Inhalt und Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit von Bundestagsfraktionen Analyse des dem Bundesrechnungshof erstatteten Rechtsgutachtens - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 3 - 362/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Inhalt und Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit von Bundestagsfraktionen Analyse des dem Bundesrechnungshof erstatteten Rechtsgutachtens Ausarbeitung WD 3 - 362/06 Abschluss der Arbeit: 29.9.2006 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Das dem Bundesrechnungshof erstattete Gutachten zu Inhalt und Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit von Bundestagsfraktionen bejaht im Grundsatz die Frage, ob die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Bundesregierung auf die Bundestagsfraktionen übertragen werden können. Das Gutachten überträgt die für die Bundesregierung vom Verfassungsgericht für zulässig gehaltenen Öffentlichkeitsarbeitsmaßnahmen (Darlegung und Erläuterung der aktuellen und zukünftigen Politik, Erklärung unpopulärer Maßnahmen, Information über den Inhalt von Gesetzen, Informationsversorgung bei Krisen und Besorgnissen der Bürger ) nicht eins zu eins auf die Fraktionen. Vielmehr wird ein eigener Kriterienkatalog entwickelt, nach dem sich die Prüfung der Verwendung von Fraktionsmitteln zu richten habe. Der Gutachter begründet seine Argumentation mit einer Kette bundes- sowie landesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen und setzt sich gleichzeitig mit in der Literatur und Praxis vertretenen Einwänden auseinander, ohne diese für durchgreifend zu erachten. Gegen die im Gutachten gezogenen Schlüsse bestehen in verschiedener Hinsicht rechtliche Bedenken. Den verfassungsgerichtlichen Entscheidungen kann nicht entnommen werden, dass diese eine Einbeziehung der Bundestagsfraktionen beabsichtigt hatten. Eine solche wäre angesichts der unterschiedlichen Aufgaben und Befugnisse von Exekutive und Legislative auch nicht praktikabel. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann damit für die Fraktionen des Deutschen Bundestages lediglich abgeleitet werden, dass sie als Teile einer gesetzgebenden Körperschaft kein „parteiergreifendes Einwirken auf den Wahlkampf“ vornehmen dürfen. Weitergehende Kriterien , wie sie im Gutachten vorgeschlagen werden, finden derzeit keine rechtliche Grundlage. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Informationsarbeit der Bundesregierung 4 3. Die Übertragbarkeit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf Bundestagsfraktionen 5 4. Folgen für die Zulässigkeit von Öffentlichkeitsarbeit der Bundestagsfraktionen 6 5. Rechtliche Analyse der Aussagen des Gutachtens 7 5.1. Die Leitentscheidung BVerfGE 44, 125ff. 7 5.2. Der Beschluss des BVerfG vom 19.5.1982 8 5.3. Landesgerichtliche Stellungnahmen 9 5.4. Stellungnahme zur Möglichkeit der Übertragung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf Bundestagsfraktionen 10 6. Zusammenfassende Bewertung 12 - 4 - 1. Einleitung Im Auftrag des Bundesrechnungshofes hat von der Universität Hannover diesem im Jahr 20051 ein Rechtsgutachten erstattet, in dem er zu Inhalt und Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit von Bundestagsfraktionen Stellung nimmt. Dabei untersucht er u.a., welchen Grenzen die Bundestagsfraktionen bei ihrer aus staatlichen Mitteln finanzierten Öffentlichkeitsarbeit gem. § 47 Abs. 3 AbgG2 in Abgrenzung zu der nach § 50 Abs. 4 S. 2 AbgG unzulässigen Mittelverwendung für Parteiaufgaben unterliegen. Im Kern kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung sei auf die Bundestagsfraktionen zu übertragen. Damit stützt er die Auffassung des Bundesrechnungshofes . 2. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Informationsarbeit der Bundesregierung Der Gutachter stellt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2.3.19773 in den Mittelpunkt seiner Darstellung. In dem Urteil stellt das Gericht einen Verstoß der damaligen Bundesregierung gegen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG und den Grundsatz der Chancengleichheit bei Wahlen durch ihre Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Bundestagswahl 1976 fest. Ausgehend von der Erwägung, dass die finanziellen Mittel des Staates von allen Staatbürgern ohne Ansehung ihrer politischen Anschauungen erbracht werden , dürfen diese nur zur Verwendung für das gemeine Wohl und nicht zu Gunsten oder zu Lasten politischer Bewerber eingesetzt werden4. Das Gericht unterscheidet damit zwischen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit und einem als unzulässig zu beurteilenden parteiergreifenden Einwirken auf den Wahlkampf. Als Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung zulässig seien nur - die Darlegung und Erläuterung der aktuellen und zukünftigen Politik, - die Erklärung unpopulärer Maßnahmen sowie - allgemeinverständliche Information über den Inhalt von Gesetzen. 1 Stand des Gutachtens ist April 2005. 2 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages – Abgeordnetengesetz, vom 18.2.1977, BGBl. I 297. Neugefasst durch Bek. v. 21.2.1996, BGBl. I 326, zuletzt geändert durch Art. 1 G v. 22.8.2005, BGBl. I 2482 i.V.m. Bek. v. 18.10.2005, BGBl. I 3007. 3 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125ff. 4 BVerfGE 44, 125, 143. - 5 - Bestätigung hat diese Rechtsprechung durch zwei Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 23.2.19835 sowie vom 26.6.20026 gefunden. In der Entscheidung aus dem Jahr 2002 kam als weiteres zulässiges Ziel der Öffentlichkeitsarbeit die Informationsversorgung und Orientierungshilfe bei Krisen und Besorgnissen der Bürger hinzu. Allen drei Entscheidungen gemeinsam ist, dass die ihnen zugrunde liegenden Sachverhalte die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung betrafen. In den Entscheidungen werden zunächst in genereller Weise verschiedene Staatsorgane betreffende Erwägungen angestellt, indem etwa festgestellt wird, die „Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften (…) sei in Grenzen nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig“ 7. Von diesem die Exekutive und Legislative erfassenden Satz ausgehend beschränkt sich das Bundesverfassungsgericht nachfolgend ausdrücklich auf die Statuierung von Regeln für die Bundesregierung8. 3. Die Übertragbarkeit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf Bundestagsfraktionen Es bedarf daher einer Begründung, warum die Grundsätze des Verfassungsgerichts auch die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen erfassen sollten. Das Gutachten stützt sich hierfür auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.5.19829, um die Übertragbarkeit der die Bundesregierung betreffenden Rechtsprechung auf Bundestagsfraktionen zu begründen. Darin heißt es unter Bezugnahme auf die verfassungsgerichtliche Leitentscheidung aus dem Jahr 197710, dass es den „Fraktionen verfassungsrechtlich verwehrt ist, ihnen als Teil eines Staatsorgans aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellte Zuschüsse zur Finanzierung des Wahlkampfes der Parteien zu verwenden“11. Das Gutachten äußert sich zur Bedeutung dieses verfassungsgerichtlichen Beschlusses mehrdeutig. Einerseits wird der „Duktus der von der Kammer gegebenen Begründung 12“ und die „ausdrückliche Inbezugnahme dieser früheren Entscheidung13“ betont, angesichts der es „als sicher gelten“ könne, dass die Kammer die Entscheidung 5 2 BvR 1765/82, BVerfGE 63, 230ff. 6 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279ff. 7 BVerfGE 44, 125, 147. 8 BVerfGE 44, 125, 149. 9 2 BvR 630/81, NVwZ 1982, 613. 10 BVerfGE 44, 125ff. 11 BVerfG, NVwZ 1982, 613. 12 Gutachten , S. 37. 