Bündelung der Telekommunikationsüberwachung - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 395/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Bündelung der Telekommunikationsüberwachung Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 395/08 Abschluss der Arbeit: 31.10.2008 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Drucksachenrecherche durch (Hotline W), sonstige Rechercheunterstützung durch (Prakt.) Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Ebenso wie bei bisherigen Formen der Kooperation von Sicherheitsbehörden bleiben beim Kompetenzzentrum-TKÜ und beim Servicezentrum-TKÜ die Aufgaben der beteiligten Behörden in ihren gesetzlichen Abgrenzungen gewahrt. Eine neue Behörde mit erweiterten Befugnissen über den bisherigen Kompetenzrahmen der beteiligten Behörden hinaus wird nicht geschaffen. Es entstehen keine neuen Rechtsqualitäten, da Polizei und Nachrichtendienste organisatorisch getrennt bleiben und die Nachrichtendienste keine polizeilichen Befugnisse erhalten und umgekehrt. Der Zugriff auf Datenbestände erfolgt ausschließlich zweckgebunden. Die Intensität des Datenaustausches erreicht nicht die gleiche Konzentrationsdichte wie beim Gemeinsamen Terroristenabwehrzentrum , sondern bleibt hinter ihr zurück. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. Trennungsgebot 4 2.1. Grundlage des Trennungsgebots 4 2.2. Inhalt des Trennungsgebots 6 2.3. Trennungsgebot und Kompetenzzentrum TKÜ 8 3. Recht auf informatione lle Selbstbestimmung 9 4. Bisherige Formen der Kooperation von Sicherheitsbehörden 10 4.1. Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration 10 4.2. Gemeinsames Terroristenabwehrzentrum 11 4.3. Antiterrordatei 12 4.4. Gemeinsames Internetzentrum 13 4.5. Kompetenz- und Servicezentrum im Vergleich 13 - 4 - 1. Einleitung Zur Harmonisierung und Bündelung der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) durch die Sicherheitsbehörden beabsichtigt das Bundesministerium des Innern (BMI), für das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt gemeinsame TKÜ-Technik in einem Servicezentrum-TKÜ (SC-TKÜ) aufzubauen . Als Vorteile dieser Lösung werden geringere Kosten, flexiblere und schnellere Anpassung an veränderte Technik und höhere und flexiblere Kapazitätsreserven erwartet. Parallel sollen Experten im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Kompetenzzentrum-TKÜ (CC-TKÜ) sowohl räumlich als auch orga nisatorisch eng zusammenarbeiten, um dem technologischen Wandel besser begegnen zu können, die Zusammenarbeit mit der TK-Industrie zu optimieren sowie gezielt die Bedarfsträger zu beraten. Das SC-TKÜ wird die Daten für die jeweiligen Sicherheitsbehörden jeweils organisatorisch und technisch getrennt voneinander verarbeiten. Für das CC-TKÜ ist der Austausch von technischem und organisatorischem „Know-how“ vorgesehen. Es wird dabei weder eine neue Behörde errichtet, noch werden Befugnisse gemeinsam wahrgenommen oder Aufgaben der jeweiligen Sicherheitsbehörden miteinander verschmolzen.1 Organisatorisch wird das SC-TKÜ beim Bundesverwaltungsamt (BVA) in der Bundesstelle für Informationstechnik angesiedelt, wo nach derzeitiger Planung die TKÜ- Anlagen der Bedarfsträger betrieben werden. Informationen über konkrete Ermittlungsfälle werden nicht ausgetauscht. 2. Trennungsgebot 2.1. Grundlage des Trennungsgebots Verfassungsschutzbehörden wie auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) und der Bundesnachrichtendienst (BND) sind in der Bundesrepublik von den Polizei- und allgemeinen Sicherheitsbehörden getrennt. Einfachgesetzlich ist dies in den §§ 2 Abs. 1 S. 3, 8 Abs. 3 BVerfSchG2, §§ 1 Abs. 4, 4 Abs. 2 MADG3 sowie §§ 1 Abs. 1 S. 2, 2 Abs. 3 1 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Silke Stokar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 16/10137 (Kleine Anfrage: BT -Drs. 16/10050). 