Deutscher Bundestag Förderung von unkonventionellem Erdgas Möglichkeiten der rechtlichen Beschränkung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 372/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 372/11 Seite 2 Förderung von unkonventionellem Erdgas Möglichkeiten der rechtlichen Beschränkung Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 372/11 Abschluss der Arbeit: 19. Dezember 2011 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 372/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Fragestellung 5 3. Erdgasförderung 5 3.1. Technik 5 3.2. Mögliche Risiken 5 3.3. Fracking in Deutschland 6 4. Derzeitige Rechtslage 6 4.1. Bergrecht 6 4.2. Wasserrecht 7 4.3. Stoffrecht 8 5. Gesetzliches Verbot des Fracking 8 5.1. Gesetzgebungskompetenz 8 5.2. Materielle Verfassungsmäßigkeit 9 5.2.1. Berufsfreiheit 9 5.2.2. Eigentumsrecht 10 5.2.3. Allgemeine Handlungsfreiheit 10 6. Ergebnis 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 372/11 Seite 4 1. Zusammenfassung Hydraulic Fracking ist eine Technik zur Förderung von unkonventionellem Erdgas. Dabei wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und verschiedenen Chemikalien in das umlagernde Gestein gepresst. Wegen möglicher Gefahren für Mensch und Umwelt hat das französische Parlament ein Gesetz erlassen, dass den Einsatz des Hydraulic Fracking in Frankreich verbietet. In Deutschland ist Hydraulic Fracking derzeit grundsätzlich erlaubt, es bestehen aber verschiedene rechtliche Einschränkungen bzw. Hürden, insbesondere ist eine bergrechtliche Erlaubnis erforderlich. Diese ist zu versagen, wenn entgegenstehende öffentliche Interessen, bspw. des Grundwasserschutzes, überwiegen. Rechtliche Beschränkungen bzw. Verbote könnten auch für die beim Fracking eingesetzten Chemikalien gelten. Ein gesetzliches Verbot des Fracking fiele in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Ein Verbotsgesetz würde in die Berufsausübungsfreiheit von Erdgasförderunternehmen eingreifen. Dieser Eingriff könnte aber gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber zur Eindämmung aus seiner Sicht bestehender Risiken des Fracking ein Verbot zum Schutz von Mensch und Umwelt für erforderlich hielte. Da es sich bei Erdgas um einen bergfreien Bodenschatz handelt, liegt kein Eingriff in die Eigentumsrechte der betroffenen Grundstückseigentümer vor. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 372/11 Seite 5 2. Fragestellung Das französische Parlament hat am 13. Juli 2011 ein Gesetz verabschiedet, das eine Förderung von unkonventionellem Erdgas nach der Fördermethode des Hydraulic Fracking (Fracking) auf französischem Staatsgebiet verbietet.1 Wäre ein gesetzliches Verbot des Fracking in Deutschland verfassungsrechtlich zulässig? 3. Erdgasförderung 3.1. Technik Erdgas ist ein Gasgemisch, das hauptsächlich aus Methan besteht und als Energieträger dient. Es ist grundsätzlich in Gesteinsporen gespeichert. Abhängig von der Art des Speichergesteins und dessen Durchlässigkeit wird zwischen konventionellem und unkonventionellem Erdgas unterschieden. Konventionelles Erdgas wird durch eine gewöhnliche Förderbohrung gewonnen . Unkonventionelles Erdgas (z.B. Kohleflözgas, Schiefergas) strömt bei dieser Technik nicht bzw. nicht ausreichendem Maße aus dem Gestein aus. Zur Förderung dieses Gases ist es erforderlich , neue Wege in den jeweiligen Gesteinsschichten zu schaffen, damit das Gas austreten und gefördert werden kann. Hierzu dient die Technik des Hydraulic Fracking. Dabei wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und verschiedenen Chemikalien in des umlagernde Gestein gepresst. Infolge des hohen Drucks bricht das Gestein auf und es entstehen neue Wege für den Gasfluss.2 3.2. Mögliche Risiken Der Einsatz der Fracking-Technik wird hinsichtlich möglicher Beeinträchtigungen von Mensch und Umwelt