13 Ebenda. - 6 - (gemeint ist die des BVerfG von 1977, Anm. d. Verf.) auf die Fraktionen übertragen wissen wollte. Andererseits heißt es, dass „an einem uneingeschränkten Übertragenmüssen der Grundsätze“ sich schon deshalb Zweifel ergeben, weil sich die Kammer hierzu nicht explizit geäußert habe14. Ferner führt das Gutachten drei landesverfassungsgerichtliche Entscheidungen15 zur Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit von Landtagsfraktionen an, um aus diesen auf eine Anwendung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf Bundestagsfraktionen zu schließen. Diese befassen sich mit den Auswirkungen von Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen auf die sie tragenden Parteien und nehmen Bezug auf die bundesverfassungsgerichtliche Leitentscheidung aus dem Jahr 1977. Anschließend setzt sich das Gutachten mit in der Literatur und Praxis verbreiteten Gegenauffassungen auseinander, strukturiert diese in verschiedene Argumentationsstränge und kommt zu dem Ergebnis, dass deren Einwände nicht zutreffend seien16. 4. Folgen für die Zulässigkeit von Öffentlichkeitsarbeit der Bundestagsfraktionen Die Übertragung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Bundesregierung auf die Parlamentsfraktionen hätte einen veränderten Kontrollmaßstab bei der Rechtmäßigkeitsprüfung durch den Bundesrechnungshof gemäß § 53 Abs. 1 AbgG17 zu Folge. Nach dieser Norm hat der Bundesrechnungshof die Befugnis, die nach § 50 Abs. 1 zur Verfügung gestellten Geld- und Sachleistungen auf ihre wirtschaftliche und ordnungsgemäße Verwendung zu überprüfen. Unter dem Tatbestandsmerkmal „ordnungsgemäß“ findet eine Rechtmäßigkeitsprüfung statt, die Anknüpfungspunkt für die grundgesetzlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben ist. Sollte also die Auslegung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung auch für die Fraktionen gelten, würde dieser rechtliche Rahmen vom Bundesrechnungshof nach § 53 Abs. 1 AbgG geprüft werden können. 14 Gutachten S. 40. 15 BremStGH, Entsch. vom 16.11.1996 – St 5/96, NVwZ-RR 1997, 329; OVG Schleswig, Urteil vom 30.9.1997 – 2 K 9/97, NordÖR 1998, 70; VerfGH Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 19.8.2002 – VGH O 3/02, DÖV 2002, 992. 16 Gutachten , S. 72ff. 17 § 53 AbgG lautet: „(1) Der Bundesrechnungshof prüft die Rechnung sowie die den Fraktionen nach § 50 Abs. 1 zur Verfügung gestellten Geld- und Sachleistungen auf ihre wirtschaftliche und ordnungsgemäße Verwendung nach Maßgabe der Ausführungsbestimmungen gemäß § 51 Abs. 1. (2) Bei der Prüfung sind die Rechtsstellung und die Aufgaben der Fraktionen zu beachten. Die politische Erforderlichkeit einer Maßnahme der Fraktionen ist nicht Gegenstand der Prüfung.“ - 7 - Das Gutachten segmentiert ausgehend von der Prämisse, das wichtigste Ziel der Fraktionen bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit müsse die Förderung der Präsenz politischer Themen in der öffentlichen Diskussion sein, den zulässigen Umfang der PR-Aktivitäten nach eigens entwickelten Abgrenzungskriterien. Diese beziehen sich teils auf die Gestaltung , teils auf den Inhalt der Maßnahmen und werden im Einzelnen näher dargestellt und mit Erläuterungen versehen18. 5. Rechtliche Analyse der Aussagen des Gutachtens Bei einer Gliederung der Kernaussagen des Gutachtens zur Öffentlichkeitsarbeit von Bundestagsfraktionen gilt es zunächst, die auf den bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen des Gutachters beruhenden Schlüsse in den Blick zu nehmen. 5.1. Die Leitentscheidung BVerfGE 44, 125ff. Unstreitig ist dabei, dass das dort als Grundsatzentscheidung genannte Urteil BVerfGE 44, 125ff. die noch immer gültigen Rahmenbedingungen für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung festlegt. Diese Entscheidung trifft zunächst Erwägungen, die in genereller Weise verschiedene Staatsorgane betreffen, indem etwa festgestellt wird, dass die „Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften (…) in Grenzen nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig“ sei19. Weiter heißt es, „in den Rahmen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit fällt, dass Regierung und gesetzgebende Körperschaften – bezogen auf ihre Organtätigkeit – der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen darlegen und erläutern“20. Auch die Bundestagsfraktionen als Teile der „gesetzgebenden Körperschaften“ müssen sich also an diesen allgemein gehaltenen Vorgaben messen lassen. Direkt nach dieser mehrere Staatsorgane betreffenden Feststellung folgt im Urteil für die Bundesregierung die Statuierung konkret ausgestalteter Regeln in einem eigenen Gliederungspunkt, die wie folgt eingeleitet werden: „Behält man die zulässigen Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften im Blick (…), so ergibt sich für die Abgrenzung zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Bun- 18 Gutachten , S. 380. 