestag keine Kompetenz hat. Daher sollte das Ziel der Einflussnahme beschränkt werden, zum Beispiel auf: „Entscheidungen der Fraktionen, des Plenums und der Ausschüsse des Bundestages“. Anzumerken ist, dass der Bundesrat nicht vom Tatbestand des IntVG erfasst ist. Anzumerken ist ferner, dass die Einflussnahme auf Entscheidungen der Exekutive außerhalb der Rechtsetzung, also z. B. Verwaltungsakte , keine Interessenvertretung im Sinne des IntVG ist. Der Begriff der Bundesregierung könnte wiederum zu eng gefasst bzw. missverständlich sein. Im verfassungsrechtlichen Sinne besteht die Bundesregierung aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern , Art. 62 GG. Es dürften aber auch die Ministerialverwaltung und sonstige Bundesbehörden gemeint sein. In Betracht käme daher folgende Formulierung: „Rechtsetzung und deren Vorbereitung durch Bundesbehörden“. 3.3. Verfassungsrechtliche Probleme der Registrierungspflicht Die Registrierungspflicht schränkt die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG insbesondere selbständiger oder angestellter Interessenvertreter ein: Denn der Interessenvertreter darf seine Tätigkeit gegenüber Bundestag und Bundesverwaltung nur dann fortführen, wenn er sich mit den erforderlichen Angaben registriert hat. Diese Berufsausübungsbeschränkung lässt sich mit vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls legitimieren6, welche hier in der Transparenz demokratischer Willensbildung gegeben sein dürften. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Registrierungspflicht in die Vereinigungsfreiheit von Verbänden und Vereinen nach Art. 9 Abs. 1 GG eingreift. Nicht die Vereinigung, sondern nur das Ausüben der Lobbyistentätigkeit dürfte registrierungspflichtig sein. In jedem Fall dürfte die Registrierungspflicht – wie bei Art. 12 GG – auch bei Art. 9 GG durch einen sachlichen Grund gesetzlich gerechtfertigt sein.7 Zur informationellen Selbstbestimmung siehe unten, Nr. 8 „Zu § 2 Abs. 1 IntVG: Registerinformationen “. 6 BVerfGE 70, 1 (28). 7 Vgl. Jarass, in: Jarras/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 9 Rn. 23: Notwendig ist eine gesetzliche Konkretisierung des Eingriffs und die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. - 7 - In der Registrierpflicht ließe sich ferner eine Beschränkung des freien Mandats der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 GG sehen. Bestimmte politische Kontakte des Abgeordneten würden nach dem IntVG davon abhängen, dass sich ein Interessenvertreter, z. B. aus dem Wahlkreis des Abgeordneten, zuvor registrieren lässt. Grundsätzlich dürfte das freie Mandat der Abgeordneten jedoch einschränkbar sein, wenn es um ein wichtiges Verfassungsgut wie die Transparenz demokratischer Willensbildung geht.8 Wie bereits oben unter Nr. 3.1 ausgeführt, hängt die Zulässigkeit der Beschränkung aber davon ab, dass der Begriff der „Interessenvertretung“ nicht zu weit gefasst wird. Ferner ist zu beachten, dass das IntVG nicht zur Offenlegung von Inhalt und Person einzelner Kontakte mit Abgeordneten führt. Andernfalls würde die ungehinderte Kommunikation und das Vertrauensverhältnis zwischen Abgeordneten und Bürgern beeinträchtigt, vgl. Art. 47 S. 1 GG als Ausprägung von Art. 38 Abs. 1 GG.9 4. Zu § 1 Abs. 2 IntVG: Definition der Interessenvertretung Abs. 2 definiert offenbar zu Abs. 1 zwei Bereiche näher: - Adressat der Interessenvertretung - Interessenvertretung. Abs. 2 sollte diesen Bezug zu Abs. 1 klarstellten („Bundestag im Sinne des Abs. 1 sind…“; „Direkte oder indirekte Einflussnahme im Sinne des Abs. 1 ist…“). Andernfalls ist unklar, ob Abs. 2 den Abs. 1 nur näher definiert oder ob er ihn ergänzt. Diese Unklarheit ist jedenfalls deshalb problematisch, weil § 1 auch Tatbestand der Sanktionsnorm in § 6 Abs. 4 IntVG ist. Die Definition der Interessenvertretung in Abs. 2 dürfte zu weit gehen: Solange jemand lediglich vorbereitende Tätigkeiten („Recherchetätigkeiten“) unternimmt, um Einfluss zu nehmen, dürfte kein sachlicher Grund für eine – zumal strafbewehrte – Registrierungspflicht gegeben sein. Die „Nachbereitung“ von Kontakten sollte schon aus logischen Gründen gestrichen werden, da kein Fall denkbar ist, bei dem eine Nachbereitung stattfindet, zu der es nicht schon eine registrierungspflichtige Einflussnahme gegeben hat. 5. Zu § 1 Abs. 3 IntVG: Honorarvolumen Abs. 3 lässt unklar, ob nur entgeltliche Tätigkeiten als Interessenvertretung gelten. Dem Wortlaut nach ist dies nicht der Fall, da auch eine unentgeltliche Tätigkeit unter den 8 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Stand 50. Lieferung, Dezember 2007, Art. 38 Rn. 218f.: Integrität des Bundestages als für eine Rechtfertigung taugliches Verfassungsgut. 