Deutscher Bundestag Auswirkung der Hamburger Schulstrukturreform auf Schulen in freier Trägerschaft Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2009 Deutscher Bundestag WD 3 – 397/09 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 397/09 Seite 2 Auswirkungen der Hamburger Schulstrukturreform auf Schulen in freier Trägerschaft Verfasser/in: Ausarbeitung: WD 3 – 397/09 Abschluss der Arbeit: 16. November 2009 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 397/09 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung .............................................................................. 4 2. Auftragstellung ................................................................................... 4 2.1. Fragestellung ..................................................................................... 4 2.2. Sachverhalt ....................................................................................... 4 2.2.1. Hamburger Schulstrukturreform ...................................................... 4 2.2.2. Anpassung der Privatschulen an die neue Schulstruktur ................ 5 2.3. Prüfungsumfang ................................................................................ 5 3. Privatschulfreiheit nach Artikel 7 Abs. 4 Grundgesetz .................. 6 3.1. Privatschulfreiheit und ihre Gewährleistung ................................... 6 3.2. Genehmigungsbedürfnis und Genehmigungsanspruch für Ersatzschulen .................................................................................... 7 3.3. Staatliche Aufsicht und Einfügung der Ersatzschulen in die Schulstruktur .................................................................................... 7 4. Landesgesetzliche Anordnung der Übertragung der Schulreform auf Privatschulen ......................................................... 8 4.1. Bestehende Privatschulen ................................................................. 8 4.2. Genehmigung neuer Privatschulen ................................................... 8 5. Hamburger Schulstrukturreform und Privatschulfreiheit ............. 9 5.1. Automatische Übertragung der Struktur auf Privatschulen ............. 9 5.2. Recht des Landesgesetzgebers zur Typisierung von Schulen .......... 9 5.3. Wirkung auf den Einzelfall ............................................................. 10 5.4. Bestandsschutz für bereits genehmigte Privatschulen? .................. 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 397/09 Seite 4 1. Zusammenfassung Die Übertragung der Struktur des öffentlichen Schulwesens auf den Bereich der Privatschulen erfolgt nicht durch einen verfassungsrechtlichen Automatismus, sondern bedarf der gesetzlichen Anordnung. Den Privatschulen die neue Hamburger Schulstruktur vorzugeben, ist verfassungsrechtlich zulässig . Das schließt nicht aus, dass im Einzelfall ein Anspruch auf die Genehmigung eines abweichenden Schultyps bestehen könnte. Der Bestandsschutz von bestehenden Genehmigungen für den Betrieb einer Privatschule beschränkt sich auf die allgemeinen Regeln über den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes . 2. Auftragstellung 2.1. Fragestellung Zu prüfen ist, ob die im Zuge der Hamburger Reform für Privatschulen vorgesehene Anpassung der Schulen in freier Trägerschaft an die neue Schulstruktur mit der Bestandsgarantie für Schulen in freier Trägerschaft aus Artikel 7 Grundgesetz vereinbar ist oder ob diese von der Schulstrukturreform ausgenommen werden. Dabei ist die Wirkung des Grundsatzes der Akzessorietät zwischen in freier Trägerschaft geführten Ersatzschulen und staatlichen Schulen zu klären. 