AUSARBEITUNG Thema: Zu Fragen der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommune (insbesondere Konnexitätsprinzip) Fachbereich III Verfassung und Verwaltung Tel.: Verfasser/in: Abschluss der Arbeit: 19. Januar 2006 Reg.-Nr.: WF III - 364/05 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. 2 Inhaltsverzeichnis Seite 1. Zusammenfassung 3 1.1. zu Frage 1: 3 1.2. zu Frage 2: 3 1.3. zu Frage 3: 3 2. Frage 1: Weitergabe finanzieller Mittel des Bundes an die Kommunen beim Aufgabendurchgriff 4 3. Frage 2: Ausschluss von Aufgabenübertragungen vom Bund auf die Kommunen durch Änderung des Grundgesetzes 5 4. Frage 3: Änderung des Grundgesetzes durch Einfügung des erweiterten Konnexitätsprinzips 8 4.1. Änderung des Art. 28 Abs. 2 GG 9 4.2. Änderung des Art. 104 a GG 10 3 1. Zusammenfassung 1.1. zu Frage 1: Eine direkte Weitergabe finanzieller Mittel vom Bund an die Kommunen, bei einer auf Bundesgesetz beruhenden Aufgabenübertragung, ist grundsätzlich verfassungsrechtlich ausgeschlossen (Art. 104 a Abs. 1 Grundgesetz). In Ausnahmefällen kann sich der Bund an der Finanzierung von Aufgaben beteiligen, für die die Länder/Kommunen die Verwaltungskompetenz haben. Der Bund ist dann befugt, unter Beteiligung der Länder, Finanzmittel „indirekt“ an die Kommunen weiter zu geben. 1.2. zu Frage 2: Einer Änderung des Grundgesetzes mit dem Inhalt, dass den Kommunen keine Aufgaben direkt durch Bundesgesetz übertragen werden dürfen, wie es der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 11. November 2005 vorsieht, stehen verfassungsrechtlich keine Bedenken entgegen. 1.3. zu Frage 3: Der Verankerung des erweiterten Konnexitätsprinzips in Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz zu Gunsten der Kommunen stehen verfassungsrechtlich keine Bedenken entgegen. Alternativ könnte auch die Finanzverfassung (Art. 104 a Grundgesetz) geändert werden. Fraglich ist, ob den Kommunen durch eine Modifikation des Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz auch ausreichend finanzielle Mittel vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Denn mittelfristig ist mit einer tatsächlichen Verbesserung der Finanzsituation der Kommunen eher nicht zu rechnen. Jede stärkere Heranziehung des Bundes zur Finanzierung führt gleichzeitig zu einer stärkeren Belastung der öffentlichen Haushalte. Eine Verankerung des erweiterten Konnexitätsprinzips wäre daher nur dann nachhaltig, wenn auch die den öffentlichen Haushalten zur Verfügung stehenden Mittel erhöht werden. 4 2. Frage 1: Weitergabe finanzieller Mittel des Bundes an die Kommunen beim Aufgabendurchgriff Das in Art. 104 a Grundgesetz (GG) verankerte Konnexitätsprinzip1 gilt nur im Bund- Länder-Verhältnis.2 Soweit Ausgaben verursachende Aufgaben unmittelbar durch Bundesgesetze den Kommunen übertragen werden (sog. Aufgabendurchgriff), stellt sich die Lastenverteilungsfrage jedoch auch im Verhältnis Bund-Kommunen. Art. 104 a Abs. 1 GG regelt, dass Bund und Länder „gesondert ihre Ausgaben“ tragen. Das beinhaltet insbesondere ein Fremdfinanzierungsverbot im Fall übertragener Aufgabenbereiche. Die Folge ist, dass der Bund keine Kostenlasten der Kommunen direkt übernehmen bzw. Finanzmittel direkt weitergeben darf.3 Den Ländern ist im Rahmen von auf Bundesgesetz beruhenden Aufgabenübertragungen keine Einstandspflicht gegenüber den Kommunen auferlegt. Unmittelbare Finanztransfers des Bundes an die Kommunen sind somit von Verfassungswegen grundsätzlich ausgeschlossen. Die