9 Vgl. Magiera, in: Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 47 Rn. 1. - 8 - genannten Schwellenwerten liegt. Zugleich geht Abs. 3 aber offenbar von entgeltlichen Tätigkeiten aus. Dies ist klarer zu formulieren. Der Vorteil einer Beschränkung auf entgeltliche Tätigkeiten besteht darin, dass zahlreiche unentgeltliche Tätigkeiten ausgenommen wären: z. B. das Stellen einer Petition, Kontakte von Bürgern oder Parteimitgliedern zu Abgeordneten oder Regierungsmitgliedern oder eine Demonstration vor einem Ministerium oder Parlamentsgebäude. Im Folgenden wird daher davon ausgegangen , dass das IntVG nur entgeltliche Tätigkeiten erfasst. Dies sollte im Übrigen ausdrücklich – z. B. in Abs. 2 – klargestellt werden. Im Übrigen sind die Begriffe „Berater“, „Unternehmenslobbyist“, „Denkfabrik“ und „Nichtregierungsorganisation“ nicht ausreichend eingrenzbar, zumal sie nicht juristisch definiert sind. Auch hier ist problematisch, dass Abs. 3 Tatbestand der Sanktionsnorm in § 6 Abs. 4 IntVG ist. Die Intention des Abs. 3 ließe sich möglicherweise etwas klarer formulieren: „Von der Registrierungspflicht nach Abs. 1 ausgenommen sind natürliche und juristische Personen, a) deren Auftragsvolumen für Interessenvertretung nach Abs. 1 und Abs. 2 unterhalb von 2.500 Euro pro Quartal liegt oder b) bei denen pro Quartal für Interessenvertretung nicht mehr als 10 Prozent der Arbeitszeit eines einzelnen Mitarbeiters oder aller Mitarbeiter oder nicht mehr als 10.000 Euro geplant oder eingesetzt werden.“ 6. Zu § 1 Abs. 4 IntVG: Ausnahmetatbestände Hier empfiehlt sich eine Ergänzung für Mandatsträger, d. h. insbesondere Abgeordnete , die kein öffentliches Amt wahrnehmen. Ferner empfiehlt sich eine Klarstellung, ob ausländische Amtsträger der Ausnahme ebenfalls unterfallen sollen; gleiches gilt für Sachverständige in Gesetzgebungsverfahren. Da nach Abs. 1 Exekutiventscheidungen (Verwaltungsakte) nicht Objekt einer Interessenvertretung im Sinne des IntVG sein können, ist eine Ausnahme für Rechtsanwälte hingegen nicht erforderlich. Problematisch ist allerdings die vorgesehene Ausnahme für die im Rahmen der Sozialpartnerschaft liegenden Tätigkeiten der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Hierin liegt eine Ungleichbehandlung gegenüber den anderen registrierungspflichtigen Verbänden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen , dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.10 Zwar werden Gewerk- 10 BVerfGE 55, 72 (88). - 9 - schaften und Arbeitgeberverbände in Art. 9 Abs. 3 GG durch die Koalitionsfreiheit besonders geschützt. Hierbei handelt es sich aber um ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, z. B. einseitige Interventionen des Staates bei einem Arbeitskampf. Es dürfte zumindest zweifelhaft sein, ob sich hieraus eine Sonderstellung dieser Verbände herleitet , auf die Gesetzgebung in privilegierter Weise Einfluss nehmen zu dürfen. Im Übrigen könnten sich auch andere Verbände außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 9 Abs. 3 GG auf einen besonderen grundrechtlichen Status berufen, so z. B. Verbände zur Förderung der Familie (Art. 6 GG). Daher ist wohl davon auszugehen, dass eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne der Neuen Formel vorliegen würde. Zum Kommentar zu § 1 Abs. 4 IntVG: Nach dem Vorgesagten entfällt die Notwendigkeit für eine besondere Klausel über die Einbeziehung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden in den Anwendungsbereich. Unabhängig davon ist eine Gesetzesbegründung dem Gesetzgeber nur zurechenbar, wenn sie auch im Wortlaut des in Kraft getretenen