Deutscher Bundestag Gerichtliche Durchsetzung der „Schuldenbremse“ gegenüber den Ländern Wer ist klageberechtigt, wenn ein Land die im Grundgesetz verankerte „Schuldenbremse“ nicht oder nicht richtig in Landesrecht umgesetzt hat und sie verletzt? Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 363/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 2 Gerichtliche Durchsetzung der „Schuldenbremse“ gegenüber den Ländern Wer ist klageberechtigt, wenn ein Land die im Grundgesetz verankerte „Schuldenbremse“ nicht oder nicht richtig in Landesrecht umgesetzt hat und sie verletzt? Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 363/11 Abschluss der Arbeit: 13. Dezember 2011 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Bundesgesetzliche Vorgaben für die Länder 4 2.1. Kreditfinanzierungsverbot 4 2.2. Ausnahmen vom Kreditfinanzierungsverbot 5 2.3. Adressat der Regelungen 6 2.4. Folge fehlender Umsetzung durch die Länder 6 2.5. Abweichende Umsetzung durch Landesrecht 7 3. Klagemöglichkeiten 7 3.1. Nichtumsetzung der „Schuldenbremse“ 7 3.2. Grundgesetzwidrige Umsetzung der „Schuldenbremse“ 8 3.2.1. Abstrakte Normenkontrolle 8 3.2.2. Bund-Länder-Streit 8 3.3. Grundgesetzwidriger Vollzug der „Schuldenbremse“ 10 3.3.1. Haushaltsaufstellung 10 3.3.1.1. Abstrakte Normenkontrolle 10 3.3.1.2. Landesverfassungsgerichtsbarkeit 10 3.3.2. Haushaltsvollzug 11 3.3.2.1. Normenkontrolle 12 3.3.2.2. Organstreit 12 3.3.2.3. Bund-Länder-Streit 13 3.4. Keine individuellen Klagemöglichkeiten 13 4. Justiziabilität 13 5. Zusammenfassung 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 4 1. Fragestellung Durch Gesetz vom 29. Juli 2009 sind in die Artikel 109 und 115 des Grundgesetzes (GG) Regelungen zur Begrenzung der Nettokreditaufnahme von Bund und Ländern („Schuldenbremse“) eingefügt worden.1 Gefragt wird, wer klageberechtigt ist und welche Klagewege eröffnet sind, wenn – ein Land die im Grundgesetz verankerte „Schuldenbremse“ nicht in Landesrecht umgesetzt hat und sie verletzt oder – ein Land die im Grundgesetz verankerte „Schuldenbremse“ grundgesetzwidrig in Landesrecht umgesetzt hat. Es wird davon ausgegangen, dass die grundgesetzliche Schuldenbegrenzung für die Länder den Wesensgehalt der durch Artikel 79 Abs. 3 GG geschützten Eigenstaatlichkeit der Länder nicht verletzt und wirksam ist.2 2. Bundesgesetzliche Vorgaben für die Länder 2.1. Kreditfinanzierungsverbot Nach dem neu gefassten Artikel 109 Abs. 3 Satz 1 GG sind die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Für den Bund gilt diese Vorgabe ab dem 1. Januar 2016 (Artikel 143d Abs. 1 Satz 5 GG), für die Länder ab dem 1. Januar 2020 (Artikel 143d Abs. 1 Satz 4 GG).3 Dem Bund ist durch Artikel 143d Abs. 1 Satz 6 GG vorgegeben, mit dem Abbau des bestehenden Defizits im Haushaltsjahr 2011 zu beginnen.4 Die Länder müssen lediglich sicherstellen, dass sie den Haushaltsausgleich ohne Einnahmen aus Krediten im Haushaltsjahr 2020 erreichen (Artikel 143d Abs. 1 Satz 4 GG). Ein konkreter Pfad zum Abbau vorhandener Finanzierungsdefi- 1) BGBl. I S. 2248. 2) Das Land Schleswig-Holstein ist vor dem Bundesverfassungsgericht mit seinem Antrag festzustellen, dass die Neufassung von Artikel 109 Abs. 3 Satz 1 und Satz 5 GG seine Rechte aus Artikel 20 Abs. 1 GG in Verbindung mit Artikel 79 Abs. 3 GG (Verfassungsautonomie) verletzt, gescheitert (Beschluss des Zweiten Senats vom 19. August 2011 – 2 BvG 1/10 –). Der Antrag wurde mangels Antragsberechtigung des Landtages in diesem Verfahren gemäß § 68 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) als unzulässig verworfen. In der Sache hat das Bundesverfassungsgericht nicht entschieden. Zum Stand der Diskussion über eine mögliche Verletzung der Verfassungs - bzw. Haushaltsautonomie der Länder: G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, 6. Auflage 2010, Art. 109, Rn. 110 ff. m.w.Nw. sowie: Kube, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Mai 2011 Lfg. 62, Art. 109, Rn. 118 m.w.Nw. 3) BVerfG, Beschluss vom 19. August 2011 (Fn. 2), Rz. 5; G. Kirchhof (Fn. 2), Art. 109, Rn. 77; Kube (Fn. 2), Art. 143d, Rn. 14. 