© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 362/18 Einschränkungen durch den Sonn- und Feiertagsschutz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 362/18 Seite 2 Einschränkungen durch den Sonn- und Feiertagsschutz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 362/18 Abschluss der Arbeit: 12. Oktober 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 362/18 Seite 3 Gefragt wird nach der Gesetzgebungskompetenz beim Sonn- und Feiertagsschutz. Dabei soll insbesondere geklärt werden, inwieweit Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV die Länder bei der Festlegung der Anzahl verkaufsoffener Sonntage und bei der Festlegung von Ausnahmen für bestimmte Gewerbe einschränkt und ob hierzu einschränkendes einfachgesetzliches Bundesrecht vorliegt. Art. 140 GG i.V.m. Art 139 WRV schützt die Sonntage und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung. Die typische werktägliche Geschäftstätigkeit soll an diesen Tagen im öffentlichen Leben soweit wie möglich ruhen (vgl. Ehlers in: Sachs, GG- Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 140 GG, Art. 139 WRV, Rn. 2). Diese Schutzpflicht des Staates unterliegt in Art und Ausmaß grundsätzlich der gesetzlichen Ausgestaltung. Der Kernbereich des Sonn- und Feiertagsschutz ist unantastbar (BVerfGE 111, 10 [50]). Die Länder haben gem. Art. 70 Abs. 1 u. Art. 30 GG das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht ausdrücklich dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Für die Gesetzgebungsmaterie des Ladenschlusses sind nach Art. 70 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG die Länder zur Gesetzgebung befugt. Diese können also den Rahmen der täglichen Öffnungszeiten in Einzelhandelsgeschäften an Werk- sowie an Sonn- und Feiertagen gesetzlich regeln (Horstmann: Neue Gesetzgebungskompetenzen bei Ladenschluss und Arbeitszeit, NZA 2006, S. 1248; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 15. Aufl. 2018, Art. 74 GG, Rn. 31). Das Arbeitszeitrecht ist dagegen gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Die wichtigsten landesgesetzlichen Regelungen finden sich in den Sonn- und Feiertagsgesetzen sowie den Ladenöffnungsgesetzen. Das Ladenschlussgesetz des Bundes (BLadschlG) gilt nach Art. 125a GG fort, bis es durch Landesrecht ersetzt wird. Dies ist bis auf Bayern bereits in allen Ländern geschehen. Die Regelungen des BLadschlG stellen daher keine Obergrenzen für die Ladenöffnungsgesetze der Länder dar. Nach den Länderregelungen müssen Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich geschlossen sein. Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen. An die Rechtfertigung dieser Ausnahmen sind hohe Anforderungen zu stellen. Sie sind streng zu handhaben, um den Grundsatz des Arbeitsverbotes nicht auszuhöhlen (BVerfGE 111, 10 (53); Korioth in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 83. EL 2018, Art. 140 GG, Art. 139 WRV, Rn. 44). So hat das Bundesverfassungsgericht etwa die Öffnung an allen vier Adventssonntagen als Verletzung des Sonntagsschutzes angesehen (BVerfGE 125, 39 [95, 97, 100]). Ausnahmen können nur auf kollidierendes Verfassungsrecht, also auf Grundrechte Dritter oder sonstige Rechtsgüter mit Verfassungsrang gestützt werden (Unruh in: Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar 7. Aufl. 2018, Art. 139 WRV, Rn. 33). Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse potenzieller Käufer genügen nicht (Leibholz/Rinck/Hesselberger in: Leibholz/Rinck, GG-Kommentar, 76. EL 2018, Art. 140 GG, Rn. 435). Es muss zudem eine angemessene Anzahl von Feiertagen und verkaufsfreien Sonntagen geben. Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV erfordert ein deutliches Regel-Ausnahme-Verhältnis (BVerfGE 125, 39 [87]; Ehlers in: Sachs 8. Aufl. 2018, Art. 140 GG, Art. 139 WRV, Rn. 2). Die Festlegung verkaufsoffener Sonn- und Feiertage muss also im Einzelfall sowohl bezüglich der Gesamtanzahl im Jahr als auch bezüglich der betroffenen Gewerbe dem Schutzzweck des Art. 140 GG i.V.m. Art 139 WRV Rechnung tragen. Einfachgesetzliche Beschränkungen könnten sich zudem im Arbeitszeitgesetz des Bundes (ArbZG) finden. Nach § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen grundsätzlich nicht beschäftigt werden. An verkaufsoffenen Tagen werden naturgemäß Arbeitnehmer Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 362/18 Seite 4 benötigt. Es ist in der Literatur umstritten, ob die Regelungen des ArbZG in diesen Fällen anzuwenden sind. (Zum Meinungsstreit mit Verweis auf Weitere: Wichert in Boecken/Düwell/Diller/ Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Aufl. 2016, § 9 ArbZG, Rn. 25.) Nach einer Ansicht wurde mit der Föderalismusreform 2006 auch die Kompetenz zur Regelung der Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen auf die Länder übertragen, sofern die Ladenöffnungszeiten der Verkaufsstellen betroffen sind. Diese stünden in einem engen sachlichen Zusammenhang. Die neu geschaffenen Ladenöffnungsgesetze der Länder verdrängten hier als speziellere Gesetze das ArbZG. Nach dieser Auffassung bestünden folglich keine einfachgesetzlichen Einschränkungen. Die Gegenansicht bewertet das ArbZG als höherrangiges Bundesgesetz. Es sei daher als vorrangiges lex superior vor den Landesladenöffnungsgesetzen anzuwenden. Nach dieser Ansicht finden sich daher einfachgesetzliche Einschränkungen für die Erteilung von Ausnahmen durch die Länder im ArbZG. Ausnahmen für bestimmte Gewerbe hätten sich nach den Voraussetzungen und dem Katalog des § 10 ArbZG zu richten. Die Aufsichtsbehörden könnten unter bestimmten Voraussetzungen nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 a ArbZG bewilligen, dass Arbeitnehmer im Handelsgewerbe an bis zu 10 Sonn- und Feiertagen im Jahr beschäftigt werden. Eine Ausgestaltung innerhalb dieses Rahmens wäre den Ländern daher möglich. Die Bundesregierung und subsidiär die Landesregierungen könnten den gesetzlichen Ausnahmekatalog näher konkretisieren und zusätzliche Ausnahmen vom Verbot der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung zulassen, wenn dies geboten erschiene (Kock in: Beck OK Arbeitsrecht, 49. Ed. 2018, § 13 ArbZG Vorbemerkung). Hierbei wären jedoch die Wertungen des Art. 140 GG i.V.m. Art 139 WRV zu beachten. Eine weitere Einschränkung für die Betriebe stellt zudem § 11 Abs. 1 ArbZG dar. Hiernach müssten für jeden Arbeitnehmer mindestens 15 Sonntage im Jahr beschäftigungsfrei bleiben. ***