Kommunen sind zur Deckung der entstehenden Verwaltungsaufgaben auf ihre allgemeinen Einnahmen angewiesen, soweit das Grundgesetz ausnahmsweise nichts anderes bestimmt.4 In verfassungsrechtlich vorgesehenen Ausnahmefällen kann sich der Bund allerdings an der Finanzierung von Aufgaben beteiligen, für die die Länder die Verwaltungskompetenz haben.5 Dazu zählen u. a. Geldleistungsgesetze gemäß Art. 104 a Abs. 3 GG. Das sind solche Gesetze, die Ausgaben aufgrund von Bundesgesetzen gewähren, aber von den Ländern einschließlich ihrer Gemeinden in eigener Zuständigkeit ausgeführt werden .6 Durch Gesetz kann der Bund bestimmen, dass die Geldleistungen ganz oder teilweise vom Bund getragen werden. 1 Die Lastenverteilungsregel auf Bundesebene verknüpft die Aufgabenzuständigkeit mit der Finanzverantwortung . Diese Verknüpfung wird als Konnexitätsprinzip bezeichnet. 2 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Band 86, S. 215. 3 Remmert, Barbara, Die verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden bei der Zuweisung überörtlicher Aufgaben durch Bundesgesetz, Verwaltungs-Archiv (VA) 2003, S. 464. 4 Remmert, Barbara, Die verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden bei der Zuweisung überörtlicher Aufgaben durch Bundesgesetz, VA 2003, S. 464. 5 Als Ausnahmefälle sind verfassungsrechtlich geregelt: - Auftragsverwaltung (Art. 104 a Abs. 2 GG), - Geldleistungsgesetze (Art. 104 a Abs. 3 GG), - Finanzhilfen bei besonders bedeutsamen Investitionen (Art. 104 a Abs. 4 GG), - Sonderbelastungen bei Veranlassung besonderer Einrichtungen (Art. 106 Abs. 8 GG), -Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Art. 106 a GG i. V. m. Art. 87 e Abs. 1 S. 2 GG), - Tragen der Kriegsfolgelasten (Art. 120 GG). 6 Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, München 2005, Art. 104 a, Rn. 82. 5 Ein Beispiel für ein Geldleistungsgesetz ist das „Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“7 – „Hartz IV“. Im Rahmen der Neufassung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) ist die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 46 Abs. 1 SGB II nunmehr Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende und führt diese im Auftrag des Bundes durch. Die Kommunen tragen die in den §§ 6 Abs. 1 S. 2, 22 Abs. 1 SGB II näher bestimmten Ausgaben wie z.B. Leistungen für Unterkunft und Heizung. § 46 Abs. 5 SGB II regelt, dass sich der Bund zweckgebunden an den Kosten der Kommunen für Unterkunftszahlungen und Heizung beteiligt, da die Kommunen durch „Hartz IV“ erhöhten Mehrbelastungen ausgesetzt sind. Die derzeitige Beteiligungsquote des Bundes liegt bei 29, 1 Prozent (§ 46 Abs. 5 SGB II). Die finanzielle Entlastung der Kommunen findet wie folgt statt: Die örtlichen Agenturen für Arbeit und die kommunalen Träger können Arbeitsgemeinschaften zur gemeinsamen Wahrnehmung der jeweils zugewiesenen Aufgaben bilden. Die Kommunen können 29, 1 Prozent der Kosten für Unterkunft und Heizung vom Land zurück fordern. Das Land bekommt schließlich 100 Prozent von den 29,1 Prozent vom Bund ausbezahlt. Ein Finanztransfer zwischen Bund und Kommune erfolgt somit nur „indirekt“ unter Beteiligung der Länder.8 3. Frage 2: Ausschluss von Aufgabenübertragungen vom Bund auf die Kommunen durch Änderung des Grundgesetzes Eine verfassungsrechtliche Verankerung des Ausschlusses von direkten Aufgabenübertragungen des Bundes auf die Kommunen ist insbesondere im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 11. November 2005 vorgesehen.9 Der Entwurf sieht eine Anpassung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen dahin gehend vor, dass Art. 84 Abs. 1 GG und Art. 85 Abs. 1 GG jeweils ergänzt werden durch folgenden Satz: „Durch Bundesgesetz dürfen Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden.“ Nach gegenwärtiger Rechtslage sind die Einrichtung und das Verfahren kommunaler Behörden dem Zugriff des Bundesgesetzgebers nicht von vornherein entzogen, öffnen sich aber andererseits nicht voraussetzungslos bundesgesetzlicher Bestimmungen. 7 BGBl. I 2003, S. 2954. 8 Ein weiteres Beispiel bei der eine indirekte Finanzbeteiligung des Bundes stattfindet ist das seit dem 01. Januar 2003 geltende Grundsicherungsgesetz (BGBl. I 2001, S. 1335). 9 http://www.cducsu.de/upload/koalitionsvertrag 6 Die Kompetenzzuweisungsnorm für den unmittelbaren bundesgesetzlichen Aufgabendurchgriff auf die Kommunen ist Art. 84 Abs. 1 GG.10 Die Übertragung von Aufgaben auf die Kommune geht zurzeit einher mit dem Tragen der Zweckausgaben. Eine direkte Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf die Kommunen ist gegenwärtig nur im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht herausgestellten Zwecksetzung zulässig, denn dem Bund fehlt die Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich der Materie „Kommunalrecht “.11 Die Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht steht grundsätzlich den Ländern zu12. Nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht ein Recht des Bundes zum Aufgabendurchgriff auf die Kommunen nur, wenn es sich (1) bei der Einschaltung der Kommunen in den Vollzug des Bundesgesetzes um eine punktuelle Annexregelung zu einer zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehörenden materiellen Regelung handelt und wenn (2) diese Annexregelung für den wirksamen Vollzug der materiellen Bestimmungen des Bundesgesetzes notwendig ist. Um dem Bund das Recht zum Aufgabendurchgriff auf die Kommunen vollständig zu nehmen, müsste das Grundgesetz geändert werden. Ein einfaches Bundesgesetz würde dazu nicht ausreichen. Da Art. 84 Abs. 1 GG den Durchgriff in Grenzen erlaubt, bietet sich als Standort der verfassungsrechtlichen Verankerung eines Ausschlusses des Aufgabendurchgriffs , entsprechend dem Vorschlag der großen Koalition, Art. 84 Abs. 1 GG an. Die vorgeschlagene Änderung des Art. 84 Abs. 1 GG würde dem Bund das Zugriffsrecht auf die Kommunen aufgrund seiner Annexregelungskompetenz entziehen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts13 zu Art. 84 Abs. 1 GG wäre im Falle einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Ausschlusses als Spezialregelung hinfällig . Die Verfassungsänderung könnte jedoch im Widerspruch zum Kern des Bundesstaatsprinzips stehen, das aus Art. 20 Abs. 1 GG hergeleitet wird und gemäß Art. 79 Abs. 3 GG grundsätzlich nicht durch eine Verfassungsänderung angetastet werden darf. Die Grundsätze des Art. 79 Abs. 3 GG (sog. Ewigkeitsgarantie) entziehen die Substanz 10 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Band 22, S. 210; 77, S. 299. 11 Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, München 2005, Art. 84, Rn. 11. 12 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Band 22, S. 180 ff. 13 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Band 22, S. 210; 77, S. 299. 