Gesetzes Niederschlag gefunden hat.11 Im Zweifel sollten wesentliche Begründungsteile daher in das Gesetz aufgenommen werden. Nach der Systematik von § 1 ist ein zusätzlicher Absatz, der die Anwendbarkeit auf Vertreter von religiösen Glaubensgemeinschaften erklärt, nicht erforderlich, da diese eindeutig vom Anwendungsbereich des IntVG erfasst sind. Es sind aber problematische Fälle denkbar, z. B. eine religiöse Staatsfeier für gefallene Bundeswehrsoldaten oder eine religiöse Veranstaltung im Andachtsraum des Bundestages. Äußert sich der Geistliche in einer politisch relevanten Weise, ließe sich dies auch als Interessenvertretung im Sinne des IntVG auslegen. Insoweit aber nur entgeltliche Interessenvertretung registrierungspflichtig wäre (siehe oben Nr. 5), dürfte kein grundrechtlicher Konflikt mit Art. 4 GG (Religionsfreiheit) auftreten; sollte gleichwohl ein Sachverhalt zu einem Konflikt des IntVG mit Art. 4 GG führen, ließe sich § 1 Abs. 6 IntVG wohl verfassungskonform einschränkend auslegen. 7. Zu § 1 Abs. 5 IntVG: Anhörungen Begrifflich empfiehlt es sich, von „förmlichen Anhörungen“ statt „offizieller Anhörungen “ zu sprechen. Ferner sollte S. 1 nicht auf die Einladung abstellen, sondern auf die Teilnahme. Andernfalls könnten nicht registrierte Interessenvertreter nicht eingeladen werden und hätten nicht einmal die Chance, sich zu registrieren. Die Intention des S. 2 käme wohl klarer zum Ausdruck mit der Formulierung „darf nur stattfinden“. 11 Vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Februar 1983, 2 BvE 1/83, BVerfGE 62, S. 1 (S. 45); BVerwG, Urteil vom 2. März 2000, 2 C 1/99, NJW 2000, S. 2521 (S. 2522). - 10 - 8. Zu § 2 Abs. 1 IntVG: Registerinformationen 8.1. Informationelle Selbstbestimmung Durch die Veröffentlichung der Angaben nach § 2 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 könnte die informationelle Selbstbestimmung der Interessenvertreter verletzt sein. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.12 Die informationelle Selbstbestimmung soll nicht nur für natürliche sondern auch – über Art. 12 und 14 GG – für juristische Personen gelten.13 Das BVerfG hat ausgeführt: „[Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG] […] verbürgen ihren Trägern einen Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]). Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 65, 1 [44]).“ Die Erhebung und Veröffentlichung betriebs- und berufsbezogener Daten ist seit langem üblich: Bestimmte Unternehmensformen müssen ihre Finanzlage, Beteiligungen und Geschäftsfelder offenlegen, vgl. u. a. §§ 325 f. Handelsgesetzbuch (HGB); börsennotierte Aktiengesellschaften müssen sich zum Kodex guter Unternehmensführung (Denglisch: „Corporate Governance Kodex“) öffentlich erklären, § 161 Aktiengesetz; Parteien sind zur Offenlegung ihrer Finanzen verpflichtet, vgl. § 23 f. Parteiengesetz; auch über eingetragene Einzelkaufleute gibt das öffentlich einsehbare Handelsregister Auskunft. Die Interessen des Rechtsverkehrs, der Gläubiger und des Finanzsystems insgesamt dürften hier die Veröffentlichung von Daten verfassungsrechtlich grundsätzlich rechtfertigen. 12 BVerfGE 65, 1. 13 Murswiek, in: Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 76. - 11 - Problematisch ist jedoch, wenn aus der Veröffentlichung eine besondere Beeinträchtigung folgt, wie z. B. ein Rückschluss auf die Vermögenssituation der Gesellschafter (sozusagen private Beeinträchtigung) oder auf den Kundenstamm oder die Preisbildung eines Unternehmens (Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation).14 Dieser bislang wenig berücksichtigte Aspekt findet in der aktuellen verfassungsrechtlichen Literatur kritischen Widerhall. So soll das auf eine EG- Richtlinie zurückgehende neue „Gesetz über elektronische Handelsregister“ gegen die informationelle Selbstbestimmung verstoßen, weil Rückschlüsse auf die persönliche Vermögenssituation der Gesellschafter möglich seien.15 Ferner seien auch auf Unternehmensebene mögliche Einblicke in die Preisbildung problematisch.16 Für die unterschiedlichen Gruppen von Lobbyisten ist somit auf folgende Probleme hinzuweisen: - Mitgliederverbände sind