2.2. Sachverhalt 2.2.1. Hamburger Schulstrukturreform Die Hamburger Bürgerschaft beschloss am 7. Oktober 2009 auf Antrag des Senats (Drs. 19/3195) und mit den Änderungsempfehlungen des Schulausschusses (Drs. 19/4150) das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes1. Mit diesem Gesetz wird das Hamburger Schulwesen neu gegliedert. Die bisher vierjährige Grundschule wird durch eine sechsjährige Primarschule ersetzt. Die Primarschule ist als der gemeinsame Lernort für alle Schülerinnen und Schüler vorgesehen. Sie soll die Entscheidung über die Fortsetzung des individuellen Bildungsweges länger als bisher offen halten und eine frühe Festlegung auf eine bestimmte Schullaufbahn vermeiden. Je nach ihren individuellen Lernvoraussetzungen und Lernfortschritten sollen die Schüler die Primarschule unterschiedlich schnell durchlaufen können. Zu einer Primarschule sollen Vorschulklassen gehören . Im Anschluss an die Primarschule sind nur noch zwei in ihrer Struktur unterschiedliche, aber gleichwertige weiterführende Schulformen vorgesehen, in denen alle schulischen Bildungsabschlüsse erreicht werden können. Das Gymnasium führt nach zwölf Schuljahren, die Stadtteilschule nach 13 Schuljahren zum Abitur. In beiden Schulformen werden am Ende der Jahrgangsstufe 9 oder 10 der erste allgemeinbildende Schulabschluss (Hauptschulabschluss) und am Ende 1) 12. Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes vom 20. 10. 2009 (HmbGVBl. S. 373, 382). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 397/09 Seite 5 der Jahrgangsstufe 10 der mittlere Schulabschluss (Realschulabschluss) erworben, wenn die Schülerinnen und Schüler die für diese Abschlüsse erwarteten Kompetenzen nachgewiesen haben . 2.2.2. Anpassung der Privatschulen an die neue Schulstruktur In seinem Gesetzentwurf vom 11. August 2009 schlägt der Senat von Hamburg der Bürgerschaft vor, das Hamburgische Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft (HmbSfTG)2 der neuen Schulstruktur anzupassen (Drs. 19/3788). Insbesondere bestehe für die freien Schulträger, die bereits genehmigte oder anerkannte Ersatzschulen betreiben, im Hinblick auf den schulreformbedingten Fortfall der Grund-, Haupt-, Real- und Gesamtschule ein gesetzlicher Überleitungsbedarf für die bestehenden Genehmigungen bzw. Anerkennungen. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Schulreform wirksame Genehmigungen bzw. Anerkennungen sollen für die der alten Schulform entsprechende neue Schulform weiter gelten. Die Genehmigungen für die Ersatzschule als Grundschule sollen zukünftig als Genehmigungen für Primarschulen , die Genehmigungen für die Errichtung von Haupt-, Real- und Gesamtschulen als Genehmigungen für Stadtteilschulen gelten (Artikel 3 des Entwurfs). Der Gesetzentwurf geht in seiner Begründung davon aus, dass die Schulformen der Ersatzschulen nicht von denen im Hamburger Schulgesetz abweichen können (Grundsatz der Akzessorietät)3. Daher seien die wesentlichen Veränderungen im staatlichen Schulbereich von den Ersatzschulen zu übernehmen4. Abgeleitet wird dies aus § 1 Abs. 2 Satz 1 des HmbSfTG. Darin heißt es: „Ersatzschulen sind Schulen in freier Trägerschaft, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck Schulen entsprechen, die nach dem Hamburgischen Schulgesetz […] in der jeweils geltenden Fassung bestehen.“ 2.3. Prüfungsumfang Zunächst ist zu prüfen, ob und inwieweit das reformierte Schulgesetz und das im Entwurf vorliegende HmbSfTG die Übernahme der neuen Schulstruktur durch die bestehenden Privatschulen anordnet. Fraglich ist, ob ein freier Träger, der die sonstigen Voraussetzungen des Artikels 7 GG erfüllt, einen Anspruch auf Genehmigung einer Privatschule alten Typs, z.B. eines Gymnasiums ab Jahrgangsstufe 5, hätte. Schließlich stellt sich die Frage der Teilfinanzierung einer solchen Schule durch den Staat. Wegen der knappen Prüfungsfrist kann keine umfassende Prüfung der Gesetzentwürfe vorgenommen werden. Die landesrechtliche Wirkung der vorgesehenen Bestimmungen, insbesondere die Fortwirkung von Genehmigungen und Anerkennungen bestehender Privatschulen sowie die Frage, unter welchen Umständen die Genehmigung zum Betrieb einer Privatschule erteilt werden muss, wird nur kursorisch geprüft. Dargestellt wird die Vereinbarkeit der beabsichtigten Regelung mit Artikel 7 Grundgesetz, wobei die landesgesetzliche Anordnung der Übernahme der neuen Schulstruktur durch die Privatschulen im Ergebnis unterstellt wird. 2) Gesetz in der Fassung vom 21. 