7 der Verfassung auch dem verfassungsändernden Gesetzgeber. Bei der Bestimmung dieser Grundsätze ist zu beachten, dass Art. 79 Abs. 3 GG eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift ist und nur solche Verfassungsgüter schützt, die von essentieller Bedeutung für den Staat sind.14 Im Rahmen der Verfassungsänderung müssen Mindestvoraussetzungen des Bundesstaatsprinzips erhalten bleiben. Dazu zählen u. a. die Gliederung der Bundesrepublik Deutschland in Bund und Länder, die Staatlichkeit des Bundes und der Länder sowie der Grundsatz funktionaler Gewaltenteilung.15 Die Gliederung der Bundesrepublik in Bund und Länder würde durch die Verfassungsänderung unangetastet bleiben. Die Staatlichkeit von Bund und Ländern verwirklicht sich in einem Mindestbestand substanzieller Kompetenzen auf beiden Ebenen. Die Länder im Bundesstaat sind beispielsweise nur dann Staaten, wenn ihnen ein Kern eigener Aufgaben als "Hausgut" unentziehbar verbleibt.16 Die Verfassungsänderung würde dazu führen, dass der Bund aufgrund seiner ungeschriebenen Annexregelungskompetenz kein Durchgriffsrecht mehr auf die Kommunen hat. Beim Bund und insbesondere bei den Ländern würde trotz der Änderung ein „Kern eigener Aufgaben“ verbleiben. Unmittelbare, essentielle Auswirkungen auf die Staatlichkeit des Bundes und der Länder ergeben sich somit nicht. Weiterhin wird die funktionale Gewaltenteilung geprägt durch ein ausbalanciertes System von Eigenständigkeit, aber auch Bindungen des Bundes und seiner Glieder.17 Eine Ausprägung der funktionalen Gewaltenteilung stellen u. a. die Kompetenzregeln nach Art. 30 GG und Art. 83 ff. GG dar. Die Kompetenzregeln verteilen die politische Macht und setzen ihrer Ausübung einen verfassungsrechtlichen Rahmen, der diese Machtverteilung aufrechterhalten und ein Zusammenwirken der verschiedenen Kräfte sowie einen Ausgleich widerstreitender Belange ermöglichen soll.18 Im Falle der Umsetzung der Verfassungsänderung hat der Bund noch die Möglichkeit, Aufgaben direkt den Ländern zu übertragen. Die Länder können diese Aufgabe dann im Rahmen ihrer Verwaltungskompetenz auf die Kommunen weiter übertragen. Der Grundsatz der funktionalen Gewaltenteilung würde im Fall der Umsetzung der Verfassungsänderung erhalten bleiben. 14 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Band 45, S. 229. 15 Mangoldt/ Klein/ Starck, Kommentar zum Grundgesetz, München 2005, Art. 79 Abs. 3, Rn. 125. 16 Das Bundesverfassungsgericht spricht in BVerfGE 34, S. 20 von einem „Kern eigener Aufgaben als Hausgut“. 17 Mangoldt/ Klein/ Starck, Kommentar zum Grundgesetz, München 2005, Art. 79 Abs. 3, Rn. 46. 18 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Band 55, S. 318. 8 Somit würde die im Koalitionsvertrag vorgeschlagene Änderung des Art. 84 GG nicht gegen die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG verstoßen. Man könnte darüber hinaus erwägen, ob die Verfassungsänderung systemwidriges Verfassungsrecht hervorrufen würde. Denn im Falle des Ausschlusses des Aufgabendurchgriffs würde das bisher bestehende Recht des Bundes zur Annexregelungskompetenz zumindest beschnitten. Dem Bund würde dann nicht mehr die Möglichkeit zur Verfügung stehen, die Kommunen auf der Grundlage seiner „ungeschriebenen“ Annexkompetenz zu Aufgabenträgern zu bestimmen. Die grundsätzliche Möglichkeit des Bundes, im Rahmen einer ausdrücklich zugewiesenen Gesetzgebungszuständigkeit, Vorschriften zu erlassen, die der Durchführung der materiellen Regelung dienen und darin die Länder zu Aufgabenträgern zu bestimmen, würde aber erhalten bleiben. Der Wegfall der ungeschriebenen Annexregelungskompetenz des Bundes gegenüber den Kommunen würde zu einer schärferen Abgrenzungsmöglichkeit der Gesetzgebungskompetenzen insgesamt führen. Die vorgeschlagene Verfassungsänderung würde somit kein systemwidriges Verfassungsrecht hervorrufen. 