nicht wie ein Wettbewerber am Markt tätig, sondern vertreten hauptsächlich die Interessen ihrer Mitglieder. Sie müssen keinen Kundenstamm binden und halten und Betriebsgeheimnisse wie Preisbildung dürften weniger relevant sein. Die Beeinträchtigung durch eine Offenlegung der Finanzen und Mitglieder dürfte hier daher grundsätzlich geringer sein. - Selbständige Lobbyisten, die gegen Honorar Drittinteressen professionell vertreten : Diese Unternehmer sind am Markt als Wettbewerber tätig. Müssten sie z. B. ihren Kundenstamm und ihre Vermögenslage offenlegen, könnte das in wichtige Bereiche ihres Geschäftsgeheimnisses eingreifen. Ähnlich liegt der Fall, wenn ein Unternehmen in einem Zeitraum nur einen Auftraggeber hat, so dass das vereinbarte Honorar vollständig öffentlich wäre. Hier könnten Ausnahmeklauseln dafür sorgen, die grundsätzliche Pflicht zur Offenlegung verhältnismäßig auszugestalten. - Angestellte Lobbyisten: Bei Unternehmen, die einen eigenen Lobbyisten beschäftigen , dürfte es kaum zu rechtfertigen sein, wenn das ganze Unternehmen seine Finanzen etc. offen legen müsste. Das Anliegen des IntVG einer transparenten demokratischen Willensbildung betrifft einen wichtigen Bereich der Verfassung. Nach alledem spricht viel dafür, dass die Pflicht zur Offenlegung auch von Finanzen und Auftraggebern grundsätzlich gerechtfertigt sein kann, unabhängig davon, ob es um Einzelunternehmer oder juristische Personen geht. 14 Starck, Bilanzpublizität und Datenschutz, DStR 2008, 2035 (2036). 15 Starck, Bilanzpublizität und Datenschutz, DStR 2008, 2035 (2038). 16 Starck, Bilanzpublizität und Datenschutz, DStR 2008, 2035 (2036). - 12 - Die Berichtspflichten in § 2 Abs. 1 IntVG müssten aber insbesondere nach den verschiedenen Arten der Interessenvertreter differenzieren, dabei den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG beachten und Ausnahmeklauseln für „Härtefälle“ vorsehen, bei denen die grundsätzlichen Offenlegungspflichten einen unverhältnismäßigen Eingriff in Betriebsgeheimnisse oder die Privatsphäre der Unternehmer darstellen würde. Mangels differenzierter Rechtsprechung des BVerfG und des – angesichts der Anmerkungen zu § 1 IntVG – eher noch vorläufigen Stands des IntVG lässt sich allerdings nur eine ungefähre Einschätzung geben. Zu den einzelnen Nummern des § 2 Abs. 1 IntVG ist aber schon jetzt Folgendes anzumerken: 8.2. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 IntVG (neu) Als neue Nummer 1 sollte zunächst folgender Punkt eingefügt werden: „1. Name und Anschrift des registrierungspflichtigen Interessenvertreters“. 8.3. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 IntVG (alt) Bei der (alten) Nummer 1 wäre es eindeutiger, statt von „die direkte oder indirekte Einflusstätigkeiten […] betreiben“ von „die Interessenvertretung […] betreiben“ zu sprechen . Ferner können auch Einzelunternehmer (natürliche Personen) Mitarbeiter haben. Die Beschränkung der Nr. 1 auf juristische Personen erschließt sich daher nicht unmittelbar . Zum Kommentar zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 IntVG: Eine Gesetzesbegründung ist dem Gesetzgeber nur zurechenbar, wenn sie auch im Wortlaut des in Kraft getretenen Gesetzes Niederschlag gefunden hat.17 Im Zweifel sollte das Gesetz daher klarstellen, dass sich Interessenvertreter auch mit mehreren registrierpflichtigen Tätigkeiten registrieren müssen . 8.4. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 IntVG (alt) Zur (alten) Nummer 2 stellt sich die Frage, wer das „Raster“ vorgibt. Praktischerweise könnte sich das Raster an die Aufteilung der Fachausschüsse des Bundestages oder an die Ressorts der Bundesregierung anlehnen. 8.5. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 4 IntVG (alt) Anstelle des rechtlich nicht definierten Begriffs des „Kunden“ sollte besser von „Auftraggebern “ gesprochen werden. Die Pflicht zur Veröffentlichung ist problematisch, 17 Siehe oben Fn 11. - 13 - soweit es sich bei den Auftraggebern um natürliche Personen handelt. Durch die Veröffentlichung der Auftraggeber von Interessenvertretern kann ein direkter Rückschluss auf sie erfolgen; dies ist insbesondere problematisch in den Bereichen der rassischen und ethnischen Herkunft, religiösen oder philosophischen Überzeugung, Gewerkschaftszugehörigkeit , Gesundheit oder Sexualleben. Bei den Namen von Auftraggebern, die juristische Personen sind, stellt sich dieses Problem nicht. 