2 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz, BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), geändert durch § 32 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2590, 2597). 3 Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst (MAD-Gesetz, MADG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2977), geändert durch Artikel 3 und 10 Abs. 2 des Gesetzes vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 2). - 5 - BNDG4 geregelt. Dieses Trennungsgebot geht auf den sog. „Polizeibrief“ der Alliierten Militärgouverneure vom 14. April 1949 zurück.5 Es ist allgemein anerkannt, dass dieses Trennungsgebot im Bund und in den meisten Ländern mit Gesetzesrang gilt. Darüber hinaus wird dem Trennungsgebot in der Literatur überwiegend Verfassungsrang zugeschrieben. 6 Dieser Auffassung scheint auch das Bundesverfassungsgericht zuzuneigen. Es hat sich in der sog. BGS-Entscheidung zum Trennungsgebot geäußert und ausgeführt: „Das Rechtsstaatsprinzip, das Bundesstaatsprinzip und der Schutz der Grundrechte können es verbieten, bestimmte Behörden miteinander zu verschmelzen oder sie mit Aufgaben zu befassen , die mit ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung nicht vereinbar sind. So werden die Zentralstellen für Zwecke des Verfassungsschutzes oder des Nachrichtendienstes – angesichts deren andersartiger Aufgaben und Befugnisse – nicht mit einer Vollzugspolizeibehörde zusammengelegt werden dürfen (vgl. schon „Polizeibrief“ der westalliierten Militärgouverneure vom 14 .April 1949).“7 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht die Frage im Ergebnis offen gelassen, da sie für den zur Entscheidung stehenden Fall keiner abschließenden Klärung bedurfte. Zur Begründung des Verfassungsrangs für das Trennungsgebot wird in der Literatur überwiegend auf den Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG Bezug genommen. Darin wird dem Bund das Recht eingeräumt, bestimmte „Zentralstellen“ einzurichten. Aus der Verwendung des Plurals werden zum Teil verfassungsrechtliche Organisationssperren abgeleitet, indem der Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG dahingehend interpretiert wird, dass für die unterschiedlichen in der Vorschrift genannten Aufgaben auch unterschiedliche und daher notwendig getrennte Zentralstellen eingerichtet werden müssen.8 Dem wird entgegen gehalten, die Vorschrift schaffe lediglich eine Einrichtungsbefugnis 4 Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz, BNDG) vom 20. Deze mber 1990 (BGBl. I S. 2954), geändert durch Artikel 4 und 10 Abs. 3 des Gesetzes vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 2). 5 Abgedruckt bei Roewer, Helmut, Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, Kommentar und Vorschriftensammlung für die Praxis der Verfassungsschutzbehörden, des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 189. 6 Götz, Vokmar, Innere Sicherheit, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland; Band III – Das Handeln des Staates, 1988, § 79 Rn. 43; Gusy , Christoph, Das verfassungsrechtliche Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten, ZRP 1987, 45 (48); Lisken, Hans, Polizei und Verfassungsschutz, NJW 1982, 1481 (1482); a. A.: Albert, Helmut, Das „Trennungsgebot“, ZRP 1995, 105 (108); Roewer (Fn. 5), § 3 BVerfSchG, Rn. 187 ff. 7 BVerfGE 97, 198 (217). 