19 BVerfGE 44, 125, 147. 20 BVerfGE 44, 125, 147 unter Verweis auf BVerfGE 20, 56, 100. - 8 - desregierung von einem parteiergreifenden Einwirken auf den Wahlkampf folgendes: (…)“. Von diesem die Exekutive und Legislative erfassenden Satz ausgehend beschränkt sich das Bundesverfassungsgericht damit ausdrücklich auf die Festlegung von Regeln für die Bundesregierung21. Es kann angesichts dieser klaren Differenzierung daher keine Rede davon sein, dass „die Formulierungen (gemeint sind die Termini „Regierung und gesetzgebende Körperschaften“ einerseits und „Bundesregierung“ andererseits, Anm. d. Verf.) im Wesentlichen austauschbar sind“, wie das Gutachten behauptet22. 5.2. Der Beschluss des BVerfG vom 19.5.1982 Da die verfassungsgerichtliche Leitentscheidung die Bundestagsfraktionen nicht denselben Einschränkungen unterwirft wie die Bundesregierung, ist fraglich, ob aus anderen Entscheidungen eine solche Bindungswirkung hergeleitet werden kann. Der Versuch des Gutachtens, aus dem Kammerbeschluss vom 19.5.198223 derartige Schlüsse zu ziehen24, ist vom Bemühen um eine rechtliche Konstruktion gekennzeichnet, die nicht überzeugt. Zunächst kann die Bedeutung des Beschlusses als Aussage eines Vorprüfungsausschusses für Verfassungsbeschwerden, der in der Zusammensetzung von nur drei Richtern des Bundesverfassungsgerichts tagt, ohnehin nicht mit der Senatsentscheidung aus dem Jahr 1977 verglichen werden. Ferner stellt der Beschluss unter Bezugnahme auf die verfassungsgerichtliche Vorentscheidung lediglich fest, dass es den „Fraktionen verfassungsrechtlich verwehrt ist, ihnen als Teil eines Staatsorgans aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellte Zuschüsse zur Finanzierung des Wahlkampfes der Parteien zu verwenden“25. Dieser Wortlaut spricht indessen wie auch der Kontext weiterer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts dafür, dass sich das Gericht hinsichtlich der Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit nur zur Abgrenzung von Fraktionen zu den sie tragenden Parteien geäußert hat. Dies verkennt auch der Gutachter nicht, der diese Unterscheidung von Parteien und Fraktionen als „für die Kammer wesentlich“ kennzeichnet26. Die Bedeutung dieser gerichtlichen Aussage ergibt sich zudem aus der späteren Aufnahme in das 21 BVerfGE 44, 125, 149. 22 Gutachten , S. 31. 23 2 BvR 630/81, NVwZ 1982, 613. 24 Gutachten , S. 34ff. 25 BVerfG, NVwZ 1982, 613. 26 Gutachten , S. 36. - 9 - das Abgeordnetengesetz ändernde Fraktionsgesetz27. Dadurch hat § 50 Abs. 4 AbgG folgende Fassung gefunden: „Leistungen nach Absatz 1 dürfen die Fraktionen nur für Aufgaben verwenden, die ihnen nach dem Grundgesetz, diesem Gesetz und der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages obliegen. Eine Verwendung für Parteiaufgaben ist unzulässig.“ Daraus kann gefolgert werden, dass aus verfassungsgerichtlicher und gesetzlicher Perspektive eine Einschränkung der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit von Fraktionen dergestalt besteht, dass eine Verwendung von Mitteln, die ihnen durch die öffentliche Hand gewährt sind, für Parteiaufgaben unzulässig ist. Eine über das Verhältnis von Parteiund Fraktionsarbeit hinausgehende Bedeutung der gerichtlichen Stellungnahme ist dagegen nicht zu erkennen. 