4) Kube (Fn. 2), Art. 143d, Rn. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 5 zite wird den Ländern nicht vorgegeben.5 Allerdings sind nach § 2 des Konsolidierungshilfengesetzes (KonsHilfG)6 einige Länder zum schrittweisen Abbau des Finanzierungsdefizits verpflichtet.7 Diskutiert wird eine „Vorwirkung“ des ab 2020 für die Länder geltenden Kreditfinanzierungsverbots . Nach Auffassung von G. Kirchhof normiert das Grundgesetz bereits vor dem 1. Januar 2020 eine Rechtspflicht, die Haushalte so aufzustellen, dass der kreditfreie Ausgleich im Jahre 2020 eingehalten werden kann. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut „sind … aufzustellen“. Diese Rechtspflicht sei auch justiziabel, jedoch müssten die Gerichte die Entscheidungsspielräume der Parlamente achten.8 Heun sieht für die Übergangszeit keinen Gesetzgebungsauftrag an die Länder . Selbst ein „Verschlechterungsverbot“ sei aus der Klausel kaum abzuleiten.9 Die Vorschrift habe „wohl nur mahnenden Charakter“.10 Auch Kube verneint rechtliche Folgen für die Länder in der Übergangszeit bis 2020. Soweit durch (bestehendes) Landesrecht vorgesehen, wäre es sogar mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn in einem Land die strukturelle Nettoneuverschuldung in einzelnen oder sogar allen Jahren bis 2019 anstiege.11 Allerdings dürften die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Artikel 109 Abs. 3 GG (1. August 2009) bestehenden landesrechtlichen Nettoneuverschuldungsgrenzen nicht gelockert werden („qualifiziertes Lockerungsverbot“).12 2.2. Ausnahmen vom Kreditfinanzierungsverbot Nach Artikel 109 Abs. 3 Satz 2 GG können Bund und Länder „Regelungen zur im Auf- und Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sowie eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, vorsehen“. Mit anderen Worten: Bund und Länder können zum einen konjunkturbedingte Defizite zulassen, die in einer Aufschwungphase durch Überschüsse wieder zurückzuführen sind. Im Falle von Naturkatastrophen und anderen Notsituationen können Defizite gemacht werden, die mit einer Tilgungsregelung zu versehen sind. 5) So ausdrücklich: Gesetzesbegründung zu Artikel 1, Nr. 7, Gesetzentwurf vom 24. März 2009, Drs. 16/12410, S. 13; Kube (Fn. 2), Art. 143d, Rn. 14. 6) Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen, Artikel 3 des Begleitgesetzes zur zweiten Föderalismusreform vom 10. August 2009 (BGBl. I S. 2702). 7) Die Länder Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein können für den Zeitraum 2011 bis 2019 Konsolidierungshilfen erhalten. Dafür sind sie in dieser Übergangszeit zu einem vollständigen Abbau des strukturellen Finanzierungsdefizits verpflichtet, indem sie jährlich das Finanzierungsdefizit um ein Zehntel des Defizits des Jahres 2010 verringern. Andernfalls entfällt der Anspruch auf Konsolidierungshilfe. 8) G. Kirchhof (Fn. 2), Art. 143d, Rn. 10. 9) Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Auflage Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 8. 10) Heun (Fn. 9), Art. 109, Rn. 9. 11) Kube (Fn. 2), Art. 143, Rn. 14. 