9. 2004 (HmbGVBl. S. 365). 3) Allgemeine Begründung, Ziff. 3, S. 7, und Begründung zu Artikel 3 Abs. 3, S. 11. 4) Begründung zu Nr. 13 (§ 16), S. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 397/09 Seite 6 3. Privatschulfreiheit nach Artikel 7 Abs. 4 GG 3.1. Privatschulfreiheit und ihre Gewährleistung Artikel 7 Abs. 4 GG gewährleistet das Recht zur Errichtung von privaten Schulen. Dies bedeutet, es besteht ein subjektives Grundrecht eines jedermann, eine Privatschule zu gründen5. Die Privatschulfreiheit schützt nicht nur die Errichtung, sondern auch das Betreiben privater Schulen6. Als Abwehrrecht gegen ein staatliches Schulmonopol verbietet Artikel 7 Abs. 4 GG dem Staat, die Einrichtung und den Betrieb privater Schulen ohne hinreichenden Grund unmöglich zu machen oder zu behindern7. Weder durch den Landesgesetzgeber noch durch Maßnahmen der Verwaltung darf die Privatschulfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt werden8. Neben dem subjektiven Grundrecht zur Errichtung von Privatschulen wird aus Artikel 7 Abs. 4 GG auch eine institutionelle Gewährleistung des Privatschulwesens abgeleitet9. Die Länder sind verpflichtet, das private Ersatzschulwesen neben dem öffentlichen Schulwesen zu fördern und in seinem Bestand zu schützen. Ohne Erfüllung dieser Pflicht könnte von dem Grundrecht kein Gebrauch gemacht werden10. Diese Bestandsgarantie beschränkt die dem Staat zustehende Organisationsgewalt auf dem Gebiet des Schulwesens nicht11. Es ist Sache des Landesgesetzgebers, die Garantie der Privatschulfreiheit sachgerecht zu verwirklichen.12 Die Schutz- und Förderungspflicht des Staates richtet sich nicht auf die Einrichtung oder den Bestand einer konkreten Privatschule 13. Die Privatschulfreiheit beinhaltet, einen eigenverantwortlich geprägten und gestalteten Unterricht zu erteilen und Erziehungsziele zu bestimmen, die weltanschauliche Basis, die Lehrinhalte und Lehrmethode festzulegen.14 Die Gestaltungsfreiheit des Schulträgers erstreckt sich auf die organisatorischen Bedingungen der Schule sowie auf die Auswahl der Lehrer und Schüler15. 5) Badura in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Lfg. 50, Juni 2007, Artikel 7, Rn. 97. 6) Hemmrich in Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 5. Auflage, Band 1, Artikel 7, Rn. 38. 7) Robbers in Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Auflage, Band 1, Artikel 7, Rn. 168. 8) BVerwGE 23, 347 [349]. 9) Robbers in Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Auflage, Band 1, Artikel 7, Rn. 174; Hemmrich in Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 5. Auflage, Band 1, Artikel 7, Rn. 35 m.w.Nw. 10) BVerfGE 75, 40 [62]. 11) BVerfGE 27, 195 [200]. 12) Badura in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Lfg. 50, Juni 2007, Artikel 7, Rn. 100 m.w.Nw. 13) Badura in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Lfg. 50, Juni 2007, Artikel 7, Rn. 99 m.w.Nw. 14) Badura in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Lfg. 50, Juni 2007, Artikel 7, Rn. 102. 15) Badura in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Lfg. 50, Juni 2007, Artikel 7, Rn. 102 m.w.Nw. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 397/09 Seite 7 3.2. Genehmigungsbedürfnis und Genehmigungsanspruch für Ersatzschulen Das Grundgesetz unterscheidet Privatschulen, die einen Ersatz für öffentliche Schulen darstellen sollen (Ersatzschule), von sonstigen Privatschulen (Ergänzungsschulen). Anders als die Ergänzungsschule steht die Gründung einer Ersatzschule unter dem Vorbehalt der staatlichen Genehmigung. Auf die Erteilung der Genehmigung besteht ein verfassungsrechtlicher Anspruch, „wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“ (Artikel 7 Abs. 4 Satz 3 GG). Nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts ist eine Privatschule als Ersatzschule zu genehmigen , die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen soll.16 Ob eine Privatschule Ersatzschule ist, hängt vom Landesrecht ab, das bestimmt, welche öffentlichen Schulen es gibt, denen eine Privatschule entsprechen kann17. Dem Landesgesetzgeber obliegt es, eine Schulstruktur vorzugeben und die Schulformen auszugestalten. Um eine Ersatzschule handelt es sich jedenfalls immer dann, wenn deren Besuch der Schulpflicht genügen soll, da eine genehmigungsfreie Ergänzungsschule in diesem Bereich von schulpflichtigen Kindern nicht besucht werden dürfte18. 3.3. Staatliche Aufsicht und Einfügung der Ersatzschulen in die Schulstruktur Das Grundgesetz unterstellt in Artikel 7 Abs. 1 das gesamte Schulwesen, also auch die Privatschulen der Aufsicht des Staates. Zu dieser umfassenden Aufsicht des Staates gehört es, durch Landesgesetz eine Schulstruktur vorzugeben, in deren Gesamtkonzeption sich auch private Ersatzschulen einzufügen haben. Der Landesgesetzgeber kann festlegen, „welche öffentlichen Schulen es gibt, denen eine Privatschule entsprechen kann.“19 Mit einer schulischen Gesamtkonzeption kann der Landesgesetzgeber auch vorgeben, welche pädagogischen Ziele verfolgt werden sollen 20. Als weiterführende Ersatzschule ist nur eine solche Privatschule zu genehmigen, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen soll21. Daher besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Anspruch auf Genehmigung eines Privatgymnasiums, das ab Klasse 5 beginnt, wenn der Landesgesetzgeber eine ausnahmslos sechsjährige Grundschule vorgesehen hat und der Betrieb eines solchen grundständigen Gymnasiums der Gesamtkonzeption des öffentlichen Schulwesens des Landes widerspricht22. 16) BVerfGE 27, 195 [201 f.; 75, 40 [76]; 90, 128 [139]. 17) BVerfGE 90, 128 [139]. 18) BVerwGE 104, 1 [7]. 19) BVerfGE 90, 128 [139]. 20) BVerwGE 104, 1 [7 f.]. 21) Hemmrich in Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, 5. Auflage, Band 1, Artikel 7, Rn. 39a. 22) BVerwGE 104, 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 397/09 Seite 8 4. Landesgesetzliche Anordnung der Übertragung der Schulreform auf Privatschulen 4.1. Bestehende Privatschulen Für bereits bestehende Grundschulen als Ersatzschulen sieht Art. 3 Abs. 3 des Entwurfs eines HmbSfTG vor, dass die bereits erteilten Genehmigungen als Genehmigungen für Primarschulen fortgelten. Darin liegt eine Erweiterung, da sich die Betriebsgenehmigung zukünftig auch auf die Klassenstufen 5 und 6 erstreckt. Für Haupt-, Real- und Gesamtschulen gelten die bisher erteilten Genehmigungen als Genehmigungen für Stadtteilschulen fort, wobei sich die Genehmigung nur auf die bereits bisher genehmigten Schulstufen bezieht. Die bisherige Genehmigung für eine Realschule bis zur Klassenstufe 10 wird also nicht automatisch eine Genehmigung für die Schulstufen 11 bis 13 einer Stadtteilschule . Will der Schulträger diese Stufen anbieten, benötigt er eine entsprechende Genehmigung. Nicht ausdrücklich äußert sich der Entwurf zu den bereits erteilten Genehmigungen für den Betrieb eines Gymnasiums. Deren Fortgeltung ergibt sich aus dem weiteren Bestehen dieses Schultyps . Unklar bleibt jedoch, was dies für das Angebot der Stufen 5 und 6 bedeutet. Der Entwurf geht mit Hinweis auf das Akzessorietätsprinzip wohl davon aus, dass Privatgymnasien diese Stufen zukünftig nicht mehr anbieten dürfen. Ob es, wie vom Gesetzentwurf vorgesehen, ausreicht, die Überleitung der Genehmigungen und Anerkennungen gesetzlich anzuordnen, oder ob es im Einzelfall eines (Teil-) Widerrufs und einer Neuerteilung bedarf, kann hier nicht geprüft werden. 