© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 365/18 Vertrauensgremium des Bundestages zur Kontrolle von Entscheidungen über Rüstungsexporte Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 365/18 Seite 2 Vertrauensgremium des Bundestages zur Kontrolle von Entscheidungen über Rüstungsexporte Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 365/18 Abschluss der Arbeit: 22. Oktober 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 365/18 Seite 3 1. Fragestellung Es stellt sich die Frage, ob sich im Deutschen Bundestag ein Vertrauensgremium einrichten ließe, das sich mit Entscheidungen der Bundesregierung zu Rüstungsexporten befasst. 2. Parlamentarische Kontrollrechte bei Rüstungsexporten 2.1. Grundsatz Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass dem „Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, […] grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert. Die Rüstungsexportkontrolle ist nicht wegen der außenpolitischen Bedeutung dieses Teilbereichs des Regierungshandelns von vornherein jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen.“1 Das BVerfG hat in der gleichen Entscheidung den folgenden Grundsatz unterstrichen: „Vorkehrungen zur Geheimhaltung und die Entscheidung, nur ein sehr kleines parlamentarisches Gremium mit Beratungsgegenständen aus einem vertraulichen Bereich zu befassen, können daher verfassungsrechtlich zulässig sein, obgleich damit erhebliche Beschränkungen des Zugangs der meisten Abgeordneten zu diesen Informationen verbunden sind […]“.2 Übertrage der Bundestag einem „Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm zu erfüllenden Aufgaben zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung“, so könne dies der „Wahrung anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang“ dienen und sei Ausdruck der parlamentarischen „Selbstorganisationsbefugnis“.3 2.2. Rüstungskontrolle als Sonderfall Im Bereich der Rüstungskontrolle hat das BVerfG allerdings Bedenken geäußert, ob sich parlamentarische Kontrollrechte auf ein Untergremium delegieren lassen: „[D]ie Delegation der Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages auf ein Gremium zur Kontrolle der Genehmigungsentscheidungen [über Rüstungsexporte] nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG [Grundgesetz] erscheint nicht zwingend erforderlich. Eine solche Delegation würde es zwar ermöglichen, das Parlament mit Informationen zu versehen, die über die bloße Mitteilung einer erfolgten Genehmigungsentscheidung hinausgehen. So könnte ein der Geheimhaltung unterliegendes Sondergremium auch über Ablehnungsentscheidungen und vor allem auch über die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung unterrichtet werden. Diesem Erhalt zusätzlicher Informationen stünde aber eine erhebliche Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle und der Statusrechte der 1 BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014, 2 BvE 5/11, Leitsatz 1 (Hervorhebung durch Autor). 2 BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014, 2 BvE 5/11, Rn. 151 (Hervorhebung durch Autor). 3 BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014, 2 BvE 5/11, Rn. 153. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 365/18 Seite 4 nicht im Gremium vertretenen Abgeordneten gegenüber. Zudem entfiele dadurch, dass die Kontrolle der Parlamentsöffentlichkeit entzogen würde, auch die Kontrolle durch die Bürger, die der effektiven Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber dem Wähler dient […]. Der Zugewinn an Informationen über Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates kann derartige Beschränkungen nicht rechtfertigen. […] Die Steigerung der Kontrolltiefe, die mit der Information eines Sondergremiums über Ablehnungsentscheidungen und über die Gründe der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates erreicht würde, steht in keinem Verhältnis zu den Einbußen für die Funktion der Kontrolle, die durch eine öffentliche Kontrolle vermittelte Legitimation des staatlichen Handelns und die Statusrechte der nicht in dem Gremium vertretenen Abgeordneten, die die weit überwiegende Mehrheit des Deutschen Bundestages darstellten.“4 2.3. Verfassungsrechtlicher Gestaltungspielraum Aus der vorgenannten Äußerung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich wohl Folgendes ableiten: Die parlamentarische Kontrolle von Entscheidungen der Bundesregierung zu Rüstungsexporten lässt sich nicht vollständig auf ein parlamentarisches Untergremium delegieren. Dies würde wohl unverhältnismäßig in den Grundsatz der Parlamentsöffentlichkeit eingreifen. Der Grundsatz der Parlamentsöffentlichkeit leitet sich ab aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.5 Die in Art. 20 GG enthaltenen Grundsätze dürfen auch durch eine Änderung des Grundgesetzes nicht „berührt“ werden (Art. 79 Abs. 3 GG). Damit sind lediglich „inhaltliche Modifikationen […] zulässig, solange nicht der Grundsatzgehalt der geschützten Bereiche angetastet wird […].