8 Gusy (Fn. 6), ZRP 1987, 45 (46). - 6 - für die Behörden des Bundes. Über ihre Unterstellung sowie andere organisatorische Einzelfragen sage sie aber nichts und biete daher keine verfassungsrechtliche Grundlage für das Trennungsgebot.9 Für den Verfassungsrang des Trennungsgebots wird weiter vorgebracht, die grundgesetzliche Schöpfung des Ausdrucks „Verfassungsschutz“ habe gerade die grundsätzliche Trennung von Polizei und Verfassungsschutz im Auge gehabt .10 Gegen dieses Argument wird eingewendet, die Verwendung des Begriffs „Verfassungsschutz “ belege allenfalls, dass die mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes befassten Organisationseinheiten keine polizeilichen Aufgaben und Befugnisse wahrnehmen dürfen. Dies bedeute aber nicht, dass die getrennte Führung zweier Aufgabenund Befugniskomplexe in einer einzigen Zentralstelle ausgeschlossen sein soll.11 2.2. Inhalt des Trennungsgebots Das Trennungsgebot weist primär einen organisationsbezogenen Inhalt auf. Nachrichtendienste und Polizei haben demnach funktionell, organisatorisch und personell verschieden zu sein.12 Das Trennungsgebot hat aber auch Auswirkungen auf die informationelle Zusammenarbeit zwischen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden. Dabei steht dem Trennungsgebot jedoch das Prinzip der Zusammenarbeit gegenüber, das seine sachliche Fundierung in dem Umstand findet, dass sich die Aufgaben des Verfassungsschutzes und die kriminal- und präventivpolizeilichen Aufgaben des Staatsschutzes berühren und vielfältig überschneiden. Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz ist daher unumstritten. 13 Allerdings ergeben sich aus dem Trennungsgebot bestimmte Grenzen für die informationelle Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden, um zu verhindern, dass die organisatorische Trennung von Polizei und Verfassungsschutz durch wechselseitige Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen unterlaufen wird. Unvereinbar wäre insbesondere, wenn die Ämter für Verfassungsschutz durch die Amtshilfe faktisch polizeiliche Kontrollrechte erlangen könnten, also ihre Befugnisse gegenüber dem Bürger durch Zusammenarbeit erweitern würden. Nicht zu beanstanden ist es jedoch, wenn der Verfassungsschutz von der Polizei übermittelte Informationen nutzen darf, welche diese durch den rechtmäßigen Einsatz von Zwangsmitteln erlangt hat. Denn die Zwangsmittel sind im Zeitpunkt des Informationstransfers bereits eingesetzt. Bei jenem Einsatz durfte die Polizei zu eigenen Zwecken 9 Roewer (Fn. 5), § 3 BVerfSchG, Rn. 188. 10 Bull, Hans-Peter, in: Denninger, Erhard/Hoffmann-Riem, Wolfgang/Schneider, Hans-Peter/Stein, Ekkehardt (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentar , 3.Auflage, Stand: GW 2001 (Lose Blattsammlung), Art. 87 Rn. 84; Lerche, Peter, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Stand: Dezember 1992 (Lose Blattsammlung), Art. 87 Rn. 142. 11 Burgi, Martin, in: von Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 3: Artikel 83-146, 5. Auflage, 2005, Art. 87 Rn. 40. 12 Gusy (Fn. 6), ZRP 1987, 45 (46). 13 Götz, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR (Fn. 6), § 79 Rn. 42. - 7 - handeln. Sofern der Verfassungsschutz auf so gewonnene Erkenntnisse zurückgreift, erweitern sich seine eigenen Befugnisse nicht. Insbesondere erlangt er selbst keine polizeilichen Kontrollrechte gegenüber dem Bürger.14 Die Polizei darf demnach nur solche Informationen übermitteln, welche sie selbst rechtmäßig erworben hat. Unzulässig wäre dagegen eine Weitergabe rechtswidrig erlangter Daten. 