8.6. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 6 IntVG (alt) Bei der (alten) Nummer 6 wäre am Anfang folgende Einschränkung einzufügen: „Bei Mitgliederverbänden:“. Bei selbständigen Interessenvertretern könnte bzw. sollte wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hingegen auf die Offenlegung der Einnahmen verzichtet werden, da die Auftraggeber schon nach Nr. 4 offen zu legen sind und Spenden mangels steuerlicher Absetzbarkeit praktisch nicht in Betracht kommen. Die Ungleichbehandlung (Art. 3 GG) von mitgliedschaftlich organisierten und selbständigen Interessenvertretern dürfte durch den sachlichen Grund gerechtfertigt sein, dass jedenfalls bei mitgliedschaftlich organisierten Vereinen die Möglichkeit von Spenden und damit des mittelbaren Einflusses gegeben ist. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 b), S. 4, schützt Privatpersonen durch eine Anonymisierung bei Spenden. Dieser Schutz sollte zur Sicherung der informationellen Selbstbestimmung dieser Personen verbindlich festgelegt und nicht vom Ermessen des Interessenvertreters abhängig sein. Im Sinne der Rechtsklarheit sollte in § 2 Abs. 1 S. 3 klargestellt werden, dass der Interessenvertreter (und nicht der Interessenvertretungsbeauftragte) bei Bagatellwerten von der Angabe absehen kann. 9. Zu § 2 Abs. 4 IntVG: Register Hier ist wohl ein Recht der Interessenvertreter beabsichtigt, die Informationen über eine Netzseite eingeben zu können. Um Missverständnisse zu vermeiden, wäre dies z. B. wie folgt klarzustellen: „Die Interessenvertreter können die Angaben nach Abs. 1 über die Netzseite des Interessenvertretungsbeauftragten elektronisch übermitteln.“ 10. Zu § 3 IntVG: Kodex Rechtsetzung kann der Bundestag nicht an einen seiner Ausschüsse delegieren. Handelt es sich aber um einen freiwilligen Kodex, dürfte dies zulässig sein. So hat der Gesetzgeber auch den Entwurf eines Kodex über Grundsätze guter Unternehmensführung (Denglisch: „Corporate Governance Kodex“) einem Fachgremium („Regierungskom- - 14 - mission“) überlassen. Die Befolgung des Kodex ist den Unternehmen überlassen; sie müssen sich hierzu lediglich öffentlich erklären, vgl. § 161 Aktiengesetz. Anzumerken ist, dass in § 3 IntVG eine Regelung fehlt, ob und wie Interessenvertreter ihre Unterwerfung unter den Kodex wieder kündigen können. Darüber hinaus sollten alle Verweise des IntVG auf den „Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung“ durch eine offenere Formulierung wie „ein zuständiger Ausschuss“ ersetzt werden. Das Grundgesetz schreibt lediglich die Einrichtung von vier Bundestagsausschüssen vor, und zwar den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Art. 45 GG), die Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten und für Verteidigung (beide Art. 45a Abs. 1 GG) und den Petitionsausschuss (Art. 45c GG). Die Einrichtung der sonstigen Ausschüsse unterliegt der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages gemäß Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG. Die gesetzliche Bestimmung oder Festlegung eines Ausschusses ist daher nicht unproblematisch. Das IntVG sollte daher nicht vom Fortbestand eines bestimmten Ausschusses ausgehen. 11. Zu § 4 IntVG: Ausführungsbestimmungen Die Regelungen in Abs. 1 S. 1 über das „Verhältnis registrierter Interessenvertreter zum Deutschen Bundestag und zu Mitgliedern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Deutschen Bundestages“ dürften wohl in die Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages fallen. Da die Ausführungsbestimmungen wohl auch Pflichten für Personen außerhalb des Bundestages begründen dürften, wäre eine gesetzliche Regelung dieser Geschäftsordnungsmaterie wohl zulässig.18 Letztlich kann diese Frage dahingestellt bleiben: Ob als Gesetz oder als Teil der Geschäftsordnung, den Beschluss hat das Plenum zu fassen; er lässt sich nicht per Gesetz an einen Ausschuss