Fragen zu Kinderrechten - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 3 - 399/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Fragen zu Kinderrechten Ausarbeitung WD 3 - 399/06 Abschluss der Arbeit: 02.11.2006 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Welche Rolle spielt die UN-Kinderrechtskonvention in den einzelnen Landesverfassungen? 3 2. Welche konkreten Folgen hätte eine Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung? 4 2.1. Aktuelle Bedeutung der Kinderrechte in der Verfassung vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 4 2.2. Mögliche Formen der Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung 6 2.3. Auswirkungen einer Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung am Beispiel des Vorschlags der Jugendministerkonferenz vom 12. Juni 1992 8 2.3.1. Satz 1 des Vorschlags der Jugendministerkonferenz 8 2.3.2. Satz 4 des Vorschlags der Jugendministerkonferenz 9 3. Welche Verfassungsrechtler haben sich bisher insbesondere mit dem Thema „Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz“ befasst? 10 - 3 - 1. Welche Rolle spielt die UN-Kinderrechtskonvention in den einzelnen Landesverfassungen? Eine eingehendere Beantwortung dieser Frage ist nur im Rahmen eines Auskunftsersuchens bei den betroffenen Bundesländern möglich, von dem – in Absprache mit dem Büro der Auftraggeberin – im Hinblick auf eine zeitnahe Beantwortung zunächst abgesehen wurde. Generell lässt sich aber folgende Aussage treffen: Bislang haben 10 Bundesländer (darunter alle neuen Bundesländer) spezielle Kinderrechte in ihre Landesverfassungen aufgenommen, im Wesentlichen seit Beginn der 1990er Jahre. Das grundlegende Übereinkommen über die Rechte des Kindes1 (UN- Kinderrechtskonvention) datiert vom 20. November 1989. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bundesländer – ungeachtet der unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen – in der Regel in Kenntnis der UN- Kinderrechtskonvention gehandelt haben. 1 Gesetz vom 17. Februar 1992, BGBl. II, S. 121. - 4 - 2. Welche konkreten Folgen hätte eine Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung? Die Frage nach konkreten Folgen einer Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung lässt sich abstrakt schwer beantworten, da die jeweiligen Konsequenzen maßgeblich von den tatsächlich in das Grundgesetz aufgenommenen konkreten Neuregelungen abhängen. Zunächst soll kurz auf die Bedeutung der bereits bestehenden Kinderrechte in der Verfassung vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eingegangen werden. Sodann werden mehrere mögliche Formen der Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung umrissen. Anschließend werden beispielhaft die Auswirkungen einer Aufnahme bestimmter Kinderrechte in das Grundgesetz anhand des Vorschlags der Jugendministerkonferenz vom 12. Juni 1992 dargestellt. 2.1. Aktuelle Bedeutung der Kinderrechte in der Verfassung vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind Pflege und Erziehung des Kindes Recht und Pflicht der Eltern.2 Dem Kind wird durch die das Elternrecht garantierende Verfassungsnorm des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG allerdings kein eigenes Grundrecht zugewiesen.3 Dieser Umstand hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt dazu veranlasst, auf die Rechte des Kindes in seiner Rechtsprechung hinzuweisen. So hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 29. Juni 1968 ausgeführt, dass 2 Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, Loseblattsammlung, Bd. I, 43. Liefg., Köln 2005, Art. 6 Rn. 556. 3 Badura in Maunz, Theodor / Dürig, Günter, Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung, Band II, Art. 6 – 16a, 44. Lieferung, München 2005 (zit.: Bearbeiter in Maunz/Dürig), Art. 6 Abs. 2, 3 Rn. 94. - 5 - „das Kind als Grundrechtsträger selbst Anspruch auf den Schutz des Staates hat. Das Kind ist ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne des Artikel 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG.“4 Nach der Auffassung des obersten deutschen Gerichts dient darüber hinaus das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 GG dem Wohl des Kindes. Sein Schutz umfasst die – durch das Gesetz zu formende – „treuhänderische“ Wahrnehmung der Belange des Kindes.5 Das Kind bedarf hierbei des Schutzes und der Hilfe der Eltern und ggf. des Staates, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft gemäß Art. 2 GG entfalten zu können. Die Elternrechtsbestimmung des Art. 6 Abs. 2 GG ist demzufolge nicht nur – wie alle übrigen Grundrechte auch – eine grundrechtliche Ausgestaltung des Menschenwürdeschutzes auf Basis des Art. 1 Abs. 1 GG, sondern eine spezifische Adaption der Menschenwürde für die besondere Situation des Kindes.6 Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Elternrechts „beruht auf dem Grundgedanken , dass in aller Regel Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution.“ Gleichwohl eröffnet Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, konkretisiert durch Art. 6 Abs. 3 GG, nicht nur eine reine Kontroll- und Überwachungsfunktion des Staates im Hinblick auf die kindgerechte Ausübung des Elternrechts , sondern auch staatliche Interventionsmöglichkeiten und -pflichten in Gestalt einer Grenze des Elternrechts, beispielsweise im Falle der Überschreitung der Elternrechtsgrenzen durch einen das Kindeswohl beeinträchtigenden Missbrauch.7 Allerdings gilt für die Gesetzgebung und für das Eingreifen des staatlichen Wächteramtes im Einzelfall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.8 Bei Entscheidungen des Gesetzgebers bildet das Wohl des Kindes immer die Richtschnur .9 Das Elternrecht ist im Wesentlichen ein Recht im Interesse des Kindes.10 Dem entspricht die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass mit abnehmender Pflege - und Erziehungsbedürftigkeit des Kindes die im Elternrecht wurzelnden Rechtsbe- 4 BVerfGE 24, S. 119, 144. 5 Badura in Maunz/Dürig, Art. 6 Abs. 2, 3 Rn. 94. 6 Jestaedt in Dolzer, Rudolf (Gesamtherausgeber) u. a., Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung , Band 3, Heidelberg 1950 Grundwerk (zit.: Bearbeiter in Bonner Kommentar), Art. 6 Abs. 2, 3 Rn. 51. 7 Umbach in Umbach, Dieter C. / Clemens, Thomas, Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar und Handbuch , Band 1, Art. 1 bis 37 GG, Heidelberg 2002 (zit.: Bearbeiter in Umbach/Clemens), Art. 6 Rn. 78. 8 Umbach in Umbach/Clemens, Art. 6 Rn. 78. 9 Badura in Maunz/Dürig, Art. 6 Abs. 2, 3 Rn. 94. 10 Badura in Maunz/Dürig, Art. 6 Abs. 2, 3 Rn. 94. - 6 - fugnisse zurückgedrängt werden, bis sie schließlich mit der Volljährigkeit des Kindes erlöschen.11 Der Wille des Kindes ist jedoch bereits vor Vollendung der Volljährigkeit immer dann zu berücksichtigen, wenn er mit dessen Wohl vereinbar ist. Allerdings kann von einem Kindeswillen als einer „freien Entscheidung“ des Kindes etwa dann keine Rede sein, wenn sich ein Sechsjähriger, der weitgehend unter dem Einfluss seiner Eltern handelt, gegen die allgemeine Schulpflicht und den Besuch der Schule entscheiden will.12 Es ist jedoch unbestritten, dass älteren Kindern ein größerer Bereich von Selbstständigkeit zukommt als jüngeren. Diesen wachsenden Freiraum zur Entfaltung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu garantieren, ist legitime Aufgabe der staatlichen Rechtsordnung . So ist eine Regelung, die beispielsweise die Religionsmündigkeit von Jugendlichen auch im Verhältnis zu den Eltern vor Erreichen der Volljährigkeit begründet, ein Ausdruck dafür, dass mit zunehmendem Alter den Kindern eigene Wahrnehmungsrechte unabhängig von der elterlichen Zustimmung zuwachsen.13 2.2. Mögliche Formen der Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung Wie eingangs ausgeführt, lässt sich die Frage nach konkreten Folgen einer Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung im Hinblick auf die Vielzahl denkbarer Regelungen nur schwer beantworten. Bei der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz kommen insbesondere folgende Möglichkeiten in Betracht:14 - Achtung der Kindeswürde; - besondere Schutzpflichten; - Entwicklungs- und Entfaltungsgarantien; - Achtung der Persönlichkeit des Kindes und seiner wachsenden Selbständigkeit im Rahmen des elterlichen Erziehungsrechts; - staatliche Leistungspflichten; 11 Badura in Maunz/Dürig, Art. 6 Abs. 2, 3 Rn. 94. 12 Jestaedt in Bonner Kommentar, Art. 6 Abs. 2, 3 Rn. 51. 13 Robbers in Mangoldt, Hermann von / Klein, Friedrich, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 1, Präambel, Art. 1 bis 19, 5. Auflage, München 2005 (zit.: Bearbeiter in v. Mangoldt), Art. 6 Abs. 2, Rn. 159. 14 Vgl. Herdegen, Matthias: Die Aufnahme besonderer Rechte des Kindes in die Verfassung, Aufsatz, FamRZ 1993, 374, 380 ff. - 7 - - ein Diskriminierungsverbot zugunsten von Kindern. Mit Ausnahme der Garantie von bestimmten staatlichen Leistungspflichten (wie beispielsweise eine Bereitstellung kostenloser Kindergartenplätze) halten sich die konkreten Auswirkungen solcher Neuregelungen sehr in Grenzen, da der bestehende Schutz durch die Verfassung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits sehr weitreichend ist.15 So fügt eine Ergänzung des Grundgesetzes mit einer Bestimmung über die Achtung der Kindeswürde angesichts der allgemeinen Garantie der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG der Verfassung nichts an Substanz hinzu.16 Entsprechendes gilt für die Aufnahme besonderer Schutzpflichten, der Entwicklungs- und Entfaltungsgarantien und der Achtung der Persönlichkeit des Kindes und seiner wachsenden Selbständigkeit im Rahmen des elterlichen Erziehungsrechts. Hier wäre der Effekt mehr bestätigender Art: Die insbesondere von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze würden nunmehr ausdrücklich in der Verfassung genannt. Der praktische Nutzen würde vor allem darin bestehen, dass solche ausdrücklichen Grundrechtsbestimmungen das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung hinsichtlich der Kinderrechte stärker prägen könnten.17 Ein Diskriminierungsverbot zugunsten von Kindern ist im Hinblick auf den bestehenden Schutz nicht erforderlich, sondern liefert nur eine „Leerformel, deren Konkretisierung sich nach den materiellen Maßstäben richtet, die anderen Verfassungsbestimmungen zu entnehmen sind“.18 Damit bliebe als wirkungsvollste Neuerung nur die Garantie von bestimmten staatlichen Leistungspflichten, die im Wesentlichen die Bereitstellung besonderer Betreuungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche zum Inhalt haben würden.19 Gegen die Aufnahme solcher Leistungspflichten in das Grundgesetz wird jedoch eingewandt , dass ihre Aufnahme dem Landesverfassungsrecht vorbehalten bleiben sollte, weil es in erster Linie um die Schaffung und Förderung von Einrichtungen durch die 15 Vgl. die detaillierte Untersuchung von Herdegen, FamRZ 1993, 374, 380 ff. 16 Vgl. Herdegen, FamRZ 1993, 374, 383. 17 Vgl. Herdegen, FamRZ 1993, 374, 381 ff., der wohl aus diesem Grund die Ergänzung des Art. 6 Abs. 2 GG dahingehend für erwägenswert hält, dass im Rahmen der Elternverantwortung ausdrücklich die Rücksichtnahme auf die Persönlichkeit und die wachsende Selbständigkeit des Kindes vorgeschrieben wird. 18 So Herdegen, FamRZ 1993, 374, 383. 