4. Frage 3: Änderung des Grundgesetzes durch Einfügung des erweiterten Konnexitätsprinzips Eine Änderung der Verfassung könnte durch unterschiedliche Ausgestaltungen zu einer finanziellen Entlastung der Kommunen führen. Dazu werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert. So wird eine Änderung des Art. 104 a Abs. 1, Abs. 3 GG oder des Art. 28 Abs. 2 GG vorgeschlagen.19 Darüber hinaus könnte Art. 84 Abs. 1 GG modifiziert werden. Eine mögliche Änderung des Art. 84 Abs. 1 GG wurde bereits oben geprüft.20 Den Vorschlägen, Art. 28 GG oder Art. 104 a GG zu ändern, ist gemein, dass stets eine Verankerung des Konnexitätsprinzips im Grundgesetz in Form der Gesetzeskausalität (Veranlassungsprinzip) diskutiert wird.21 Mit Einführung des Veranlassungsprinzips würde sichergestellt, dass der Gesetzgeber auch die Kosten für den Vollzug des Geset- 19 u. a. der Gesamtvorstand der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände http://www.kommunalpolitische-blaetter.de/kopo. 20 Siehe dazu Kapitel 3. 21 Wager, Christean/Rechenbach, Dagmar, Konnexitätsprinzip ins Grundgesetz!, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2003, S. 309. 9 zes tragen muss („Wer bestellt, bezahlt“).22 Die Folge wäre, dass der Bund zwar Aufgaben auf die Kommunen übertragen darf, die Kosten hierfür jedoch selbst tragen muss. Demgegenüber folgt das derzeitige Konnexitätsprinzip dem sog. Vollzugsprinzip.23 4.1. Änderung des Art. 28 Abs. 2 GG Die Fraktion der FDP im Deutschen Bundestag schlug in der 15. Wahlperiode die Verankerung des erweiterten Konnexitätsprinzips im Grundgesetz durch eine Ergänzung des Art. 28 Abs. 2 GG um einen Satz 4 vor.24 „Der Gesetz- und Verordnungsgeber muss Bestimmungen über die Deckung der Kosten treffen, wenn er Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zur Erfüllung bestimmter Aufgaben verpflichtet.“ Eine Verankerung des Konnexitätsprinzips in Art. 28 Abs. 2 GG würde für die Kommunen bedeuten, dass der Gesetzgeber gleichzeitig mit der Übertragung der Aufgabe, Regelungen über die Deckung der Kosten treffen müsste. Diesem Vorschlag stehen verfassungsrechtlich keine Bedenken entgegen. Die Änderung durch Gesetz wäre gemäß Art. 79 Abs. 1 GG grundsätzlich möglich. Dem Bund steht die Kompetenz zu, in den Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG u. a. Zuständigkeitsverschiebungen zwischen Bund und Ländern vorzunehmen.25 Die Grenzen des Absatzes 3 wären im Falle der vorgeschlagenen Verfassungsänderung eingehalten. Es könnte allerdings die Möglichkeit bestehen, dass es zu Kollisionen mit Normen der Finanzverfassung kommt, wenn der Gesetzgeber das erweiterte Konnexitätsprinzip nur in Art. 28 Abs. 2 GG verankert, da die Vorschriften im X. Abschnitt des Grundgesetzes grundsätzlich als Sonderregeln behandelt werden müssen.26 Eine Klarstellung in der Finanzverfassung wäre daher zu überlegen. Betrachtet man den Vorschlag allerdings unter verfassungspolitischen Gesichtspunkten, so erscheint er bedenklich. Denn fraglich ist, ob den Kommunen auch tatsächlich ausreichend finanzielle Mittel vom Bund für die Aufgabenerfüllung zur Verfügung gestellt werden und gestellt werden müssen. Es ist zu erwarten, dass die Aufnahme einer Konnexitätsklausel in Art. 28 Abs. 2 GG die tatsächliche Finanzsituation der Kommunen 22 Probst, René, Der aktuelle Begriff – Konnexitätsprinzip –, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Nr. 08/2004, 03.05.2004. 