AUSARBEITUNG Thema: Zulässigkeit der Verwendung von Daten aus dem Maut-System zur Strafverfolgung Fachbereich III Verfassung und Verwaltung Tel.: Bearbeiter: Abschluss der Arbeit: 15. Dezember 2005 Reg.-Nr.: WF III - 358/05 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Zusammenfassung 3 2. Zulässigkeit der Übermittlung von Maut-Daten zum Zweck der Strafverfolgung nach dem ABMG 3 3. Zulässigkeit der Übermittlung von Maut-Daten zum Zweck der Strafverfolgung nach anderen Rechtsvorschriften 5 4. Mögliche Kollision des Datenübermittlungsausschlusses des ABMG mit anderen mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsgütern 7 5. Speicherung von Daten „auf Vorrat“ 10 - 3 - 1. Zusammenfassung Das Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen (Autobahnmautgesetz – ABMG) gewährt den Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich keinen Zugriff auf die „Maut- Daten“. Dies könnte zumindest dann auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen, wenn die Maut-Daten die einzig mögliche Ermittlungsmaßnahme zur Aufklärung eines Kapitalverbrechens wären. Dann würde sich die Frage aufwerfen, ob das ABMG verfassungskonform ausgelegt werden kann. In dem in der Presse genannten Fall sind jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Verwendung von Maut- Daten die einzig mögliche Ermittlungsmaßnahme zur Aufklärung der Straftat ist. Vielmehr muss die Pflicht des Staates zur Strafverfolgung im Gesamtzusammenhang der Strafrechtspflege gesehen werden. Daher bietet dieser Fall keinen genügenden Anlass, um die Vorschriften der §§ 4 Abs. 2 S. 5 und 7 Abs. 2 S. 3 ABMG für verfassungsrechtlich bedenklich zu halten. 2. Zulässigkeit der Übermittlung von Maut-Daten zum Zweck der Strafverfolgung nach dem ABMG Nach dem Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen (Autobahnmautgesetz – ABMG)1 werden zur Feststellung des Mautschuldners und der Mautschuld durch den Betreiber folgende Daten erhoben, verarbeitet und genutzt: 1. Höhe der entrichteten Maut, 2. Strecke, für die die Maut entrichtet wurde, 3. Ort und Zeit der Mautentrichtung, 4. bei Entrichtung der Maut vor der Benutzung mautpflichtiger Bundesautobahnen: der für die Durchführung der Fahrt zulässige Zeitraum sowie die Belegnummer, 5. Kennzeichen des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination, 6. für die Mauthöhe maßgebliche Merkmale des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination . Das Bundesamt für Güterverkehr überwacht gemäß § 7 ABMG die Einhaltung des Gesetzes durch den Betreiber und die Mautschuldner. Daneben können auch die Zollbehörden im Rahmen der zollamtlichen Überwachungsmaßnahmen die Einhaltung des ABMG überwachen. Hierzu können folgende Daten erhoben, gespeichert, genutzt und zwischen den beteiligten Behörden und dem Betreiber übermittelt werden: 1 BGBl I 2002, 1234; neugefasst durch Bek. v. 2.12.2004, BGBl I 3122. - 4 - 1. Bild des Fahrzeugs, 2. Name der Person, die das Motorfahrzeug führt, 3. Ort und Zeit der mautpflichtigen Bundesautobahnbenutzung, 4. Kennzeichen des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination, 5. für die Mauthöhe maßgebliche Merkmale des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination . Diese im Rahmen des Autobahnmautgesetzes gewonnen Daten sind personenbezogene Daten.2 Mit ihrer Hilfe könnten Bewegungsbilder der mautpflichtigen Fahrzeuge oder der Fahrzeugführer erstellt werden. Seit dem Volkszählungsurteil aus dem Jahre 1987 erkennt das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. des Datenschutzes (Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) als eigenständig an.3 Kern dieses Grundrechts ist, dass es das Recht des Einzelnen gewährleistet, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Eine Einschränkung dieses Rechts ist nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen und verhältnismäßig sein muss. Das Speichern , Verändern oder Nutzen von Daten ist grundsätzlich nur zulässig, wenn es für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. Den Zweck möglichst eng zu definieren, ist eine zwingende Folge des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Grundsatz der Zweckbindung).4 Über den Umgang mit den im Mautverfahren nach § 4 ABMG gewonnenen Daten bestimmt § 4 Abs. 2 S. 4 und 5 ABMG: „Diese Daten dürfen ausschließlich für die Zwecke dieses Gesetzes verarbeitet und genutzt werden. Eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig.“ Ergänzend bestimmt § 7 Abs. 1 S. 2 und 3 ABMG bezüglich der zum Zweck der Kontrolle erhobenen Daten: Diese Daten dürfen ausschließlich zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes verarbeitet und genutzt werden. Eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme5 dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig. 2 Nach § 3 Bundesdatenschutzgesetz sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). 3 „Volkszählungsurteil“ BVerfGE 65, 1 ff. 4 Tinnefeld, Marie-Theres/Ehmann, Eugen/Gerling, Rainer W., Einführung in das Datenschutzrecht, München 2005, S. 150. 5 Unterstreichung durch den Verfasser. - 5 - Das ABMG schließt somit weitestgehend jede Möglichkeit der Übermittlung von Maut- Daten zum Zweck der Strafverfolgung aus. Wie die Entwicklung des Gesetzes zeigt, ist dieses Ergebnis vom Gesetzgeber auch gewollt . Im Gesetz war ursprünglich nur geregelt, dass „Daten, die im Rahmen der Mauterhebung und der Kontrolle der Einhaltung der Mautpflicht erhoben bzw. übermittelt werden, (…) ausschließlich für diese Zwecke genutzt werden“ dürfen.6 Die Vorschriften wurden bereits 2004 anlässlich einer Novellierung des ABMG im Rahmen der parlamentarischen Beratungen7 konkretisiert.8 Anlass war ein Beschluss des Amtsgerichts Gummersbach9, in dem das im ABMG festgelegte Datenübermittlungsverbot im Lichte der §§ 100g, 100h StPO einschränkend auslegt wurde und durch den im Rahmen eines Diebstahls eines mit einem automatischen Mauterfassungssystem der Firma Toll Collect ausgerüsteten Container-Lkw die Beschlagnahme der gewonnenen Daten des Mautsystems angeordnet wurde. Auf Anregung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz erhielt § 4 Abs. 2 ABMG den Satz 5 und auch § 7 Abs. 2 ABMG wurde entsprechend angepasst. 10 3. Zulässigkeit der Übermittlung von Maut-Daten zum Zweck der Strafverfolgung nach anderen Rechtsvorschriften Da das ABMG keine Möglichkeit zum Zugriff auf die im Maut-Verfahren erhobenen Daten zum Zweck der Strafverfolgung bietet, ist fraglich, ob sich eine solche Befugnis nach anderen (Bundes-) Gesetzen ergeben könnte. Eine Rechtsgrundlage hierfür könnte sich insbesondere aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)11 ergeben. Danach ist die Übermittlung personenbezogener Daten zulässig, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die eine Nutzung nach § 14 BDSG zulassen würden. § 14 Abs. 1 BDSG sieht als Regel die Zweckbindung der Daten vor. Daten dürfen nur für die Zwecke gespeichert und genutzt werden, für die sie erhoben werden. Eine Übermittlung der Daten an „dritte“ Behörden ist außerhalb des Erfassungszwecks 6 Bundestagsdrucksache 14/7013, S. 1. 7 Bundestagsdrucksache 15/3819. 8 Vgl. 130. Sitzung des Deutschen Bundestages 1. Oktober 2004, PIP 15/130, Anlage 9, S. 11945 A: Äußerung der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen , Angelika Mertens. 9 AG Gummersbach, Beschluss vom 21.8.2003, 10a Gs 239/03. 10 Bundestagsdrucksache 15/3819, S. 6: „Die Änderung bezüglich der Nutzung der Daten, welche für die Erhebung der Lkw-Maut anfielen, beruhe auf einem Schreiben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Dieser habe im Hinblick auf eine Gerichtsentscheidung eine Klarstellung im Gesetz vorgeschlagen.