Deutscher Bundestag Verfassungsrechtliche Bewertung der Projektpauschale zur Forschungsförderung an Hochschulen Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 - 375/11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 - 375/11 Seite 2 Verfassungsrechtliche Bewertung der Projektpauschale zur Forschungsförderung an Hochschulen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 - 375/11 Abschluss der Arbeit: 11. Januar 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 - 375/11 Seite 3 1. Einleitung Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gewährte Hochschulen bzw. Universitätskliniken im Jahr 2011 eine Projektpauschale für Forschungsvorhaben - auch Overhead- Finanzierung, Programmkostenpauschale genannt - in Höhe von 10 % der Zuwendung.1 Mit der Projektpauschale wird die Finanzierung der durch das jeweilige Forschungsprojekt verursachten indirekten Kosten unterstützt. Indirekte Kosten umfassen Ausgaben, die durch die infolge der Projektförderung in Anspruch genommene Infrastruktur (z. B. Ausgaben für Wartungen, Software - oder Energieverbrauch) oder durch die Mitarbeit von Personen, die nicht als Projektpersonal abgerechnet werden (z. B. Verwaltung), entstehen.2 Da Erfahrungsberichte der Hochschulen gezeigt haben, dass die tatsächlichen indirekten Kosten regelmäßig über 20 % der direkten Projektausgaben liegen, wurde die Pauschale für Vorhaben, deren Laufzeit 2012 beginnt, entsprechend auf 20 % der Zuwendung erhöht.3 Die Projektpauschale bezweckt nicht den Ersatz der Grundfinanzierung der Hochschulen. Vielmehr sollen Hochschulen BMBF-Fördermittel einwerben können, ohne hierfür eigene Ressourcen verstärkt einsetzen zu müssen.4 Hiermit wird das Ziel einer größeren Flexibilität der Hochschulen bei der Einwerbung von Drittmitteln, die Stärkung der Leistungskraft und der internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen verfolgt. Der internationale Vergleich zeigt, dass eine sogenannte „Overheadfinanzierung“ durchaus üblich ist: Hochschulen in den USA können zur Deckung ihrer indirekten Projektkosten „Overheadpauschalen“ von durchschnittlich 50% der direkten Kosten beantragen; in Großbritannien werden den Hochschulen bis zu 80% der Vollkosten erstattet. Im Rahmen des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms können Hochschulen für indirekte Projektausgaben 60% der erstattungsfähigen direkten Kosten geltend machen.5 2. Rechtlicher Rahmen für die Gewährung der Projektpauschale Die Projektpauschale wird für die direkte Projektförderung von Forschungsvorhaben an Hochschulen gewährt, die unter die Fördertitel in Kapitel 3002 bis 3004 (Einzelplan 30 des Bundes- 1 Informationen zur Projektpauschale siehe: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Häufig gestellte Fragen zur Projektpauschale, Stand: 29. September 2011, abzurufen unter: http://www.bmbf.de/pubRD/fragen_und_antworten_projektpauschale.pdf.; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abg. René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, Offene Fragen zur Ankündigung der Einführung einer Finanzierung von Programmkostenpauschalen im Rahmen von BMBF-geförderten Projekten , BT-Drs. 17/4162 vom 10. Dezember 2010, S. 1. 2 BMBF, Häufig gestellte Fragen zur Projektpauschale (siehe Fn. 1). 3 So die schriftliche Stellungnahme des BMBF, Rechtmäßigkeit der sog. Projektpauschale, Januar 2012. 4 Schriftliche Stellungnahme des BMBF, Rechtmäßigkeit der sog. Projektpauschale, Januar 2012. 5 Schriftliche Stellungnahme des BMBF, Rechtmäßigkeit der sog. Projektpauschale, Januar 2012. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 - 375/11 Seite 4 haushaltsplan - Bundesministerium für Bildung und Forschung) fallen.6 Nicht zu den Forschungsvorhaben in diesem Sinne zählen solche aus der Exzellenzinitiative, dem Hochschulpakt (einschließlich der dritten Säule „Qualitätspakt Lehre“) und aus dem Professorinnenprogramm.7 Bei den ausdrücklich ausgeschlossenen Vorhaben geht es um die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern nach Art. 91b Abs. 1 Nr. 2 Grundgesetz (GG) („Vorhaben der Forschung an Hochschulen“). Diese werden also mit der Projektpauschale ausdrücklich nicht gefördert. 