© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 400/18 Beteiligungsquote von Ostdeutschen in öffentlichen Funktionen der Exekutive Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 400/18 Seite 2 Beteiligungsquote von Ostdeutschen in öffentlichen Funktionen der Exekutive Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 400/18 Abschluss der Arbeit: 28. November 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 400/18 Seite 3 1. Fragestellung Es stellt sich die Frage, ob es eine verfassungsrechtliche Grundlage gibt, eine „Ostquote“ einzuführen, die als Instrument gegen die Unterrepräsentanz von Ostdeutschen in öffentlichen Funktionen der Exekutive dienen könnte. Ferner stellt sich die Frage, wie sich der Begriff „ostdeutsch“ legal definieren ließe. 2. Beamte 2.1. Proportionale föderale Parität (Art. 36 Abs. 1 S. 1 GG) Art. 36 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) regelt den Grundsatz der proportionalen föderalen Parität: „Bei den obersten Bundesbehörden sind Beamte aus allen Ländern in angemessenem Verhältnis zu verwenden.“ Ein Vorläufer der Norm fand sich bereits in der Weimarer Reichsverfassung.1 Schon damals sollte, wohl insbesondere mit Blick auf den übermäßig großen Einfluss Preußens im Reich, das Dominieren eines Landes verhindert werden.2 Für Art. 36 Abs. 1 S. 1 GG werden im Wesentlichen zwei Normzwecke genannt. Zum einen sollen die obersten Bundesbehörden von der unterschiedlichen Herkunft der Beamten profitieren: Während hier früher noch von den „besonderen Werte[n] der deutschen Stämme und Landschaften“ die Rede war,3 stellt man heute auf das Wissen der Beamten um die regionalen Verhältnisse und Probleme ab.4 Zum anderen soll in den Ländern das Vertrauen in die Bundesverwaltung gestärkt werden.5 Während in Art. 36 Abs. 1 GG vereinzelt ein bloßer Programmsatz erblickt wurde, geht die überwiegende Auffassung von einer zwingenden Norm aus.6 Sie soll jedoch nicht den Grundsatz der 1 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2015, Art. 36 Rn. 8. 2 Grabendorff, Zur Frage der Auslegung des Art. 36 Bonner Grundgesetz, DÖV 1952, 301, 302; Klein, Zur heutigen Bedeutung des Artikels 36 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz, ZBR 1988, 126, 127. 3 Frhr. v. Stralenheim, Die Auslegung und Durchführung des Art. 36 GG, DÖV 1951, 628, 629; vgl. auch BMI, Durchführung des Artikels 36 des Grundgesetzes, Rundschreiben vom 9. April 1952 – 2229 – 198/52, GMBl. 1952, 75 Nr. 5 b: „Vielfalt der Stammescharaktere“. 4 BMI, Durchführung des Artikels 36 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes, Rundschreiben vom 1. Juni 2001 – D I 2 – 215 115/1, GMBl. 2001, 394 Nr. I 1. 5 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 8; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 36 Rn. 1. 6 Vgl. nur Didczuhn, Der Grundsatz der proportionalen föderalen Parität, 1990, S. 191, und Klein, ZBR 1988, 126, jeweils m.w.N. auch zur Gegenansicht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 400/18 Seite 4 Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG einschränken, sondern nur bei gleicher Qualifikation ein weiteres Entscheidungskriterium bilden.7 2.1.1. Erfasste Behörden Die Norm gilt unmittelbar für alle obersten Bundesbehörden. Hierzu zählen etwa das Bundespräsidialamt , das Bundeskanzleramt, die Bundesministerien und die Bundestagsverwaltung. Hierher gehören auch die Verwaltungen des Bundesverfassungsgerichts und der obersten Gerichtshöfe des Bundes, nicht aber die Gerichte selbst.8 Auf Bundesoberbehörden und Bundeszentralstellen wird die Norm analog angewandt.9 2.1.2. Beamte Die Norm gilt nur für Beamte im statusrechtlichen Sinn.10 Sie ist weder auf Angestellte und Arbeiter, noch auf Bundesrichter anwendbar.11 Vereinzelt