Fragen zu Geheimdiensten - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 3 - 392/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Fragen zu Geheimdiensten Ausarbeitung WD 3 - 392/06 Abschluss der Arbeit: 18.10.2006 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Vorbemerkung 3 2. Fällt die internationale Zusammenarbeit von Geheimdiensten, insbesondere durch Austausch von Informationen zur Terrorbekämpfung, in den Bereich „Auswärtiger Angelegenheiten“ im Sinne des Art. 73 Nr. 1 GG? 3 3. Unterliegt der Informationsaustausch eines Landesamtes für Verfassungsschutz mit US-amerikanischen Geheimdiensten der Kontrollbefugnis durch einen Untersuchungsausschuss des Bundestages? 4 - 3 - 1. Vorbemerkung Innerhalb des für den Auftrag zur Verfügung stehenden engen zeitlichen Rahmens konnte nur eine summarische Prüfung der relativ komplexen Materien vorgenommen werden. 2. Fällt die internationale Zusammenarbeit von Geheimdiensten, insbesondere durch Austausch von Informationen zur Terrorbekämpfung, in den Bereich „Auswärtiger Angelegenheiten“ im Sinne des Art. 73 Nr. 1 GG? Die Verhaltensmaßstäbe für die internationale Zusammenarbeit von Geheimdiensten werden meist durch entsprechende Abkommen geregelt. Diese sind jedoch nicht öffentlich zugänglich; zu ihrem Regelungsgehalt kann daher nicht Stellung genommen werden . Anhand der Zuständigkeiten im Rahmen des Grundgesetzes lassen sich im Wege der summarischen Prüfung für die bundesdeutsche Seite daher nur die nachfolgenden generellen Aussagen machen. Hinsichtlich der Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten trifft Art. 32 GG folgende Regelungen: „(1) Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes. (2) Vor dem Abschlusse eines Vertrages, der die besonderen Verhältnisse eines Landes berührt, ist das Land rechtzeitig zu hören. (3) Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen .“ Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes für die Geheimdienste und ihre Aufgaben finden sich im Wesentlichen in folgenden Bestimmungen des Grundgesetzes: Der Bund ist nach Art. 73 Nr. 1 GG im Bereich auswärtiger Angelegenheiten für gesetzliche Regelungen u. a. über den Bundesnachrichtendienst zuständig. Die Gesetzgebungskompetenz für den Bundesverfassungsschutz ergibt sich hingegen aus - 4 - Art. 73 Nr. 10 b und c GG.1 In beiden Fällen handelt es sich um ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen des Bundes. Die Vorgaben des Grundgesetzes legen daher den Schluss nahe, dass die Bundesländer in Geheimdienstangelegenheiten im Regelfall nicht ohne eine Beteiligung des Bundes gegenüber ausländischen Stellen tätig werden können. 3. Unterliegt der Informationsaustausch eines Landesamtes für Verfassungsschutz mit US-amerikanischen Geheimdiensten der Kontrollbefugnis durch einen Untersuchungsausschuss des Bundestages? Die summarische Prüfung dieser Frage führt zu folgendem Ergebnis: Das in Art. 44 GG geregelte parlamentarische Untersuchungsrecht ist auf den verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereich des Deutschen Bundestages beschränkt (§ 1 Abs. 3 Untersuchungsausschussgesetz2 - PUAG) und damit u. a. auf den Kompetenzbereich des Bundes begrenzt.3 Demgemäß sind grundsätzlich alle Angelegenheiten vom Untersuchungsrecht ausgeschlossen, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Bundesländer fallen (Art. 30 GG).4 Dem Bund kann jedoch im Rahmen der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder nach Art. 83 ff. GG ein mittelbares Kontrollrecht und damit auch ein parlamentarisches Untersuchungsrecht bezüglich der Länderexekutiven zustehen.5 Allerdings können Untersuchungsobjekt und Untersuchungsziel parlamentarischer Untersuchungsausschüsse des Bundestages auch insoweit zunächst nur die Bundesregierung und deren Handlungen sein.6 Mit dem im Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) verankerten Grundsatz der Eigenstaatlichkeit der Länder wäre es nicht vereinbar, wenn 1 Zu beachten ist auch die Regelung in 87 Abs. 1 Satz 2 GG. 2 Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1142); zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 1 Kostenrechtsmodernisierungs G vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718). 