2.1. Projektförderung des Bundes Bei der Projektpauschale dürfte es sich um eine Förderleistung im Rahmen der Projektförderung des Bundes handeln,8 deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit u. a. ausdrücklich im Rahmen der Föderalismusreform I bestätigt wurde. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu wörtlich: „Die gesamtstaatliche Aufgabe der Forschungsförderung erfolgt weiterhin …- außerhalb von Artikel 91b durch den Bund (Projektförderungen insbesondere des BMBF).“9 In Fußnote 1 des hierzu formulierten Entschließungsantrages der Fraktionen der CDU/CSU und SPD heißt es: „Die Projektförderung des Bundes (insbesondere BMBF) bleibt unberührt (Gesetzgebungs-, Verwaltungsund Finanzierungskompetenz aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 13 – Förderung der wissenschaftlichen Forschung – i. V. m. Artikel 87 Abs. 3 GG und Artikel 104a Abs. 1 GG).“10 Mitunter ist auch die Rede von einer ungeschriebenen Kompetenz kraft Natur der Sache, wobei dies zum Teil beschränkt wird auf Forschungsvorhaben von überregionaler bzw. gesamtstaatlicher Bedeutung.11 Art. 91b GG entfaltet keine Sperrwirkung für andere Formen der Forschungsförderung außerhalb dieser Gemeinschaftsaufgabe.12 6 BMBF, Häufig gestellte Fragen zur Projektpauschale (siehe Fn. 1). 7 BMBF, Häufig gestellte Fragen zur Projektpauschale (siehe Fn. 1). 8 BT-Drs. 17/4162 (siehe Fn. 1), S 2, 3. 9 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c), BT-Drs. 16/813 vom 7. März 2006, S. 16. 10 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – Drucksachen 16/813, 16/2010, BT-Drs. 16/2052 vom 28. Juni 2006, S. 3. 11 So die Darstellung bei: Alecke (Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalysen – GEFRA)/Breitfuss (Joanneum)/Cremer (Ruhruniversität Bochum –RUB) u.a., Föderalismus und Forschungs- und Innovationspolitik , Februar 2011, S. 44, abzurufen unter: http://www.efi .de/fileadmin/Studien/StuDIS_2011/StuDIS_11_2011.pdf. 12 Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. 3, 6. Aufl, 2010, Art. 91b Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 - 375/11 Seite 5 2.2. Projektpauschale als Teil der Projektförderung des Bundes Von dieser verfassungsrechtlichen Einordnung der Projektförderung des Bundes ist auch die Einführung einer Projektpauschale erfasst, da durch diese nur der Inhalt der Projektförderung konkretisiert wird. Denn Gegenstand der Förderung mit der Projektpauschale sind – wie bereits erwähnt - die indirekten Ausgaben, die durch die Projekte verursacht werden,13 also letztlich ebenfalls projektbezogen sind. Es handelt sich auch nicht um eine eventuelle Beeinträchtigung der allein in Länderzuständigkeit liegenden Grundfinanzierung der Hochschulen, da die Pauschale sich ausschließlich auf die konkret geförderten Projekte bezieht, in ihrer Höhe von diesen abhängt und nach Projektende wieder wegfällt.14 2.3. Projektpauschale als Zuwendung Einfachgesetzlich findet die Gewährung der Projektpauschale als Leistung an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zur Erfüllung bestimmter Zwecke (Zuwendungen) ihre Rechtsgrundlage in §§ 23, 44 Bundeshaushaltsordnung (BHO). Zuwendungen umfassen sowohl die finanzielle Unterstützung von Einrichtungen (institutionelle Förderung) als auch die Finanzierung einzelner Vorhaben (Projektförderung).15 Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass der Bund an der Erfüllung ein erhebliches Interesse hat. Dies setzt u. a. seine Finanzierungskompetenz, die auch ungeschrieben sein darf, voraus,16 welche – wie soeben dargelegt – im Bereich der Forschungsförderung anerkannt ist und die auch die Projektpauschale erfasst. Auch die weitere Voraussetzung einer Zuwendung nach BHO, d. h. das erhebliche Interesse daran, dass die Zwecke durch die Stellen außerhalb der Bundesverwaltung erfüllt werden, dürfte im Falle der Projektpauschale zu bejahen sein. 13 Schriftliche Stellungnahme des BMBF, Rechtmäßigkeit der sog. Projektpauschale, Januar 2012. 14 Schriftliche Stellungnahme des BMBF, Rechtmäßigkeit der sog. Projektpauschale, Januar 2012. 15 Hugo/Sandfort, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Stand: November 2011, § 23 BHO, Leitsätze. 16 Hugo/Sandfort, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, § 23 BHO, Anm. 24.