23 D.h. die Finanzverantwortung folgt der Aufgabenverantwortung. 24 Bundestagsdrucksache 15/1247. 25 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Band 1, S. 51. 26 Wager, Christean/Rechenbach, Dagmar, Konnexitätsprinzip ins Grundgesetz!, ZRP 2003, S. 311. 10 mittelfristig nicht wesentlich verbessern würde, denn im Falle einer Kostenübernahme durch den Bund würden die den öffentlichen Haushalten insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel unverändert bleiben.27 Je größer die Kostenerstattungspflicht des Bundes wäre, umso kleiner könnte auf Dauer beispielsweise der auf die Länder und Kommunen anfallende Anteil an der Umsatzsteuer und umso geringer könnten im Rahmen des Länderfinanzausgleichs die Ergänzungszuweisungen des Bundes an die Länder sein.28 Eine Verankerung des erweiterten Konnexitätsprinzips wäre daher nur nachhaltig, wenn die den öffentlichen Haushalten zur Verfügung stehenden Mittel erhöht werden. Einer Konnexitätsklausel in Art. 28 Abs. 2 GG könnte aber eine Disziplinierungsfunktion zukommen. Der Aufgaben zuweisende Bundesgesetzgeber müsste - anders als jetzt - Finanzierungsfragen zeitgleich mit der Aufgabenzuweisung regeln. Da er dabei unmittelbar über Bundesmittel zu verfügen hätte, könnte das dazu veranlassen, stärker als bisher die Notwendigkeit der wahrzunehmenden Aufgabe zu überprüfen. Eine dadurch veranlasste Aufgabenreduktion käme den öffentlichen Haushalten insgesamt zu Gute - und damit langfristig auch den Kommunen. Die Verankerung des erweiterten Konnexitätsprinzips in Art. 28 Abs. 2 GG ist somit verfassungsrechtlich möglich. 4.2. Änderung des Art. 104 a GG Für die Aufnahme eines erweiterten Konnexitätsprinzips in das Grundgesetz bietet sich auch eine Verankerung in der Finanzverfassung (Art. 104 a GG) an. In der juristischen Literatur wird u. a. gefordert, dass Art. 104 a Abs. 1 GG vorsehen soll, dass der Bund dann die Zweckausgaben für die Wahrnehmung von direkt übertragenen Aufgaben trägt, wenn für die Länder oder die Kommunen kein nennenswerter Ausführungsspielraum besteht, das Ausgabenvolumen also durch Bundesgesetz vorgegeben ist.29 Nach weitergehenden Vorstellungen kommt eine Änderung des Art. 104 a Abs. 3 GG in Betracht, wie sie etwa der 61. Deutsche Juristentag 1996 in Karlsruhe gefordert hat.30 27 Remmert, Barbara, Die verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden bei der Zuweisung überörtlicher Aufgaben durch Bundesgesetz, VA 2003, S. 459. 28 Remmert, Barbara, Die verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden bei der Zuweisung überörtlicher Aufgaben durch Bundesgesetz, VA 2003 S. 482. 29 Wendt, Rudolf, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlasste kommunale Ausgaben, in: Verfassungsstaatlichkeit, Festschrift für Klaus Stern, München 1997, S. 614. 30 , Wie muss der Text des Grundgesetzes geändert werden, wenn das Konnexitätsprinzip entsprechend den Grundsatzbeschlüssen des 61. Deutschen Juristentages in Karlruhe eingeführt werden soll?, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 149/02, 29.11.2002. 