Zur Eingliederung von Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 365/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Zur Eingliederung von Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 365/08 Abschluss der Arbeit: 15.10.2008 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: +49 (30) 227-32425 Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - 1. Fragestellung Die Ausarbeitung „Zum Gestaltungsfreiraum bei der gesetzlichen Rentenversicherung“ (WD3 - 3000 - 292/08) kommt in der Zusammenfassung zu folgendem Ergebnis: „Sollen auch Beamte in die Rentenversicherungspflicht einbezogen werden, ist zu beachten, dass sie verfassungsrechtlichen Anspruch haben auf angemessene Versorgung durch ihren Dienstherrn. Daher wären für sie möglicherweise Zusatzleistungen des Dienstherrn einzurichten. Die Zulässigkeit aller vorstehenden Änderungen des Rentenversicherungssystems hängt in hohem Maße von der konkreten Ausgestaltung und den wirtschaftlichen Gesamtverhältnissen ab.“ Hierzu stellt sich die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung mit einzubeziehen und ob es hierzu juristische Literatur ggf. mit ausgearbeiteten Konzepten gibt. 2. Bisherige Rechtsprechung Grundsätzlich sind Beamte durch § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, da ihnen die Dienstherren die Versorgungsanwartschaft gewährleisten 1. Dies beruht u a. auf den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 V GG). Hierzu gehört die Verpflichtung des Dienstherrn zur amtsangemessenen Besoldung („Alimentation“) des Beamten und das Fürsorgeprinzip, das dem Beamten auch in seiner Zeit als Ruhegehaltsempfänger einen angemessenen Lebensunterhalt zusichert.2 Die Beamtenversorgung ist eine Vollversorgung, während die Sozialrente nur als Grundversorgung gedacht ist.3 Insofern dürfte eine Eingliederung der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung möglich sein, allerdings nur, solange der Dienstherr die Differenz der Grundversorgung zur Vollversorgung ausgleicht. Dabei ist zu beachten , dass Beamte – nach aktueller Verfassungslage – ihren Anspruch gegen den Diens therr behalten müssen. Das BVerfG hat hierzu im Jahr 1988 ausgeführt: „Die Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn ist unabdingbar und kraft ihrer besonderen rechtlichen Struktur nicht teilbar. Auf dem Boden der herge- 1 Plagemann, Sozialrecht, 2. Auflage 2005, § 5 Der (sozial-)versicherte Arbeitnehmer, Rn. 84. 2 Schnellenbach, Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in der Rechtsprechung des BVerfG, VerwArch 2001, S. 2. 3 BVerfG, NVwZ 2005, S. 1294, 1300 – Verfassungsmäßigkeit der Absenkung von Versorgungsbezügen = www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20050927_2bvr138702.html , Rn. 126; zuletzt aufgerufen am 14.10.08. - 4 - brachten Grundsätze des Berufsbeamtentums können weder das Gehalt des aktiven Beamten noch das Ruhegehalt oder die Hinterbliebenenversorgung (ganz oder teilweise) in Leistungen anderer Qualität wie z. B. Leistungslohn, Fürsorgehilfen oder Sozialversicherungsleistungen übergeleitet werden. Die Besoldung und Versorgung des Beamten darf - auch hinsichtlich einzelner ihrer Bestandteile - nicht dem Gewährleistungsbereich des Art. 33 V GG entzogen werden. Sie muss vom Dienstherrn selbst gewährt werden, der sich hinsichtlich keiner der bedeutsamen Alimentationsleistungen durch einen Dritten entlasten darf.“4 - Anlage 1 - Dies dürfte einer Eingliederung der Beamten in die Rentenversicherung nicht kategorisch entgegenstehen. Denn auch bei einer Eingliederung könnte der Versorgungsanspruch des Beamten gegen den Dienstherrn parallel bzw. hilfsweise bestehen bleiben. Der Anspruch gegen den Dienstherrn könnte jedoch regelmäßig durch die Rentenversicherung bzw. die Zusatzversorgung in der verfassungsrechtlich gebotenen Höhe durch einen Dritten erfüllt werden. Nur für einen etwaigen Ausfall müsste der Dienstherr einstehen . Die Passage in dem Urteil des BVerfG, wonach die Versorgung „vom Diens therrn selbst gewährt werden“ muss, dürfte sich auf die rechtliche Gewährung beziehen, nicht auf die tatsächliche Zahlung. Im Übrigen dürfte das Verbot der „Überleitung auf die Rentenversicherung“ nur eine Überleitung unter Wegfall der bisherigen Ansprüche gegen den Dienstherrn meinen. 3. Literatur und Presse In der juristischen Literatur finden sich nahezu keine Ausführungen und Konzepte zur Eingliederung der Beamten in die Rentenversicherung unter Leistung einer Zusatzversorgung . Eine Stellungnahme von MdB Dieter Wiefelspütz aus dem Jahr 2008 setzt sich substantiiert mit der Eingliederung von Beamten in die Rentenversicherung auseinander . Hiernach ist die Eingliederung möglich, wenn der Dienstherr den Beamten z. B. höhere Bruttobezüge gewährt, damit diese die Beiträge in die Rentenversicherung und die Zusatzversicherung leisten können.5 Hierfür soll offenbar eine Änderung des Art. 33 GG notwendig sein. Ob dies auch gilt, wenn der Anspruch des Beamten gegen den Dienstherrn bestehen bleibt, wird in der Stellungnahme nicht ausdrücklich angesprochen . - Anlage 2 - 4 BVerfG, NVwZ 1988, S. 329, 335 - Anrechnung von Renten auf Versorgungsbezüge. 5 Wiefelspütz, ZRP 2008, 231. - 5 - Der Professor für Staatsrecht Rupert Scholz hält in einer Pressestellungnahme eine Eingliederung der Beamten in die Rentenversicherung offenbar ohne Verfassungsänderung für möglich. - Anlage 3 - Es findet sich eine Gegenstimme aus dem Jahr 1995, die unter Verweis auf das Urteil des BVerfG aus dem Jahr 1988 eine „gespaltene Versorgung“ aus gesetzlicher Rentenversicherung und Zusatzversorgung aus verfassungsrechtlichen Gründen ablehnt.6 - Anlage 4 - Diese Auffassung geht offenbar von einem Modell aus, bei dem den Beamten bei einer Eingliederung in die Rentenversicherung kein paralleler bzw. hilfsweiser Versorgungsanspruch gegen den Dienstherrn verbleibt. Sie ist daher allenfalls bedingt einschlägig. Ferner gibt es noch eine Gegenstimme des Deutschen Beamtenbundes, die eine Eingliederung in die Rentenversicherung eher pauschal und ohne substantiierte Auseinandersetzung mit Gestaltungsmöglichkeiten ablehnt. - Anlage 2 - 4. Ergebnis Die Eingliederung der Beamten in die Rentenversicherung dürfte grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig sein, wenn der Versorgungsanspruch des Beamten gegen den Dienstherrn sozusagen parallel bzw. hilfsweise bestehen bleibt. Da das BVerfG die Frage der Eingliederung von Beamten in die Rentenversicherung unter Beibehaltung ihrer Versorgungsansprüche gegen den Dienstherrn noch nicht ausdrücklich entschieden hat und eine breite, fundierte Meinung in der Literatur fehlt, verbleibt eine gewisse Unsicherheit . 6 Ruland, Zur Zukunft von gesetzlicher Rentenversicherung und Beamtenversorgung, NVwZ 1995, 417.