19 Herdegen, FamRZ 1993, 374, 383. - 8 - Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände gehen würde.20 Dabei muss auch die Finanzierbarkeit solcher Leistungen berücksichtigt werden. Die Leistungsansprüche könnten zwar durch Gesetzesvorbehalte eingeschränkt werden. Eine solche Grundgesetzregelung würde dann aber in der Gefahr stehen, konkrete Leistungserwartungen und Anspruchshaltungen aufzubauen, die in der Rechtswirklichkeit angesichts knapper Kassen enttäuscht werden könnten.21 2.3. Auswirkungen einer Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung am Beispiel des Vorschlags der Jugendministerkonferenz vom 12. Juni 1992 Die Konferenz der Jugendministerinnen und Jugendminister, Jugendsenatorinnen und Jugendsenatoren vom 12. Juni 1992 in Potsdam hat folgende Änderung des Art. 6 Abs. 2 GG vorgeschlagen, um Kinderrechte in der Verfassung zu stärken:22 „Jedes Kind hat ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Sie schützt und fördert die Rechte des Kindes und trägt für kindgerechte Lebensbedingungen Sorge.“ Die Sätze 2 und 3 sind textidentisch mit dem bisherigen Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 GG. Zusätzliche Auswirkungen könnten daher nur die Sätze 1 und 4 entfalten. 2.3.1. Satz 1 des Vorschlags der Jugendministerkonferenz Der Satz 1 – „Jedes Kind hat ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung“ – bringt keine weitergehenden Rechte gegenüber der vom BVerfG bereits unterstrichenen verfassungsrechtlichen Position der Kinder. Der Unterschied würde im Wesentlichen nur darin bestehen , dass diese Maßgabe nunmehr ausdrücklich im Verfassungstext enthalten ist. 20 Herdegen, FamRZ 1993, 374, 383. 21 Herdegen, FamRZ 1993, 374, 383. 22 Dieser Vorschlag wurde 1993/94 in die Diskussion der damaligen Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat hinsichtlich einer Änderung von Art. 6 GG mit einbezogen, ohne jedoch zu einer besonderen Empfehlung zu führen. BT-Drs. 12/6000, S. 55. - 9 - Der praktische Nutzen würde vor allem darin bestehen, dass diese ausdrückliche Grundrechtsbestimmung das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung hinsichtlich der Kinderrechte stärker prägen könnte. 2.3.2. Satz 4 des Vorschlags der Jugendministerkonferenz Der neue Satz 4, 1. Halbsatz „Sie [die staatliche Gemeinschaft] schützt und fördert die Rechte des Kindes“ enthält gleichfalls Verpflichtungen, die die Rechtsprechung des BVerfG bereits weitgehend aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG abgeleitet hat. So ergibt sich aus dem geltenden Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, dass ein staatliches Wächteramt besteht. Aus diesem Wächteramt folgt schon nach jetziger Verfassungslage eine staatliche Schutz- und Förderungspflicht zugunsten des Kindes.23 Die Neureglung könnte tendenziell die staatliche Schutzpflicht im Verhältnis zum Elternrecht , dem bislang prinzipiell ein Vorrecht zuerkannt wird, stärken. Allerdings ist die weiterhin zu beachtende verfassungsrechtliche Grenze das Elternrecht, das ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe gewährleistet, die nicht durch das Wächteramt des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG gedeckt sind.24 Gravierende Neuerungen für die einfache Gesetzgebung wären demgemäß aufgrund dieser Neufassung eher nicht zu erwarten. Der neue Satz 4:, 2. Halbsatz „Sie [die staatliche Gemeinschaft] … trägt für kindgerechte Lebensbedingungen Sorge“ würde den Umfang des staatlichen Wächteramtes tendenziell erweitern. Bislang ist das Wächteramt im Wesentlichen in Bezug zur (grundsätzlich vorrangigen) Elternverantwortung ausgestaltet. Die vorgeschlagene Neuregelung würde hingegen eine davon losgelöste Verantwortung des Staates für die Schaffung besonderer, kindgerechter Lebensbedingungen festschreiben. Allerdings hat die sehr abstrakte Formulierung eher den Charakter einer Staatszielbestimmung und würde jedenfalls nicht unmittelbar zu konkreten Ansprüchen der Kinder führen. 23 Robbers in v. Mangoldt, Art. 6, Rn. 241. 