11 Danach soll Art. 104 a Abs. 3 GG dahin gehend geändert werden, dass der Bund dann die Ausgaben für Leistungen zu tragen hat, wenn die Länder oder die vom Bund ausnahmsweise unmittelbar bestimmten Kommunen, Maßnahmen des Bundes ausführen, die Zahlungen, Sachleistungen oder die Herstellung und Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen vorsehen. Es erscheint auch denkbar, Art. 104 a Abs. 1 GG um die Gemeinden und Gemeindeverbände zu ergänzen. Art. 104 a Abs. 2 GG könnte dann um folgenden Satz 2 ergänzt werden: „Dies gilt auch, wenn die Gemeinden oder die Gemeindeverbände auf gesetzliche Anweisung des Bundes oder des Landes handeln.“ 31 Konsequent wäre dann schließlich noch eine Ergänzung des Art. 104 a Abs. 5 GG um „Gemeinden und Gemeindeverbände“. Diesen Vorschlägen stehen verfassungsrechtlich keine Bedenken entgegen. Unter Beachtung von Art. 79 Abs. 1 GG wären die Änderungen möglich. Auf o. g. Ausführungen zur Änderung des Art. 84 Abs. 1 GG kann hier verwiesen werden.32 Eine Änderung des Art. 104 a GG könnte jedoch unter verfassungssystematischen Gesichtspunkten Nachteile mit sich bringen. Denn es ist zunächst zu beachten, dass es grundsätzlich dem System der Finanzverfassung widerspricht, wenn unmittelbare Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Kommunen begründet werden. Das Bundesverfassungsgericht geht von dem Idealbild einer klar ordnenden Finanzverfassung aus33, die durch diese Änderung „unschärfer“ werden könnte. Darüber hinaus könnte die Änderung den allgemeinen Bestrebungen z.B. der Föderalismuskommission , Mischfinanzierungen abzubauen und Finanztransfers in Grenzen zu halten, zuwider laufen und die Verantwortlichkeit der staatlichen Ebenen verwischen. Schließlich könnte eine solche Verfassungsänderung die Notwendigkeit einer weiteren Anpassung der finanzverfassungsrechtlichen Regelungen nach sich ziehen.34 31 Schliesky, Utz, Gemeindefreundliches Konnexitätsprinzip, DÖV 2001, S. 722. 32 Siehe Kapitel 3. 33 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Band 86, S. 264. 34 Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Bund die Einführung des erweiterten Konnexitätsprinzips bislang abgelehnt hat. Der Koalitionsvertrag der großen Koalition sieht eine Anpassung des Art. 84 Abs. 1 GG vor. 12 Literaturverzeichnis - , Wie muss der Text des Grundgesetzes geändert werden, wenn das Konnextätsprinzip entsprechend den Grundbeschlüssen des 61. Deutschen Juristentages in Karlsruhe eingeführt werden soll?, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Nr. 149/02, 29.11.2002. - Korioth, Stefan, Entlastung der Kommunen durch unmittelbare Finanzbeziehungen zum Bund?, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2005, S. 503 ff. - Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, Art. 83-146, 5. Auflage, München 2005. - Probst, René, Der aktuelle Begriff – Konnexitätsprinzip -, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Nr. 08/2004, 03.05.2004. - Remmert, Barbara, Die verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden bei der Zuweisung überörtlicher Aufgaben durch Bundesgesetz, Verwaltungsarchiv (VA) 2003, S. 459 ff. - Schliesky, Utz, Gemeindefreundliches Konnexitätsprinzip, Die öffentliche Verwaltung (DÖV) 2001, S. 714 ff. - Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, München 1984. - Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, München 1994. - Wagner, Christean/Rechenbach, Dagmar, Konnexitätsprinzip ins Grundgesetz!, (ZRP) 2003, S. 308 ff. - Wendt, Rudolf, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlasste kommunale Aufgaben, in: Verfassungsstaatlichkeit, Festschrift für Klaus Stern zum 65. Geburtstag, München 1997, S. 603 ff.