delegieren. Zulässig ist hingegen, wenn die Bundesregierung für Bundesbehörden auf Empfehlung des Interessenvertretungsbeauftragten eine Verwaltungsvorschrift beschließt. Die Vorschrift wäre verfassungskonform so auszulegen, dass die Empfehlung des Interessenvertretungsbeauftragten nicht verbindlich ist. § 4 Abs. 1 S. 2 IntVG spricht von der „Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung“, richtigerweise ist dies die „Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien“19; statt von Mitarbeitern der „Bundesregierung “ sollte Abs. 1 S. 2 von Mitarbeitern „der Bundesbehörden“ sprechen. Durch Abs. 2 wird die für Beamte geltende Regelung in § 69a BBG auf Mitglieder der Bundesregierung und politische Beamte übertragen. Dies dürfte zulässig sein, da auch 18 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Stand 50. Lieferung, Juni 2007, Art. 40 Rn. 76f. 19 Bekanntmachung des Bundesministeriums des Innern vom 13. November 2006 mit Wirkung zum 1. Dezember 2006, GMBl. 1133, http://www.bmi.bund.de/Internet/Content/Common/Anlagen/Broschueren /2007/GGO,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/GGO.pdf. - 15 - aus einem befristeten Treue- und Dienstverhältnis nachwirkende Pflichten entstehen können.20 Da zur Bundesregierung gemäß Art. 62 GG nur der Bundeskanzler und die Bundesminister zählen, sollte § 4 Abs. 2 IntVG statt vom „Ausscheiden aus der Bundesregierung “ vom „Beendigen des Beamtenverhältnisses bzw. dem Ausscheiden aus dem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis“ sprechen. Die Sperrfrist in § 4 Abs. 2 entspricht § 42a Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) sowie § 20a Abs. 1, 2 Soldatengesetz, den das Bundesverwaltungsgericht als verfassungsrechtlich unbedenklich bestätigt hat.21 12. Zu § 5 Abs. 1, 2 IntVG: Stellung des Beauftragten Bei der Schaffung eines „Beauftragten für die Vertretung von Interessen gegenüber dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung“ stellt sich das Problem einer „Zwitterstellung “ zwischen Legislative und Exekutive. Die Stellung eines Beauftragten als „Hilfsorgan des Bundestages“ kennt die deutsche Rechtsordnung sonst nur im Fall des Wehrbeauftragten und des Ermittlungsbeauftragten. Der Wehrbeauftragte ergibt sich aus Art. 45b GG. Auch wenn der Begriff des Hilfsorgans rechtlich nicht klar definiert ist, ist eine Orientierung am Wehrbeauftragten nicht zu empfehlen. Bereits bei der Schaffung dieses Amtes 1956/1957 bestand großer Streit über dessen Stellung in der Staatsfunktionenordnung.22 Vor allem aber beschränken sich die Kompetenzen des Wehrbeauftragten – im Unterschied zum Interessenvertretungsbeauftragten – auf Informationsrechte ; insbesondere kann er keine Sanktionen verhängen. Der nur einfachgesetzlich verankerte Ermittlungsbeauftragte des Untersuchungsausschusses (§ 10 Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse) hingegen nimmt nur die rein parlamentarische Aufgabe des Untersuchungsausschusses wahr, aber keine Exekutivaufgaben . Besser geeignet für eine Orientierung als der Wehrbeauftragte oder der Ermittlungsbeauftragte erscheinen daher z. B. folgende Beauftragte: - Beauftragter für Migration, Flüchtlinge und Integration (§§ 92 ff. Aufenthaltsgesetz ), - Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (§§ 22 ff. Bundesdatenschutzgesetz – BDSG), - Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (§§ 36 ff. Stasiunterlagengesetz - StUG). 20 Von Arnim, Nach-amtliche Karenzzeiten für Politiker? ZRP 2006, 44. 21 BVerwG, NVwZ-RR 1990, 365. 22 Achterberg /Schulte, in: von Mangoldt /Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, Art. 45b, Rn. 6 f. - 16 - Eine Übersicht zu den Bundesbeauftragten und Beauftragten der Bundesregierung findet sich in: , Bundesbeauftragte und Beauftragte der Bundesregierung , Infobrief, WD 3 - 3010 - 367/08 - Anlage 2 -. Die rechtlichen Rahmenbedingungen von Beauftragten sind in der Ausarbeitung WD 3 – 477/07, „Fragen zur Schaffung eines Beauftragten für Rentenbelange auf Bundesebene “ erörtert - Anlage 3 -. Ist das Amt des Interessenvertretungsbeauftragten unter der Rechtsaufsicht der Bundesregierung und der Dienstaufsicht einer obersten Bundesbehörde, wie z. B. dem Bundesministerium des Innern, eingerichtet, ergeben sich keine Kompetenzprobleme für die exekutiven Aufgaben eines von der Legislative gewählten Beauftragten. In jedem Fall hat der Bund die Verwaltungskompetenz. Diese dürfte sich – wie die Gesetzgebungskompetenz (siehe oben Nr. 2) – aus der Natur der Sache oder dem Sachzusammenhang zum Gesetzgebungsverfahren des Bundes ergeben. 