15 Andererseits dürfen die Verfassungsschutzbehörden auch nicht pauschal die von ihnen festgestellten Informationen an die Polizei weitergeben mit der Maßgabe, dass diese das für sie Relevante herausdestillieren soll. Zwar dürfte die Polizei wegen ihrer eigenen Aufgabenrestriktionen in diesem Fall nur polizeilich relevante Daten aus dem gelieferten Material aussortieren und selbst verwerten. Dennoch würde sie auf diese Weise Vorfelddaten erlangen, wodurch der Ausschluss gerade aus diesem Vorfeld unterlaufen werden würde. Die Übermittlung solcher Daten ist daher unzulässig.16 Bei der Schaffung einer zentralen „Terroristendatei “, an der sich die Polizei- und Verfassungsschutzbehörden aus Bund und Ländern beteiligen, müssten die eben erläuterten Auswirkungen des Trennungsgebots auf die informationelle Zusammenarbeit berücksichtigt werden. Eine gemeinsame Datenverarbeitung ist danach nur in dem Umfang zulässig, in dem sich die Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutz überschneiden. Im Schrifttum wird daraus überwiegend geschlussfolgert , dass ein Datenpool im Online-Verbund jedenfalls als Vollverbund mit dem Trennungsgebot nicht vereinbar wäre.17 Da das Trennungsgebot sichern soll, dass Zwangsbefugnisse nur für polizeiliche Zwecke eingesetzt werden dürfen, umgekehrt die Verfassungsschutzbehörden auf die ihnen eigenen Erkenntnisquellen und -mittel beschränkt bleiben sollen, sei damit nicht zu vereinbaren, wenn Erkenntnisse der Polizeibehörden pauschal dem Verfassungsschutz zugänglich gemacht würden und umgekehrt. Auf diese Weise würde die Beschränkung der nachrichtendienstlichen Erkenntnismittel wirkungslos.18 Mit dem Trennungsgebot vereinbar ist ein projektbezogenes Direktabrufsystem im Teilverbund. Bei einem solchen Direktabrufsystem werden die Daten der Teilnehmer ganz oder teilweise zum unmittelbaren Abruf zur Verfügung gestellt. Die Einstellung von Daten in den Teilverbund macht sie zugleich für die anderen Verbundteilnehmer abrufbar. Der Abrufberechtigte erhält eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf – einzelne – Erkenntnisse des anderen. 19 Ein solcher Informationsverbund ist in dem Maße zulässig, in welchem die Nachrichtendienste Informationen auf Antrag an die Polizei- 14 Gusy (Fn. 6), ZRP 1987, 45 (51). 15 Gusy, Christoph, Das gesetzliche Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz, Die Verwaltung 1991, 467 (489). 16 Gusy (Fn. 6), ZRP 1987, 45 (51). 17 Götz, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR (Fn. 6), § 79 Rn. 43.; Gusy (Fn.15), Die Verwaltung 1991, 467 (488, 490); Gusy (Fn. 6), ZRP 1987, 45 (49); a. A. wohl Roewer (Fn. 5), § 3 BVerfSchG, Rn. 197. 18 Gusy (Fn. 6), ZRP 1987, 45 (51). 19 Gusy (Fn. 6), ZRP 1987, 45 (49). - 8 - behörden und umgekehrt abgeben können. Denn dann ist die gemeinsame Datenbank nur eine andere Form der Übermittlung, nicht hingegen eine Ausweitung oder qualitative Änderung der Zusammenarbeit. Für den zulässigen Umfang einer gemeinsamen Datei ist somit prinzipiell maßgeblich, inwieweit die Daten weitergegeben werden müssen oder können. Ein Informationsverbund ist also dann unzulässig, wenn er dazu führt, dass die Polizei Kompetenzen des Verfassungsschutzes oder der Verfassungsschutz polizeiliche Kompetenzen erlangt. Damit ist der zulässige Höchstumfang der gemeinsamen Datenbank bezeichnet: Sie darf in keinem Fall zu einer informationellen Ausweitung der Behördenzuständigkeiten führen. 