5.3. Landesgerichtliche Stellungnahmen In vergleichbarer Weise können entgegen der Annahme des Gutachtens28 den Entscheidungen der oben genannten Landesgerichte29 keine über das Verhältnis von Parteien und Fraktionen hinausgehenden Feststellungen entnommen werden. Beispielhaft seien folgende Äußerungen zitiert: Bremischer Staatsgerichtshof30: „Demzufolge ist es den Fraktionen verwehrt, Fraktionsmittel , die ihnen von der öffentlichen Hand zugeflossen sind, zur Finanzierung des Wahlkampfes der Parteien zu verwenden.“ Oberverwaltungsgericht Schleswig31: „Grundsätzlich ist ein Wahlfehler in Betracht zu ziehen, wenn der Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen der wahlwerbenden Gruppierungen dadurch verletzt ist, dass eine Fraktion die ihr gewährten staatlichen Zuschüsse zu Zwecken der Wahlwerbung verwendet.“ Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz32: „Öffentlichkeitsarbeit gehört nach Landesverfassung und Fraktionsgesetz zu den legitimen Aufgaben einer Landtagsfraktion . Soweit dafür staatliche Finanzzuschüsse eingesetzt werden, muss sie allerdings einen hinreichenden Bezug zur parlamentarischen Arbeit aufweisen und auf 27 Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (Fraktionsgesetz) vom 11. März 1994, BGBl. 1994 I S. 526. 28 Gutachten , S. 56ff. 29 Vgl. oben Fn. 15. 30 BremStGH, Entsch. vom 16.11.1996 – St 5/96, NVwZ-RR 1997. 31 OVG Schleswig, Urteil vom 30.9.1997 – 2 K 9/97, NordÖR 1998, 70, 73. 32 VerfGH Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 19.8.2002 – VGH O 3/02, DÖV 2002, 992ff., Leitsatz 3. - 10 - eine ausdrückliche, gezielte Werbung für die Partei und deren Personal verzichten .“ Soweit die Landesgerichte sich mit dem Verhältnis von Fraktions- und Parteiarbeit befassen, ergeben sich daraus keine neuen Aspekte für die vorliegende Fragestellung. Die teilweise weiterführenden Aussagen des VerfGH Rheinl.-Pfalz, auf die sich das Gutachten insbesondere stützt33, geben Anlass zur Feststellung, dass diese auf der Auslegung von Landesrecht wie dem Fraktionsgesetz Rheinl.-Pfalz34 beruhen und nicht ungesehen auf die Bundesebene übertragen werden können. Vor allem ist festzuhalten , dass das Gericht die für die Bundesregierung in der Leitentscheidung BVerfGE 44, 125ff. gezogenen Grenzen nicht auf die Landtagsfraktionen überträgt, sondern um die Erstellung eines eigenen Kriterienkatalogs bemüht ist. Auch aus diesem Urteil kann daher nicht gefolgert werden, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1977 könne direkt auf die Bundestagsfraktionen angewandt werden. 5.4. Stellungnahme zur Möglichkeit der Übertragung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf Bundestagsfraktionen Gegen die Übertragbarkeit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung von der Bundesregierung auf die Fraktionen des Deutschen Bundestages sprechen bei genauer Analyse der vom Gutachten angeführten Entscheidungen weitere Erwägungen. Die Leitentscheidung BVerfGE 44, 125ff. knüpft die für zulässig gehaltenen Öffentlichkeitsarbeitsmaßnahmen der Bundesregierung ausdrücklich an den „im Rahmen des vom Grundgesetz ihr zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiches“35. Davon ausgehend erfolgt eine Beschränkung auf die Bereiche Darlegung und Erläuterung der aktuellen und zukünftigen Politik, Erklärung unpopulärer Maßnahmen, Information über den Inhalt von Gesetzen sowie Informationsversorgung bei Krisen und Besorgnissen der Bürger. Sowohl die vom Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich ausgehende Prämisse als auch die daraus abgeleiteten Einzelpunkte verdeutlichen, dass der Rahmen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit für unterschiedliche Staatsorgane bzw. Bestandteile davon nicht einheitlich festgelegt werden kann. Bereits die in der Verfassung in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG niedergelegte Gewaltenteilung zeigt, dass die Aufgaben des Parlaments und seiner 33 Gutachten , S. 60. 34 Landesgesetz zur Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen (Fraktionsgesetz Rheinland-Pfalz) vom 21. Dezember 1993 (GVBl. S. 642), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. Februar 2004 (GVBl. S. 50), BS 1101-6. 