scheint Art. 36 Abs. 1 S. 1 GG – wenn auch nicht explizit – auf Bestandsbeamte aus dem Landesdienst reduziert und daher nur auf Abordnungen zum Bund angewandt worden zu sein.12 Die Formulierung „Beamte aus allen Ländern“ wurde wohl im Sinne von „Landesbeamte“ verstanden. Heute wird die Norm jedoch allgemein auch auf sogenannte freie Bewerber angewandt.13 2.1.3. Bestimmung der Herkunft Nach welchen Kriterien ein Bundesbeamter bzw. ein Bewerber einem (Herkunfts-) Land zuzuordnen ist, lässt Art. 36 GG offen. Bei Bewerbern, die bereits Landesbeamte sind, fällt die Zuordnung leicht.14 Bei freien Bewerbern stellt das Bundesministerium des Innern (BMI) vorrangig auf den Wohnort ab.15 Die bloße Berücksichtigung des aktuellen Wohnortes wird teils als zu pauschal 7 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 15; so auch die Bundesregierung in BT-Drs. 12/1433, S. 1; 13/1963, S. 7; anders wohl BMI, GMBl. 2001, 394 Nr. I 6: Die Normen seien im Wege praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen. 8 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 11. 9 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 11; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 4; BMI, GMBl. 1952, 75 Nr. 1; BMI, GMBl. 2001, 394, Nr. I 2. 10 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 11. 11 Vgl. aber die entsprechende Anwendung auf Angestellte gem. BMI, GMBl. 2001, 394 Nr. II. 12 Klein, ZBR 1988, 126. 13 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 13; BMI, GMBl. 2001, 394 Nr. I 4.; so auch schon BMI, GMBl. 1952, 75 Nr. 5 a. 14 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 13; BMI, GMBl. 2001, 394 Nr. I 4. 15 BMI, GMBl. 2001, 394 Nr. I 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 400/18 Seite 5 kritisiert: Entsprechend dem Normzweck müsse ein Bewerber dem Land zugeordnet werden, dessen Verhältnisse er kenne.16 Solche Kenntnisse könne er beispielsweise durch den Schulbesuch, eine Berufsausbildung oder einen langjährigen Wohnsitz in einem Bundesland erworben haben;17 es komme auf die Umstände des Einzelfalls an.18 Im Zweifel will das BMI die Zuordnung dem Bewerber selbst überlassen.19 Die Kommentierung stellt auch auf solche Kriterien ab, „die verlässlich nachweisen, dass die jeweilige Bewerberin oder der jeweilige Bewerber mit den landsmannschaftlichen Verhältnissen in einem bestimmten Bundesland oder in einer bestimmten Region dieses Bundeslandes vertraut ist. Solche Vertrautheit kann durch den Geburtsort oder den (langjährigen) Wohnsitz in einem Land, durch Verheiratung, durch eine ausgeprägte Heimatbindung des Elternhauses, ferner aber auch durch den Ort des Schulbesuchs und/oder der Berufsausbildung (etwa durch ein Hochschulstudium), ggf. auch durch eine Eingangsprüfung, belegt werden. Für Flüchtlinge, Vertriebene und Aussiedler ist das Aufnahmeland Anknüpfungspunkt. […] Hierbei darf nun nicht übersehen werden, dass angesichts der Vielzahl möglicher Anknüpfungspunkte […] sehr erhebliche Wertungsspielräume bestehen, welchem Land eine solche Bewerberin oder ein solcher Bewerber anteilsmäßig zugeordnet werden soll.“20 2.2. Angemessenes Verhältnis Die Beamten aus den Bundesländern sind „in angemessenem Verhältnis“ zu verwenden.21 Als Maßstab sollen nach überwiegender Ansicht die Bevölkerungszahlen der Länder gelten.22 Dabei verlange das Grundgesetz keine starre mathematische Proportionalität.23 Vielmehr solle kein Land zu stark über- oder unterrepräsentiert sein.24 16 Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 8. 17 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 13; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 8. 18 Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 8; so bereits BMI, GMBl. 1952, 75 Nr. 5. 19 BMI, GMBl. 2001, 394 Nr. I 4. 