12) Kube (Fn. 2), Art. 143, Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 6 Wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt („können Regelungen … vorsehen“), eröffnet Artikel 109 Abs. 3 Satz 2 GG eine Option.13 Eine Pflicht für Bund und Länder, solche Ausnahmebestimmungen zu beschließen, besteht nicht.14 Der Bund hat von der Option aus Artikel 109 Abs. 3 Satz 2 GG Gebrauch gemacht und für sich solche Ausnahmeregelungen in Artikel 115 Abs. 2 Sätze 3 ff. GG geschaffen.15 Ob die Länder diese Neuverschuldungsspielräume nutzen, ist in ihr Ermessen gestellt.16 Unklar bleibt durch die Neufassung des Artikels 109 Abs. 3 GG, ob die Länder möglicherweise gegen das Gebot aus Artikel 109 Abs. 2 GG, mit ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen17, verstoßen, wenn sie von der Möglichkeit aus Artikel 109 Abs. 3 Satz 2 GG zur Zulassung antizyklischer Kreditaufnahme keinen Gebrauch machen. 2.3. Adressat der Regelungen Der in Satz 1 von Artikel 109 Abs. 3 GG festgeschriebene Grundsatz, dass die Haushalte ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind, ist sowohl an den Bund als auch an die Länder adressiert.18 Diese Rechtspflicht triff damit sowohl den Bund als auch die Länder.19 2.4. Folge fehlender Umsetzung durch die Länder Wie Artikel 109 Abs. 3 Satz 5 GG klarstellt, steht den Ländern hinsichtlich des Verbots von Einnahmen aus Krediten kein Spielraum zur Ausgestaltung zu, da diesem Verbot „nur dann entsprochen ist, wenn keine Einnahmen aus Krediten zugelassen werden.“ Die Ermächtigung der Länder in Artikel 109 Abs. 3 Satz 5 GG, „die nähere Ausgestaltung“ zu regeln, läuft hinsichtlich des Nettoneuverschuldungsverbots ins Leere.20 Der Gesetzgeber sah gerade mal Regelungsspielräume der Länder vor „für die Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen sowie für die Kontrolle und den Ausgleich von Abweichungen der tatsächlichen von der zulässigen Kreditaufnahme“, also rein technische Begleit- bzw. Nachsorgeaktivitäten. Diese Regelung bedarf daher keiner Umsetzung. Das zum 1. Januar 2020 in Kraft tretende Neuverschul- 13) Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 164. 14) G. Kirchhof (Fn. 2), Art. 109, Rn. 73. 15) Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 164, 180. Heun (Fn. 9), Art. 109, Rn. 40, spricht ironisch, aber zutreffend von einer „Art von Selbstermächtigung des Bundes zum Erlaß von Bundesverfassungsrecht in einer Norm des Grundgesetzes “. 16) Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 127. 17) Vgl. hierzu: Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 85 ff.; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Grundgesetz Kommentar, 12. Auflage 2011, Art. 109, Rn. 44: Art. 109 Abs. 2 GG begründe eine „echte Rechtspflicht“. 18) Gesetzesbegründung (Fn. 5) zu Artikel 1, Nr. 4, b), Drs. 16/12410, S. 10; G. Kirchhof (Fn. 2), Art. 109, Rn. 73; Heun (Fn. 9), Art. 109, Rn. 35. 19) G. Kirchhof (Fn. 2), Art. 109, Rn. 80; Kube (Fn. 11), Art. 109, Rn. 117; Korioth, Das neue Staatsschuldenrecht – zur zweiten Stufe der Föderalismusreform, JZ 2009, 729 [731]. 20) Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 163. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 7 dungsverbot für die Länder gilt damit zwingend und unabhängig von der Umsetzung durch den Landesgesetzgeber.21 Fehlt es an einer Umsetzung der Vorgaben aus Artikel 109 Abs. 3 GG durch landesrechtliche Regelungen , gilt der in Artikel 109 Abs. 3 Satz 1 GG festgeschriebene Grundsatz, dass die Haushalte ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Davon abweichendes Landesrecht, das eine strukturelle Nettoneuverschuldung zulässt, wird mit Wirkung ab 2020 derogiert.22 Das strikte Nettoneuverschuldungsverbot gilt bei fehlender landesrechtlicher Umsetzung ab 2020 ausnahmslos.23 Konjunktur- oder notbedingte Ausnahmen sind nicht zulässig. 