13. Zu § 5 Abs. 3 IntVG: Allgemeine Richtlinien Aus dem zu Nr. 12 Gesagten ergibt sich, dass der Bundestag keine Kompetenz haben dürfte, Verwaltungsvorschriften für den Interessenvertretungsbeauftragten zu erlassen. Verwaltungsvorschriften fallen eher in den Bereich der internen Verwaltungsorganisation als den Bereich allgemeiner Rechtsetzung. Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung heraus kann das Parlament solche Organisationsvorschriften mit einer reinen Binnenwirkung für die Verwaltung grundsätzlich nicht erlassen. Die Verwaltungsregelungskompetenz des Bundes folgt aus seiner Verwaltungskompetenz (siehe hierzu oben Nr. 12). 14. Zu § 5 Abs. 4 IntVG: Weisungsfreiheit Anstelle einer allgemeinen Weisungsfreiheit sollte differenziert werden zwischen der Fachaufsicht und der Dienst- und Rechtsaufsicht. So sind der Bundesdatenschutzbeauftragte nach § 22 Abs. 4 S. 2 BDSG und der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes nach § 35 Abs. 5 S. 2 StUG „in Ausübung [ihres] Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.“ Bei beiden liegt aber die Rechtsaufsicht bei der Bundesregierung und die Dienstaufsicht bei einer obersten Bundesbehörde, vgl. § 22 Abs. 4 S. 3, Abs. 5 S. 2 BDSG, § 35 Abs. 5 S. 2, S. 3 StUG. Die beim Bundesda- - 17 - tenschutzbeauftragten gegenüber dem Bundesminister des Innern bestehende Unabhängigkeit und Fachweisungsfreiheit schwächt seine sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation ab; dies lässt sich durch seine personelle Legitimation kraft Wahl durch den Bundestag ausgleichen.23 Entsprechendes würde für den Interessenvertretungsbeauftragten gelten. 15. Zu § 5 Abs. 5 IntVG: Zitierrecht Das gleichlaufende Zitierrecht von Bundestag und einzelnen Ausschüssen, wie es in § 5 Abs. 5 IntVG vorgesehen ist, dürfte unproblematisch sein, da es sich beim Interessenvertretungsbeauftragten um ein Wahlamt handelt, das verstärkter legislativer Kontrolle unterliegen kann. 16. Zu § 6 IntVG: Aufgaben Im Sinne der Rechtsklarheit sollte die Aufzählung in § 6 Abs. 2 abgeschlossen sein, ein „etc.“ genügt hier nicht. In welche Akten der Interessenvertretungsbeauftragte Einsicht nehmen können sollte, ist eine politisch zu entscheidende Frage. Hierbei ist ein verfassungsrechtlicher Ausgleich zu schaffen zwischen dem Transparenzinteresse des Staates und der informationellen Selbstbestimmung der Interessenvertreter und anderer Betroffener. Weiterhin ist sicherzustellen, dass die Daten nur zu den die Einsichtnahme begründenden oder anderen gesetzlich festgelegten Zwecken verwendet werden und der Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht berührt ist.24 17. Zu § 6 IntVG: Sanktionen § 6 Abs. 5 IntVG spricht von einer „Geldstrafe“. Soll die stärkste Sanktion für eine Verletzung der Registrierungspflicht tatsächlich eine Strafe sein, empfiehlt sich eine Strafnorm nach folgendem Muster: „Wer Angaben nach § 2 in Verbindung mit § 1 nicht oder nicht wahrheitsgemäß macht, wird mit einer Geldstrafe bis zu … bestraft.“ Zur Verhängung einer solchen Strafe ist der Interessenvertretungsbeauftragte aber in keinem Fall befugt; zuständig sind allein die Strafgerichte. Dies ergibt sich aus Art. 92 GG, wonach die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut ist.25 Möglicherweise ist mit der in § 6 Abs. 5 genannten „Geldstrafe“ eine Geldbuße als Sanktion einer Ordnungswidrigkeit gemeint. Diese sollte auch so bezeichnet werden, vgl. § 5 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch: „In Vorschriften des Bundes- und des 23 Tettinger, in: Kirchof/Isensee, Handbuch des Staatsrechts, Band V , Rechtsquellen, Organisation, Finanzen, 3. Aufl. 2007, S. 626. 