20 2.3. Trennungsgebot und Kompetenzzentrum TKÜ Bei der Einrichtung des Kompetenzzentrums (CC-TKÜ) dürfte das Trennungsgebot gewahrt bleiben. Im CC-TKÜ wird technisch-wissenschaftliches Fachpersonal der Bedarfsträger sowohl räumlich als auch organisatorisch eng zusammenarbeiten, um technisches und organisatorisches „Know-how“ auszutauschen. Um diese Zusammenarbeit auch durch organisatorische Rahmenbedingungen optimal zu unterstützen, soll das CC- TKÜ einen festen BVA-Mitarbeiterstab erhalten. Technische bzw. wissenschaftliche Erfahrungen aus einzelnen Überwachungsmaßnahmen, die das CC-TKÜ für seine Aufgabenerfüllung benötigt, sind aber nicht mehr personenbezogen, sondern verallgemeinert . Es wird weder eine neue Behörde errichtet, noch werden auf der Ebene des CC- TKÜ Aufgaben oder einzelne Vorgänge der Bedarfsträger miteinander ve rschmolzen oder Befugnisse gemeinsam wahrgenommen. Die Bedarfsträger bleiben organisatorisch vollständig getrennt. Ähnliches gilt auch für die Einrichtung und der Betrieb des Servicezentrums (SC- TKÜ). TKÜ-Maßnahmen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) einerseits und des Bundeskriminalamtes (BKA) sowie der Bundespolizei (BPOL) andererseits bleiben getrennte Vorgänge. Weder wird auf Ebene des SC-TKÜ eine sachliche Verschmelzung einzelner Vorgänge des BKA, der BPOL und des BfV stattfinden, noch wird das BfV mittelbar über das SC-TKÜ oder sogar unmittelbar polizeiliche Befugnisse erhalten, die dem Dienst selbst nicht zustehen würden. Sichergestellt wird insbesondere, dass die jeweiligen Administrationsrechte für die Durchführung von Kontrollmaßnahmen der Bedarfsträger so ausgestaltet sind, dass ein Zugang zu Daten, die im Auftrag eines anderen Bedarfsträgers erhoben und verwendet werden, ausgeschlossen ist. Die Konzeption des SC-TKÜ sieht eine entsprechende Mandantentrennung vor.21 20 Gusy (Fn. 6), ZRP 1987, 45 (49). 21 Vgl. Schreiben des BMI vom 17. September 2008 zum Beschluss des Vertrauensgremiums nach § 10a BHO vom 18. Juni 2008 zu TOP 5 (Neuorganisation der TKÜ). - 9 - 3. Recht auf informationelle Selbstbestimmung Bei der Übermittlung von personenbezogenen Daten an Polizei und Staatsanwaltschaften kommt dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine besondere Bedeutung zu. Dieses wird seit dem „Volkszählungsurteil“ des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)22 aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet: Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet dem Einzelnen somit die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen. 23 Auch die Übermittlung von Informationen berührt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.24 Dieses Recht kann nur auf einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muss, eingeschränkt werden. Normenklarheit ist dabei so zu verstehen, dass jedermann abstrakt aus dem Gesetz entnehmen können muss, wer was wann bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Dies gilt grundsätzlich für alle Phasen der Informationsve rarbeitung und unabhängig davon, ob sie in Dateien oder in anderer Form stattfindet.25 In jedem Fall darf das informationelle Selbstbestimmungsrecht nur so weit eingeschränkt werden, wie es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist.26 Zudem sind Informationen, die im Einzelfall über den Bürger erhoben und weiter verarbeitet werden, grundsätzlich zweckgebunden. 27 Die Verwendung der Daten ist daher auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt. Dabei muss der Gesetzgeber die Zwecke zu denen personenbezogenen Daten erhoben, übermittelt und weiterverwendet werden, bereichsspezifisch und präzise festlegen. 