4.2. Genehmigung neuer Privatschulen Für die Erteilung von neuen Genehmigungen für die Errichtung von Privatschulen als Ersatzschulen geht der Entwurf davon aus, dass nur noch solche Schultypen genehmigt werden können , die der neuen Struktur öffentlicher Schulen entsprechen: Primarschulen, Stadtteilschulen und Gymnasien. Anderes verstieße gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 HmbSfTG, der durch den Entwurf nicht verändert werden soll, nach dem eine Ersatzschule nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck einer öffentlichen Schule entsprechen muss. Ob das beabsichtigte Landesrecht im Einzelfall auch die Erteilung einer anderen Genehmigung, z.B. eines Gymnasiums ab der Stufe 5, ermöglicht bzw. einen Anspruch darauf zulässt, bleibt hier unberücksichtigt. Gewisse Zweifel hieran ergeben sich aus dem Umstand, dass das HmbSfTG die Entsprechung von Schulen in freier Trägerschaft mit öffentlichen Schulen lediglich unter der Überschrift Begriffsbestimmung vorsieht. Ein ausdrückliches Entsprechungsgebot, etwa bei der Regelung über die Genehmigungsvoraussetzungen in § 6 HmbSfTG, würde für Klarheit sorgen. Im Schulgesetz könnte ausdrücklich eine sechsjährige Primarschulpflicht angeordnet werden23. 23) Vgl. BVerwGE 104, 1 [12]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 397/09 Seite 9 5. Hamburger Schulstrukturreform und Privatschulfreiheit 5.1. Automatische Übertragung der Struktur auf Privatschulen Aus der Verfassung ergibt sich kein Automatismus im Sinne einer strikten Akzessorietät des Ersatzschulbereichs im Verhältnis zur Struktur öffentlicher Schulen. Aus Artikel 7 GG lässt sich nicht ableiten, dass dem Landesgesetzgeber verwehrt ist, in freier Trägerschaft auch andere Schultypen zuzulassen, als die nach dem Schulgesetz für die öffentlichen Schulen vorgegebenen Typen. 5.2. Recht des Landesgesetzgebers zur Typisierung von Schulen Zu fragen ist, ob der Landesgesetzgeber den Privatschulen die Schulstruktur, insbesondere eine auch für sie verbindliche Typisierung von Schulen vorgeben darf. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies ausdrücklich jedenfalls für den Bereich bejaht, in dem die Schulpflicht besteht. Nach Einführung einer ausnahmslos für alle Schülerinnen und Schüler gemeinsamen sechsjährigen Grundschule im Land Brandenburg klagte ein freier Träger erfolglos auf Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung eines Gymnasiums ab der Klassenstufe 5. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellte es fest, dass das Landesrecht bestimme, welche öffentlichen Schulen es gebe, denen eine Privatschule entsprechen könne . Damit könne von der durch das Landesrecht ausgestalteten Schulstruktur abhängen, welche Schulform als Ersatzschule genehmigungsfähig sei. Schon nach dem Wortsinne könne eine Schule in freier Trägerschaft nur dann „Ersatzschule“ sein, wenn sie in der Lage ist, die öffentliche Schule zu ersetzen.24 Zu unterscheiden sei aber zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen. Im Bereich der weiterführenden Schulen sei zwar keine strenge Akzessorietät zu fordern. Der Grundschulbereich sei aber durch Artikel 7 Abs. 5 GG mit besonderem staatlichem Vorrang ausgestattet. Hier sei ein „Mindestmaß an Verträglichkeit mit vorhandenen Schulstrukturen einschließlich der damit verfolgten pädagogischen Ziele“ zu beachten. 