24 Murswiek, in: Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 76f. 25 Detterbeck, in: Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 92 Rn. 18. - 18 - Landesrechts dürfen Rechtsnachteile, die nicht bei Straftaten angedroht werden, nicht als Freiheitsstrafe, Haftstrafe, Ordnungsstrafe oder Geldstrafe bezeichnet werden.“ Eine Ordnungswidrigkeit könnte auch eine Behörde, also der Interessenvertretungsbeauftragte ahnden. Nicht notwendig ist es, den Interessenvertretungsbeauftragten zur Verhängung von Sanktionen zu verpflichten, § 6 Abs. 4 („ist […] zur Verhängung […] verpflichtet .“). Denn auch bei einer Kann-Regelung muss der Beauftragte sein Ermessen pflichtgemäß ausüben, um willkürliche Ungleichbehandlungen auszuschließen. 18. Zu § 7 IntVG: Berichtspflichten Zu dieser Norm sind derzeit keine Bedenken ersichtlich. 19. Zu § 8 IntVG: Wahl des Interessenvertretungsbeauftragten Wie bereits oben angemerkt sollte der Gesetzestext von einer Festlegung auf einen bestimmten Ausschuss absehen. Dem entsprechend wäre eine Urkundenverleihung durch den Bundespräsidenten angezeigt, wie es auch bei den Beauftragten für Stasi- Unterlagen oder Datenschutz der Fall ist. 20. Zu § 9 IntVG: Wählbarkeit Wie zur Wahl sollte auch zur Abberufung der Bundestag zuständig sein. Die Inkompatibilitätsregelung in § 9 Abs. 5 entspricht derjenigen für andere öffentliche Amtsträger, vergleiche Art. 55 GG, § 5 Abs. 1 Bundesministergesetz (BMinG), § 23 Abs. 2 BDSG, § 36 Abs. 2 StUG und dürfte einen unbedenklichen Eingriff in die Berufsfreiheit des Beauftragten darstellen. 21. Zu § 10 IntVG: Verschwiegenheitspflicht Eine zu § 10 entsprechende Regel findet sich in § 23 Abs. 5 BDSG, § 36 Abs. 4 StUG, § 10 WBeauftG sowie § 6 BMinG. § 23 Abs. 5 BDSG soll eine unabdingbare Voraussetzung zur Herstellung eines Vertrauensverhältnisses zu allen Beteiligten sein.26 Ob eine solche Klausel auch in einem Interessenvertretungsgesetz notwendig ist, ist eine politische Frage. Denn auch ohne eine solche Klausel ist der Beauftragte z. B. an das BDSG gebunden und kann persönliche Daten daher grundsätzlich nicht weitergeben oder veröffentlichen. 26 Gola, in: Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 9. Aufl. 2007, § 23, Rn. 9. - 19 - 22. Zu § 11 IntVG: Ausstattung des Beauftragten Entsprechend des hier vertretenen Vorschlags dürften die Beschäftigten keine Bundestagsbeamten sondern Bundesbeamte etwa beim Bundesministerium des Innern sein. Die Personal- und Sachausstattung wäre dann im Einzelplan des BMI aufzuführen, nicht in dem des Bundestages. In jedem Fall hat der Bund mit der verfassungsrechtlichen Aufgabenzuständigkeit (siehe oben Nr. 2) auch die Finanzierungskompetenz gem. Art. 104a Abs. 1 Grundgesetz (GG). 23. Allgemeine Anmerkungen Die unter lit. D. der Vorbemerkungen zum Entwurf des IntVG anzugebenden erwarteten finanziellen Auswirkungen hängen maßgeblich von der Zahl der beschäftigten Personen ab. Hierbei handelt es sich um eine politische Frage. Im Bundeshaushalt 2008 sind beispielsweise für den Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration 4.545.000 Euro eingestellt, hiervon werden 28,5 Planstellen gewährleistet.27 Entscheidend ist, ob der Beauftragte wie ein Beamter besoldet wird (so z. B. der Bundesdatenschutzbeauftragte , § 23 Abs. 7 BDSG: Besoldungsgruppe B 9 der Bundesbesoldungsordnung ) oder lediglich eine Aufwandsentschädigung erhält (siehe hierzu auch die Übersicht in Anhang 2). Entscheidend sind ferner die Anzahl und Stellenbewertung seiner Mitarbeiter. Sobald hier konkrete Entscheidungen getroffen sind, lassen sich die jährlichen finanziellen Auswirkungen eines IntVG anhand haushalterischer Vorgaben berechnen . In jedem Fall fehlt in dem Gesetz selbst bislang eine Angabe, ob der Interessenvertretungsbeauftragte lediglich eine Aufwandsentschädigung erhält, oder z. B. in Anlehnung an die Bundesbesoldungsordnung eine Besoldung. Unter der Verknüpfung www.bmj.de/rechtsfoermlichkeit/index.htm gelangt man zum „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“, 3. Aufl., 2008, herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz. Das Handbuch gibt Hinweise zur formalen und inhaltlichen Gestaltung von Gesetzen. 27 BT-Drucksache 16/6785, S. 31 ff.