28 Schon angesichts der Gefahren der automatischen Datenverarbeitung ist ein amtshilfefester Schutz gegen Zweckentfremdung durch Weitergabe- und Verwertungsverbote erforderlich . Als weitere verfahrensrechtliche Vorkehrungen zum Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts sind Aufklä rungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten wesentlich . 29 In den für das Kompetenzzentrum (CC-TKÜ) vorgesehenen Tätigkeiten liegen keine grundrechtsrelevanten Eingriffe. Dort arbeiten zwar alle Bedarfsträger zusammen, es werden aber nur fachliche Anforderungen an die TKÜ, die Leistungsfähigkeit des Ser- 22 BVerfGE 65, 1. 23 BVerfGE 65, 1 (43); BVerfGE 84, 192 (194). 24 BVerfGE 65, 1 (51, 61). 25 BVerfGE 65, 1 (46); BVerfGE 67, 100 (142 f.). 26 BVerfGE 65, 1 (46); BVerfGE 67, 100 (142 f.). 27 BVerfGE 65, 1 (46); BVerfGE 100, 313 (314, 389). 28 BVerfGE 65, 1 (46); BVerfGE 100, 313 (389). 29 BVerfGE 65, 1 (46). - 10 - vicezentrums, Erfahrungen über Kryptographie und ähnliches ausgetauscht. Ein Austausch von Erkenntnissen aus einzelnen Überwachungsmaßnahmen wird nicht erfolgen. Bei der technischen Unterstützung des Servicezentrums (SC-TKÜ) handelt es sich um eine unselbständige Datenverarbeitung im Auftrag. Die besondere Sensibilität der aus TKÜ-Maßnahmen stammenden Daten und die damit verbundene Gefährdung grundrechtlich besonders geschützter Positionen sprechen im Interesse der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit für die Schaffung einer spezifischen (ggfs. deklaratorischen) Rechtsgrundlage, welche die Auftragsdatenverarbeitung im Rahmen von TKÜ- Maßnahmen spezialgesetzlich regelt und ausdrücklich für zulässig erklärt. Die Bundesregierung will daher zeitnah eine abgestimmte Rechtsgrundlage vorlegen, welche die Bündelung der beschriebenen Abläufe im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung regelt und dabei die wesentlichen Voraussetzungen für die Datenverarbeitung gesetzlich festschreibt .30 4. Bisherige Formen der Kooperation von Sicherheitsbehörden 4.1. Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration Das Bundesministerium des Innern hat das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM)31 in Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt, dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium der Finanzen als behördenübergreifendes Informations- und Kooperationszentrum initiiert. Aufgaben des Zentrums sind die Sammlung aller verfügbaren Erkenntnisse auf dem Gebiet der illegalen Migration, deren Auswertung und Analyse, die Erstellung von Lagebildern , die internationale Zusammenarbeit, die Analyse von Zusammenhängen der illegalen Migration mit allgemeiner und organisierter Kriminalität, illegaler Beschäft igung und Missbrauch von Sozialleistungen, die Initiierung und Unterstützung von Ermittlungsverfahren sowie der Aufbau und die Wahrnehmung einer Frühwarnfunktion. Zuständigkeiten und Befugnisse der einzelnen Behörden und Stellen werden durch die Einrichtung des GASIM nicht verändert. Der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden und Stellen erfolgt auf der Grundlage der geltenden Übermittlungsvorschriften . Die Polizeien und das Bundesamt für Verfassungsschutz sind gesetzlich 30 Vgl. Schreiben des BMI vom 17. September 2008 zum Beschluss des Vertrauensgremiums nach § 10a BHO vom 18. Juni 2008 zu TOP 5 (Neuorganisation der TKÜ). 31 Zum GASIM vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen und der Fraktion DIE LINKE, BT -Drs. 16/2420 (Kleine Anfrage: BT-Drs. 16/2352). - 11 - zur Informationsübermittlung verpflichtet (§§ 18 bis 20 des Bundesverfassungsschutzgesetzes ). Zuständigkeiten und Befugnisse der einzelnen Behörden und Stellen werden durch die Mitarbeit im GASIM nicht verändert. Die im GASIM eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterliegen den jeweiligen gesetzlichen Verpflichtungen der Entsendebehörden . Das GASIM ist keine Behörde oder Organisation und insoweit nicht Adressat oder Empfänger von Informationen oder Daten. Das GASIM selbst führt keine operativen Maßnahmen durch. 