© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 376/18 Erfüllungsaufwand von Gesetzen und seine Evaluation Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 376/18 Seite 2 Erfüllungsaufwand von Gesetzen und seine Evaluation Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 376/18 Abschluss der Arbeit: 13.11.2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 376/18 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand beschäftigt sich mit dem Erfüllungsaufwand von Gesetzen, insbesondere mit der Möglichkeit der nachträglichen Überprüfung der getroffenen Prognose. 2. Erfüllungsaufwand Der Normenkontrollrat (NKR) ist ein Beratergremium der Bundesregierung, das im Jahr 2006 eingerichtet wurde. Er soll den Bürokratieabbau und Maßnahmen zur besseren Rechtsetzung unterstützen.1 Insbesondere überprüft er seit 2011 die Darstellung des Erfüllungsaufwandes in Regelungsentwürfen der Bundesregierung. Eine rechtliche Erwähnung findet der Erfüllungsaufwand in § 2 NKRG2 und in §§ 43, 44 GGO.3 Die Abbildung des Erfüllungsaufwandes soll der Öffentlichkeit ein realitätsnahes Bild der zu erwartenden Belastungen geben.4 Der Erfüllungsaufwand umfasst den gesamten messbaren Zeitaufwand und die unmittelbaren Kosten, die durch die Befolgung einer bundesrechtlichen Vorschrift beim Normadressaten entstehen .5 Normadressaten sind gemäß § 2 Abs. 1 NKRG Bürgerinnen und Bürger, die öffentliche Verwaltung und die Wirtschaft. Der Aufwand pro Fall zuzüglich des anteiligen Sachaufwands multipliziert mit der Fallzahl ergibt den Erfüllungsaufwand für eine Vorgabe oder einen Prozess.6 § 44 Abs. 4 GGO sieht vor, dass das zuständige Bundesministerium beim Entwurf eines Gesetzes den Erfüllungsaufwand im Rahmen eines Ex-ante-Verfahrens analysiert. Diese Schätzung erfolgt nach dem „Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands in Regelungsvorhaben der Bundesregierung“ und wird durch den NKR vor Vorlage an das Bundeskabinett überprüft.7 Als Methode zur Ermittlung des Erfüllungsaufwandes dient das Standardkosten-Modell.8 Als Gesetzesfolge wird der Erfüllungsaufwand gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 5 GGO in die Begründung des Gesetzes geschrieben. 1 Die Bundesregierung, Bessere Rechtsetzung 2017: Die Bürokratiebremse wirkt, Bericht der Bundesregierung nach § 7 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates, Mai 2018, S. 35. 2 Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1866), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 16. März 2011 (BGBl. I S. 420). 3 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien vom 26. Juli 2000 (GMBl. S. 526), zuletzt geändert durch Beschl. vom 17. August 2011 (GMBl. S. 576). 4 Statistisches Bundesamt, im Auftrag der Bundesregierung, Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands in Regelungsvorhaben der Bundesregierung, Oktober 2012, Stand 2017, S. 4. 5 Maaßen, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, 2014, § 12, Rn. 32. 6 Statistisches Bundesamt, im Auftrag der Bundesregierung und des Normenkontrollrates, Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands, 2011, S. 33. 7 Seckelmann, Neue Aufgaben für den Normenkontrollrat – Perspektiven für die Folgenabschätzung von Gesetzen?, in: ZRP, 2010, Rn. 214. 8 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/Buerokratiekosten/Methoden/AufgabenMethodik.html#EA (12.11.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 376/18 Seite 4 3. Evaluierung Gemäß § 44 Abs. 7 GGO muss das federführende Ressort in der Begründung des Gesetzesentwurfs festlegen, ob, in welchem Rahmen und zu welchem Zeitpunkt die Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes stattfinden soll. Der Staatssekretärsausschuss Bürokratieabbau hat im Jahr 2013 beschlossen , dass die Ressorts wesentliche Regelungsvorhaben evaluieren müssen. Ein Vorhaben ist wesentlich, sobald der geschätzte jährliche Erfüllungsaufwand für Verwaltung oder Wirtschaft den Betrag von einer Million Euro übersteigt oder wenn der Aufwand für Bürgerinnen und Bürger mindestens eine Million Euro oder 100.000 Stunden beträgt. In der 19. Legislaturperiode soll der Erfüllungsaufwand von über 100 Regelungsvorhaben evaluiert werden.9 Die Nachmessung des Erfüllungsaufwands erfolgt zwei Jahre nach Inkrafttreten einer Regelung durch das Statistische Bundesamt.10 Im Mittelpunkt steht die Messung des tatsächlich eingetretenen Erfüllungsaufwands. Die Überprüfungen unterscheiden sich sowohl im Hinblick auf den Regelungsinhalt als auch auf den Normadressaten. Grundsätzlich ermittelt das Statistische Bundesamt die Kosten bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen oder Ämtern durch Umfrage. Auf Basis dieser Interviews werden Verfahrensabläufe identifiziert und in messbare Prozessschritte eingeteilt.11 Das Ministerium ist an eine verbindliche Methode zur Überprüfung des Erfüllungsaufwandes nicht gebunden.12 Darüber hinaus gibt es auch die retrospektive Gesetzfolgenabschätzung (GFA) als Instrument der Politikberatung durch externen Sachverstand.13 Dabei werden die Erwartungen an ein Gesetz mit der Wirklichkeit abgeglichen. Gesetzgebung ist Aufgabe des Parlaments. Ergebnisse der GFA können daher rechtlich nicht bindend sein, ihre Nichtdurchführung ist nicht sanktioniert. Das Bundesverfassungsgericht leitet jedoch aus Art. 20 Abs. 3 GG grundsätzlich eine Beobachtungsund Nachbesserungspflicht des Gesetzebers bei Gesetzen ab.14 *** 9 Die Bundesregierung (Fn. 1), Bessere Rechtsetzung, S. 32. 10 Die Bundesregierung (Fn. 1), Bessere Rechtsetzung, S. 49. 11 Ein komplexes Beispiel: Statistisches Bundesamt, Projektreihe Bestimmung des bürokratischen Aufwands und Ansätze zur Entlastung, Erfüllungsaufwand im Bereich Pflege, März 2013, abrufbar unter https://www.destatis .de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/Buerokratiekosten/Download/Pflegebericht.pdf?__blob=publicationFile (12.11.2018). 12 Kahl, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, 2014, § 13, Rn. 26. 13 Kahl, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, 2014, § 13, Rn. 3. 14 Höfling/Engels, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, 2014, § 42, Rn. 18 f.