“ 11 BGBl. I 1990, 2954, 2955. - 6 - grundsätzlich unzulässig, denn eine öffentliche Stelle, die bei der Erhebung einen bestimmten Zweck angibt, bindet sich nach Treu und Glauben selbst.12 Eine Durchbrechung der strikten Zweckbindung der Datenerhebung ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts13 im Bundesdatenschutzgesetz nur in abschließend aufgezählten Ausnahmefällen (§ 14 Abs. 2) zulässig. Die Tatbestände des Absatzes 2 sind, wenn auch in begrenztem Umfang, gesetzliche Ermächtigungen zur Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.14 In § 14 Abs. 2 Nr. 7 BDSG wird die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten als Ausnahme aufgelistet. Somit wäre eine Übermittlung von personenbezogenen Maut-Daten an die Strafverfolgungsbehörden auf der Grundlage des BDSG möglich. Allerdings schließt das ABMG als spezielleres Bundesgesetz die Anwendung des BDSG als allgemeineres Gesetz aus.15 Da das ABMG auch zeitlich später im Bereich des Datenschutzes geändert wurde,16 kann kein Zweifel daran bestehen, dass das ABMG bezüglich der Übermittlungsmöglichkeiten der durch das Maut-Verfahren gewonnenen Daten dem BDSG vorgeht.17 Ebenso ist ein Zugriff auf die Maut-Daten nach den §§ 100a ff. StPO, die Vorschriften über die Überwachung von Telekommunikation im weitesten Sinne, als auch nach der Ermittlungsgeneralklausel der §§ 161 Abs. 1 S. 1, 163 Abs. 1 S. 2 StPO ausgeschlossen. Da die StPO als ebenfalls einfaches Bundesgesetz bezüglich den einschlägigen Regelungen des ABMG nachrangig ist18 und der Gesetzgeber dies zudem bewusst ausschließen wollte, ist ein Rückgriff auf die StPO zur Beschlagnahme der Mautdaten grundsätzlich ausgeschlossen.19 Das ABMG schließt somit als spezielleres Gesetz jede Möglichkeit zum Zugriff auf die im Maut-Verfahren erhobenen Daten zum Zweck der Strafverfolgung nach den allgemeineren Normen des BDSG oder der StPO aus. 12 Simitis, Spiros, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, Baden-Baden 2003, § 14, Rn. 39. 13 „Volkszählungsurteil“; Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Band 65, S. 1 ff. 14 Simitis, Spiros, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, Baden-Baden 2003, § 14, Rn. 54. 15 Auslegungsregel „lex specialis derogat legi generali“. 16 Auslegungsregel “lex posterior derogat legi priori”. 17 Zur Anwendbarkeit verschiedener gleichrangiger Rechtsnormen im Allgemeinen z. B.: Hans Schneider, Gesetzgebung, Heidelberg 2002, Rn. 647. 18 Die StPO ist als einfaches Bundesgesetz zweifellos eine „andere Rechtsvorschrift“ im Sinne der §§ 4, 7 ABMG. 19 So Abg. Horst Friedrich (Bayreuth) am 1. Oktober 2004 vor dem Deutschen Bundestag; Plenarprotokoll der 130. Sitzung der 15. WP, S. 11944. - 7 - 4. Mögliche Kollision des Datenübermittlungsausschlusses des ABMG mit andern mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsgütern Das festgestellte gesetzliche Verbot nach dem ABMG zur Übermittlung von Maut- Daten auch zum Zweck der Strafverfolgung begegnet zunächst keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es besteht insbesondere kein Zweifel daran, dass der Bundesgesetzgeber befugt ist, die Verwendung von auf der Grundlage eines Bundesgesetzes erhobener Daten zu regeln. Diese Regelung kann bis zu einem vollständigen Ausschluss der Nutzung von Daten zu anderen als den der Datenerhebung zugrunde liegenden Zwecken führen. Da es sich bei den im Mautverfahren erhobenen Daten - zumindest auch – um personenbezogene Daten20 handelt, die zwangsweise erhoben werden, muss der Gesetzgeber deren Verwendungszweck bereichspezifisch und präzise bestimmen.21 Die Verwendung der Daten ist dann zulässigerweise auf den im Gesetz bestimmten Zweck beschränkt. Dies ist insoweit auch verfassungsrechtlich geboten, als dass die im Mautgesetz vorgenommene Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nur dann zulässig ist, wenn es Regelungen über die Verwendung und den Schutz der Daten gibt.22 Der Ausschluss der Übermittlung von Maut-Daten auch zum Zweck der Strafverfolgung im ABMG ist jedoch in letzter Zeit in der Öffentlichkeit auf Kritik gestoßen, da Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen einen LKW-Fahrer, der sein Fahrzeug als Tatwaffe zur Tötung eines Menschen eingesetzt hatte, nicht unter Verwendung der Maut-Daten geschehen konnten.23 Dieser Fall zeigt, dass das umfassende Datenübermittlungsverbot des ABMG zumindest dann auf Bedenken stößt, wenn in besonderen Einzelfällen ein LKW nicht als Transportmittel, wie im ABMG vorausgesetzt, sondern als Tatwaffe in einem Tötungsdelikt eingesetzt wird, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Mautdatenerhebung steht. Eine solche Verwendung eines LKW ist nicht der im ABMG vorausgesetzte Fall, so dass sich die Frage stellt, ob das Datenübermittlungsverbot dieses Gesetzes in solchen Fällen von seinem Sinn und Zweck gedeckt sein kann. Das durch die §§ 4 und 7 ABMG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung des am Mautverfahren beteiligten LKW-Fahrers24 und des Spediteurs ist durch das Grundgesetz selbst nicht schrankenlos gewährt. Der Einzelne hat nicht ein Recht im 20 Feststellung des Halters und des Fahrers gem. § 7 Abs. 2 ABMG. 21 BVerfGE 65, 1, 46. 22 Zum Spannungsverhältnis vgl. statt aller: Tinnefeld, Marie-Theres/Ehmann, Eugen/Gerling, Rainer W., Einführung in das Datenschutzrecht, München 2005, S. 147. 23 Onlineartikel im Stern vom 28.11.2005: http://www.stern.de/politik/deutschland/:Maut-Daten- Fahndung-SPD. 24 Hier ist auch an die Rechte etwaiger Mitfahrer zu denken, die im Rahmen der Führerhausfotografien als „Zufallsfund“ ebenfalls festgestellt werden können. - 8 - Sinne einer absoluten, uneingeschränkten Herrschaft über „seine“ Daten.25 Vielmehr ist der Umfang des Schutzes das Ergebnis der Abwägung zwischen einer Einschränkung des Rechts auf informationeller Selbstbestimmung und dem Allgemeininteresse durch den Gesetzgeber.26 Durch veränderte Umstände kann der Gesetzgeber zur Nachbesserung einer ursprünglich verfassungsgemäßen Regelung gehalten sein.27 Hier könnte sich eine Pflicht des Gesetzgebers zur Änderung der strikten Datenschutzbestimmungen des ABMG aus dem Rechtsstaatsprinzip, einem elementaren Verfassungsgrundsatz und eine zentrale Grundentscheidung des Grundgesetzes,28 ergeben. Die Pflicht des Staates zur Strafverfolgung (Legalitätsprinzip) findet ihre strafprozessuale Ausgestaltung insbesondere in § 152 Abs. 2 StPO (Erforschungspflicht oder Verfolgungszwang ).29 Sie findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage im Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG) sowie dem allgemeinen Gleichheitssatz (Willkürverbot ). Hiernach wäre der Gesetzgeber verpflichtet, zumindest bei schweren Straftaten alle im öffentlichen Gewahrsam befindlichen Daten den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung zu stellen. Fraglich ist somit, ob ein absoluter Ausschluss der Datenübermittlung aus dem Mautverfahren zu Strafverfolgungszwecken durch das ABMG der Schutzpflicht des Staates für seine Bürger genügt. Allerdings ist der Gesetzgeber zur Ausgestaltung und Beschneidung des Legalitätsgrundsatzes berechtigt oder aus ebenfalls rechtsstaatlich gebotenen Gründen30 sogar gezwungen. In Kenntnis dieser Problematik31 hat der Gesetzgeber eine Übermittlung „dieser [Maut-]32 Daten nach anderen Rechtsvorschriften33“ durch den Wortlaut der §§ 4 und 7 ABMG ausgeschlossen. Die Einfügung der §§ 4 Abs. 2 S. 5 und 7 Abs. 2 S. 3 ABMG im Rahmen der Beratungen des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages ist wie folgt begründet:34 „Nummer 1 Buchstabe c und d dient der Klarstellung, dass die im ABMG enthaltenen Regelungen über die Verwendung der beim Betrieb des Maut- 25 BVerfGE 65, 1, 45 f. 26 BVerfGE 65, 1, 46. 27 BVerfGE 65, 1, 56. 28 Allg. Meinung und ständige Rechtsprechung; vgl. nur Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts , Band 6, S. 4 ff. 29 Schoreit, Armin, Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, Pfeiffer, Gerd (Hrsg.), München 2003, § 152, Rn. 13. 