25 Die Anordnung einer auch für Privatschulen verbindlichen ausnahmslos sechsklassigen Grundschule mit entsprechender Schulpflicht sei verfassungsrechtlich zulässig, jedenfalls soweit eine schulische Vielfalt bzw. ein differenzierter Unterricht angestrebt werde.26 Das ergebe sich schon aus der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Begrifflichkeit der Ersatzschule (siehe oben). Dem Staat als Erziehungsträger sei es zwar verwehrt, Kinder übermäßig lange in einer Schule mit undifferenziertem Unterricht festzuhalten.27 Daher müsse das Schulsystem im Rahmen der finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten Raum lassen für verschiedene Begabungsrichtungen . Der Staat dürfe aber auch neben individuelle Begabung andere Bildungsfaktoren setzen28. Diese zu bestimmen und aufeinander abzustimmen, gehöre zum Gestaltungsbereich des Staates.29 Dabei 24) BVerwGE 104, 1 [7]. 25) BVerwGE 104, 1 [7 f.]. 26) BVerwGE 104, 1 [8]. 27) unter Hinweis auf BVerfGE 34, 165 [187]. 28) unter Hinweis auf BVerfGE 34, 165 [188]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 397/09 Seite 10 habe der Landesgesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum30, der erst ende, wo schulorganisatorische Maßnahmen offensichtlich nachteilig für ein Kind wären31. Das Brandenburger Schulrecht wirke einem undifferenzierten Unterricht dadurch entgegen, dass unter dem gemeinsamen Dach der Schulform „Grundschule“ Möglichkeiten der „Binnendifferenzierung“ genutzt werden sollen, etwa durch Förderunterricht in kleinen Lerngruppen für Schüler aller Leistungsstufen.32 Entsprechend dem Brandenburger Schulgesetz sieht auch das Hamburger Schulgesetz Möglichkeiten zur Binnendifferenzierung vor. Nach § 14 Abs. 3 Satz 2 des Schulgesetzes sollen den Schülern Kompetenzen „je nach ihren individuellen Lernfortschritten“ ermöglicht werden. Von einer Vereinbarkeit der verbindlichen Übertragung der neuen Schulstruktur auf Privatschulen mit Artikel 7 GG ist danach auszugehen. 5.3. Wirkung auf den Einzelfall Die grundsätzliche verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Übertragung der Schulstruktur auf Privatschulen schließt nicht aus, dass im Einzelfall gleichwohl ein Anspruch auf Genehmigung eines davon abweichenden Schultyps in Betracht kommt. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei einer Entscheidung dieser Frage den Landesgerichten aufgegeben zu prüfen, ob die vom Landesgesetzgeber angestrebten spezifischen pädagogischen Gesamtzwecke der Schulstruktur, z.B. das bei der sechsjährigen Grundschulzeit angestrebte Verständnis der Schüler für die jeweils anderen gesellschaftlichen Gruppen, nicht auch von einem anderen Schultypus erfüllt werden könnten. Dann sei zu prüfen, ob der Betrieb einer Privatschule eigenen Typs die spezifischen pädagogischen Ziele, die mit der landesrechtlichen Ausgestaltung der öffentlichen Grundschule verfolgt werden, an diesen öffentlichen Schulen beeinträchtige . So könne die Zulassung eines Gymnasiums ab Klasse 5 das Ziel des gemeinsamen Lernens und die erstrebte Zusammensetzung der Schülerschaft einer öffentlichen Grundschule beeinträchtigen , weil dieser dann schlicht die entsprechenden Schüler fehlten.33 5.4. Bestandsschutz für bereits genehmigte Privatschulen? Für die Frage, ob Privatschulen, für deren Errichtung bereits eine Genehmigung erteilt worden ist, hinsichtlich der Schulstruktur Bestandsschutz genießen, ergeben sich aus Artikel 7 GG keine Besonderheiten. Die Prüfung hat im Rahmen der Einzelfallentscheidung nach Änderung der landesgesetzlichen Rechtsgrundlage nach § 49 VwVfG oder einer entsprechenden Landesbestimmung zu erfolgen. 29) BVerwGE 104, 1 [9]. 30) unter Hinweis auf BVerfGE 34, 165 [188 f]. 31) BVerwGE 104, 1 [9]. 32) BVerwGE 104,1 [11]. 33) BVerwGE 104,1 [13].