24 Robbers in v. Mangoldt, Art. 6, Rn. 184. - 10 - 3. Welche Verfassungsrechtler haben sich bisher insbesondere mit dem Thema „Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz“ befasst? Von den gängigen juristischen Kommentierungen zum Grundgesetz haben sich insbesondere die nachfolgend aufgeführten Verfassungsrechtler mit der Thematik „Kinderrechte im Grundgesetz“ auseinandergesetzt. In den Kommentierungen wird allerdings im Wesentlichen nur der bereits bestehende Grundrechtsschutz für Kinder und Jugendliche gemäß Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG erläutert. Die Forderung einer Verankerung spezieller Kinderrechte wird hingegen nicht explizit erhoben. Jestaedt in Dolzer, Rudolf (Gesamtherausgeber) u. a., Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung, Band 3, Heidelberg 1950 Grundwerk, Art. 6 Abs. 2, 3 Rn. 51. Richter in Denninger, Erhard, u. a., Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Loseblattsammlung, Band 1, Präambel bis Art. 17, 3. Auflage, Neuwied 2001; Art. 6 Rn. 9. Burgi in Frieauf, Karl Heinrich / Höfling, Wolfram, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung, Band 1, Art. 1 – 19, 17. Lieferung, Berlin 2006; Art. 6, Rn. 7 und 16. Robber, Gerhard, in Mangoldt, Hermann von / Klein, Friedrich, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 1, Präambel, Art. 1 bis 19, 5. Auflage, München 2005; Art. 6 Rn. 149 ff. Badura in Maunz, Theodor / Dürig, Günter, Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung , Band II, Art. 6 – 16a, 44. Lieferung, München 2005; Art. 6, Rn. 106, 110, 133 ff. Schmitt-Kammler in Sachs, Michael, Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage, München 2003, Art. 6, Rn. 58 ff. Umbach, Dieter in Umbach, Dieter / Clemens, Thomas, Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band 1, Art. 1 bis 37 GG, Heidelberg 2002; Art. 6 Rn. 79. Eine Recherche in verschiedenen juristischen Datenbanken (einschließlich des Katalogs der Bibliothek des Deutschen Bundestages) hat keine Hinweise auf aktuelle Monogra- - 11 - fien und Aufsätze zur Thematik ergeben. Aus jüngerer Zeit sind folgende Aufsätze hervorzuheben :25 Herdegen, Matthias: Die Aufnahme besonderer Rechte des Kindes in die Verfassung , Aufsatz, FamRZ26 1993, 374-384. Nach Darstellung der Rechte des Kindes im Grundgesetz, in mehreren Landesverfassungen und in völkerrechtlichen Verträgen untersucht der Verfasser, welche Verfassungsänderungen zur Aufwertung der Rechte von Kindern empfehlenswert sind. Dabei unterteilt er die diskutierten Reformvorschläge in Kategorien (z. B. Kindeswürde , Schutzpflichten, staatliche Leistungspflichten, Diskriminierungsverbot) und erörtert, welche Bedeutung und welche Auswirkungen die jeweilige Verfassungsänderung haben würde. Peschel-Gutzeit, Lore Maria: Die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz , Aufsatz, RdJB27 1994, 491-497. Die Autorin bedauert, dass die Aufnahme spezieller Kinderrechte in das Grundgesetz in den Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat zur Reformierung des Grundgesetzes keine Mehrheit gefunden hat. Nach einem Überblick über die Entwicklung des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG kommt sie zu dem Ergebnis, dass vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels in Bezug auf das Familienverständnis die Verstärkung der Rechte der Kinder geboten gewesen wäre. 25 In den Grundgesetz-Kommentaren finden sich ferner Hinweise auf nachfolgende ältere Monografien und Aufsätze, die allerdings teilweise nicht mehr verfügbar sind: Fehnemann, U., Die Innehabung und Wahrnehmung von Grundrechten im Kindesalter, 1983; Ossenbühl, F., Treuhänderische Wahrnehmung von Grundrechten der Kinder durch die Eltern, FamRZ 1977, 533; Reuter, D., Kindesgrundrechte und elterliche Gewalt, 1968; Roell, Die Geltung der Grundrechte für Minderjährige, Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 468, 1984, 32 ff.;. 26 Zeitschrift für das gesamte Familienrecht. 27 Recht der Jugend und des Bildungswesens.