4.2. Gemeinsames Terroristenabwehrzentrum Wesentliches Ziel des Gemeinsamen Terroristenabwehrzentrums (GTAZ)32 ist die intensive Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Die Einbeziehung aller verfügbaren Erkenntnisquellen und eine effiziente Ausgestaltung des Informationsmanagements soll die Analysekompetenz der Sicherheitsbehörden insgesamt stärken und so die Früherkennung möglicher Bedrohungen sowie die Abstimmung operativer Maßnahmen erleichtern . Ermittlungsverfahren werden stets von einer Anklagebehörde geführt. Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit im GTAZ fließen anlassbezogen auch in Ermittlungsverfahren ein. Ebenso kann durch das Zusammenwirken im GTAZ dazu beitragen werden, zeitnah die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens anzuregen oder eine am Ermittlungsverfahren beteiligte Polizeibehörde zu unterstützen. Im Einzelnen lassen sich die Beiträge zu Ermittlungsverfahren aus der Zusammenarbeit im GTAZ nicht quantifizieren. Die Unterstützung von Ermittlungsverfahren ist ein Aspekt der Aufgabenwahrnehmung im GTAZ unter anderen. Das GTAZ dient insgesamt der Stärkung des ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Das GTAZ ist keine feste Institution, sondern das Dach, unter dem die nachrichtendienstliche Informations- und Analysestelle (NIAS) mit der polizeilichen Informationsund Analysestelle (PIAS) im Rahmen bestimmter Kooperationsformen Informationen austauschen. Die Konstruktion eines gemeinsamen Zentrums soll einen reibungslosen Informationsfluss in alle Richtungen ermöglichen. Sie soll ferner das in den Behörden 32 Zum GTAZ vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 16/416 (Kleine Anfrage: BT-Drs. 16/345). - 12 - und Dienststellen sowie ihren Untergliederungen vorhandene Wissen auf intelligente Weise bündeln und die Analysekompetenz stärken. 33 4.3. Antiterrordatei Die Antiterrordatei (ATD) ist primär als „Kommunikationsanbahnungsinstrument“ zwischen den beteiligten Sicherheitsbehörden zu sehen, die einen Erkenntnisaustausch auf Basis der bestehenden Übermittlungsvorschriften vorbereitet (vgl. §§ 5, 6 und 7 des Antiterrordateigesetzes – ATDG -34). Ziel der ATD ist die Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen Polizei und Nachrichtendiensten. Die ATD unterstützt die beteiligten Behörden bei der Aufgabenerfüllung, indem sie den Austausch von Erkenntnissen zu terrorismusrelevanten Sachverhalten erleichtert und den Informationsaustausch insgesamt beschleunigt. Durch das ATDG wird zum einen die Rechtsgrundlage für die Errichtung einer gemeinsamen standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern geschaffen. Mit der standardisierten zentralen Antiterrordatei wird der Informationsaustausch zwischen dem Bundeskriminalamt (BKA), der Bundespolizeidirektion, den Landeskriminalämtern, den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Zollkriminalamt (ZKA) im Bereich der Bekämpfung des internationalen Terrorismus intensiviert. Zu diesem Zwecke werden die beteiligten Behörden verpflichtet, in der Antiterrordatei Daten zu den relevanten Personen und Objekten zu speichern. Das ATDG sieht vor, dass neben Grunddaten, die der abfragenden Behörde im Falle eines Treffers grundsätzlich immer angezeigt werden und die in erster Linie die Identifizierung einer bestimmten Person oder eines bestimmten Objekts ermöglichen , auch erweiterte Grunddaten zu den Personen gespeichert werden. Zum anderen wurden mit dem Gesetz die rechtlichen Grundlagen für projektbezogene gemeinsame Dateien (Projektdateien) geschaffen, die der Unterstützung einer befristeten projektbezogenen Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des MAD, dem BND, der Polizeibehörden des Bundes und der Länder und des ZKA dienen. 