kontrovers diskutiert. Als mögliche Risiken der Technik werden seitens des Umweltbundesamtes (UBA) u.a. die folgenden Umwelteinwirkungen benannt3: - Gefahren für Grund- und Oberflächengewässer durch die Bohrung, den hohen Wasserbedarf und den Einsatz diverser Chemikalien - Flächenverbrauch (pro Bohrplatz 1,5 bis 2 Hektar, mehrere Bohrplätze je km2 erforderlich) - Lärmimmissionen durch Errichtung und Betrieb der Bohranlagen 1 LOI n° 2011-835 du 13 juillet 2011 visant à interdire l'exploration et l'exploitation des mines d'hydrocarbures liquides ou gazeux par fracturation hydraulique et à abroger les permis exclusifs de recherches comportant des projets ayant recours à cette technique; abrufbar unter: http://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000024361355&dateTexte= (Abruf aller Internetquellen am 16. Dezember 2011). 2 Vgl. zur Darstellung der Fracking-Technik, Einschätzung der Schiefergasförderung in Deutschland, Stellungnahme des Umweltbundesamtes (UBA), August 2011, abrufbar unter: http://www.umweltbundesamt.de/chemikalien/publikationen/stellungnahme_fracking.pdf 3 UBA (Fn. 2) S. 8 ff.; Müggenborg, Chancen und Risiken von unkonventionellem Erdgas, NVwZ 2011, 1370. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 372/11 Seite 6 Ferner wird von Geologen ein Zusammenhang zwischen Fracking und seismischen Ereignissen für möglich gehalten.4 3.3. Fracking in Deutschland In Deutschland wurden diverse Vorhaben zur Aufsuchung unkonventioneller Erdgasvorkommen genehmigt.5 In Niedersachsen wurde in einem Fall auch ein Hydraulic Fracking durchgeführt .6 Die Deutsche Rohstoffagentur in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe prüft derzeit, welches Ressourcenpotenzial unkonventionellem Schiefergas in Deutschland zukommt .7 4. Derzeitige Rechtslage Für die Aufsuchung und Gewinnung von unkonventionellem Erdgas bestehen bereits nach geltendem Recht diverse Einschränkungen bzw. Hürden. Diese werden nachfolgend für die ausgewählten Bereiche Bergrecht, Wasserrecht und Stoffrecht kurz skizziert. 4.1. Bergrecht Die Erdgasförderung mittels Fracking bedarf einer bergrechtlichen Erlaubnis. Nach § 3 Abs. 3 Bundesberggesetz (BBergG)8 handelt es sich bei Erdgas um einen bergfreien Bodenschatz (im Gegensatz zu grundeigenen Bodenschätzen nach § 3 Abs. 4 BBergG). Daher ist die Aufsuchung 4 Zum möglichen Zusammenhang zwischen Hydraulic Fracking und zwei kleineren Erdbeben im Raum Blackpool vgl. die vom Energieversorgungsunternehmen Cuadrilla in Auftrag gegebene Studie, Geomechanical Study of Bowland Shale Seismicity, Summary S. iv: http://www.cuadrillaresources.com/cms/wp-content/uploads/2011/ 12/Final_Report_Bowland_Seismicity_02-11-11.pdf, ferner http://www.bgs.ac.uk/research/earthquakes/blackpoolMay2011.html?src=sfb; http://www.bbc.co.uk/news/uk-england-lancashire-15550458; Auch hinsichtlich seismischer Ereignisse in den USA wird von Wissenschaftlern ein Zusammenhang zum Hydraulic Fracking gesehen vgl. http://www.ldeo.columbia.edu/news-events/seismologists-link-ohio-earthquakeswaste -disposal-wells; die jüngsten kleineren Erdbeben in Ohio wurden nach Expertenauffassung allerdings nicht durch ein Hydraulic Fracking sondern durch unterirdische Verpressung von Abwässern des Fracking ausgelöst. 5 Übersicht des UBA (Fn. 2), S. 6 ff. 6 Spiegel Online, US-Konzern presste giftige Chemikalien in Niedersachsens Boden, 5. November 2010, http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,725697,00.html 7 Deutsche Rohstoffagentur/Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Kurzstudie, Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen 2011, S. 12; abrufbar unter: http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/ Downloads/Energiestudie-Kurzf-2011.pdf?