3 Sog. Korollartheorie; vgl. Magiera in Sachs, Michael, Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage, München 2003 (zit.: Bearbeiter in Sachs), Art. 44 Rn. 7. 4 Vgl. Magiera in Sachs, Art. 44 Rn. 8; Wiefelspütz, Dieter, Das Untersuchungsausschussgesetz, 1. Auflage, Baden-Baden 2003 (zit.: Wiefelspütz, PUAG), S. 78. 5 Glauben in Glauben, Paul J., / Brocker, Lars, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, Handbuch, 1. Auflage, München 2005 (zit.: Bearbeiter in Glauben /Brocker), § 5 Rn. 73. 6 Glauben in Glauben/Brocker, § 5 Rn. 76. - 5 - die Untersuchungsausschüsse des Bundestages unmittelbare Kontrollbefugnisse gegenüber der Länderexekutiven hätten.7 Gegenstand der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses des Bundestages wäre demnach zunächst das Verhalten der Bundesregierung anlässlich der Ausübung oder Nichtausübung ihrer Aufsichtsbefugnisse.8 Innerhalb dieses Rahmens könnte jedoch mittelbar auch eine Überprüfung landesbehördlicher Maßnahmen notwendig und mithin zulässig sein.9 Dabei kann das Untersuchungsrecht des Bundestages nicht weiter gehen als das im Einzelfall bestehende Aufsichtsrecht- bzw. Weisungsrecht der Bundesregierung.10 Im vorliegenden Fall eines Landesamtes für Verfassungsschutz handelt es sich um eine Landesbehörde. Die in den einzelnen Bundesländern eingerichteten Landesämter für Verfassungsschutz sind jeweils entweder als eigenständige Behörde dem Landesinnenminister unterstellt oder direkt als Abteilung in das Landesinnenministerium eingegliedert . Aus dem Bundesverfassungsschutzgesetz11 (BVerfSchG) ergibt sich, dass der Bund und die Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten (§ 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 BVerfSchG), jedoch teilweise eigene Aufgaben haben (§ 5 BVerfSchG).12 Die Tätigkeit einer Landesbehörde kann – wie bereits ausgeführt – nicht unmittelbar Untersuchungsgegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Bundestages sein.13 Wie unter Punkt 2 erörtert, liegt jedoch der Schluss nahe, dass die Bundesländer in Geheimdienstangelegenheiten grundsätzlich nicht ohne Beteiligung des Bundes gegenüber ausländischen Stellen tätig werden können. Daher könnte Ansatzpunkt für ein parlamentarisches Untersuchungsverfahren des Bundestages die mögliche Beteiligung oder Nichtbeteiligung des Bundes an solchen Aktionen sein. 7 Glauben in Glauben/Brocker, § 5 Rn. 76. 8 Glauben in Glauben/Brocker, § 5 Rn. 77. 9 Wiefelspütz, PUAG, S. 80 f.; Glauben in Glauben/Brocker, § 5 Rn. 76. 10 Glauben in Glauben/Brocker, § 5 Rn. 78. 11 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970); zuletzt geändert Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21.6.2005 (BGBl. I S. 1818, 1821). 12 Darüber hinaus besitzt der Bund gemäß § 7 BVerfSchG in bestimmten Fällen ein Weisungsrecht. 13 Etwas anders könnte sich nur ergeben, wenn man der im Bereich des Verfassungsschutzes vorgesehenen Mischverwaltung von Bund und Ländern einen Sonderstatus zuerkennt und aufgrund der besonderen Verflechtung von Bundes- und Länderbehörden eine unmittelbare Untersuchungsbefugnis des Bundestages ableitet. Dagegen spricht allerdings, dass die Landesämter auch eigene, landesbezogene Aufgaben besitzen. - 6 - Im Ergebnis bestehen gegen eine unmittelbare Untersuchung der Tätigkeit eines Landesamtes für Verfassungsschutz durch einen Untersuchungsausschuss des Bundestages verfassungsrechtliche Bedenken. Denkbar wäre allenfalls, dass im Rahmen eines Untersuchungsverfahrens gegenüber der Bundesregierung mittelbar auch das Tätigwerden eines Landesamtes für Verfassungsschutz geprüft werden könnte, soweit ein ausreichender innerer Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand besteht.