2.5. Abweichende Umsetzung durch Landesrecht Die Sätze 2 und 3 von Artikel 109 Abs. 3 GG legen fest, inwieweit die Länder jeweils Abweichungen vom Neuverschuldungsverbot vorsehen können.24 Entscheidet sich ein Land dafür, von der Möglichkeit, vom Neuverschuldungsgebot Ausnahmen zuzulassen, Gebrauch zu machen, hat es durch Landesregelungen die Vorgaben aus Artikel 109 Abs. 3 Satz 2, 3 und 5 GG strikt zu beachten .25 Die Zulassung konjunkturbedingter Defizite erfordert zwingend die verbindliche Vorgabe eines symmetrischen Ausgleichs. Eine Ausnahme für Naturkatastrophen und ähnliche Notsituationen kann nur geschaffen werden, wenn sie mit einer Tilgungsregelung verbunden wird. Darüber hinaus gehende strukturelle Defizite sind für die Länder unzulässig. Halten sich landesrechtliche Regelungen nicht an diese Vorgaben, sind sie grundgesetzwidrig und damit – sofern sie nicht grundgesetzkonform ausgelegt werden können – nichtig. Für das betreffende Land bliebe es beim strikten und ausnahmslosen Neuverschuldungsverbot. 3. Klagemöglichkeiten 3.1. Nichtumsetzung der „Schuldenbremse“ Ein Gebot zur Umsetzung der Regelungen in Artikel 109 Abs. 3 GG besteht für die Länder nicht, insbesondere die in Artikel 109 Abs. 3 Satz 2 GG vorgesehenen Ausnahmen müssen vom Landesgesetzgeber nicht aufgegriffen werden. (siehe oben: 2.2, S. 5). Ab dem Jahr 2020 gilt die Vorgabe des Haushaltsausgleichs ohne Kreditaufnahme unmittelbar (siehe oben: 2.4, S. 6). Bestehen hierüber Meinungsverschiedenheiten, kommt ein Bund-Länder-Streit-Verfahren nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 3 GG in Verbindung mit §§ 13 Nr. 7, 68 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz 21) Heun (Fn. 9), Art. 143d, Rn. 10; Korioth (Fn. 19), JZ 2009, 729 [731]. 22) Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 154. 23) Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 182. 24) Gesetzesbegründung (Fn. 5), Drs. 16/12410, S. 10. 25) Zu den einzelnen Vorgaben siehe etwa: Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 196 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 8 (BVerfGG)26 in Betracht. Verfahrensgegenstand im Bund-Länder-Streit gemäß § 69 i.V.m. § 64 Abs. 1 BVerfGG kann auch eine Unterlassung des Antragsgegners sein.27 Berechtigt zur Stellung eines solchen Antrages sind für den Bund die Bundesregierung, für ein Land die Landesregierung (§ 68 BVerfGG).28 Mangels Verletzung einer Umsetzungspflicht wäre ein entsprechender Antrag allerdings unbegründet . 3.2. Grundgesetzwidrige Umsetzung der „Schuldenbremse“ 3.2.1. Abstrakte Normenkontrolle Nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in Verbindung mit §§ 13 Nr. 6, 76 BVerfGG kann auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages durch das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit von Landesrecht mit dem Grundgesetz (Normenkontrolle) geprüft werden. Eine Landesregierung kann grundsätzlich auch das Recht eines anderen Landes zur Prüfung stellen.29 Angegriffen werden kann jedes Bundes- oder Landesrecht, gleichgültig welchen Ranges, ob geschrieben oder ungeschrieben, ob bloß formeller oder bloß materieller Natur.30 Insbesondere kann Landesverfassungsrecht angegriffen werden.31 Für die Statthaftigkeit der Normenkontrolle kommt es damit nicht darauf an, ob ein Land die „Schuldenbremse“ durch eine Änderung der Landesverfassung umsetzt oder durch einfaches Gesetz. Prüfungsmaßstab für Landesrecht ist das Grundgesetz und sonstiges Bundesrecht, nicht dagegen das Landesverfassungsrecht32, hier also Artikel 109 Abs. 3 GG. Dargelegt werden könnte hier etwa , dass das Landesverfassungsrecht eine Nettokreditaufnahme des Landeshaushaltsgesetzgebers zulässt, die nach Artikel 109 Abs. 3 GG unzulässig ist bzw. Ausnahmen für das Nettokreditaufnahmeverbot vorsieht, die über Option in Artikel 109 Abs. 3 Satz 2 ff. GG hinausgehen. 3.2.2. Bund-Länder-Streit In Betracht kommt auch ein Bund-Länder-Streit (siehe oben: Punkt 3.1, S. 7). 26) Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302). 27) BVerfGE 104, 238 [245]. 28) BVerfG, Beschluss vom 19. August 2011 (Fn. 2). 29) BVerfGE 83, 37 [49]. 30) Pieroth, in: Jarras/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 11. Auflage 2011, Art. 93, Rn. 21 m.w.Nw. 31) BVerfGE 103, 111 [124]. 32) BVerfGE 2, 307 [336]; 41, 88 [119]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 9 Geltend gemacht werden müsste die Verletzung einer Pflicht eines Landes im bundesstaatlichen Verhältnis. Die Neufassung des Artikels 109 Abs. 3 GG ist unter der Zielsetzung erfolgt, die Voraussetzungen für die Einhaltung der Vorgaben aus dem reformierten europäischen Stabilitätsund Wachstumspakt zu schaffen, der darauf gerichtet ist, langfristig tragfähige öffentliche Haushalte zu schaffen.33 Wie sich aus Artikel 109 Abs. 2 GG ergibt, erfüllen Bund und Länder gemeinsam die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus den Rechtsakten der Europäischen Union. Nur wenn sich sowohl der Bund als auch die Länder an diese Vorgaben halten, kann sich die Bundesrepublik Deutschland insgesamt europarechtskonform verhalten. Ein Verstoß gegen Artikel 109 Abs. 3 GG kann damit als Verletzung einer Pflicht im bundesstaatlichen Verhältnis geltend gemacht werden. Nach §§ 69, 64 BVerfGG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er durch eine Maßnahme oder ein Unterlassen des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Das Bundesverfassungsgericht verlangt hierfür Ansprüche, „die sich aus einem beide Teile umschließenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnis ergeben“.34 Hierfür bedarf es einer dem Antragsteller zustehenden verfassungsrechtlichen Rechtsposition, deren Verletzung geltend gemacht wird.35 Es müsste sich bei der grundgesetzkonformen Umsetzung der „Schuldenbremse“ also um eine dem Bund oder einem anderen Land zustehende im Grundgesetz wurzelnde Rechtsposition handeln. Daran dürfte es hier fehlen, da es sich bei den Vorgaben aus der „Schuldenbremse“ nicht um „subjektiv-öffentliche Rechte“36 der beteiligten staatlichen Ebenen handelt, sondern vielmehr um „objektives“ Bundesverfassungsrecht. Die Bestimmungen in Artikel 109 Abs. 3 GG dienen nicht dem Schutz einer bestimmten staatlichen Ebene vor der konkreten Gefahr, die von der Verschuldung des Bundes oder eines Landes ausgehen, sondern reagieren auf die „Höhe und Entwicklung des in den vergangenen Jahrzehnten aufgelaufenen Schuldenstandes in Deutschland “ mit den abstrakten Folgen „der Verengung staatlicher Handlungsmöglichkeiten“ sowie den befürchteten „Wachstums- und Beschäftigungsverlusten“ und dienen der „Neujustierung der intergenerativen Lastenverteilung“.37 33) Gesetzesbegründung (Fn. 5), Drs. 16/12410, S. 1, 6. 34) BVerfGE 13, 54 [72 f.]. 35) BVerfGE 104, 238 [245]. 36) Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Auflage 2010, Art. 93, Rn. 144. 37) Gesetzesbegründung (Fn. 5), Drs. 16/12410, S. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 10 3.3. Grundgesetzwidriger Vollzug der „Schuldenbremse“ 3.3.1. Haushaltsaufstellung 3.3.1.1. Abstrakte Normenkontrolle Stellt ein Land einen Haushaltsplan auf, der gegen die Vorgaben des Artikels 109 Abs. 3 GG verstößt , etwa weil er eine strukturelle Nettoneuverschuldung (Artikel 109 Abs. 3 Satz 5 GG) vorsieht oder die Vorgaben für die Ausnahmen vom Nettoneuverschuldungsverbot aus Artikel 109 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG missachtet, kommt die Normenkontrolle nach Artikel 93 Nr. 2 GG in Betracht . Als Antragsgegenstand kommt das Haushaltsgesetz, insbesondere die gesetzliche Ermächtigung zur Kreditaufnahme in Betracht.38 3.3.1.2. Landesverfassungsgerichtsbarkeit Daneben kommt je nach Landesverfassungsrecht insbesondere die Normenkontrolle vor