© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 398/18 Reichweite von Vereinsverboten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 398/18 Seite 2 Reichweite von Vereinsverboten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 398/18 Abschluss der Arbeit: 29. November 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 398/18 Seite 3 1. Einleitung Gefragt wird nach der Reichweite von Vereinsverboten, insbesondere nach der Möglichkeit des Verbots nicht eingetragener, dezentral organisierter und ausländischer Vereine. Das Grundgesetz (GG) verbürgt in Art. 9 Abs. 1 die Vereinigungsfreiheit als Grundrecht. Nach Art. 9 Abs. 2 GG sind jedoch Vereinigungen verboten, „deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“. Einfachrechtlich ist das Vereinsverbot in den §§ 3 ff. Vereinsgesetz (VereinsG) geregelt. Danach stellt die Verbotsbehörde in einer Verfügung die Erfüllung eines Verbotstatbestandes fest und ordnet die Auflösung des Vereins an. 2. Vereinsbegriff Der Vereinsbegriff des VereinsG ist denkbar weit. Er umfasst nach § 2 Abs. 1 VereinsG „ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.“ Nach § 3 VereinsG können daher nicht nur eingetragene Vereine im Sinne des § 21 Bürgerliches Gesetzbuch verboten werden. Erfasst sind insbesondere auch Unternehmensvereinigungen, gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse aller Art, ausländische Rechtsformen, Vorvereine und Vereine in Liquidation.1 Auch informelle Zusammenschlüsse von Personen sind Vereine, soweit sie die Tatbestandsmerkmale der genannten Definition erfüllen. An die geforderte „organisierte Willensbildung“ sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen.2 3. Untergliederungen eines Vereins Wird ein Vereinsverbot nicht ausdrücklich beschränkt, erstreckt es sich nach § 3 Abs. 3 VereinsG „auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen ). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.“ 1 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 2 VereinsG Rn. 23 ff. 2 Vgl. nur zur sog. „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“: OVG Berlin-Brandenburg NVwZ-RR 2013, 410; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht, § 2 VereinsG Rn. 23 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 398/18 Seite 4 Dabei müssen die Teilorganisationen den Verbotstatbestand nicht gesondert erfüllen.3 So erstreckte sich etwa das Verbot des rechtsextremistischen Vereins „Internationales Studienwerk Kollegium Humanum e.V.“ auch auf dessen Teilorganisation „Bauernhilfe“.4 4. Ausländische Vereine und Ausländervereine Bei Vereinen mit Auslandsbezug sind ausländische Vereine und Ausländervereine zu unterscheiden. Ausländische Vereine sind solche, die ihren Sitz im Ausland haben. Insoweit stellt § 18 VereinsG klar, dass für Verwaltungsakte deutscher Behörden das Territorialitätsprinzip gilt: Sie gelten grundsätzlich nur im deutschen Hoheitsgebiet.5 Daher hat das Verbot eines ausländischen Vereins lediglich die Wirkung, dass seine Teilorganisationen in Deutschland verboten sind. Ist der ausländische Verein im Inland nicht organisiert, richtet sich das Verbot gegen seine Tätigkeit im Inland, § 18 S. 2 VereinsG. Ein Beispiel ist das 2014 ergangene Verbot des sogenannten Islamischen Staates.6 Dagegen haben Ausländervereine ihren Sitz in Deutschland. Sie zeichnen sich aber dadurch aus, dass ihre Mitglieder oder Leiter sämtlich oder überwiegend Ausländer sind, § 14 Abs. 1 VereinsG. Ausgenommen sind Vereine von Unionsbürgern. Nach § 14 Abs. 2 VereinsG gelten für Ausländervereine besondere Verbotsgründe. Als Ausländerverein wurde beispielsweise 2002 der Al Aqsa e.V., ein Hamas-naher Spendenverein, verboten.7 *** 3 Vgl. nur Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht, § 3 VereinsG Rn. 183. 4 BVerwG NVwZ 2010, 455. 5 Groh, Vereinsgesetz, 2012, § 18 Rn. 1. 6 Vgl. die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern vom 12. September 2014, abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2014/eckpunkte-is-verbot .pdf?__blob=publicationFile&v=1; alle Internet-Quellen zuletzt abgerufen am 28. November 2018. 7 Vgl. BVerwG NVwZ 2005, 1435; weitere Informationen des Bundesministeriums den Innern sind abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/DE/themen/sicherheit/extremismus-und-terrorismusbekaempfung/vereinsverbote /vereinsverbote-node.html.