__blob=publicationFile&v=2pdf 8 Bundesberggesetz vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310), das zuletzt durch Artikel 15a des Gesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 372/11 Seite 7 nach § 6 S. 1 BBergG erlaubnispflichtig, die Gewinnung bedarf einer Bewilligung nach § 8 BBergG. Die Erlaubnis ist nach § 11 Nr. 10 BBergG zu versagen, wenn überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen. Zu diesen öffentlichen Interessen zählen bspw. Belange des Umwelt- und Naturschutzes. Dementsprechend sind im bergrechtlichen Genehmigungsverfahren nach § 15 BBergG die Behörden zu beteiligen, zu deren Aufgaben die Wahrnehmung öffentlicher Interessen nach § 11 Nr. 10 BBergG zählt, also bspw. die Wasser- und Naturschutzbehörden. Der bergrechtlichen Genehmigung kommt jedoch keine Konzentrationswirkung zu, so dass neben der bergrechtlichen Erlaubnis bzw. Bewilligung noch andere behördliche Genehmigungen o.ä. erforderlich sein können.9 Ergänzend ist anzumerken, dass im Rahmen der Genehmigung von Vorhaben der Aufsuchung und Gewinnung unkonventionellen Erdgases nach derzeitiger Rechtslage keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Nach § 57 c BBergG i.V.m. der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau)10 ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Erdgasförderung erst ab einer täglichen Fördermenge von 500.000 m3 erforderlich. Derartige Fördermengen werden nur bei der Förderung konventionellen Erdgases erreicht. Die Bundesregierung prüft derzeit, ob die UVP-V Bergbau insoweit anzupassen ist.11 4.2. Wasserrecht Sollte die Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas mit einer Gewässerbenutzung verbunden sein, ist eine wasserrechtliche Erlaubnis nach § 8 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)12 erforderlich. Sofern Stoffe in das Grundwasser eingebracht bzw. eingeleitet werden, darf nach § 48 Abs. 1 WHG eine wasserrechtliche Erlaubnis nur erteilt werden, wenn eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist. Beim Fracking werden zwar keine Stoffe zielgerichtet in das Grundwasser eingeleitet, es dürfte aber der Tatbestand des Einbringens von Stoffen erfüllt sein, da die Bohrvorrichtungen im Boden zementiert werden und hiervon aufgrund der erforderlichen Tiefe auch grundwasserführende Schichten betroffen sein können.13 9 Vgl. OVG LSA v. 23. November 2003, 2 K 341/00 (Normenkontrolle einer Naturschutzverordnung). 10 Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben vom 13. Juli 1990 (BGBl. I S. 1420), die zuletzt durch Artikel 8 der Verordnung vom 3. September 2010 (BGBl. I S. 1261) geändert worden ist. 11 Antwort der Bundesregierung in BT-Drs. 17/7650, S. 2. 12 Wasserhaushaltsgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1986) geändert worden ist. 13 Näher zu wasserrechtlichen Aspekten des Fracking, UBA (Fn. 2), S. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 372/11 Seite 8 4.3. Stoffrecht Rechtliche Hürden bestehen auch für die beim Fracking eingesetzten Chemikalien. Für diese gilt im Grundsatz, dass sie nur zum Fracking eingesetzt werden dürfen, wenn sie für diesen Verwendungszweck bei der Europäischen Chemikalienagentur registriert wurden, Art. 5 EG- REACH-Verordnung.14 Nach Medienberichten wurde bislang wohl noch kein Stoff für das Fracking registriert.15 Allerdings kann dies für Chemikalien, die in einer Menge von über 100 Tonnen pro Jahr hergestellt oder importiert werden noch bis Mitte 2013 erfolgen. Stoffe, die in geringeren Mengen hergestellt oder importiert werden, können noch bis 2018 registriert werden.16 5. Gesetzliches Verbot des Fracking Über die bestehenden rechtlichen Beschränkungen hinaus, kommt auch ein gesetzliches Verbot der Methode des Hydraulic Fracking in Betracht, um etwaigen Risiken dieser Fördertechnik vorzubeugen. 