33 Kerner, Hans-Jürgen/Stierle, Claudia/Tiedtke, Ingo, Kriminalitätsbekämpfung durch Behörden des Bundes, Kriminalistik 2006, 292 (304). 34 Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz, ATDG) vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3409), geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 26. Februar 2008 (BGBl. I S. 215). - 13 - 4.4. Gemeinsames Internetzentrum Die Aufgabe des Gemeinsamen Internetzentrums ist die Beschaffung und Bewertung von Informationen zur Bekämpfung des islamistischen Extremismus und Terrorismus durch die Beobachtung einschlägiger Internetseiten. Vorrangiges Ziel ist die frühzeitige Erkennung extremistischer und terroristischer Aktivitäten, insbesondere solcher zur Vorbereitung von Anschlägen sowie von Rekrutierungs- und Radikalisierungsbemühungen im Internet. Der Präsident des federführenden Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) definierte Aufgabe und Struktur der Einrichtung: „Uns allen ist klar: Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus macht es in besonderem Maße notwendig, Ressourcen und Wissen der Sicherheitsbehörden zu bündeln. Ein wichtiger Baustein der neuen Sicherheitsarchitektur ist das GIZ.“35 Mit dem GIZ wurde eine Einrichtung geschaffen, in der Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamtes (BKA), des Bundesnachrichtendienstes (BND), des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und der Generalbundesanwaltschaft (GBA) zusammenarbeiten. Auch die Landesämter für Verfassungsschutz und die Landeskriminalämter sollen von der Arbeit des GIZ profitieren durch die Bündelung von nachrichtendienstlichem und polizeilichem Fachwissen zur Extremismus- und Terrorismusbekämpfung . 36 4.5. Kompetenz- und Servicezentrum im Vergleich Ebenso wie bei den dargestellten bisherigen Formen der Kooperation von Sicherheitsbehörden bleiben beim CC-TKÜ und beim SC-TKÜ die Aufgaben der beteiligten Behörden in ihren gesetzlichen Abgrenzungen gewahrt. Eine neue Behörde mit erweiterten Befugnissen über den bisherigen Kompetenzrahmen der beteiligten Behörden hinaus wird nicht geschaffen. Es entstehen keine neuen Rechtsqualitäten, da Polizei und Nachrichtendienste organisatorisch getrennt bleiben und die Nachrichtendienste keine polizeilichen Befugnisse erhalten und umgekehrt. Der Zugriff auf Datenbestände erfolgt ausschließlich zweckgebunden. Die Intensität des 35 Pressemitteilung des BMI vom 26. Oktober 2007, http://www.bmi.bund.de/cln_012/nn_165104/ Internet/Content/Nachrichten/Pressemitteilungen/2007/10/GIZ.html, [Stand: 30. Oktober 2008]. 36 Vgl. Website des BMI, http://www.bmi.bund.de/cln_012/nn_165104/Internet/Content/ Themen/Terrorismus/DatenundFakten/Gemeinsames__Internetzentrum__de.html, [Stand: 30. Oktober 2008]. - 14 - Datenaustausches erreicht nicht die gleiche Konzentrationsdichte wie beim GTAZ37, sondern bleibt hinter ihr zurück. 37 Lorei, Clemens, in: Möllers, Martin H. W./van Ooyen, Robert Chr. (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2006/2007, S. 196, meint, das GTAZ „bewegt sich hart am Rande dessen, was mit dem Trennungsgebot noch vereinbar ist“.