30 Hier ist als Beispiel die Sicherung des Rechtsfriedens durch die strafrechtliche Verjährung zu nennen . 31 s. o. Kapitel 3. 32 Einfügung durch den Verfasser. 33 Die StPO ist als einfaches Bundesgesetz zweifellos eine „andere Rechtsvorschrift“ im Sinne der §§ 4, 7 ABMG. 34 Drucksache 15/3819, S. 7. - 9 - systems und bei der Kontrolle der Mautschuldner erhobenen Daten andere bereichsspezifische Verwendungsbefugnisse ausschließen.“ Der Gesetzgeber hat somit die Verwendung der im Mautverfahren gewonnenen Daten „bereichsspezifisch und präzise“35 bestimmt. Insbesondere sollen die Maut-Daten nur zu „bereichsspezifischen Verwendungen“, also Verwendungen die mit der Mauterhebung unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen, genutzt werden können. Die Verwendung von Maut-Daten zu Zwecken der Strafverfolgung ist durch das ABMG ausgeschlossen. Dies könnte zumindest dann auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen, wenn die Maut-Daten die einzig mögliche Ermittlungsmaßnahme zur Aufklärung eines Kapitalverbrechens wäre. In diesem Fall wäre der Ausschluss der Datenübermittlung aus dem Mautverfahren zu Strafverfolgungszwecken durch das ABMG bezüglich der Schutzpflicht des Staates für seine Bürger bedenklich. Dann würde sich die Frage aufwerfen, ob das ABMG verfassungskonform ausgelegt werden kann. Zwar ist eine Norm nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut , die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese geboten.36 Doch findet jede verfassungskonforme Auslegung ihre Grenze dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde.37 In dem in der Presse genannten Fall sind jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Verwendung von Maut-Daten die einzig mögliche Ermittlungsmaßnahme zur Aufklärung der Straftat ist. Vielmehr muss die Pflicht des Staates zur Strafverfolgung im Gesamtzusammenhang der Strafrechtspflege gesehen werden. Daher bietet dieser Fall keinen genügenden Anlass, um die Vorschriften der §§ 4 Abs. 2 S. 5 und 7 Abs. 2 S. 3 ABMG für verfassungsrechtlich bedenklich zu halten. Doch berücksichtigt die jetzige Formulierung des ABMG die aufgezeigte Problemlage des Grundrechtsschutzes durch Strafverfolgung nicht ausreichend. Es wäre daher de lege ferenda zu überlegen, ob die datenschutzrechtlichen Bestimmungen im ABMG im Rahmen einer weiteren Klarstellung den im allgemeinen Datenschutzrecht (BDSG) geltenden Einschränkungen angepasst werden sollten. Dann wären allerdings die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes grundsätzlich zu beachten, da die ausnahmsweise 35 BVerfGE 65, 1, 46. 36 BVerfGE 69, 1, 55. 37 Ständige Rechtsprechung seit: Entscheidungen des Reichsgerichts, Band 18, S. 111. - 10 - Nichtanwendbarkeit der datenschutzrechtlichen Normen des ABMG zu einem „Wiederaufleben “ der generellen Datenschutzregelungen des BDSG führen würde. 5. Speicherung von Daten „auf Vorrat“ Das ABMG zwingt den Mautpflichtigen zur Angabe personenbezogener Daten. Dies setzt - wie oben bereits ausgeführt38 - voraus, dass der Gesetzgeber den Verwendungszweck bereichsspezifisch und präzise bestimmt, und dass die Angaben für den Zweck geeignet und erforderlich sind. Mit diesen Erfordernissen, die das ABMG unstreitig einhält, wäre die Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken nicht zu vereinbaren.39 Diesen Grundsätzen trägt das ABMG Rechnung, in dem es im Regelfall eine unverzügliche Löschung der Daten vorsieht (§ 9 ABMG). Zum Beispiel im Fall eines nicht fristgerecht gestellten Mauterstattungsverlangens, als auch nach Abschluss des fristgerechten Verfahrens (§ 9 Abs. 1 ABMG). Die Möglichkeit zur längerfristigen Speicherung der Daten ist in § 9 Abs. 2, 4 ABMG vorgesehen. Eine drei- bis sechsjährige Speicherung der Daten ist unter anderem zum Zweck des Betriebs oder zu Kontrollzwecken möglich. In anonymisierter Form ist eine Verwendung zur Erstellung einer Geschäftsstatistik vorgesehen (§ 9 Abs. 6 ABMG). 38 Siehe Kapitel 4. 39 BVerfGE 65, 1, 46.