5.1. Gesetzgebungskompetenz Ein gesetzliches Verbot des Fracking auf Bundesebene setzt zunächst voraus, dass dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zusteht. In Betracht kommt hierfür die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft), auf die u.a. Regelungen über den Bergbau gestützt werden können. Sofern ein Verbot des Fracking spezifischen bergbaulichen Gefahren begegnen soll, könnte es auf diese Kompetenznorm gestützt werden. Hinsichtlich etwaiger Gefahren für den Wasserhaushalt kann die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 (Wasserhaushalt) herangezogen werden. 14 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung , Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission, ABl. EU L 136 vom 29. Mai 2007, S. 3. 15 http://www.eu-koordination.de/umweltnews/news/chemie/1076-fracking-chemikalien-noch-nicht-reach-registriert. 16 Beschränkungen gelten auch für die sog. Schleimbekämpfungsmittel, die auf den Bohrvorrichtungen aufgebracht werden. Dabei handelt es sog. Biozide i.S.d. EU-Biozidrichtlinie. Sie dürfen daher nach § 12 a Chemikaliengesetz nur verwendet werden, wenn sie zugelassen und in den Anhang der Biozidrichtlinie aufgenommen wurden. Für sog. Altbiozide besteht nach § 28 Abs. 8 ChemG eine Übergangsvorschrift. Laut UBA ist allerdings nicht bekannt, welche Schleimbekämpfungsmittel für Fracking-Vorrichtungen eingesetzt werden. Außerdem dürfen Biozide nur in begrenzter Menge im Grundwasser vorhanden sein. Nach Anhang 2 zur Grundwasserverordnung gilt insoweit ein Schwellenwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 372/11 Seite 9 5.2. Materielle Verfassungsmäßigkeit Ein gesetzliches Verbot des Fracking müsste zudem materiell verfassungsgemäß sein. Es dürfte keine Grundrechtsverletzung vorliegen. Als betroffene Grundrechte kommen die Berufsausübungsfreiheit , das Eigentumsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit in Betracht. 5.2.1. Berufsfreiheit Ein Verbot des Fracking könnte in die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen , da Förderunternehmen nur noch auf konventionelle Weise Erdgas fördern könnten. Art. 12 Abs. 1GG schützt jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage.17 Dabei gewährleistet die Berufsfreiheit sowohl die freie Berufswahl als auch die freie Berufsausübung18. Da ein Verbot des Fracking, die Tätigkeitsmöglichkeiten für Erdgasförderunternehmen einschränken würde, läge ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit vor. Das Grundrecht der Berufsfreiheit wird nicht schrankenlos gewährleistet. Es kann durch ein verfassungskonformes Gesetz eingeschränkt werden. Ein gesetzliches Verbot des Fracking müsste daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, d.h. es müsste einen legitimen Zweck verfolgen sowie geeignet, erforderlich und angemessen sein.19 Diese Prüfung erfolgt bei der Berufsfreiheit nach der vom BVerfG im Apotheken-Urteil20 entwickelten Drei-Stufen-Theorie. Danach werden bloße Berufsausübungsregeln bereits durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Subjektive Berufswahlbeschränkungen sind zum Schutz überragender Gemeinschaftsgüter zulässig. Schwerwiegendste Eingriffe in Form von objektiven Berufswahlbeschränkungen sind nur zulässig, wenn sie zur Abwehr nachweisbarer oder höchst wahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zwingend geboten sind.21 Ein Verbot des Fracking betrifft die Modalitäten der Erdgasförderung und nicht etwa die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Förderunternehmen als solches tätig werden darf. Damit liegt eine Berufsausübungsregelung vor, die zu ihrer Rechtfertigung nur vernünftiger Erwägungen des Gemeinewohls bedarf. Als solche kommen Belange des Schutzes von Mensch und Umwelt in Betracht, etwa der Schutz vor geologischen Veränderungen, Veränderungen des Grundwasserpegels bzw. der Grundwasserqualität. Ein Verbot des Fracking wäre geeignet, derartige potenzielle Risiken auszuschließen und damit Mensch und Umwelt zu schützen. Es dürfte darüber hinaus kein gleich geeignetes milderes Mittel zum Schutz vor etwaigen Risiken des Fracking geben. Als mildere Mittel kommen Erlaubnisvorbehalte und Auflagen für Fra- 17 Scholz in Maunz/Düring, Grundgesetz, Stand: 62. Ergänzungslieferung 2011, Art. 12 Rn. 29. 