dem Landesverfassungsgericht in Betracht. Hierzu zwei Beispiele: Nach Artikel 75 Nr. 3 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen39 entscheidet der Verfassungsgerichtshof bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit dieser Verfassung auf Antrag der Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Landtags. In diesem Verfahren kann überprüft werden, ob das Landeshaushaltsgesetz mit der Landesverfassung vereinbar ist.40 Eine Überprüfung der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hingegen scheidet in diesem Verfahren aus.41 Damit kommt vor dem Verfassungsgerichtshof die Prüfung der Vereinbarkeit des Landeshaushaltsgesetzes mit der „Schuldenbremse“ erst nach einer Übernahme dieser Regelungen in die Landesverfassung in Betracht. Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen entscheidet gemäß Artikel 131 der Verfassung des Landes Hessen42 auf Antrag von mindestens einem Hundertstel der Stimmberechtigten des Volkes, eines Zehntels der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Landtages, der Landesregierung oder des Ministerpräsidenten unter anderem über die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze. Mit diesem Normenkontrollverfahren kann zulässigerweise auch das Haushaltsgesetz einschließlich des dadurch 38) BVerfGE 20, 56 [89 f.]; 79, 311 [326 f.]; Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 233; Henneke, in: Schmidt- Bleibtreu/Hofmann/Hopfau, Grundgesetz Kommentar, 12. Auflage 2011, Art. 109, Rn. 32. 39) Gesetz vom 28. Juni 1950 (GV. NW. 1950 S.127/GS), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Oktober 2011 (GV. NW. S. 499). 40) VerfGH NW, Urteil vom 15. März 2011 – VerfGH 20/10 –, B. I. 41) Nach Art. 4 Abs. 1 Verf NW sind nur die im Grundgesetz festgelegten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte Bestandteil dieser Landesverfassung. 42) Gesetz vom 1. November 1946, zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. April 2011 (GVBl. I S. 182). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 11 festgestellten Haushaltsplans überprüft werden.43 Auch in Hessen beschränkt sich die Überprüfung auf die Vereinbarung mit Landesverfassungsrecht.44 Prüfungsmaßstab ist damit der neue Artikel 141 der Verfassung des Landes Hessen.45 3.3.2. Haushaltsvollzug Haushaltsplanung und Haushaltsvollzug fallen in der Praxis oft deutlich auseinander.46 Im Laufe eines Haushaltsjahres kann es sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite zu Abweichungen von den im Haushaltsplan veranschlagten Beträgen kommen. Beides kann zu einem Defizit führen, das bei Aufstellung des Haushaltsplans nicht vorgesehen war und gegebenenfalls gegen das Nettokreditaufnahmeverbot in Artikel 109 Abs. 3 Satz 1 GG verstößt. Fraglich ist, ob die Rechtspflicht zum kreditaufnahmefreien Haushaltsausgleich aus Artikel 109 Abs. 3 Satz 1 GG auch für den Haushaltsvollzug gilt.47 Anders als in Artikel 115 Abs. 2 Satz 4 GG für den Bund vorgesehen48, fehlt in Artikel 109 Abs. 3 GG eine entsprechend klare Anordnung für den Vollzug des Haushalts.49 Die Regelung aus Artikel 115 Abs. 2 Satz 4 GG lässt sich für die Länder nicht heranziehen.50 Dies ergibt sich aus der Systematik der Neufassung dieser beiden Bestimmungen – soweit man bei dieser Verfassungsänderung überhaupt von Systematik reden kann.51 Artikel 109 GG ist sowohl an den Bund als auch an die Länder gerichtet. Artikel 115 GG macht ausschließlich Vorgaben für den Bund (vgl. Artikel 109 Abs. 3 Satz 4 GG).52 Daraus wird geschlossen, dass die Länder die Kontrolle und den Ausgleich von Abweichungen von der zulässigen Kreditaufnahme, also den Umgang mit im Haushaltsvollzug angefallenen ungeplanten Kreditaufnahmen autonom regeln können.53 Allerdings dürfte die Vorgabe für den Bund aus Artikel 115 Abs. 2 Satz 4 GG, Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der veranschlagten (also im Vollzug) ab Überschreiten eines bestimmten Schwellenwertes konjunkturgerecht zurückzuführen, auch für die Länder als Maßstab für die Beurteilung der Grundgesetzkonformität entsprechender Landesregelungen heranzuziehen sein. Zu berücksichtigen ist dies jedoch bei der Prüfung, ob die Vorgaben für Ausnahme- 43) StGH HE, Urteil vom 11. Februar 1987,– P.St. 1052 –. 