35 BVerfGE 44, 125, 149. - 11 - Fraktionen nicht mit denen der Bundesregierung übereinstimmen. Dies gilt erst recht für die vom Bundesverfassungsgericht erarbeiteten Kriterien wie die Erklärung unpopulärer Handlungen oder Informationsversorgung in Krisenzeiten. Hierbei handelt es sich um typisch exekutive Maßnahmen, die keinen Bezug zur parlamentarischen Arbeit haben und damit für eine Übertragung nicht geeignet sind. Dies gesteht stillschweigend auch das Gutachten ein, indem es eigene Kriterien für den Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit von Bundestagsfraktionen entwickelt und damit von denen des Verfassungsgerichts abweicht36. Eine solche Vorgehensweise ist rechtspolitisch legitim, kann aber keinen Anspruch auf Verbindlichkeit begründen37. Es wird zudem erkennbar, dass der Versuch einer Strukturierung der Ordnungsmäßigkeitskontrolle der Fraktionsfinanzen hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit von dem Bemühen getragen ist, dem Bundesrechnungshof die Prüfung nach § 53 Abs. 1 AbgG anhand eines „Katalogs“ von Tatbestandsmerkmalen leichter handhabbar zu gestalten . Diese Vorgehensweise ruft in Hinblick auf die Formulierung des § 53 Abs. 2 AbgG Bedenken hervor. Demnach ist „die politische Erforderlichkeit einer Maßnahme nicht Gegenstand der Prüfung“. Entgegen der Annahme des Gutachtens ist in § 53 Abs. 2 AbgG nicht nur das Verbot für den Bundesrechnungshof zu sehen, die politischen Konzepte oder Zielsetzungen einer Fraktion sowie die politische Zweckmäßigkeit der Öffentlichkeitsarbeit zu überprüfen38. Eine solche Einmischung der Exekutive in Kernanliegen der Legislative wäre bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 20 Abs. 2 GG) unzulässig und bedürfte keiner gesonderten Normierung im Abgeordnetengesetz . Vielmehr schützt § 53 Abs. 2 AbgG davor, dass über den Umweg einer finanziellen Kontrolle des Fraktionshandelns jede Einzelmaßnahme einer Inhaltskontrolle unterworfen wird. Die vom Gutachten genannten Katalogbestandteile würden jedoch eine solche Prüfung entgegen dem Wortlaut der Norm einführen, da es Wesensbestandteil einer Prüfung des vorgeschlagenen Kriteriums „Inhalt“ ist, eben jene Beurteilung des Fraktionshandelns vorzunehmen. 36 Gutachten , S. 380ff. 37 Zumal es Zielsetzung des Rechtsgutachtens war, de lege ferenda rechtspolitische Vorschläge zu machen ; vgl. Gutachten , S. 14. 38 So aber Gutachten , S. 211. - 12 - 6. Zusammenfassende Bewertung Festzuhalten ist damit, dass aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Fraktionen des Deutschen Bundestages lediglich abgeleitet werden kann, dass sie als Teile einer gesetzgebenden Körperschaft kein „parteiergreifendes Einwirken auf den Wahlkampf“ vornehmen dürfen. Eine Übertragung der für die Bundesregierung geltenden Regeln für Öffentlichkeitsarbeitsmaßnahmen auf die Fraktionen findet in der Rechtsprechung keine Stütze. Vielmehr steht die Abgrenzung von Partei- und Fraktionsarbeit im Mittelpunkt des bei der Prüfung der Öffentlichkeitsarbeit von Fraktionen zu beachtenden Rahmens. Diese Verpflichtung ist inzwischen in § 50 Abs. 4 AbgG gesetzlich verankert worden. Die weitergehende Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, gesetzgebende Körperschaften dürften ihre Politik, Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen gegenüber der Öffentlichkeit „darlegen und erläutern39“ lässt nicht erkennen, dass damit eine ebenso enge Eingrenzung, wie gesondert für die Bundesregierung statuiert, auch für die Fraktionen gelten soll. Zudem ist in der Praxis eine nähere Ausgestaltung, wie etwa eine besondere Zurückhaltungspflicht in Wahlkampfzeiten oder die klare optische Kennzeichnung als Fraktionsund nicht Parteiwerbemittel, ohne gesetzliche Fixierung erfolgt. Weitergehende Kriterien , wie sie im Gutachten vorgeschlagen werden, finden derzeit keine rechtliche Grundlage und können nicht aus den bestehenden verfassungsgerichtlichen Entscheidungen hergeleitet werden. 39 BVerfGE 44, 125, 147 unter Verweis auf BVerfGE 20, 56, 100.