18 Scholz (Fn. 17), Art. 12 Rn. 266. 19 Vgl. Grzeszick in Maunz/Düring (Fn. 17), Art. 20 Rn. 110. 20 BVerfGE 7, 377 ff. 21 BVerfGE 7, 377 ff.; Scholz (Fn. 17), Art. 12 Rn. 335. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 372/11 Seite 10 cking-Vorhaben in Betracht. Es ist allerdings fraglich, ob diese Mittel gleich geeignet wären, potenziellen Risiken des Fracking zu begegnen. Hierfür kommt es letztlich auf die Einschätzung des Gesetzgebers an, ob er möglicherweise mit dem Fracking verbundene Risiken für vorhersehbar und im Einzelfall auch beherrschbar hält oder nicht. Dem Gesetzgeber steht dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu.22 Sollte der Gesetzgeber ein umfassendes Verbot des Fracking für erforderlich halten, dürfte dieses auch angemessen sein, da es den Schutz wichtiger Rechtsgüter bezwecken würde. Sowohl die menschliche Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) als auch der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20 a GG) genießen Verfassungsrang. Der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG wäre demnach verfassungsrechtlich gerechtfertigt. 5.2.2. Eigentumsrecht Ein Verbot des Fracking könnte in das Eigentumsgrundrecht von Grundstückseigentümern eingreifen , unter deren Grundstücken sich unkonventionelle Erdgasvorkommen befinden. Sie könnten durch ein Verbot in ihrer Nutzungsfreiheit eingeschränkt sein. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG schützt die rechtliche Zuordnung eines vermögenswerten Gutes zu einem Rechtsträger. Das durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentum ist in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet.23 Allerdings besteht bei der Eigentumsgarantie die Besonderheit, dass die Ausgestaltung des Eigentums durch den Gesetzgerber erfolgt.24 Er bestimmt Inhalt und Schranken des Eigentums, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Eine derartige Inhalts- und Schrankenbestimmung für das Eigentum an Grundstücken hat der Gesetzgeber durch die Regelungen des BBergG getroffen. § 3 BBergG bestimmt, welche Bodenschätze im Eigentum des jeweiligen Grundstückseigentümers stehen bzw. welche Bodenschätze bergfrei sind, d.h. nicht vom Eigentum des darüber liegenden Grundstücks erfasst werden. Hierzu zählen nach § 3 Abs. 3 BBergG u.a. Kohlenwasserstoffe nebst deren bei der Gewinnung anfallenden Gase. Daher ist die Aufsuchung und Gewinnung von unkonventionellem Erdgas nicht eigentumsrechtlich geschützt. Ein Verbot der Aufsuchung und Gewinnung durch Fracking würde nicht in das Eigentumsgrundrecht etwaiger Grundstückseigentümer eingreifen. 5.2.3. Allgemeine Handlungsfreiheit Die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ist gegenüber den speziellen Freiheitsgrundrechten subsidiär. Dies gilt auch gegenüber der Berufsfreiheit. 22 Vgl. zum Gentechnikgesetz, BVerfG NVwZ 2011, 94, 105. 23 BVerfGE 102, 1, 15. 24 Depenheuer in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Band 1, 6. Auflage 2011, Art. 14 Rn. 56 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 372/11 Seite 11 6. Ergebnis Die Förderung von unkonventionellem Erdgas bedarf einer bergrechtlichen Erlaubnis und unterliegt zudem anderen rechtlichen Beschränkungen. Sollte der Bundesgesetzgeber zur Eindämmung etwaiger Risiken des Hydraulic Fracking ein Verbot dieser Fördermethode für erforderlich halten, könnte er ein entsprechendes Gesetz erlassen . Der damit verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit könnte durch Schutz von Mensch und Umwelt gerechtfertigt werden.