20 Butzer, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 84. Lfg. 2018, Art. 36 Rn. 34 f. (Hervorhebung durch Autor). 21 Ausführlich dazu Pleyer, Föderative Gleichheit, 2005, S. 199 ff.; Didczuhn, Parität, S. 192 ff. 22 BMI, GMBl. 1952, 75 Nr. 4; BMI, GMBl. 2001, 394 Nr. I 5; Didczuhn, Parität, S. 196; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 7 m.w.N.; anders Pleyer, Gleichheit, S. 203 f., der ein Verhältnis entsprechend der Stimmenverteilung im Bundesrat vorschlägt. 23 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 14; so auch die Bundesregierung, BT-Drs. 14/2678, S. 1. 24 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 14; Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 400/18 Seite 6 2.3. Gerichtliche Durchsetzung Dem einzelnen Bewerber räumt die Norm kein subjektives Recht ein. Die Bundesländer können ihren Anspruch auf angemessene Berücksichtigung jedoch im Wege des Bund-Länder-Streits geltend machen, Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG.25 Gleichwohl gibt es Gerichtsentscheidungen zu Fällen, bei denen die ostdeutsche Herkunft von Bewerbern eine Rolle gespielt hat oder haben soll.26 2.4. Praktische Umsetzung des Art. 36 Abs. 1 S. 1 GG Ein erstes Rundschreiben des BMI, das die Umsetzung von Art. 36 GG erläutert, stammt aus dem Jahr 1952.27 Hervorgehoben wird, dass die Vorschrift keine strenge zahlenmäßige Bindung verlange . Die Auslegungsfragen werden weitgehend bereits im Sinne der heute jeweils überwiegenden Auffassung beantwortet. Das angemessene Verhältnis sei jeweils in den beiden Gruppen des höheren Dienstes und der übrigen Beamtenstellen herzustellen. Zur statistischen Erfassung sei die Landeszugehörigkeit in den Personalakten zu vermerken. Eine „Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden“28 von 1954, die sich ebenfalls auf Art. 36 S. 1 GG (heute: Abs. 1 S. 1) stützt, betraf nur den Sonderfall der Abordnung von Landesbeamten zum Bund und wird heute nicht mehr angewandt.29 Das Statistische Bundesamt führte im Auftrag des BMI 1952, 1955, 1959 und 1965 Erhebungen zur Anwendung von Art. 36 GG durch.30 Dabei stellte man eine deutliche Überrepräsentation Berlins und Hessen und eine Unterrepräsentation Baden-Württembergs, Bayerns und des Saarlandes fest. Eine Erhebung von 1983 über die Landeszugehörigkeit der Ministerialbeamten ergab eine Überrepräsentation der Stadtstaaten und eine starke Überrepräsentation der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bei teils deutlicher Unterrepräsentation der übrigen Flächenländer.31 Eine 25 BMI, GMBl. 2001, 394 Nr. I 5; Klein, ZBR 1988, 126; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 9. 26 OVG Lüneburg, NVwZ 2016, 786, Rn. 38: „Soweit der Beigel. geltend gemacht hat, es erscheine nicht ausgeschlossen, sondern naheliegend, dass der Richterwahlausschuss bei seiner Entscheidung zu Gunsten des Beigel. dessen ostdeutsche Herkunft sowie dessen nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern absolvierte Juristenausbildung berücksichtigt habe (Stellungnahme vom 17.11.2015, S. 5 f. mit Verweis auf die entsprechenden erstinstanzlichen Ausführungen), führt dieser Vortrag zwar in der Tat auf die Rechtsfrage, ob der so genannte ‚Länderproporz‘ für den Richterwahlausschuss ein sachfremdes Auswahlkriterium darstellt […].“ 27 BMI, GMBl. 1952, 75 f. 28 GMBl. 1954, 414 f. 29 Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 7. 30 Didczuhn, Parität, S. 224 f. 31 Klein, ZBR 1988, 126, 127. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 400/18 Seite 7 Nachfrage im Jahr 1989 ergab, dass nur wenige oberste Bundesbehörden die Landeszugehörigkeit überhaupt noch erfassten.32 Verschiedentlich wurde und wird eine unzureichende Umsetzung von Art. 36 Abs. 1 S. 1 GG gerügt.33 Als Gründe für die Unterrepräsentation bestimmter Regionen werden besondere Heimatverbundenheit und zu geringe finanzielle Anreize genannt.34 Das Rundschreiben von 1952 ersetzte das BMI im Jahr 2001 durch ein neues.35 Es enthält einige Präzisierungen und kleinere Änderungen und bezieht nun auch Angestellte des höheren und gehobenen Dienstes ein. Das Rundschreiben betont die Bedeutung des Art. 36 GG insbesondere für die neuen Bundesländer und regt an, dass sich Bundesbehörden um qualifizierte Beamte aus unterrepräsentierten Ländern besonders bemühen sollten, etwa durch die gezielte Übersendung von Stellenausschreibungen.36 Daneben könne der Norm auch durch die zeitlich befristete Verwendung von Landesbeamten Rechnung getragen werden.37 Die Kommentierung sieht in der Praxis keine Relevanz mehr von Art. 36 Abs. 1 S. 1 GG für die neuen Bundesländer: „‚Ausgewachsen‘ sein dürften mittlerweile aber mit der Wiedervereinigung Deutschlands und der damit sowie mit dem Bonn-Berlin-Umzugsbeschluss zusammenhängenden landsmannschaftlichen ‚Verwerfungen‘. Mittlerweile stehen aus den neuen Ländern eine hinreichende Zahl geeignete Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung.“38 3. Angestellte Art. 36 Abs. 1 S. 1 GG ist nicht auf Angestellte anwendbar. Gleichwohl wäre es wohl ein sachliches Kriterium, wenn die Verwaltung unter Bewerbern gleicher Eignung solche auswählt, die nach Landesherkunft unterrepräsentiert sind. Das Grundgesetz gibt den Länderproporz für Beamte als Ziel vor. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum sich dieser Grundsatz nicht auch auf Angestellte übertragen ließe. Denkbar wäre – ungeachtet der Frage der praktischen Relevanz – auch 32 Didczuhn, Parität, 225 f.; vgl. auch BT-Prot. 12/157, S. 13355 (C); BT-Drs. 14/2466. 33 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 10; Butzer, in: Maunz/Dürig (Begr.), GG, Art. 36 Rn. 42; Klein, ZBR 1988, 126, 127. 34 Klein, ZBR 1988, 126, 127. 35 BMI, GMBl. 2001, 394 f. 36 BMI, GMBl. 2001, 394 Nr. I 1, III 2; vgl. auch den Hinweis der Bundesregierung auf bundesweite Ausschreibungen, BT-Drs. 14/2678, S. 1. 37 BMI, GMBl. 2001, 394 Nr. III 3. 38 Butzer, in: Maunz/Dürig (Begr.), GG, Art. 36 Rn. 42 (Fn. 6). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 400/18 Seite 8 eine gesetzliche Regelung. Diese würde gegenüber einer bloßen Verwaltungspraxis oder Verwaltungsvorschrift 39 einen höheren Grad an Rechtssicherheit bieten. 4. Regierungsmitglieder Art. 36 Abs. 1 S. 1 GG ist nicht auf Regierungsmitglieder anwendbar. Davon abgesehen erscheint eine Länderquote für Regierungsmitglieder problematisch. Der Bundeskanzler wird nach Art. 63 GG „auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt.“ Die Bundesminister werden nach Art. 64 GG „auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen.“ Der verfassungsrechtlich vorgegebene Ermessensspielraum bei der Auswahl der Regierungsmitglieder ließe sich wohl nicht durch eine gesetzliche Regelung einschränken. 5. Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse (Art. 72 Abs. 2 GG) Die Subsidiaritätsklausel nach Art. 72 Abs. 2 GG besagt, dass der Bund die dort genannten Gegenstände der konkurrierenden Kompetenz nur regeln darf, „wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht“. Die Formulierung zielt auf gewichtige Nachteile, die eine Vielfalt oder ein Fehlen landesrechtlicher Regelungen mit sich bringen, und die nur durch eine übergeordnete Regelung abzuwenden sind.40 Der Gesetzgeber hat bewusst den Begriff „gleichwertig“ gewählt, und nicht „einheitlich“. Er bringt damit zum Ausdruck, dass eine bloße regionale Unterschiedlichkeit der Lebensverhältnisse nicht genügt, um eine Inanspruchnahme der konkurrierenden Kompetenz durch den Bund zu rechtfertigen .41 Die anzustrebende Gleichwertigkeit wird vielmehr „erst dann bedroht, wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet“.42 Beispielsweise soll ein bundesweites Verbot von Studiengebühren selbst dann nicht erforderlich sein zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, wenn „Unterschiede in der Erhebung von Studiengebühren zwischen den Ländern erhebliche Wanderungsbewegungen auslösen würden“.43 Insgesamt ist Art. 72 Abs. 2 GG eine Kompetenzvorschrift, nicht jedoch ein allgemeines Staatsziel. Die Vorschrift ist hier nicht einschlägig. 39 Vgl. das Rundschreiben des BMI, oben Fn. 4. 40 Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 38. Edition Stand: 15.08.2018, Art. 36 Rn. 10-16. 41 Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 36 Rn. 10-16. 42 BVerfGE 106, 62 (144) = NJW 2003, 41 (52) – Altenpflege (Hervorhebung durch Verfasser); bestätigt in BVerfGE 140, 65 (80) = NJW 2015, 2399 (2400) – Betreuungsgeld. 43 BVerfGE 112, 226 (247) = NJW 2005, 493 (494) – Studiengebühren. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 400/18 Seite 9 6. Legaldefinition von „ostdeutsch“ Das Grundgesetz verwendet den Begriff „ostdeutsch“ nicht. Die ursprüngliche Fassung des für den Beitritt relevanten Art. 23 GG vom 23. Mai 1949 lautete: „Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiete der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.“ Gleiches gilt für Art. 36 Abs. 1 S. 1 GG, der auf die Zugehörigkeit zu einem Bundesland abstellt und nicht nur die neuen, sondern alle Bundesländer in gleicher Weise betrifft. Auch in einfachgesetzlichen Regelungen ist der Begriff „ostdeutsch“ nicht definiert. Im Wesentlichen wird auf das „Beitrittsgebiet“ abgestellt (z. B. Sozialgesetzbuch IV, § 256a Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet). Wollte man den Begriff „ostdeutsch“ legal definieren, könnte man im ersten Schritt an das Schlüsseldatum 9. November 1989 denken. Gleichwohl erscheint das Kriterium des Wohnorts in den neuen Bundesländern vor diesem Datum als begrenzt taugliches Kriterium: Es würde nur Personen erfassen , die heute älter als 29 Jahre sind. Anders wäre dies, wenn das Kriterium weiter formuliert wäre als Personen, die selbst oder deren Eltern oder ein Elternteil den Wohnort in den neuen Bundesländern vor dem 9. November 1989 hatten. Je mehr allerdings der Bezug nur noch durch die Eltern oder einen Wohnort in der (fernen) Vergangenheit vermittelt wird, desto weniger reflektiert eine solche Definition den Bezug zur DDR. Zu erwähnen ist noch, dass die Rechtsprechung die ostdeutsche Herkunft nicht als Ethnie anerkennt : „Soweit sie [die Klägerin] sich auf die Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft aus Ostdeutschland bezieht, ist bereits streitig, ob eine ostdeutsche Herkunft als Ethnie anzusehen ist und daher die Bezeichnung als ‚Ossi‘ eine Diskriminierungshandlung im oben stehenden Sinne darstellt. […] Mangels gesetzlicher Definition des Begriffs der ethnischen Herkunft wird dieser dahin ausgelegt, dass es sich um eine Gruppe von Menschen handelt, die sich durch ihre Herkunft, ihre Gebräuche, das äußere Erscheinungsbild (Haut- oder Haarfarbe, Form der Augen, Nasen und/oder Lippen, Kleidung), eine gemeinsame Sprache und/oder Religion, eine eigene kulturelle Tradition, eine gemeinsame Geschichte und durch ein gemeinsames Siedlungsgebiet von anderen Menschen abgrenzen lässt […]. Überwiegend wird sowohl in der Rechtsprechung als auch der Literatur abgelehnt, in der Bezeichnung als Ossi eine Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft im Sinne von § 1 AGG [Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ] zu sehen […].“44 *** 44 LAG Hessen, Urteil vom 07.02.2012 - 2 Sa 1411/10 m.w.N. (Hervorhebung durch Autor).