44) StGH HE, Beschluss vom 1. Februar 1995 – P.St. 1187 –. 45) Eingefügt durch Gesetz vom 29. April 2011 (GVBl. I S. 182). 46) Lenz/Burgbacher, Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz, NJW 2009, 2561 [2564]. 47) So: G. Kirchhof (Fn. 2), Art. 109, Rn. 80; Henneke (Fn. 17), Art. 109, Rn. 54. 48) Korioth (Fn. 19), JZ 2009, 729 [733]; Lenz/Burgbacher (Fn. 46), NJW 2009, 2561 [2564]. 49) Hierzu im Einzelnen: Schmidt, die neue Schuldenregel und die weiteren Finanzthemen der zweiten Föderalismusreform , DVBl. 2009, 1274 [1280]. 50) Lenz/Burgbacher (Fn. 46), NJW 2009, 2561 [2564]. 51) Vgl. Korioth (Fn. 19), JZ 2009, 729 ff.; Selmer, Die Föderalismusreform II – Ein verfassungsrechtliches monstrum simile, NVwZ 2009, 1255 [1260 f.]. 52) Heun (Fn. 9), Art. 109, Rn. 35. 53) Lenz/Burgbacher (Fn. 46), NJW 2009, 2561 [2565]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 12 regelungen vom strikten Kreditaufnahmeverbot aus Artikel 109 Abs. 3 GG zutreffend umgesetzt worden sind, nicht hingegen beim Haushaltsvollzug. Die ganze Logik der Bestimmungen in Artikel 109 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG über den symmetrischen Ausgleich der Auswirkungen von Auf- und Abschwung sowie die Tilgungsregelung für notsituationsbedingte Kreditaufnahme spricht aber für eine Anwendung des Verschuldungsverbots auch auf den Haushaltsvollzug. Zu tilgen sind schließlich nicht Haushaltsplanzahlen, sondern tatsächlich entstandene Defizite.54 Damit kommt ein Verstoß gegen Artikel 109 Abs. 3 GG nach zutreffender Ansicht auch im Haushaltsvollzug in Betracht. 3.3.2.1. Normenkontrolle Eine Normenkontrolle des Haushaltsvollzugs findet nicht statt. Hierfür fehlt es an einer zu prüfenden Rechtsnorm. 3.3.2.2. Organstreit In Betracht kommt ein Organstreit zwischen den Landesverfassungsorganen. Dieser regelt sich nach den Bestimmungen der Landesverfassung bzw. dem einschlägigen Landesverfassungsprozessrecht .55 Auf Bundesebene wäre etwa das Parlament nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit §§ 13 Nr. 5, 64 BVerfGG antragsbefugt, wenn es geltend machen könnte, durch eine Maßnahme oder Unterlassung der Regierung in seinen ihm durch die Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein. Geltend gemacht werden könnte die Verletzung des Budgetrechts des Parlaments, wenn die Regierung es versäumt, nach Bekanntwerden der ein Defizit verursachenden Mindereinnahmen oder Mehrausgaben so zügig wie möglich einen Nachtragshaushaltsentwurf vorzulegen.56 Zum Gegenstand eines Organstreits gemacht werden könnte auch das Überschreiten der Grenzen der gesetzlichen Kreditaufnahmeermächtigung.57 54) Vgl. hierzu: Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 191 ff. 55) Lenz/Burgbacher (Fn. 46), NJW 2009, 2561 [2566], halten den Organstreit bei der Aufstellung des Haushalts für ausgeschlossen, weil die Neuregelung dem Parlament keine Organrechte einräume, sondern im Gegenteil dem Haushaltsgesetzgeber Bindungen auferlege; im Haushaltsvollzug komme er aber in Betracht. 56) Vgl. BVerfGE 119, 96. 57) Hillgruber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, 6. Auflage 2010, Art. 110, Rn. 75. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 13 3.3.2.3. Bund-Länder-Streit Mangels einer dem möglichen Antragsteller (Bund oder anderes Land) zustehenden verfassungsrechtlichen Rechtsposition, deren Verletzung geltend gemacht werden könnte (siehe oben: Punkt 3.2.2, S. 8), findet der Bund-Länder-Streit nicht statt. 3.4. Keine individuellen Klagemöglichkeiten Die Geltendmachung von Verstößen gegen Artikel 109 Abs. 3 GG durch den Bürger scheidet aus. Hierzu fehlt es an der subjektiven Berechtigung.58 4. Justiziabilität Das Gebot aus Artikel 109 Abs. 3 GG ist gerichtlich nachprüfbar.59 Soweit es um die Einhaltung der Regelgrenze in Artikel 109 Abs. 3 Satz 1 GG geht, dürfte diese in vollem Umfang justiziabel sein.60 Ein Spielraum dürfte dem Gesetzgeber allerdings zustehen für die Beurteilung, ob eine „von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung“ oder eine Notsituation vorliegt.61 Hier wird sich die Prüfung auf eine „Vertretbarkeitskontrolle“ beschränken müssen.62 In seiner Entscheidung vom 18. April 1989 über die Vereinbarkeit des Haushaltsgesetzes 1981 mit dem damals gültigen Artikel 115 GG hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „Bei der Beurteilung, ob eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt oder unmittelbar droht, und bei der Einschätzung, ob eine erhöhte Kreditaufnahme zu ihrer Abwehr geeignet ist, steht dem Haushaltsgesetzgeber ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu. Nimmt er die Befugnis des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 GG in Anspruch, so trifft ihn im Gesetzgebungsverfahren eine Darlegungslast für die Erfüllung der Voraussetzungen dieser Vorschrift . Dem Bundesverfassungsgericht obliegt im Streitfall die Prüfung, ob die Beurteilung und Einschätzung des Gesetzgebers nachvollziehbar und vertretbar ist.“63 Diese Grundsätze dürften sich auch auf die Einschätzung, ob eine von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung oder eine Notsituation vorliegt, übertragen lassen. 58) Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 234. 59) G. Kirchhof (Fn. 2), Art. 109, Rn. 80. 60) Zur Regelung für den Bund in Artikel 115 Abs. 2 GG: Heun (Fn. 9), Art. 115, Rn. 48. 61) Heun (Fn. 9), Art. 115, Rn. 48. 62) Kube (Fn. 2), Art. 109, Rn. 235. 63) BVerfGE 39, 311 [343]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 363/11 Seite 14 5. Zusammenfassung Setzt ein Land die im Grundgesetz verankerte „Schuldenbremse“ nicht um, besteht zunächst keine Klagemöglichkeit. Das Verbot der Neuverschuldung gilt unmittelbar für die Länder und bedarf keiner Umsetzung. Lediglich die Schaffung der Möglichkeit von Ausnahmen von dem strikten Schuldenverbot bedarf einer landesrechtlichen Regelung. Fehlt es daran, gilt das Schuldenverbot ausnahmslos. Setzt ein Land die „Schuldenbremse“ grundgesetzwidrig in Landesrecht um – etwa durch Einräumung einer strukturellen Verschuldung oder durch großzügigere Ausnahmen von dem Verschuldungsverbot , ist hiergegen die Normenkontrolle auf Antrag der Bundesregierung, jeder Landesregierung sowie eines Viertels der Mitglieder des Bundestages statthaft. Stellt ein Land, das die „Schuldenbremse“ nicht umgesetzt hat, einen Haushaltsplan auf, der mit der Regelung in Artikel 109 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbar ist, kann gegen das Haushaltsgesetz des Landes ein Normenkontrollantrag an das Bundesverfassungsgericht gestellt werden. Antragsberechtigt sind die Bundesregierung, jede Landesregierung sowie ein Viertel der Mitglieder des Bundestages. Verstößt ein Land, das die „Schuldenbremse“ nicht umgesetzt hat, im Haushaltsvollzug gegen die Regelung in Artikel 109 Abs. 3 Satz 1 GG, kommt gegebenenfalls nach Landesrecht ein Organstreit auf Antrag des Landesparlaments in Betracht. Weder für die Bundesregierung noch für den Bundestag bestehen Klagemöglichkeiten.