“6 Hingegen dürfte es dem Bundestag unbenommen sein, durch ein Untergremium die Möglichkeit einer zusätzlichen parlamentarischen Kontrolle zu schaffen. Rechtsgrundlage dafür ist sein Selbstorganisationsrecht (Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG). Das neue Untergremium müsste aber die bestehende öffentliche Kontrolle des Parlamentes im Wesentlichen unberührt lassen. Unter die zusätzliche Kontrolle könnten Aspekte fallen, die – wie vom BVerfG angesprochen – zu einer „Steigerung der Kontrolltiefe“7 führen würden. Ausgenommen wären Aspekte, die unter den „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ fallen. Das BVerfG zählt hierzu grundsätzlich auch die „Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat“.8 Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung ist Ausdruck der Gewaltenteilung.9 Bei der Gewaltenteilung handelt es sich ebenfalls um einen nach Art. 79 Abs. 3 GG unabänderlichen Grundsatz. 4 BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014, 2 BvE 5/11, Rn. 197 (Hervorhebung durch Autor). 5 Vgl. Leitsatz 1, BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014, 2 BvE 5/11. 6 Dietlein, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 38. Edition Stand: 15. August 2018, Art. 79 Rn. 21.1. 7 BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014, 2 BvE 5/11, Rn. 197. 8 BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014, 2 BvE 5/11, Rn. 142. 9 WD 3 - 383/06, Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, S. 4-5, www.bundestag.de/blob/412760/1e98af44462dee55fd1ee3925501dbf4/wd-3-383-06-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 365/18 Seite 5 3. Mögliche Regelungsebenen Es sind die folgenden Möglichkeiten denkbar, ein Untergremium mit einer zusätzlichen parlamentarischen Kontrolle von Rüstungsexporten zu befassen: 3.1. Keine Rechtsänderung Der Bundestag könnte einen Beschluss fassen, der das Untergremium einrichtet. Dieser Beschluss würde wohl die innere Organisation parlamentarischer Abläufe generell regeln. Damit stellte ein solcher Beschluss materiell Geschäftsordnungsrecht dar.10 3.2. Geschäftsordnung Der Bundestag könnte in der Geschäftsordnung ein Untergremium für Rüstungskontrolle vorsehen. Die Geschäftsordnung könnte die Mitglieder des Gremiums zur Geheimhaltung verpflichten. Verletzungen hätten strafrechtliche Konsequenzen (vgl. § 17 GO-BT in Verb. mit Anlage 3, § 353b StGB).11 Allerdings gilt dies nicht für den durch die Indemnität (Art. 44 Abs. 1 GG) geschützten Bereich.12 Im Außenverhältnis kann die Geschäftsordnung keine eigenen Pflichten gegenüber der Bundesregierung begründen.13 Die Bundesregierung wäre daher weiterhin nur zu solchen Informationen verpflichtet, die sich aus dem bestehenden verfassungsrechtlichen Informationsrecht des Bundestages ergeben. Gegen eine Verpflichtung der Bundesregierung zu weitergehenden Informationen spricht die folgende Feststellung des BVerfG: „Die Verpflichtung der Bundesregierung, den Deutschen Bundestag öffentlich über positive Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, ermöglicht eine hinreichende parlamentarische Kontrolle.“14 3.3. Gesetz Der Vorteil einer gesetzlichen Regelung läge in der Bindungswirkung gegenüber der Bundesregierung . Beispiele für solche Regelungen von Untergremien sind das Untersuchungsausschussgesetz (PUAG) oder das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes. Insoweit die Verankerung in einem einfachen Gesetz Rechte des Bundestages begründen würde, die nicht in der Verfassung enthalten sind, könnte der Bundestag diese – aus verfassungsrechtlicher Sicht – nicht vor dem BVerfG einklagen. Der Gesetzgeber könnte die Einklagbarkeit aber einfach- 10 Vgl. Brocker, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 38. Edition Stand: 15. August 2018, Art. 40 Rn. 28. 11 Klein, in: Maunz-Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 83. EL April 2018, Art. 38, Rn. 224; Singer, PKGrG, § 10, Rn. 19. 12 Vgl. Singer, PKGrG, § 10, Rn. 19. 13 Vgl. Brocker, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 38. Edition Stand: 15. August 2018, Art. 40 Rn. 30. 14 BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014, 2 BvE 5/11, Rn. 197 (Hervorhebung durch Autor). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 365/18 Seite 6 gesetzlich vorsehen (Art. 93 Abs. 3 GG). Je nach Umständen des Einzelfalls kommt auch eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in Betracht. Z. B. weist § 36 Abs. 1 PUAG Streitigkeiten um Befugnisse und Verfahren parlamentarischer Untersuchungsausschüsse grundsätzlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu. Wie auch bei einer Regelung in der Geschäftsordnung gilt: Die Bundesregierung wäre gegenüber dem Untergremium weiterhin nur zu solchen Informationen verpflichtet, die sich aus dem bestehenden verfassungsrechtlichen Informationsrecht des Bundestages ergeben. Was die Verpflichtung zur Geheimhaltung und strafrechtliche Konsequenzen anbelangt, gelten die Ausführungen unter Punkt 3.2 entsprechend. 3.4. Grundgesetz Eine verfassungsrechtliche Verankerung bedürfte „der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates“ (Art. 79 Abs. 2 GG). Beispiele für in der Verfassung verankerte Untergremien sind der Auswärtige Ausschuss (Art. 45a GG) oder das Parlamentarische Kontrollgremium (Art. 45d GG). Insoweit die Verankerung im Grundgesetz Rechte des Bundestages begründen würde, die nicht bereits in der Verfassung enthalten sind, könnte der Bundestag auch diese vor dem BVerfG einklagen. Wie auch z. B. bei Art. 45d Abs. 2 GG erscheint es erwägenswert, wenn die Verfassungsnorm die Details des neuen Gremiums einer gesetzlichen Regelung zuweisen würde. ***